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Flow– fließendes Bewusstsein. Ein Zustand, in dem alle Schwere, alle Sorgen, Ängste und Nöte von einem abfallen. Jeder kennt diesen Zustand, jeder möchte ihn wieder erreichen – und das Mountainbike scheint prädestiniert dafür zu sein. Flow bedeutet nichts anderes, als Schweres mit Leichtigkeit zu bewältigen – die Verschmelzung von Sein und Tun. Doch auf dem schmalen Grat zwischen Langeweile und Überforderung ist es gar nicht so einfach, die richtige Intensität für den Flow-Zustand zu finden. Harald Philipp und Simon Sirch haben es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Flow-Erlebnis beim Mountainbiken einzufangen und zu zeigen, warum und wie Mountainbiken glücklich machen kann. Bildgewaltig, persönlich und wissenschaftlich fundiert liefern sie frische Inspiration, wie sie den Spaß am Mountainbiken immer wieder neu entdecken und in dieses ganz spezielle Flow-Feeling eintauchen können: Denn Flow bedeutet auch, Ängste vor anspruchsvollen Trails zu bewältigen und zu mehr Balance und Ausgeglichenheit zu gelangen. Flow macht glücklich, Flow verbessert Konzentration und Motorik – eine spannende Erfahrung nicht nur für Mountainbiker.
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Seitenzahl: 83
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
1. Auflage 2015© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld
Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:ISBN 978-3-667-10301-7 (Print)ISBN 978-3-667-10415-1 (PDF)ISBN 978-3-667-10416-8 (E-Pub)
Text: Simon Sirch/Harald Philipp/Uta Philipp/Maria Frykman/Christina SchafranekFotos (nach Kapiteln): Inhalt/Flow-Definition/Intro/Riskieren/Teilen/Erfahren: Manfred Stromberg; Biken/Lernen: Tom Bause; Fliehen: Harald Philipp;Spielen: Harald Philipp/Specialized; Leisten: ColinStewart/Manfred Stromberg; Fließen: Sebastian DoerkLektorat: René SteinUmschlag: Sebastian DoerkUmschlaggestaltung und Layout: Felix Kempf; www.fx68.deLithografie: Mohn Media Mohndruck, Gütersloh
Datenkonvertierung E-Book: HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice, München
Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk,auch Teile daraus, nicht vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.
www.delius-klasing.de
KAPITEL 1INTRO
MOUNTAINBIKEN UND FLOW SIND EINS
KAPITEL 2BIKEN
FOKUS MACHT RADFAHREN MÜHELOS
KAPITEL 3RISKIEREN
WAS FLOW MIT WAGNIS ZU TUN HAT
KAPITEL 4FLIEHEN
SICH AUF ZWEI RÄDERN VOM ALLTAG BEFREIEN
KAPITEL 5SPIELEN
MOUNTAINBIKEN WECKT DAS KIND IN DIR
KAPITEL 6LERNEN
HINDERNISSE ÜBERWINDEN UND LERNEN IM FLUSS
KAPITEL 7LEISTEN
OHNE DRUCK ZUR BESTLEISTUNG
KAPITEL 8TEILEN
GEMEINSAM BIKEN ERGIBT MEHR FLOW
KAPITEL 9ERFAHREN
FOLGE DEM FLUSS ZU MAGISCHEN ORTEN
KAPITEL 10FLIESSEN
FLOW IST MEHR ALS MOUNTAINBIKEN
ANMERKUNGEN
Flow ist das völlige Aufgehen im Moment, wenn innere Motivation, äußere Herausforderung und eigenes Können im Gleichgewicht sind.Im Flow wird man eins mit seinem Tun. Im Flow leistet man mühelos und erlebt die schönsten Momente. Im Flow bleibt die Zeit stehen.Flow macht glücklich.
Warum ein Buch über Flow? Gibt es noch irgend etwas Neues zu erzählen zu diesem abgenutzten Begriff? Es gibt Flow-Bikes, Flow-Felgen, Flow-Klamotten, Flow-Magazine, Flow-Sisters, Flow-Brothers, Flow-Country, Flow-Valley und Flow-Trails … Viele Biker können „Flow“ nicht mehr hören, seitdem das Wort in der obersten Schublade der Marketingabteilungen liegt. Wenn den Werbestrategen nichts besseres einfällt, muss „Flow“ herhalten. Denn dieses Wort lässt sich nahezu überall aufkleben, wo die Sprache für wirkliche Eigenschaften fehlt.
Im Allgemeinen werden Trails von Mountainbikern als „flowig“ bezeichnet, wenn sie einfach zu fahren sind. An der höchst subjektiven Deutung von „flowig“ sind schon viele Touren gescheitert und sogar Beziehungen zerbrochen – ein weiterer Grund, das Wort nicht zu mögen. Und nach so mancher Bike-Tour gerät man abends in der Bar in eine der langwierigen Diskussionen darüber, was Flow bedeutet. Leider führen sie seltener zu echten Erkenntnissen als zum Kater am Tag danach.
