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Vollgepackt und mit Verspätung in den schönsten Mann der Welt zu rennen, passiert doch nur im klischeebehafteten Schnulzenfilm. Doch das der Typ Neyla dann Kleine nennt, ist der Dämpfer des Jahrtausends. Sie denkt sich nichts weiter und eilt zu ihrem Termin, den sie auf den letzten Drücker doch noch schafft. Erfolgreich ihr Bewerbungsgespräch hinter sich gebracht, begegnet sie noch einmal Mister im-Weg-Steher und ihr wird bewusst, dass sie mit ihm Zusammenarbeiten muss, damit ihr der Job als Fotografin für immer und nicht nur für eine Testwoche auf sicher ist. Neyla stellt sich auf alles ein. Arroganz, Oberflächlichkeit oder Ignoranz. Aber ganz sicher rechnet sie nicht mit überschwappenden Hormonen und Gefühlen. Zwischen schnellen Autos, Burgruinen, eiskalten Gewässern, Dreck und einem teilweise frisch renovierten Landsitz versucht sie, sich ihren Gefühlen klar zu werden, das mysteriöse Seelenleben von ihrer Kollegin und ihrem Stripper zu entknoten und gleichzeitig die Vergangenheit nicht ihre Zukunft versauen zu lassen.
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Seitenzahl: 461
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Coline Weidmar wuchs in einem kleinen unscheinbaren Dorf in der Schweiz auf. Sie konnte es als kleines Kind kaum erwarten, die magischen Buchstaben zu erlernen, die ihr die Tür zur Welt der Fantasie öffnete.
Kaum lesen gelernt, verschlang sie ein Buch nach dem anderen und tauchte nebenbei in eigene geheime Fantasien ab, die sich durch ihre Gehirnwindungen schlichen. Im alter von 11 Jahren begann sie alles aufzuschreiben, was ihr durch den Kopf spukte und tut dies bis heute noch.
Dieses Buch enthält Charaktere aus dem Roman: Bad Behavior - aller Anfang ist heiß von Evolet Roth
Kapitel 1
1.1 Neyla
1.2 Mike
1.3 Neyla
Kapitel 2
2.1 Neyla
2.2 Mike
Kapitel 3
3.1 Neyla
3.2 Mike
Kapitel 4
4.1 Neyla
4.2 Mike
Kapitel 5
5.1 Neyla
5.2 Mike
Kapitel 6
6.1 Neyla
6.2 Mike
6.3 Neyla
Kapitel 7
7.1 Mike
7.2 Neyla
Kapitel 8
8.1 Neyla
8.2 Mike
8.3 Neyla
8.4 Mike
8.5 Neyla
Kapitel 9
9.1 Mike
9.2 Neyla
9.3 Mike
9.4 Neyla
Kapitel 10
10.1 Mike
10.2 Neyla
10.3 Mike
10.4 Eve & Neyla
10.5 Eve
10.6 Mike
10.7 Neyla
10.8 Eve
10.9 Mike
10.10 Eve
Kapitel 11
11.1 Neyla
11.2 Eve
11.3 Mike
Kapitel 12
12.1 Neyla
12.2 Jeff
12.3 Mike
12.4 Neyla
Kapitel 13
13.1 Neyla
13.2 Eve
13.3 Ryan
13.4 Mike
13.5 Neyla
Kapitel 14
14.1 Ryan
14.2 Eve
Kapitel 15
15.1 Jeff
15.2 Neyla
15.3 Eve
15.4 Neyla
15.5 Charlie
15.6 Neyla
15.7 Charlie
15.8 Neyla
Kapitel 16
16.1 Neyla
16.2 Jeff
16.3 Mike
16.4 Neyla
16.5 Jeff
16.6 Neyla
Kapitel 17
17.1 Neyla
17.2 Jeff
17.3 Neyla
17.4 Eve
17.5 Ryan
Kapitel 18
18.1 Jeff
18.2 Mike
18.3 Eve
18.4 Ryan
18.5 Neyla
18.6 Mike
Kapitel 19
19.1 Neyla & Mike
Epilog
„Verdammte Scheiße!“, fluchte die Schwarzhaarige leise vor sich hin, als sie um die Ecke jagte und mit einem Mann zusammenstieß. Sie war sowieso schon spät dran und jetzt musste auch noch dieser muskelbepackte 1.72 Typ in sie rein rennen und ihr Portfolio auf den Boden schmeißen. Die Abzüge in der Mappe waren herausgerutscht und verteilten sich auf dem Teppich.
„Sorry Kleine, das war keine Absicht.“, entschuldigte sich der junge Mann und sah sie eingehend mit seinen braungrünen Augen an. Entnervt musterte Neyla den Braunhaarigen kurz. Das schwarze Hemd mit den hochgekrempelten Ärmeln lag perfekt an seinem Körper und zeichnete die Wölbungen seiner Muskeln darunter ab. Ein Wunder, dass die Knöpfe nicht gleich absprangen, als er sich herunterbeugte.
„Nenn mich nicht ‚Kleine‘.“, zischte sie, bückte sich und sammelte die Fotos zusammen. Der Typ wollte ihr dabei helfen, wurde jedoch mit einer abdankenden Geste von ihr, zurückgewiesen. „Lass es einfach!“
Ihre Absage ignorierend, hob er die zwei letzten Bilder auf. „Mike. Hier bitte.“, sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen und streckte ihr die Abzüge entgegen. Verächtlich sah Neyla den jungen Mann an, entriss ihm die beiden Bögen und marschierte mit einem Augenrollen davon.
Was bildete sich dieser arrogante Schnösel eigentlich ein?! Dachte er ernsthaft, er könnte sie anrempeln und dann mit einem charmanten Lächeln und einer Entschuldigung abtun? Bei einer Anderen zog diese Masche vielleicht. Aber nicht bei ihr, oh nein! Besonders heute nicht.
Neyla war auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch. Sie hatte einige Fotokurse für Modelfotografie belegt, um an eine Stelle wie diese heran zu kommen. Sie hatte die Schnauze gestrichen voll von ihrem alten Job und wollte endlich etwas machen, was sie erfüllte.
Vor dem Büro der Geschäftsführerin ordnete Neyla mit eiligen Handgriffen die Fotos in der Mappe neu, die durcheinandergeraten waren. Dann richtete sie schnell ihre leicht gelockten Haare, prüfte, ob ihr Make-Up sass, und klopfte behutsam an die massive Eichentüre.
Eine feste Frauenstimme erklang dahinter und bedeutete ihr, einzutreten. Vorsichtig öffnete Neyla die Türe, schlüpfte durch den Spalt und schloss sie wieder hinter sich. Verkrampft trottete sie auf den Tisch zu, der sich vor einer Fensterfront befand.
„Guten Morgen, Miss Western. Ich bin Neyla Wyler, wir haben gestern miteinander telefoniert.“, stellte sie sich piepsend vor und streckte der Frau hinter dem Schreibtisch die Hand entgegen. Etwas skeptisch lugte die Dame mittleren Alters, über ihren Brillenrand und musterte die junge Schwarzhaarige eingehend. Ihre Strenge verwandelte sich in ein weiches lächeln, ignorierte jedoch die höfliche Floskel.
„Miss Wyler, bitte setzten sie sich doch.“ Mit einer kleinen Geste deutete Miss Western auf den leeren Stuhl, der vor ihrem Tisch stand. Verunsichert zog Neyla ihre Hand zurück und setzte sich mit einem dankbaren Nicken. „Hier ist mein Portfolio, dass sie sehen wollten.“ Ihre Hand zitterte etwas, als sie ihr die Mappe reichte.
Schweigend nahm die ältere Frau das Portfolio entgegen und musterte sie dabei noch einmal eingehend. Ihre forschenden Blicke verunsicherten Neyla. Miss Western löste ihre braunen Augen von ihr und blätterte konzentriert die Abzüge durch. Sie schien die kleinsten Details in sich aufzunehmen und verweilte bei jedem einzelnen Foto einen Moment.
