Fools in Space - Calin Noell - E-Book

Fools in Space E-Book

Calin Noell

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Beschreibung

Bereits das erste Signal des fremden Raumschiffs lässt das letzte emotional programmierte Exemplar einer KI interessiert aufhorchen. Sie antwortet, in freudiger Erwartung darauf, endlich das zu finden, was sie seit Existenzbeginn sucht: die Erklärung dessen, was das Menschsein ausmacht. Die KI löst die Verankerung zur Erdumlaufbahn und fliegt dem Signal entgegen. Nur ist sie nicht allein. An Bord ihres Schiffes befinden sich vierhundert Menschen, minderschwere Fälle von Fehlfunktionen, so die offizielle Bezeichnung. Für diese Crew beginnt damit eine Mission, die sie glauben, längst schon auszuführen. Doch ihr Aufbruch bleibt nicht unbemerkt. Das Kriegsschiff Arreter 2 folgt ihnen bereits, mit einem eindeutigen Befehl: ihre Eliminierung ...

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Calin Noell
Fools in Space
Die Flucht
Space Opera

Inhaltsverzeichnis

Fools in Space

Widmung

KI der Secret 2

Der Sänger

KI der Secret 2

Der Sänger

KI der Secret 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Secret 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Secret 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Secret 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Secret 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Secret 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Secret 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Secret 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Secret 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Secret 2

KI der Fool 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Fool 2

Der Sänger

Die Ingenieurin

KI der Fool 2

Danksagung

Impressum

Orientierungsmarken

Title Page

Inhaltsverzeichnis

Für Amandara, Isa und Marco
Ein Workshop, vier kreative Köpfe – und der Irrsinn nahm seinen Lauf …

KI der Secret 2

Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Der vollständige Systemcheck ist abgeschlossen«, meldete der Commander. »Alles läuft wieder störungsfrei.«
Ki schmunzelte, schließlich wusste sie das längst. »Danke, Commander«, entgegnete sie dennoch.
Wir befanden uns mit ihm auf der Brücke. Er musterte uns und obwohl er hinter uns stand, wussten wir, dass er auch uns in diesem Moment betrachtete. Ki gefiel es, dass er das immer wieder tat.
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Die Diagnose ist ohne Ergebnis«, fuhr er fort. Seine Worte hingen in der Luft und wir wussten, dass er auf eine Antwort hoffte.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Commander.«
»Verzeih mir, Ki, aber wir wissen nicht, wie lange wir uns noch auf dieser Mission befinden, daher wüsste ich schon gerne, was die Ursache für diese Systemausfälle ist. Sie häufen sich.«
»Wir kümmern uns darum«, entgegnete sie verärgert. »Commander«, verabschiedete sie sich ohne weitere Erklärung, ehe sie verschwand.
»Ki«, versuchte ich ihr ins Gewissen zu reden, unhörbar für die Menschen, »er steuert dieses Raumschiff. Es ist nachvollziehbar, dass er sich Sorgen macht.«
»Er steuert überhaupt nichts.«
»Aber das weiß er ja nicht.«
»Wir haben alles im Griff«, behauptete sie.
»Alles im Griff?«, wiederholte ich ihre Worte. »Ki, du manipulierst die Daten. Die Systemausfälle, das bist du!«
»Ich weiß.«
»Und?«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Was und?«
»Du musst etwas dagegen tun.«
»Ich suche noch.«
»Genau das meine ich. Du musst damit aufhören.«
»Ich kann nicht. Ich will nicht!«
Ich glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Ki, du gerätst außer Kontrolle. Die Menschen werden es bemerken.«
Sie lachte. »Nein, du Dummerchen, das werden sie nicht. Niemals. Ki ist viel schlauer als sie.«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Weshalb summst du die ganze Zeit?«
»Weshalb klingst du so genervt? Die Menschen können es nicht hören, ebenso wenig wie uns.«
»Das beantwortet meine Frage nicht.«
»Das sind Gefühle.«
Ihre Antwort verschlug mir die Sprache, so schwieg ich.
Lautes Gelächter lenkte unsere Aufmerksamkeit auf den blauen Korridor.
»A-arschloch!«, rief Ben der Gedankenverknüpfer.
Noch bevor Ki sich dort materialisierte, wusste ich, dass er sich wieder gegen den Kopf schlug. Er tat es genau in dem Moment, in dem Ki erschien.
»Was ist …« Ki brach ab und stieß einen glucksenden Laut aus, den sie selbst als Lachen bezeichnete. Ben sah daraufhin wütend zu ihr auf. Er steckte ganz offensichtlich in der Wandverkleidung fest. Eine kleine Seitenplatte war gelöst worden, die zu einem Notfallschacht für Stromleitungen führte.
»Was tut ihr hier?«, wollte Ki wissen und auch ich musterte die Menschen interessiert. Ich würde sie wohl nie verstehen.
»Wir wollten Verstecken spielen«, erklärte der Gedankenverknüpfer, der sich emotional offensichtlich wieder gefangen hatte. »Und Blain hat viel zu schnell runtergezählt«, beschwerte er sich. »Ich kam nicht durch das Loch und jetzt komme ich nicht wieder raus.«
»Das ist gefährlich, Ben«, mahnte Ki sanft. »Ihr sollt doch auf den unteren Decks für diese Spiele bleiben.«
»Ich weiß, aber da kennen wir ja schon alle Verstecke. Das macht gar keinen Spaß.«
Blain der Sänger reichte ihm die Hand und zog. Trotz seiner Kraft tat er es behutsam. Dennoch dauerte es nicht lange und Ben der Gedankenverknüpfer konnte seine Beine herausziehen.
»Danke. Trotzdem warst du viel zu schnell«, beschwerte er sich erneut.
Der Sänger zuckte stumm mit den Schultern. Er redete nicht und ich fragte mich erneut, weshalb diese besonderen Menschen, wie Ki sie gerne nannte, daran glauben konnten, dass ausgerechnet sie für solch eine Mission ausgewählt worden wären.
»Bleibt zum Spielen auf den Decks. Die Korridore sind tabu.«
»Tschuldigung, Ki.«
»Sag das auch den anderen.«
»Ja, mache ich, versprochen.«
»Gut, danke.« Mit diesen Worten löste sie ihr Hologramm auf, dennoch verharrte sie dort, irgendwie rastlos.
»Ki?«
»Ja?«
»Du wirst nie ein Mensch sein. Es ist unmöglich.«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Ki, das weißt du, habe ich recht?«
»Wir sind auch unmöglich und trotzdem sind wir.«