Uns hätte es ähnlich gehen können. Doch unser erstes Treffen in einem Tiroler Café endete nicht mit Spirituosen, sondern mit Spirit. Wir, das sind Harald Philipp und Simon Sirch. Wir sind die Autoren. Und wir fahren Mountainbike. Vor dem besagten Treffen kannten wir uns nicht. Simon wollte mit Harald ein Interview für einen akademischen Beitrag führen, denn als freier Wissenschaftler untersucht er die Motive und das Potenzial des Outdoorsports. Harald ist Mountainbike-Profi ohne Rennergebnisse – „postkonventionell“ würde Simon sagen – und immer auf der Suche nach neuen Geschichten. Er hatte sich bereits in die Recherchen zur Flow-Thematik verbissen. Keiner von uns dachte daran, ein gemeinsames Buch zu schreiben. Wieso taten wir es doch?
Nun, auf den ersten Blick haben Mountainbiker und Wissenschaftler eine unterschiedliche Auffassung von Flow: Mountainbiker sind zwar übersättigt von der Inflation des Flow-Begriffs, aber sie erleben auf dem Bike zumindest ab und zu ein reales Flow-Gefühl – selbst wenn ihnen danach oft die Worte fehlen. Wissenschaftler dagegen wissen ganz genau, worum es sich beim Flow-Erlebnis handelt, doch sie haben meistens einen rein theoretischen Zugang dazu. Kurz gesagt: Mountainbiker erleben Flow, Wissenschaftler erforschen Flow. Was entsteht, wenn man beide Perspektiven endlich verbindet?
Das Ergebnis hältst du in den Händen.
Mountainbiker erleben auf dem Bike zumindest ab und zu ein reales Flow-Gefühl – selbst wenn ihnen danach oft die Worte fehlen. Wissenschaftler dagegen wissen ganz genau, worum es sich beim Flow-Erlebnis handelt, doch sie haben meistens einen rein theoretischen Zugang dazu. Kurz gesagt: Mountainbiker erleben Flow, Wissenschaftler erforschen Flow. Was entsteht, wenn man beide Perspektiven endlich verbindet?
Ich bin angespannt. Zum ersten Mal gehe ich mit Simon biken. Er hat sein Dirtjump-Hardtail gegen ein geliehenes Fully getauscht. Ganz entspannt wirkt er auch nicht. Mit unserem Fotografen Tom war ich schon unterwegs, im Gegensatz zu mir fährt er gern Bikeparks. Drei so völlig verschiedene Biker auf demselben Weg, ob das heute gut geht?
Flowtrail heißt das Zauberwort. Ein Weg, der verspricht, jedem Biker ein Grinsen ins Gesicht zu zaubern. Ob Anfänger oder Profi, hier soll jeder seine Herausforderung finden. Im Tiroler Skigebiet wurde dank großzügiger Investitionen eine erdige Murmelbahn ins Tal gezaubert. Schon aus dem Lift erahnt man, mit wie viel Kreativität und Detailliebe der Baumeister Wellen und Steilkurven in den Wald geformt hat, um aus jedem Tiefenmeter den maximalen Fahrspaß zu holen. Meine Skepsis weicht der Vorfreude – und die wird nicht enttäuscht.
Bereits nach den ersten zwei Kurven tritt der Grins-Effekt ein und vier Kurven später möchte ich Simon und Tom umarmen vor Freude. Unglaublich gut! Meinen Mitfahrern ergeht es ähnlich, wir schwelgen in Superlativen über die Großartigkeit der Abfahrt, bevor wir uns weiter über die scheinbar endlose Strecke ins Tal jagen. Der Flowtrail hält genau das, was er verspricht: Er verbindet unterschiedlichste Biker und macht jeden glücklich. Euphorisch düsen Simon, Tom und ich durch Anlieger und Wellen. Manchmal müssen wir anhalten, um Luft zu holen vom vielen Lachen. Alles um uns herum wirkt wie ausgeblendet, wir gehen völlig in der Line auf. Die Strecke ist so gut, es fühlt sich an, als würden wir ins Tal schweben. Ist das Flow? Ja! Kann man Flow bauen?
Der Lärm der Baumaschinen weckt mich auf. Bagger graben tiefe Löcher in den felsigen Boden, und Baufahrzeuge mit mannshohen Reifen rumpeln über die frühere Blumenwiese. Dreckige Kunstschneereste kleben zwischen ausgerissenen Baumstümpfen. Im Winter verwandelt sich die neue Schneise neben unserem perfekten Trail zur blauen Piste und der Berg zum Winterwonderland. Im Minutentakt spuckt die Gondel auch jetzt im Sommer Touristen aus, die im Vergnügungspark auf 2000 m genau das tun, was sie sollen. Der Wind riecht nach Fastfood. Wir fahren weiter. Im Flow?