„Hat es einen bestimmten Grund, dass sie nur Frauen Fotografiert haben?“, fragte sie, ohne aufzuschauen. „Ich hatte leider kein männliches Model zur Verfügung, dass ist alles.“ „Sie sagten, sie haben keine Erfahrung auf dieser Branche. Sie fangen diese Menschen auf sehr natürliche weise ein, dass gefällt mir.“ Nervös lächelnd senkte Neyla kurz ihren Blick. „Danke, es freut mich das zu hören. Da mir kein Studio zur verfügung stand, habe ich meine Models in der Natur in Szene gesetzt und versucht die verschiedenen Einflüsse möglichst gut einzubinden.“ „Wir Arbeiten hier sehr häufig in unseren Studios. Aber wie sie aus dem Inserat wissen, will ich das Magazin wieder mehr auf Außenbereiche ausbreiten.“
Miss Western machte eine lange Pause, hob den Kopf und sah ihr gegenüber eindringlich an. Neyla war sich nicht sicher, ob sie auf eine Antwort von ihr wartete und stotterte: „Ja... Darum habe ich mich bei ihnen gemeldet. Ich habe schon in meiner Jugend gerne Menschen in der Natur fotografiert. Damals fehlte es mir nur leider am richtigen Equipment. Ich lasse die Models auch gerne selber Posieren, damit sie möglichst natürlich wirken.“
Wieder schwieg Miss Western und widmete sich erneut den Abzügen. Sie war offenbar eine sehr nachdenkliche Frau. Nach einer Weile brach sie die Stille und schaute Neyla an: „Ihr Ansatz gefällt mir, Miss Wyler. Wissen sie, ich habe auch klein angefangen. Ich wollte etwas Neues ausprobieren, ohne Erfahrung, und sehen sie, was aus mir geworden ist. Ich möchte ihnen dieselbe Chance geben. Sie werden nächsten Monat eine Probewoche absolvieren, wenn das für sie passt. Und ich gebe ihnen ein neues Projekt. Beweisen sie sich bei mir und der Job ist ihnen sicher. Was sagen sie dazu, Miss Wyler?“
Neyla stockte der Atem. Ungläubig sah sie die Brünette auf der anderen Seite des Tisches an. Sie rang um ihre Fassung und antwortete hastig: „Ja! Ja, auf jeden Fall! Ich danke ihnen!“
Lächelnd verstaute Miss Western die Fotos wieder in der Mappe. „Wenn es ihnen nichts ausmacht behalte ich die bei mir. Bereiten sie sich doch bitte bis am Montag 27.04. auf alles vor. Unser Equipment steht ihnen zur freien Verfügung. Dazu gehört auch ein Firmenwagen. Ich schicke ihnen alle Informationen per Mail zu. Sie werden Mike als Model haben. Ein charmanter junger Mann, sie werden sich bestimmt gut mit ihm verstehen.“
Bei diesem Namen zuckte Neyla unmerklich zusammen. Ausgerechnet der Typ, mit dem sie vorhin auf dem Flur zusammengestoßen war? Vielleicht gab es ja noch einen anderen Mike, hoffte sie.
„Das hört sich toll an. Ich freue mich jetzt schon darauf. Vielen dank noch mal für diese riesige Chance. Ich werde sie nicht enttäuschen, Miss Western.“, bedankte sich Neyla noch einmal und reichte der Älteren die Hand. Jetzt griff Miss Western danach und nickte ihr zu. „Wir sehen uns nächsten Monat. Einen schönen Tag, Miss Wyler.“ Damit verabschiedeten sich die beiden Frauen.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht schloss Neyla die Tür hinter sich und marschierte den Flur entlang, zurück zum Aufzug. Sie war schon gespannt, in welche Richtung das Projekt sie stoßen würde. Einzig die Tatsache mit diesem Mike zu Arbeiten versetzte sie in Unmut.
„Hey Kleine!“ Abrupt wurde Neyla von ihrem Aufschwung herunter geholt. Weiter vorne im Gang stand das Model und winkte ihr zu. Erst jetzt musterte sie ihn eingehend. Er trug eine schwarze enge Jeans, braune Naturlederstiefel und das schwarze Hemd hatte er gegen ein weisses Shirt getauscht, das sein Sixpack abzeichnete. Die kurzen dunkelbraunen Haare waren mit Gel aufgestellt und ein kurzgeschorener Bart rahmte sein schmales kantiges Gesicht ein.
Wie schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er sein breites charmantes Lächeln aufgesetzt. „Entschuldige nochmal das Unglück von vorhin.“, die sanfte Stimme mit dem leicht rauen Unterton, unterstrich sein Aussehen. „Kein Thema, Junge. Vergeben und vergessen.“, grinste Neyla und schritt, ohne ihn weiter zu beachten, an ihm vorbei. „Autsch! Das hab ich wohl verdient, was? Wenn du mir deinen Namen verrätst, werde ich dich nie wieder ‚Kleine‘ nennen.“, versprach er spielerisch gekränkt und sah der jungen Frau hinterher. „Nenn mich Nel und freu dich auf nächsten Monat, oder auch nicht.“ Mit einer abwinkenden Geste verschwand sie hinter der Biegung und ließ Mike stehen.
Verdutzt starrte Mike den Gang hinunter und sah zu, wie die junge Frau hinter der Biegung verschwand. Warum sollte er sich auf den nächsten Monat freuen?! Kopfschüttelnd und grinsend drückte er die Klinke der Garderobentür herunter. Kaum war er bei seinem Spint angelangt, surrte sein Handy im Inneren, welches er wie immer auf die oberste Ablage gelegt hatte.
Mike öffnete den Spint und nahm das Smartphone heraus. Mary, seine Chefin, hatte ihm eine Nachricht geschickt.
- ‚Gratulation Mike, du wirst am 27.04. mit unserer, hoffentlich neuen Fotografin, arbeiten. Zieh dich warm an, sei nett zu ihr und tu, was sie dir sagt. Ich werde ihr deine Kontaktdaten zusenden.
Mit freundlichen Grüßen, dein Boss‘ -
„Fuck, echt jetzt?!“, lachte Mike auf und grinste von einer Backe zur anderen. Sein Herz überschlug sich einen Moment. Diese Neyla schaffte es gerade, ihn aus der Fassung zu bringen.
„Alles klar bei dir, Kumpel?“, erklang eine raue kehlige Stimme hinter ihm. Ein hochgewachsener muskulöser Kerl, mit blondem Haar und blauen Augen, stand neben ihm und klopfte hart auf seine Schulter. „Hey Jeff, so wies aussieht kriegen wir eine neue Fotografin und Mary will mich nächsten Monat gleich mit ihr Arbeiten lassen.“ Das Grinsen wich keinen Millimeter von seinem Gesicht.
„Die Kleine die hier vorhin rausgeschneit ist?“, fragte Jeff, während er sich ein neues Shirt überstreifte. „Jap!“ „Na dann viel spaß. Du bist hier wohl der umgänglichste für Frischfleisch.“ „Ach halt die Klappe. Du bist doch nur neidisch, dass sie nicht dich wollte.“, scherzte Mike und schmiss seinem Freund das dreckige Shirt entgegen. „Oh nein, Kumpel. Mary weiß, dass ich der Kleinen nur den Kopf verdrehen würde. Aber so wies aussieht, verdreht sie dir deinen. Geh dich unter der Dusche abkühlen, dein Grinsen ist echt unheimlich.“ Lachend verabschiedete sich Jeff wieder und schlenderte aus der Garderobe.
Scheiße, war es ernsthaft so schlimm?! Ihn hatte lange nichts mehr aus der Bahn geworfen, schon gar keine Frau. Seufzend fuhr sich Mike durch die gegelten Haare, verstaute sein Handy wieder im Spint und machte sich auf den Weg zu seinem nächsten Shooting.
Endlich war das letzte Shooting für heute durch. Jetzt hatte er wirklich eine Abkühlung nötig. Das Scheinwerferlicht und die stickige Luft im Studio hatten ihn ziemlich aufgeheizt und die Tatsache, in vier Wochen auf Neuland zu stoßen, machte ihn ebenfalls hibbelig. Mike brauchte jetzt dringend eine kalte Dusche, wie es ihm Jeff empfohlen hatte.
Lauwarmes Wasser rieselte aus dem Duschkopf auf seine nackte Haut. Mit der rechten Hand streifte er seine durchnässten Haare nach hinten und stützte sich dann an der Wand ab, um das erfrischende Nass über seinen Körper rinnen zu lassen.
Mike wusste nicht, wie lange er schon unter der Dusche stand. Offenbar lange genug, dass auch Jeff’s Shootings vorbei waren. An den Schritten erkannte er, dass der Blonde in den Umkleideraum kam und sich auszog.
„Alles klar bei dir, Kumpel?“, fragte Jeff und blieb vor seiner Duschkabine stehen. „Ja, danke. War ein langer Tag.“, erwiderte Mike. Tief durchatmend drehte er den Wasserhahn zu und streifte sich mit den Handflächen das nasse Gesicht ab. „Ein langer Tag? Du hattest schon schlimmere. Was ist denn mit dir los?“, lachte Jeff und rüttelte an der Kabinentüre. „Halt die klappe, Blondchen.“ Etwas genervt kam Mike aus der Dusche und schubste seinen Freund sanft zur Seite.
„Hey, Alter! Schon okay, ich lass dich in Ruhe. Du weißt wo du mich findest, wenn du reden willst.“ Mit einem besorgten Blick verschwand Jeff in der Kabine und drehte das Wasser auf. „Sorry. Es ist alles in Ordnung.“, rief Mike entschuldigend, trocknete sich ab und zog schnell seine Kleider an, um endlich nach Hause zu kommen.