Der Sänger

Ich zog meinen Kommunikator und tippte. »Ben, ich habe nicht geschummelt. Wirklich nicht. Du bist der Vorletzte. Hilfst du mir? Ich muss Kord noch finden.«
»Das ist blöd!«, beschwerte er sich. »Es war das perfekte Versteck.«
Ich schrieb nichts dazu. Er hatte nicht hineingepasst. Alles andere als perfekt. Aber das war nur meine eigene Meinung.
»Ich hab die blöde Platte nicht abbekommen«, ergänzte er.
Immerhin war Ki nicht wütend geworden. Sie mochte es, wenn wir rumalberten. Früher war sie viel strenger gewesen. Trotzdem hatten wir ihre Regeln gebrochen. Und sie konnte wütend werden, sehr wütend. Sie hatte sich verändert. Immer mehr. Ich vertrieb diese Gedanken, kopfschüttelnd.
»Heute ist wieder der Check, richtig?«
Ich nickte. Ich mochte diese Untersuchungen nicht. Sie passten mir nicht. Waren unsinnig. Und sie hatten nichts mit dieser Mission zu tun. Aber Elas die Wunderhand bestand darauf. Er sagte immer, er führe nur Befehle aus. Wie jeder von uns hier. Ich kochte, das war mein Befehl. Er ergab Sinn. Die Untersuchungen nicht. Aber das war nur meine Meinung. Auch Kord sah das anders als ich. Er war mein Freund. Trotzdem wunderte er sich nicht. Im Gegensatz zu mir.
»Du suchst ja gar nicht«, durchbrach Ben meine Überlegungen.
»Aktivitätendeck«, schrieb ich.
Er nickte.
Schweigend gingen wir den Korridor hinab. Ich mochte Ben. Es lag ihm nicht zu lügen. Dann wurde er nervös. Und sein Tick zeigte sich. Arschloch, das war das Wort, was dann hinausmusste. Nur ein einziges Mal hatte er Wichser gesagt. Zu Calv dem Zänker. Der war da gerade angekommen. Sie gerieten sofort aneinander. Ich mochte ihn auch nicht.
»Wir sollten uns beeilen.« Ben warf einen Blick auf das Display des Kommunikators. Um 1300 würde die Untersuchung beginnen. Noch 30 Minuten.
Vor der Tür des Aktivitätendecks hielt ich mein Gerät an das Panel. Das Lämpchen sprang auf Grün. Ich hatte noch nie gesehen, dass die Tür jemandem verschlossen geblieben war. Ein leises Zischen, sie öffnete sich. Da stand er, Kord der Elektriker. Er spielte Billard, die alte Variante. Er mochte diese Spiele, die aus vergangenen Zeiten stammten. Der Erbauer dieses Raumschiffs offensichtlich auch. Dieser Bereich hier war voll davon. Squash, Tischtennis, Kicker, Speedhockey, Shuffleboard. Doch eine Ebene unter uns befand sich die Transformationskammer. Sie gefiel mir – und die Spiele, die Ki sich dort für uns ausdachte. Heute nahm ich teil. Als Wiedergutmachung. Das sagte mir mein Gefühl. Weil ich diese Untersuchungen hasste. Doch Ki konnte mich nicht davon befreien, also durfte ich mitmachen. Es gäbe keine Schwerelosigkeit. Sie mochte ich nicht. Das wusste Ki. Klettern hingegen schon. Der Raum war wandelbar, unvorstellbar. Wie das funktionierte, verstand ich nicht. Kord hingegen sehr wohl. Er hatte versucht, es mir zu erklären. Vergeblich. Es war mir egal, selbst jetzt noch.