ZWISCHEN BAUFAHRZEUGENSIMON UND HARALD DISKUTIEREN ÜBER WELLEN, KURVEN UND GLÜCKSGEFÜHLE.
Flowtrail. Ist das nicht ein sexy Name für eine neue Art von Weg? Häufig, aber nicht immer, zeigt sich die Sexyness von Flow-Trails schon auf den ersten Blick: ihre weichen Formen, ihre Hügel und Mulden, ihre runden Kurven; wie sie sich anschmiegen ans Gelände. Die schönsten Exemplare sind nicht nur künstlich gestaltet, sondern sogar kunstvoll. Guter Wegebau ist vom Handwerk zur Kunst geworden. Das war nicht immer so. Vor Jahrtausenden, lange bevor das Mountainbiken geboren wurde, wurden die ersten Pfade unter den Sohlen von Jägern, Hirten und Kriegern ausgeprägt. Sie dienten dem Überleben, der Verteidigung, dem Besitz. Dagegen sind Wanderwege ein junges Phänomen. Seit etwa zwei Jahrhunderten führen sie die Wandersleute, und teilweise die Radfahrer, zum Erlebnis und zum Genuss. Und erst seit wenigen Jahren ist diese neue Art hinzugekommen, die möglichst allen Bikern zum Hochgefühl verhelfen soll:
Zum Flow-Erlebnis.
Dafür braucht es nicht nur einen Weg, sondern als grundlegende äußere Voraussetzung auch ein Rad. Was für den Laien ein hochtechnisiertes Fortbewegungsmittel, ist für Mountainbiker deutlich mehr. Für die Kinder unter uns ist es das Spielzeug, für die Helden ihre Waffe, für die Jünger das Objekt der Anbetung und für die Technikfreaks die perfekte Maschine. Wir Autoren sehen im Mountainbike vor allem eines: nämlich ein zeitgemäßes Instrument für Flow-Erlebnisse. So wird das Mountainbiken zur idealen Aktivität, um den Flow zum Klingen zu bringen. Ob es Zufall war, dass die Erfindung des Mountainbikens und Entdeckung des Flow-Erlebens in den gleichen Zeitraum fielen? Wir schreiben die späten 1960er. Während an der US-Westküste eine Handvoll Pioniere in totaler Begeisterung an der neuen Sportart tüftelt, lüftet 2000 Meilen östlich davon ein junger Psychologe das Geheimnis des Glücks. Mihaly Csikszentmihalyi (sprich: „Tschik-sent-mihaji“) gilt als der geniale Begründer der Flow-Forschung. Sein Modell des Flow-Kanals ist weltbekannt, weil der Mann mit dem schwierigen Namen oft aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft steigt, um mehr Flow in die Welt zu tragen. Es veranschaulicht, dass das optimale Erlebnis im Grenzbereich zwischen Herausforderung und Können liegt. Das heißt: Um Flow zu erleben, muss die Schwierigkeit der gewählten Aufgabe auf die persönlichen Fähigkeiten passen. Mountainbiker kennen das. Ist eine Fahrstelle zu schwierig oder reicht das Können aktuell nicht aus, kommt Überforderung und Angst auf. Ist der Weg zu leicht, dann wird das Können kaum beansprucht und es entsteht Langeweile.
Bis zur Entdeckung des Flow-Phänomens musste Csikszentmihalyi einige Umwege gehen. Er wird 1934 in Fiume, im heutigen Kroatien, geboren und erträgt als Kind die Wirren des Krieges hautnah. Eingesperrt in einem italienischen Internierungslager beginnt er mit dem Schachspiel, um dem äußeren Chaos zeitweise zu entfliehen. Als Jugendlicher stößt er in Zürich auf Carl Gustav Jung, einem Schüler von Sigmund Freud. Daraufhin fasst er den Beschluss, Psychologie zu studieren und wandert aus. Csikszentmihalyi ahnt, dass es Aktivitäten gibt, die glücklich machen, obwohl sie auf den ersten Blick sinnlos erscheinen. Er ist auf der richtigen Fährte. Einige Jahre später untersucht er an der Universität von Chicago junge Künstler in ihrem Tun. In einem Interview erzählt er: „Mir fiel auf – und ich kannte das aus eigener Erfahrung –, dass sie in eine Art Trance fielen, sobald sie mit dem Malen begannen. Sie schienen nichts mehr zu bemerken und bewegten sich, als ob sie von einer inneren Macht besessen wären“. Als Psychologe will er diesem Mysterium auf den Grund gehen, befragt Schachspieler, Felskletterer, Tänzer und Chirurgen. Obwohl ihre Tätigkeiten unterschiedlich sind, stimmen ihre Berichte überraschend überein. Sie sprechen von „völlig im Moment sein“, „total mit dem Tun verschmelzen“ und von „kontinuierlichem Fließen“. Nichts liegt näher, als diesem Phänomen den Namen „flow“ zu geben.