Die ganze Heimfahrt versuchte Mike herauszufinden, wann ihm eine Frau das letzte Mal die kalte Schulter gezeigt hatte.
Wahrscheinlich in der Grundschule, als er ein knochiger kleiner Junge war. Gehänselt von den anderen Schülern, wegen seiner Spange und der Brille, die er trug. Zwar machte er mit seinem besten Freund John und Jeff immer Blödsinn, doch das änderte nichts an seiner Unbeliebtheit.
John, der Frauenschwarm schlechthin beschützte ihn zwar, aber das verschlimmerte das Ganze eher noch. In der Oberstufe hatte er die Faxen endgültig Dicke und fing an, Kampftanzsport zu betreiben. Das zusätzliche Muskeltraining mit John erledigte den Rest.
Nach ein paar Monaten war keiner von den großkotzigen Jungs mehr daran interessiert, ihn an die Wand zu drücken und ihm sein Pausenbrot oder Taschengeld abzuknöpfen. Sie warfen ihm nur noch von weitem verächtliche Blicke zu. Und von da an liefen ihm die Weiber in scharen hinterher. Der kleine schmächtige Junge wurde zu einem muskelbepackten Teenager, der mit einem gekonnten Augenaufschlag, jedes Mädchen zum Schmelzen brachte.
Traurig, dass eine solche Veränderung nötig war, um sich den nötigen Respekt und die Aufmerksamkeit der Frauenwelt, zu verschaffen. Von da an stand ihm frei, mit welchem Mädchen er sich herum schlagen wollte. Doch keine von ihnen war ehrlich an ihm als Mensch interessiert. Er wusste, dass es den meisten nur um seinen stahlharten Körper ging und denen die ihm das deutlich machten, zeigte er mit größtem Vergnügen, die kalte Schulter.
Gedankenverloren erreichte Mike seine Wohnung, wo er sich auf die Couch schmiss. Seufzend nahm er das Buch vom Wohnzimmertisch, das er kürzlich angefangen hatte zu lesen, um sich von seinen Erinnerungen daran, wie grausam oberflächlich die Welt doch war, abzulenken. Doch so richtig gelingen, wollt es ihm nicht. Zwar verschwammen die Erinnerungen an seine Jugend, aber dafür tauchte das Gesicht der Schwarzhaarigen in seinem inneren Auge auf, die ihn erneut abblitzen ließ. Nicht dass es seine Absicht war, sie anzubaggern. Aber ihre Reaktion, auf seine Entschuldigung, erstaunte ihn.
Normalerweise blickten die Frauen, errötet zu Boden und nestelten nervös an ihren Kleidern herum. Oder sie brachten keinen normalen Satz heraus. Aber sie, sie fauchte ihn an und marschierte beim zweiten Mal, auch noch mit hoch erhobenem Haupt, an ihm vorbei, als wäre er ein arroganter Schnösel, der es verdient hatte, wie Luft behandelt zu werden.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht drehte Neyla die Anlage in ihrem Auto auf und sang lautstark mit. Sie musste zu ihrer besten Freundin und ihr dringen erzählen, wie ihr Gespräch in der Agentur war.
Staubwolken stoben hinter ihr auf, als sie viel zu schnell die Seitenstraße, zu dem abgelegenen Haus, entlang fuhr. Knirschend kamen die Reifen auf dem Kiesplatz zum Stehen. Eve musste sie schon gehört haben, denn sie stand kopfschüttelnd auf der Veranda und grinste ihr entgegen.
Okay, zugegeben, sie hatte es mit der Musik wirklich übertrieben und der Bass war wahrscheinlich schon von der Hauptstraße her zu hören, ganz abgesehen von dem Knurren ihres Auspuffs. Mit einem breiten lächeln im Gesicht, stieg Neyla aus dem Wagen und schwebte förmlich über die kleinen Steine und die Verandastufen hinauf. Bei ihrer Freundin angekommen drückte sie diese überschwänglich an sich, wohl wissend, dass Eve solche Gesten hasste.
„Ich schließe aus deinem Verhalten jetzt einfach mal, dass es super gelaufen ist.“, riet die Blonde, die sich sanft aus der Umarmung wand, um nicht unhöflich zu wirken. „Ich kann in der ersten Maiwoche Probeshootings machen. Eve, wenn ich da reinkomme... Keine Ahnung. Das wäre einfach ein Traum.“ Neyla’s Stimme piepste vor Aufregung. „Und wer ist dein Model?“ „Ein gewisser Mike. Dieser Blödmann ist vor meinem Gespräch, in mich reingerannt und hat mein ganzes Portfolio auf dem Flur verteilt.“ Neyla fauchte schon fast und verdrehte dabei die Augen.
Eve kicherte und schüttelte wieder den Kopf. Sie wusste genau, wie ungehalten sie sein konnte, wenn sie gestresst war. „Bestimmt hast du ihn zum Teufel gejagt, obwohl du ihn total heiß findest und morgen schon gehst du mit ihm aus.“ Ihre Freundin kannte sie einfach zu gut, aber mit ihm ausgehen, nein danke! Eine Verabredung kam für sie nur rein geschäftlich in Frage. Beschwerend verschränkte Neyla die Arme vor der Brust und verzog entrüstet den Mund. „Ich gehe bestimmt nicht mit diesem Proleten aus. Du weißt wie diese Typen sind. Die taugen nur vor der Kamera was. Ich mache höchstens eine Vorbesprechung mit ihm.“
Mit anhaltendem Grinsen, tapste Eve zu ihrer Haustüre und stieß sie mit der Schulter auf, um dann im Inneren zu verschwinden. Neyla folgte ihr. Ihre Freundin wollte wie immer jedes kleinste Detail wissen.
Klirrend landete Neyla’s Schlüsselbund auf dem kleinen Möbel, neben der Haustüre. Sie war erfüllt von einem Hochgefühl. Diese Stelle war genau das, was die junge Frau brauchte. Eine neue Herausforderung, die ihr Leben in Schwung brachte. Endlich hatte sie seit langem wieder das Gefühl, von Selbstbewusstsein. Und diesen Mike etwas auszubremsen, hatte sich richtig spitze angefühlt. Eigentlich war er verdammt heiß, aber Neyla kannte die Sorte Männer. Diese Typen dachten, ihnen gehört die Welt und sie könnten jede Frau, um den kleinen Finger wickeln. Sie würde sich davor hüten, dem muskulösen Braunhaarigen in die Falle zu tappen.
Schnaubend ließ sich Neyla auf die Couch plumpsen. Sie wollte auf dem Laptop noch schnell ihre Mails durchgehen, bevor sie unter die Dusche hüpfte. Kaum hatte sie die App geöffnet, ploppte auch schon eine Nachricht von Miss Western auf.
- ‚Guten Tag Miss Wyler
Wir treffen uns am 27.04.2020 Montag, um 8.00 in der Lobby. Ich werde ihnen dort alles zeigen und die Schlüssel für den Firmenwagen aushändigen. Ihr privates Auto können sie in der Garage abstellen. Ich habe sie bei der Rezeption angemeldet. Melden sie sich über die Gegensprechanlage.
Das Thema für ihre erste Woche: ‚Keep It Natural‘. Die Shootings werden im Freien stattfinden. Die Wahl der Location steht ihnen frei.
Ich freue mich auf ihre Ergebnisse.
Im Anhang finden sie ein Paar Fotos und die Kontaktdaten von Mikail Mullen, ihrem Model. Setzen sie sich doch bitte im Vorfeld mit ihm in Verbindung.
Mit freundlichen Grüßen
Mary Western‘ -
Schmunzelnd las Neyla die Nachricht ein zweites Mal durch und öffnete die angehängten Bilder. Mike posierte in verschiedenen Kostümen. Als, Polizist, Pilot, mit Militärkluft, in Badehosen am Pool. Mit nassen Haaren und Brust, angezogen und oben ohne, lächelnd und ernst blickend, sexy und cool. Ihr wurde beinahe heiß, beim Betrachten der Abzüge.
Das war ihr Stichwort. Sie hatte eine kalte Dusche jetzt definitiv nötig. Mit einem letzten Blick auf den Bildschirm schlenderte Neyla seufzend ins Badezimmer, wo sie sich ihre Kleider auszog und in die Badewanne stieg.
Warme dünne Wasserstrahlen trafen auf ihre erhitzte Haut und kühlten sie ab. Das Rauschen entspannte sie. In Gedanken ging sie einige Orte durch, die sich für ein Shooting eigneten. Wald, Wasser oder Wiese. Womit sollte sie anfangen? So viele Ideen schossen ihr durch den Kopf, um das heiße muskulöse Model in Szene zu setzen.
Ausschnaubend legte Neyla ihren Kopf in den Nacken und ließ das Wasser, über ihr Gesicht laufen. Vor ihrem inneren Auge erschien der breit grinsende Mike, der in Militärhose, Kampfstiefeln und schwarzem Shirt, lässig an einem Baum lehnte. Oder doch eher nass, von Kopf bis Fuß, aus dem Wasser watend? Vielleicht auch der durchtrainierte Sunnyboy, der mit einem Grashalm und einem Buch, im hohen Gras sass. So viele Möglichkeiten und sie hatte die Gelegenheit, all ihre Ideen festzuhalten.
Laut seufzend seifte sie sich ein und sann weiter über ihre hoffentlich zukünftige Anstellung nach.
Nachdem Neyla die Dusche beendet und ihre Haare trockengerieben hatte, fläzte sie sich mit dem Handy in der Hand auf die Couch. Angestrengt überlegte sie, was sie ihrem Testmodel in die erste Nachricht packte.
- ‚Hey Mike, Miss Western hat mir deine Kontaktdaten zugesendet, damit ich dich auf unser Shooting nächsten Monat, vorbereiten kann. Wir werden außerhalb vom Studio arbeiten. Pack dir am Montagmorgen schon mal, wenn vorhanden, eine Militärhose, ein schwarzes Shirt und Kampfstiefel ein. Bei fragen dazu, melde dich :-)
Neyla‘ -
Zufrieden las sie die Nachricht ein zweites Mal durch und schickte sie, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, ab.
Unsanft wurde Neyla vom Vibrieren ihres Handys, aus ihren verschwommenen Träumen gerissen. Sie war auf der Couch eingeschlafen. Müde schaute sie auf den Bildschirm, der eine Nachricht von Mike zeigte. „Oh man, warum zur Hölle schläfst du nicht, Junge.“, murrte sie, warf das Smartphone auf die Decke zurück und hievte sich angestrengt auf die Beine.
Im Halbschlaf taumelte sie in ihr Schlafzimmer, warf sich auf das große Boxspringbett und schlief sofort wieder ein.
Laut erklang die Melodie von ‚I Want It That Way‘, von den Backstreetboys im Wohnzimmer. Murrend tastete Neyla nach ihrem Handy auf der anderen Seite des Bettes und griff ins Leere. „Fuck!“, entfuhr es ihr leise und die Erinnerung daran, dass sie es auf der Couch liegen gelassen hatte, kehrte langsam zurück.
Genervt drehte sie sich auf dem Laken um und drückte sich das kleine rote Kissen, auf dem sie immer schlief, auf ihr Gesicht, um die Musik zu dämpfen. Wieso zur Hölle, hatte sie diesen Scheiß Wecker überhaupt gestellt, sie musste heute gar nicht arbeiten. Ach ja, ihr Ziel war es, in Form zu bleiben und früh morgens zu trainieren, um nicht den ganzen Tag faul rumzuliegen.
Gähnend krabbelte Neyla unter der Decke hervor und schlüpfte in ihre Pantoffeln. Schleppend bewegte sie sich zur Couch, stellte den Wecker aus und führte ihren Gang weiter ins Badezimmer. Erst mal aufs Klo und Frühstücken.
Als Neyla etwas wacher war, erinnerte sie sich daran, dass Mike ihr gestern Abend eine Nachricht geschickt hatte. Schneller als ihr lieb war, griff sie nach dem Smartphone und entsperrte mit einem schnellen Wischen den Bildschirm.
- ‚Hey Kleine. Wow, du bist ja echt förmlich. Alles klar, ich werde mal nachsehen, was meine Garderobe so hergibt. Falls du eine Vorbesprechung wünschst, können wir uns gerne vorher treffen. Wie wärs am 20.04.?
Mike‘ -
Ein verschmitztes Lächeln legte sich auf Neyla’s Gesicht, während sie die Nachricht las. ‚Hör auf, so dümmlich zu grinsen, verflucht!‘, mahnte sie sich und verdrehte dabei die Augen.
- ‚Guten Morgen, Junge. Ich dachte, du hast mir gestern was versprochen. Ist es nicht etwas früh, für eine Vorbesprechung? Das Shooting ist erst in einem Monat. Gehts hier wirklich nur ums Geschäftliche, oder fragst du mich gerade nach einem Date?‘ -
Wieder kam das Lächeln zurück. Neyla konnte es nicht verbergen und entschloss sich deshalb, zu trainieren, um auf andere Gedanken zu kommen.
Während sie ihr Training im Wohnzimmer verübte, beschloss sie, an ihrem freien Tag, die Gegend zu erkunden. Besonders die nähere Umgebung von der Agentur, um einen passenden Shootingplatz zu finden. Sie war erst kürzlich in das abgelegene Dorf, in Stadtnähe, gezogen.
Neyla hatte ihr Leben in den letzten Monaten, komplett auf den Kopf gestellt. Sie brauchte frischen Wind unter den Flügeln, um wieder Fliegen zu lernen. Außerdem war sie so näher bei Eve und gegebenenfalls, sogar bei ihrem neuen Job.
Nachdem sie überstürzt ihren alten Arbeitsplatz aufgegeben hatte, bei dem sie nur ausgenutzt und getreten wurde, bat sie Chris, eine gute Freundin, um Hilfe, die sie vorübergehend in ihrem Blumenladen einstellte, damit sie nicht ganz verloren war.
Schnaubend ließ sich Neyla auf die Couch plumpsen und las noch einmal den Nachrichtenwechsel mit Mike durch, der die düsteren Erinnerungen an die letzten Monate verscheuchte.
Lautes surren vom Wohnzimmertisch, weckte Mike, der auf der Couch eingeschlafen war. Spät in der Nacht, hatte er seinen Krimi zur Seite gelegt, der halb auf seinem Gesicht lag und der kleinen Fotografin zurückgeschrieben.
Grummelnd tastete er nach dem Handy, um den Wecker verstummen zu lassen. Das Display verriet ihm, dass schon wieder sieben Uhr war. Zeit, um aufzustehen. Irgendwie hatte er wenig Lust auf die Shootings heute, und morgen Abend erwartete ihn eine Schicht im Strippclub, in dem er jede Woche, zwei bis dreimal tanzte.
Mit zugekniffenen Augen lugte er verstohlen auf den Handybildschirm. Neyla hatte ihm noch keine Antwort geschickt. Enttäuscht ließ er das Gerät, wieder auf den Tisch gleiten und streckte sich ausgiebig. Die Couch war nicht die beste Wahl gewesen. Obwohl er sich gerne beim Lesen oder Fernsehen in dem schwarzen Leder versinken ließ.
Müde hievte sich Mike aus den Kissen, streifte sich mit beiden Händen den Schlaf aus dem Gesicht und stand auf, nachdem er die dünne Decke zurückgeschlagen hatte. Eine kurze Dusche dürfte ihn vollends aufwecken und ihn vielleicht, etwas motivierter in den Tag starten lassen.
Nach der kalten Dusche und einem tiefschwarzen Kaffee schnappte sich Mike seine Autoschlüssel mit dem galoppierenden Pferdeanhänger und machte sich bereit, um zu gehen.
In der Garage hielt er auf einen 67er Ford Mustang Shelby GT350 zu, schwarz lackiert, mit goldenen Rallystreifen. Zielsicher steckte er den Schlüssel in das Schloss, um die manuelle Türentriegelung zu öffnen. Die Innenausstattung war aus beigem Leder und roch auch danach. Er liebte diesen Geruch. Es erinnerte ihn an einen Sonnenuntergang, im Sommer, auf der Straße, mit weit geöffneten Fenstern. Auf der Nase, die Sonnenbrille und den Arm über den Kotflügel baumelnd.
Der Motor heulte laut schnurrend auf, als Mike die Zündung betätigte. Ein Schmunzeln umspielte seine Lippen, bei dem röhrenden Geräusch. Der Tag war gerade ein kleines bisschen besser geworden.
Mit dem Oldtimer zu fahren, entspannte ihn. Die Straße, alte Musik, das brummen des Motors. Diese Momente erfüllten ihn mit Freiheit und alle Probleme und Sorgen, waren verflogen.
In der Agentur angekommen, stellte Mike seinen Mustang auf den gewohnten Einstellplatz neben dem Aufzug und stieg aus. Jeff war mit seinem Seat Cupra hinter ihm in die Tiefgarage gefahren und parkte nebenan. „Morgen Kumpel, gut geschlafen?“, fragte der großgewachsene Blondschopf auf dem Weg zum Fahrstuhl. „Ja danke, bin auf der Couch eingepennt und habe fast durchgeschlafen, und selber?“, erwiderte Mike und drückte den Aufzugknopf. „Ganz gut, danke. Hast du dich wieder eingekriegt?“
Mit einem verächtlichen Schielen, in Jeff’s Richtung, nickte er bestätigend. „Sorry, dass ich dich weggeschubst habe, aber du kannst einem echt auf die Eier gehen.“ „Ich wollte dir bloß ein guter Freund sein. Sag nächstes Mal einfach, dass ich dich in Ruhe lassen soll. Das reicht schon.“ „Mach ich, danke.“
Mit einem leisen ‚Bing‘, öffnete sich die Fahrstuhltüre und die beiden stiegen aus. Heute war für die zwei Muskelmänner, ein gemeinsames Shooting im Militär, Polizei, S.W.A.T. und Marinelook angesagt. Armando und Jack waren ebenfalls mit von der Partie. Die vier Jungs wechselten sich zwischenzeitlich ab. Am Ende wurden Gruppenbilder für die Magazinposter geschossen.
Bevor sich Mike den anderen Models anschloss, checkte er ein letztes Mal sein Handy. Auf dem Display leuchtete eine Nachricht von Neyla auf, was seine Laune definitiv anhob. Schmunzelnd las er ihre Antwort und tippte schnell einen Text ein.
- ,Guten Morgen, Neyla. Sorry, ich versuche mich in Zukunft, daran zu halten. Kommt darauf an, worauf du Lust hast. Essen und mehr über mich erfahren oder deinen Masterplan durchgehen. Das überlasse ich ganz dir. ;-)‘ -
Nach drei Stunden im Scheinwerferlicht und dem Blitzlicht der Kamera, trockneten sich die vier Männer den Schweiß, mit den bereitgelegten Handtüchern, ab. „Okay Jungs. Am Nachmittag geht es weiter mit der Obenohne Session.“, verkündete ihr Fotograf Diego, der selber als Model durchgehen konnte. Doch, er hatte sich für seine Leidenschaft entschieden.
Jeff klopfte Mike hart auf die Schulter, nachdem sie die Garderobe betraten. Das zusammengerollte Handtuch im Nacken, fing den Klaps etwas ab. „Du warst echt gut, Kumpel. Du hast dich schon lange nicht mehr so dermaßen reingehängt, oder täusche ich mich da?“, fragte Jeff schmunzelnd, während er seine Wasserflasche aus dem Spint holte und daran nippte. „Kann sein. Vielleicht hätte ich ja zur Polizei oder den Marines gehen sollen. Der scheiß, liegt mir wohl einfach.“, erwiderte Mike und begab sich, breit grinsend, zu seinem eigenen Spint.
Automatisch griff er nach dem Handy, auf dessen Bildschirm eine neue Nachricht aufblinkte.
- ‚Du musst dich daran halten, das war ein Versprechen, Freundchen.
Ich sollte mich nicht mit meinem Untergebenen Daten, das könnte zu eventuellen Komplikationen auf der Arbeit führen. Wir halten das also lieber geschäftlich ;-)‘ -
Diese Frau war unmöglich. Dass Neyla ihm so spielerisch die kalte Schulter zeigte, heizte das ganze für ihn auf.
- ‚Aye aye, Miss. Ich werde mich bessern und alles tun, was sie mir auftragen.
Darf ich sie am 24.04. in ihrem bescheidenen Heim um 18.00 abholen? :-)‘ -
Einige Sekunden später erschien Neyla’s Adresse in dem Chatfenster. Das war eine eindeutige Zusage.
„Du grinst wie ein Honigkuchenpferd. Erzähl mir endlich mal was bei dir abgeht.“, drängte Jeff hinter ihm und schielte neugierig über seine Schulter. „Alter, beruhige dich. Bei mir geht gar nichts ab. Ich hab am 20.04. ne Vorbesprechung mit der Kleinen, dass ist alles.“, wimmelte Mike seinen Freund ab.
„Freitagabends, nach der Arbeit? Du triffst dich mit deiner Fotografin, die erst in einem Monat ihre Probewoche hat, an einem Freitagabend!? Klingt für mich eher nach einem Date. Aber hey, es ist bloß eine Besprechung.“ Abwehrend hob Jeff die Arme und zog sich zu seinem Spint zurück. „Sag mir bescheid, wenn sich daran etwas ändert. Du kannst die Kleine doch locker klar machen.“
Mit verächtlichem Blick musterte Mike seinen Freund. Das war definitiv die falsche Aussage. Aber er wusste, wie hoch Jeff’s Ego gelegentlich lag. Neyla sollte den blonden Sunnyboy von dem hohen Ross stoßen, auf dem er sass und nicht ihn, von seinem bescheidenen Pony schubsen.
Mike ließ den unangebrachten Kommentar im Raum stehen, um keinen Streit vom Zaun zu brechen, und machte sich auf den Weg in die Mittagspause.
Das laute Bimmeln der Glocke, die altmodisch über der Eingangstüre hing, bedeutete den beiden plappernden Frauen, dass ein Kunde den Laden betreten hatte.
Neyla schielte um die Ecke und traute ihren Augen kaum, als sie den braunhaarigen jungen Mann erblickte. „Was macht der denn hier?“, flüsterte sie aufgebracht und zog sich sofort wieder zurück. Fragend schaute Christina von ihrer Arbeit auf und erhaschte ebenfalls einen Blick auf den Typen. „Du kennst ihn? Der kommt hier öfters reingeschneit und holt einen Blumenstrauss ab. Aber er bestellt ihn nicht selber.“, erkläre die Brünette.
„Das ist Mike, mein Model.“, zischte Neyla und verkroch sich so weit hinten, wie es die Arbeitsnische erlaubte. „Na dann, los. Bring ihm seinen Strauss. Bezahlt ist er schon.“, erwiderte Chris dümmlich grinsend und streckte ihr, die gebündelten Blumen entgegen. „Was?! Nein!“
„Hallo?“, erklang die ihr vertraute Stimme unsicher. „Na mach schon!“, drängte ihre Freundin und scheuchte sie aus der vermeintlichen Deckung hervor.
„Mike, was für eine Überraschung!“, säuselte Neyla und versuchte sich möglichst unauffällig zu verhalten. „Neyla?“, fragte er erstaunt. Verwirrt schaute er sie an und blieb stehen.
„Du holst diesen Strauss hier ab?“ Unbeholfen streckte sie ihm den Bund entgegen. Kurz, aber sanft streiften seine Fingerkuppen, über ihre Gelenke, als er ihr den Strauss abnahm. Ein warmes Lächeln verzog seine Lippen. Neyla erschauerte unter der Berührung. Sie merkte, wie sich jedes einzelne Härchen in ihrem Nacken aufstellte.
„Ähm... Ja genau. Der ist für meinen Boss, im Club. Also, nicht für ihn. Ich meine...“ „Du holst ihn hier für ihn ab.“ „Genau. Arbeitest du hier?“, fragte Mike. Sein Blick verriet ihr, dass er angestrengt nachdachte. Wahrscheinlich überlegte er, ob er sie hier schon einmal gesehen hatte.
„Nur vorübergehend. Meine Freundin hat mich freundlicherweise zur Überbrückung hier aufgenommen, bis ich was neues habe.“, erklärte Neyla lächelnd. „Oh, okay. Das ist echt nett. Ähm... na dann, wir sehen uns.“ Mit einem bestätigenden Nicken und einer kurzen Handbewegung verabschiedete sie sich von ihm.
Mike drehte sich um und war im Begriff den Blumenladen wieder zu verlassen. Doch als er die Türe erreicht und die Hand bereits auf die Klinke gelegt hatte, machte er auf dem Absatz kehrt. „Hast du morgen Abend lust, auf einen Spaziergang?“, fragte er und setzte dabei wieder dieses bezaubernde charmante Lächeln auf. „Wird das jetzt doch sowas wie ein Date?“, erwiderte Neyla, mit kritischem Blick. Sie verschränkte provozierend, die Arme vor der Brust. Doch ihre ernsthafte Miene wandelte sich schnell, zu einem breiten Grinsen.
„Nein, natürlich nicht! Das wird ein Spaziergang unter Erwachsenen. Total ernst und sachlich. Und ich dachte, ich beweise dir, dass ich nicht so bin, wie die anderen Schönlinge, die denken sie könnten jede kriegen.“ Seine Lippen verzogen sich und er zwinkerte ihr verschmitzt zu. „Also gibst du zu, dass du die Einbildung hast, dass du ein Schönling bist?“, ihr Freches schmunzeln, ließ ihn lachend den Kopf schütteln. „Ja ich gibs zu. Zufrieden?“ „Ich denke schon. Okay, ich melde mich, wenn ich Feierabend habe.“, stimmte sie zu, hob die Hand noch einmal zum Abschied und verzog sich in den hinteren Raum.
Das erneute Bimmeln bedeutete ihr, dass das Model gegangen war. Seufzend schüttelte sie den Kopf und kehrte gedankenverloren an ihren Arbeitsplatz zurück. „Viel Erfolg dabei, den Kerl auf Abstand zu halten.“
Erschrocken zuckte Neyla zusammen. Sie hatte Christina total vergessen, die grinsend an dem Tisch lehnte und Draht um ein Stück Holz wickelte. „Fang du nicht auch noch damit an. Eve warnt mich schon die ganze Zeit.“, murrte sie und warf ein Holzschnitzel nach ihr. Abwehrend hob Chris die Hand und kicherte. „Dann hör mal lieber auf deine Freundinnen. Meistens haben sie recht, oder?“ Neyla verdrehte die Augen und wandte sich von ihr ab.
„Ich lasse mich schon nicht einwickeln von ihm.“, nuschelte sie vor sich hin. „Na, dafür flirtest du aber schon gewaltig mit ihm.“, bemerkte Chris, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit widmete. „Ist das jetzt etwa auch schon verboten?“ „Nein. Aber flirten hilft nicht, gegen Schönlinge.“
Schnaubend griff Neyla in die feuchte Erde und ballte die Faust darin. Sie wusste genau, dass Chris recht hatte und sie das Gegenteil davon tat, was sie sich vorgenommen hatte, aber sie konnte die dummen Sprüche einfach nicht sein lassen.
„Was verschafft dir denn heute so gute Laune?“, fragte Ryan, ein mitte dreissiger Latino, mit breiten Schultern, schwarzem Haar und Dreitagebart, seinen nummer eins Stripper, als er den Blumenstrauß für seine Mutter entgegennahm. Fast jeden Monat holte Mike einen neuen im Blumenladen ab, bevor er im Club erschien.
„Die Kleine arbeitet vorübergehend im ‚Fleur de Lis‘.“, erwiderte Mike geistesabwesend und war schon wieder im Begriff, das Büro zu verlassen. Doch der Schwarzhaarige war noch nicht fertig mit seiner Befragung. „Von wem redest du, Kumpel?“ „Oh, von niemandem. Mary hatte ein Vorstellungsgespräch und die Kleine arbeitet vorübergehend im Blumenladen. Ich hab mich morgen mit ihr verabredet.“, erwiderte er und wandte sich zum Gehen.
„Hey, lass dir nicht den Kopf verdrehen.“ Mike blieb im Türrahmen stehen und drehte sich um. „Keine Sorge, Boss. Das werd ich schon nicht.“ Nickend stand Ryan von seinem Stuhl auf und kam um den Tisch herum. Vor ihm hielt er inne und legte freundschaftlich die Hand auf seine Schulter. „Gut so, und versprüh nicht gleich deinen ganzen Charme. Vielleicht brauchst du ihn später noch. So, und jetzt gehört der Laden dir. Also krieg deinen Kopf frei und mach keinen Unsinn.“, mit diesen Worten verschwand Ryan hinter dem Türrahmen und ließ Mike in dem kleinen Zimmer stehen.
Der Clubbesitzer ging, wie jeden Montagabend, seine Mutter in der Psychiatrie besuchen und überließ ihm sein Heiligtum. Aber er machte das hier schon seit ein paar Jahren und übergab den Club jedes Mal unversehrt und so, wie ihn Ryan verlassen hatte.
Kopfschüttelnd und grinsend schloss Mike die Bürotüre hinter sich und schlenderte zur Garderobe, um sich dort für seinen Bühnenauftritt bereit zu machen, wo er mit seinen sechs Jungs die einstudierte Choreografie abhielt.
Der Abend verlief ruhig. Mike beobachtete seine Jungs von der Bühnenecke aus und ließ seinen Blick über den schummrigen Raum schweifen. Bei Jeff blieb er hängen und sah ihm zu, wie er mit kreisenden Hüften eine kleine Brünette umgarnte. Er schätzte sie Ende Zwanzig und sie schien sichtlich darüber erfreut, dass sich der Blonde so ausgiebig um sie kümmerte.
Hinter ihm schmiegte sich ihre Freundin an seinen Rücken und buhlte um seine Aufmerksamkeit. Jeff drehte sich zu ihr um, hielt die andere jedoch immer noch an der Hüfte fest und tanzte jetzt mit beiden.
Kopfschüttelnd stieß sich Mike von dem Bühnenrand ab. Wann war sein Freund nur so tief gesunken, dass er nach jeder Schicht eine abschleppen musste? Irgendwann würde er an die Falsche heranlaufen und eine Schlägerei mit ihrem Freund provozieren.
Nach der Türschließung machte sich Mike auf den Weg zu seinem Auto und vernahm im Hinterhof das Kichern von zwei Frauen. Er musste sich nicht fragen, was sie dort hinten suchten, oder wen. Jeff führte seine beiden Häschen zu seinem Wagen.
„Hey, Kumpel.“, rief er über den Hof und winkte seinen Freund zu sich. Jeff bedeutete den Frauen, dass sie schon mal einsteigen sollten und kam dann zu ihm. „Was ist denn?“, fragte er grinsend. „Ist alles klar bei dir?“, erkundigte sich Mike besorgt. „Mike, bitte. Ich amüsiere mich nur. Das solltest du vielleicht auch mal tun. Würde dich entspannen. Ich teile auch mit dir.“, ein zwinkern bedeutete ihm, dass er nicht von ‚irgend einer‘ Entspannung sprach.
Vielsagend schüttelte Mike den Kopf und verabschiedete sich von seinem Freund: „Pass auf dich auf und fang dir nichts ein, klar!“ Jeff lachte. „Spielverderber.“ Er drückte ihm kurz die Schulter und eilte zu seinem Auto, wo die kichernden Weiber sich auf den Sitzen fläzten und sehnsüchtig auf das blonde Model warteten.
Kaum hatte sie die Wohnung betreten, zog Neyla hastig ihre Schuhe aus und ließ sie in hohem Bogen in die Ecke fliegen. Chris hatte sie früher nach Hause geschickt, sie konnte sich ihr nervöses Getue nicht länger ansehen. Somit hatte sie genügend Zeit, bis Mike hier auftauchen würde, und trotzdem war sie total gestresst. Das altbewährte Problem, was sie anziehen sollte, plagte sie schon wieder.
‚Jetzt vergiss doch mal die blöden Klamotten, es ist kein Date.‘, schalte sie sich und tapste ins Badezimmer, wo sie sich ihrer Kleider Entledigte. Mürrisch lugte sie in den Spiegel, bevor sie über den Badewannenrand kletterte und den Wasserhahn betätigte. Ihr Selbstbewusstsein purzelte gerade wieder lautstark die Kellertreppe herunter. Es war jedes Mal dasselbe Dilemma vor einem Date.
‚Moment, das ist immer noch kein richtiges Date!‘, korrigierte sich Neyla schon wieder. Am besten zog sie sich ihre schwarzen Lieblingsjeans, ein normales Oberteil und ihre Lederjacke an. Es war doch immer noch recht frisch in der Abenddämmerung.
Fertig geduscht und angezogen, stellte sich Neyla vor den Spiegel und zog die Tuschebürste ein paar Mal über ihre Wimpern. Mit dem Kajal fuhr sie die Augenränder nach. Das musste reichen. Schließlich hatte sie sich nicht für den Schönheitswettbewerb angemeldet und die Männer dachten schon zu Genüge, dass sich Frauen nur für sie aufbrätzelten. Was bei den meisten unglücklicherweise sogar zutraf.
Pünktlich um sechs Uhr erklang die vertraute Melodie der Türklingel. Neyla drückte den Knopf der Gegensprechanlage und sagte Mike, dass sie gleich runterkam. Schnell schlüpfte sie in ihre Stiefel und streifte die Lederjacke über.
Er wartete lässig gegen die Briefkästen gelehnt. Ein Lächeln verzog seine schmalen Lippen und vertiefte die Grübchen seiner Mundwinkel, als sie die Eingangstüre aufstieß. Er trug schon wieder die braunen Naturlederstiefel, enge schwarze Jeans und eine Jeansjacke über dem weißen Shirt.
Mike stieß sich von den Kästen ab und trat vor Neyla, um sie in eine leichte Umarmung zu ziehen, die sie erwiderte. „Hey, wie war dein Tag?“, fragte er, nachdem er sie losließ. „Super.“, kam ihre Antwort etwas piepsend. Natürlich hatte sich ihr Tag dermaßen in die Länge gezogen angefühlt, weil sie sich auf den Abend freute, dass sie beinahe durchgedreht war. Aber das würde sie ihm gegenüber niemals zugeben.
„Und wie war deiner? Hast du mit deiner Ausstrahlung die Linse der Kamera gesprengt?“ Lachend steckte Mike die Hände in die Jackentaschen und wandte sich zum Gehen. „Nicht wirklich. Selly wollte heute den Badboy, aber irgendwie hab ich’s nicht so ganz hingekriegt. Diese Fotografen können ganz schön austicken, wenn sie nicht bekommen was sie wollen.“
Neyla folgte ihm zu den Parkplätzen. „Tzzz, ihr Models seid dazu da, um uns zufrieden zu stellen und zu tun, was wir euch sagen.“, erwiderte sie und stupste ihn dabei leicht mit dem Ellenbogen an.
Zielstrebig hielt Mike auf einen alten Mustang GT350 zu, der ganz vorne auf dem Kiesplatz stand und schloss die Fahrertüre auf. Neyla blieb abrupt stehen und sah ihn ungläubig an. „Das ist jetzt nicht dein ernst, oder!?“, hauchte sie und fuhr mit den Fingerspitzen sacht, über den schwarzen Lack.
Ihre Augen glänzten vor Euphorie. Sie liebte Mustangs. Das war ihr absolutes Traumauto! Nicht genau dieses Modell, aber diese Oldtimer waren alle der Hammer für sie und liessen ihr Herz höher schlagen. Ihre Finger kribbelten, dort wo sie das Auto berührte.
„Naja, doch. Irgendwie schon.“, grinste Mike. „Weißt du, dass ich dich immer weniger leiden kann!?“, sagte Neyla, verlor dabei jedoch nicht das Lächeln, dass dieses Schmuckstück ihr ins Gesicht zauberte. „Autsch, ich habe gehofft, dass mir das Pluspunkte einbringt und nicht minus. Du kannst echt hart sein, Prinzessin.“ „Schenk mir dieses Auto und ich werde dich auf der stelle heiraten.“, sagte sie voller Überzeugung und stieg vorsichtig und ehrfürchtig ein.
Ein spielerisches Grinsen zeichnete sich auf Neyla’s Gesicht ab. Mike war sich nicht sicher, ob sie das Versprechen ernst meinte, und nahm auf dem Fahrersitz platz. „Ich würde sagen, darüber reden wir ein anderes Mal.“, sagte er und betätigte die Zündung. Neyla scheiterte bei dem Versuch, sich ruhig zu halten, als das schnurrende Geräusch des Motors erklang.
Mike’s Gesichtsausdruck bedeutete ihr, dass er nicht erwartet hätte, dass sie dermaßen auf Autos stand. Schon gar nicht auf Oldtimer. Die meisten in ihrem Alter begeisterten sich eher für die neuen, sportlichen Karren.
„Wenn du nett zu mir bist, lass ich dich vielleicht irgendwann damit fahren.“, feixte er und sah zu Neyla herüber. „Ich bin immer nett, solange du es auch bist. Aber mach dir keine Sorgen, ich kann verstehen, wenn du das nicht willst. Ich traue auch nicht jedem mein Auto an.“, erwiderte sie lächelnd.
„Wenns dir recht ist, fahren wir an den See. Der Sonnenuntergang dort ist Hammer.“, sagte Mike und manövrierte das Auto aus der Seitenstraße. Neyla machte ein zustimmendes Geräusch, viel zu beschäftigt damit dem Motor zu lauschen.
Wahrscheinlich könnte er sie gerade entführen und sie würde es nicht bemerken, oder es war ihr egal.
„Warum denkst du, dass du jede haben kannst?“, fragte Neyla, währen sie neben Mike her schlenderte und mit den Händen in den Taschen auf den Boden blickte. „Das denke ich doch gar nicht!“, erwiderte er empört lachend und schubste sie leicht an. „Das ist dein Eindruck von mir, dafür kann ich ja wohl nichts.“ „Naja, dein erster Auftritt hat mich nicht vom Gegenteil überzeugt und du bist Model. Welches Model ist denn nicht total von sich selbst überzeugt?“
Prüfend musterte Neyla ihn. Kopfschüttelnd lächelte Mike und schaute zu ihr herüber. „Tut mir leid, dass ich in dich reingelaufen bin, aber du bis so schnell um die Ecke gerauscht. Ich hatte keine Chance, dir irgendwie auszuweichen. Und wegen des Models. Ich weiß ja was du meinst, aber du kennst mich nicht. Wenn du mit mir zur Schule gegangen wärst, würdest du anders über mich denken.“, der letzte Satz kam gemurmelt. „Willst du mir gerade erzählen, dass du der arme, kleine, gemobbte Junge warst?“, kicherte Neyla, wurde jedoch still, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. Das gequälte Lächeln und der bestätigende Blick, der er ihr zuwarf, ließ sie verstummen.
„Wenn es so wäre, wärst du dann auch auf mir herum getrampelt?“, fragte er. Ein lautes Lachen schallte aus ihrer Kehle. „Fragst du mich das jetzt ernsthaft? Ich wäre die gewesen, die mit dir abgehangen hätte. Ich hatte schon immer ein Händchen für verlorene Seelen.“ „Wow. Aber du glaubst mir trotzdem nicht, stimmts?“ Mike blieb stehen und musterte Neyla eingehend.
Ein paar Schritte weiter hielt sie ebenfalls inne und drehte sich zu ihm um. „Naja, es fällt mir schwer, dass zu glauben, wenn ich dich so ansehe. Aber du hast jetzt einen Monat Zeit, mich von dem Gegenteil zu überzeugen.“
Lächelnd schritt Neyla auf ihn zu, hakte sich bei ihm unter und bewegte ihn dazu weiter zu gehen. „Es wird bald dunkel, wir sollten uns beeilen.“
Kurz bevor die Dämmerung einsetzte, erreichten sie einen abgelegenen Platz am See, an dessen Ufer eine Bank stand, auf die sie sich setzten. Der Himmel färbte sich immer mehr in einen rotlila Ton, indes sich die glühende Kugel dem Horizont zuneigte.
Neyla genoss die letzten Sonnenstrahlen auf ihrer Haut und die Wärme, die sie hinterließ, während sie mit übereinandergeschlagenen Beinen neben Mike sass. Die Hände steckten immer noch tief in ihren Jackentaschen.
Langsam kühlte sich die Luft ab, während der Himmel dunkler wurde. Die Sterne zeichneten sich immer klarer auf der fast schwarzen Decke ab.
Mike legte seinen Kopf in den Nacken und blickte nach oben. Die kleinen weißen Punkte waren hier draußen, ohne störende Lichtquelle, deutlich auszumachen. Sanft tippte er Neyla an die Schulter und deutete nach oben, als sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte. Sie folgte seinem Fingerzeig.
„Erkennst du eines der Sternbilder?“, fragte sie leise. Ihre Stimme verlor sich beinahe in der Nacht. „Die Üblichen. Den großen Wagen, Orion und manchmal auch den Drachen.“, erwiderte Mike, während er den Himmel absuchte. Über ihnen fand er schließlich den Gürtel des Orion und die übrigen dazugehörigen Sterne und fuhr sie mit dem ausgestreckten Finger nach.
Neyla deutete weiter Richtung Horizont, wo sich der Große Wagen abzeichnete. Ein kleines bisschen nach rechts und weiter runter, befand sich der Drache. Diesen Zeichnete er ebenfalls mit der Fingerspitze nach. „Das ist der Drache.“ Neyla wandte Mike lächelnd das Gesicht zu und nickte.
„Ich liebe es, den Sternenhimmel zu betrachten.“, seufzte sie und ließ sich in die Bank sinken. „Als kleines Mädchen habe ich mir immer einen Sternenhimmel an meiner Zimmerdecke gewünscht. Aber es blieb bis heute dabei.“ „Wow, du warst ja recht bescheiden mit deiner Wunschliste, Prinzessin.“ Schmunzelnd lugte Mike zu ihr herüber und bemerkte den verträumten Blick in die Ferne.
„Naja, mein größter Wunsch war natürlich ein Mustang, aber wie du siehst hat sich weder der eine noch der andere Wunsch erfüllt. Und wieso nennst du mich ständig, Prinzessin?“, murmelte Neyla etwas wehleidig. „Ach komm, du bist noch Jung. Deine Wünsche können sich also immer noch erfüllen. Und ich darf dich ja nicht ‚Kleine‘ nennen.“
Mit kritischem Blick musterte sie ihn und schwieg. Solange sie nichts gegen ihren neuen Spitznamen von ihm einzuwenden hatte, würde er sie weiterhin so nennen. Außerdem hatte es etwas Ironisches sie so zu nennen. Neyla war alles andere als eine Prinzessin.
Seufzend schaute Mike auf sein Handy. Es war schon spät und sie mussten morgen beide wieder arbeiten. So schön es hier gerade war mit Neyla. „Wir sollten uns auf den Rückweg machen, Prinzessin.“, hauchte er, während er ihren Arm streifte.
Enttäuscht lugte sie zu ihm herüber, nickte aber zustimmend. Sie waren ein ganzes Stück am See entlang gelaufen und mussten den Weg wieder zurücklegen, um zu seinem Auto zu kommen.
Mühselig stand das ungleiche Paar auf und schlenderte nebeneinander über den Kiesweg. Neyla hatte sich bei ihm untergehakt. Der dunkle Weg erschien ihr wohl recht unheimlich, so oft wie sie sich ständig umblickte, was Mike immer wieder zum Schmunzeln brachte.
„Du brauchst keine Angst zu haben.“, flüsterte er mit einem Lächeln in der Stimme. „Wieso, kannst du Karate?“, fragte sie mit frechem Unterton. „Nicht ganz, nein. Aber für irgendwas trainiere ich doch fast jeden Tag. Also einen dahergelaufenen Idioten, werd ich schon abwehren können.“ „Dann kann ich mich wohl sicher fühlen, was!?“ „Na klar. Ich würde nie zulassen, dass dir jemand etwas antut.“ Neyla kicherte. „Dann bin ich ja beruhigt.“
Es dauerte nicht mehr lange, bis sie den verlassenen Parkplatz erreichten, auf dem nur der Mustang unter einer leuchtenden Laterne stand.
Das knirschende Geräusch von Kies unter Reifen erklang, als Mike den Mustang auf den Besucherparkplatz vor Neyla’s Wohnblock lenkte. Das Verstummen des Motors machte beiden klar, dass der gemeinsame Abend gleich endete.
„Das war ein schöner Abend, Prinzessin, danke. Wollen wir am Sonntag zusammen brunchen gehen? Es gibt ein Restaurant weiter unten am See.“, fragte Mike und brach damit die Stille. Auf der Rückfahrt hatten sie kaum geredet.
„Wow. Mach ich dermaßen Eindruck bei dir, oder ist das immer noch Teil deiner Überzeugungsstrategie?“, erwiderte Neyla erstaunt. „Also ist das ein Ja? Dann reservier ich uns Morgen gleich einen Platz auf der Terrasse.“ Schmunzelnd verdrehte sie die Augen und legte ihren Kopf auf das beige Leder des Sitzes. „Nur wenn du mich wieder in diesem schicken Baby abholst.“Jetzt war es an Mike, die Augen zu verdrehen. „Natürlich. Alleine desswegen, weil ich mir damit dann vielleicht doch noch Pluspunkte einheimse.“
Kichernd schüttelte Neyla den Kopf und neigte sich wieder nach vorne. Ihre Gestik bedeutete ihm, dass sie sich verabschieden wollte. „Gute Nacht und bis Sonntag, Schönling.“, hauchte sie an seinem Ohr, während sie sich umarmten. „Gute Nacht, Prinzessin. Ich hol dich um neun hier ab.“
Mit einem letzten frechen Blick auf ihn stieg sie aus dem Wagen und schloss die Türe hinter sich.
Pünktlich um neun erklang die Melodie der Türklingel. Doch Neyla lag immer noch im Bett und schreckte mit Herzklopfen aus dem Schlaf hoch.
„Fuck!“, keuchte sie und wühlte sich hektisch aus der Bettdecke. Sie hatte total vergessen, den Wecker zu stellen. Wofür denn auch, normalerweise schlief sie nicht so lange. Aber natürlich war das genau an diesem Sonntag nicht der Fall.
Stolpernd eilte Neyla zur Wohnungstüre, um den Summer zu betätigen, und wartete ungeduldig in Shorts und Shirt auf ihren Besucher. Es dauerte nicht lange, bis Mike die letzten Stufen erklomm, der kein bisschen außer Atem gekommen war.
„Guten Morgen, Prinzessin.“, begrüßte er sie lächelnd und musterte Neyla von Kopf bis Fuß. „Guten Morgen.“, brummte sie noch etwas verschlafen zurück. „Heisses Outfit, aber ich weis nicht ob das wirklich angebracht ist für einen Brunch im Restaurant.“
Verdutzt schaute Neyla an sich herunter und stellte entsetzt fest, dass sie immer noch ihren Pyjama trug. Ihre Shorts waren viel zu kurz und das Shirt reichte ihr nur knapp über den Bauchnabel. Die Tatsache, dass sich ihr Oberteil beim schlafen sowieso immer hochzog, machte die Länge des Kleidungsstücks völlig irrelevant.
Mit hochrotem Kopf zupfte sie verzweifelt am Saum des Shirts, um vielleicht noch ein paar Zentimeter herauszuholen. Es war ihr unangenehm, dass er irgendetwas von ihrem Hüftgold sehen könnte. „Komm rein. Ich hab total verschlafen, sorry.“, nuschelte Neyla und trat zur Seite.
Schmunzelnd ging Mike der bitte nach und betrat die kleine Wohnung. Sie war wirklich klein, aber sehr gemütlich. Einzig die vier Meter hohe Wand von der Dachschräge, ließ den Raum größer erscheinen.
Neyla liebte diese Wohnung. Schon vom ersten Moment an, als sie das Inserat gesehen hatte, wusste sie, dass sie sie haben wollte.
„Ich zieh mich schnell an.“, sagte Neyla und huschte in ihr Schlafzimmer, wo sie schnell die Türe hinter sich schloss. Seufzend öffnete sie die Schiebetüre ihres Kleiderschrankes und blickte suchend hinein. Zielsicher griff sie nach einer schwarzen ausgeblichenen Jeans und einem schwarzen schulterfreien Oberteil, dass vorne mit einem Seidenband geschnürt war. Der obere Saum und die Ärmel waren mit Rüschen versehen.
Fertig angezogen stellte sie sich vor den Spiegel und legte den Kopf auf die Seite, um sich kritisch zu betrachten. Fehlte nur noch etwas Wimperntusche, um ihr Outfit zu unterstreichen.
Tief durchatmend verließ Neyla das Zimmer. Mike stand vor ihrem Bücherregal und betrachtete die Sammlung, die fein säuberlich darin aufgereiht war. Mit den Händen in den Hosentaschen wandte er sich ihr zu und betrachtete sie. Ein Lächeln verzog seinen Mund und seine Augen leuchteten kurz auf. „Du siehst süß aus, Prinzessin.“ Verlegenheit blitzte in Neyla’s Gesicht auf. Schnell schaute sie zu Boden. „Danke. Ich muss nur noch schnell ins Bad.“, murmelte sie und huschte schon wieder davon.
Verflucht! Konnte dieser Blödmann nicht die Klappe halten?! Wegen ihm waren ihre Wangen schon wieder gerötet und so viel Schminke, um das zu überdecken, konnte sie sich nicht ins Gesicht schmieren.
„Kann losgehn.“, sagte Neyla, als sie aus dem Bad heraustrat. Schnell zog sie ihre Bikerboots an, warf sich die Lederjacke über und griff nach ihrer Tasche, die neben der Kommode lag.
Mike kam ihrer Aufforderung nach und trat neben sie. „Hallo übrigens.“, sagte er und zog Neyla an sich. Sie hatten sich vorhin gar nicht richtig begrüßt, weil sie nicht schnell genug in ihrem Zimmer verschwinden konnte, um weitere Peinlichkeiten zu vermeiden. Überrascht erwiderte sie seine Umarmung.
„Jetzt können wir los.“, grinste Mike, zog die Türe auf und bat sie mit einer höflichen Geste, herauszutreten.
Mike fuhr auf den übersichtlichen Parkplatz. Das dazugehörige Gebäude machte nicht den Anschein, als befände sich darin ein Restaurant. Die Fassade war heruntergekommen und dem niederen Dach fehlten hie und da Ziegel.
„Sind wir hier richtig?“, fragte Neyla skeptisch, während sie sich abschnallte. Mike schmunzelte und sah sie an. „Mach dir keine Sorgen, Prinzessin. Lass dich einfach überraschen. Der Schein trügt manchmal.“ Wie schon zuvor hielt er ihr die Eingangstüre auf, als sie diese erreichten. Dahinter stand ein Schild mit verschnörkelter Aufschrift, die sie willkommen hieß und die Richtung in das Restaurant wies.
Erstaunt stellte Neyla fest, dass ihr Mike nicht zu viel versprochen hatte. Der Raum, den sie betrat, war hell und edel eingerichtet. Die hintere Front bestand aus Fenstern, die einen ausgiebigen Blick auf den See boten.
„Willkommen im St. Kyran’s, Miss. Guten Morgen, Mike.“, begrüßte ein junger Kellner die beiden. Nickend grüßten sie ihn zurück. „Du weißt ja wo du reserviert hast.“ „Klar, danke Patrick.“, bestätigte Mike und führte Neyla durch die Terrassentüre ins Freie.
Ein breiter Balkon zog sich weit hinaus. Die Landschaft dahinter war malerisch. Das grüne saftige Gras reichte bis zum dunkelblauen Wasser des Lough Ramor. Unter dem Balkon befand sich eine begrünte Terrasse, die über einen Steinweg zu erreichen war, eingerahmt von einem Geländer aus Stein.
Mike führte Neyla über eine unscheinbare Treppe auf die untere Terrasse, an den hintersten Tisch, wo sie direkte Sicht auf den See genossen. Wie ein richtiger Gentleman zog er einen der Stühle von dem Tischchen weg und bat sie, sich zu setzten. Lächelnd folgte Neyla der Aufforderung.
„Na, hab ich dir zu viel versprochen, Prinzessin?“, fragte Mike, während er sich auf den Stuhl ihr gegenüber setzte. „Nein. Überhaupt nicht. Es ist wirklich schön hier. Aber langsam kommt mir das trotzdem wie ein Date vor.“, erwiderte sie mit kritischem Blick. „Ich dachte wir Brun