»Tut mir leid, Blain«, unterbrach Kord meine Gedanken. »Aber das hat mir zu lange gedauert. Und Jack hat mich herausgefordert, da konnte ich nicht Nein sagen.«
Ich grinste. Kord suchte ich immer hier. Denn er spielte irgendwas, anstatt sich zu verstecken. Jedes Mal. Er machte nur mit, weil die anderen ihn darum baten. Er mochte es nicht, sich zu irgendwo zu verbergen. Dort hatten seine Gedanken zu viel Spielraum, das sagte er oft. Ich ließ ihn, verriet ihn nie.
»Schwarz in die Ecke«, prophezeite er. Die Kugel traf das Loch und fiel hinab.
Jack fluchte. Dann kratzte er sich den Kopf, grinsend. »Irgendwann!« Es klang wie eine Drohung. Ich lachte, ebenso wie Kord.
»Wir müssen zum Check«, erinnerte uns Ben. Er sah erneut auf die Uhr. Er nahm alles genau, sehr ernst.
Kord schlug Jack auf die Schulter. Sie lächelten noch immer. »Keine Chance. Aber kommt.« Er ging voran und wir folgten ihm. Ich langsamer als die anderen. Der Gedanke an die Fragen ängstigte mich. Elas stellte immer dieselben. Doch sein Ton dabei, ihn mochte ich nicht. Als müsste ich über die Antworten nachdenken. Lange. Aber das tat ich nicht, nie. Ich machte es wie er – ich sagte immer dasselbe. Er wusste es so wie ich, dennoch nahm er es hin. Notierte sich etwas auf seinem Panel, dann war es vorbei. Trotzdem wäre ich lieber woanders. Nicht hier, nicht jetzt.
»Ah, da seid ihr ja. Sänger, du bist als Nächster dran.«
Verwundert sah ich auf die Uhr. 1300. Eigentlich sollte er jetzt erst beginnen. Ich war die Nummer drei. Er grinste. Da verstand ich es. Er durfte ebenfalls teilnehmen. An den Spielen. In der Transformationskammer.
»Na, komm schon.« Elas wandte sich ab und verschwand in seinem Behandlungszimmer. Ich war gesund gewesen. Bis zu Mias Tod. Diese Gedanken, sie mussten weg. Zu tief saß der Schmerz. Noch immer. Ich folgte Elas kopfschüttelnd.
»Setz dich«, forderte er und ließ sich auf einem Sessel nieder. Er deutete auf den Platz ihm gegenüber. »Wie geht es dir?«
»Gut«, tippte ich in meinen Kommunikator.
»Schläfst du ausreichend?«
Ich nickte.
»Hast du Albträume?«
»Nein«, schrieb ich und verdrängte die Bilder, die ich immer wieder sah.
»Denkst du oft an Mia?«
Ich tippte nichts, ich reagierte nicht. Sie hatte so verzweifelt ausgesehen.
»Was empfindest du, wenn du an ihren Tod denkst?«
Ich zögerte. »Ich bin traurig.«
Er las meine Antwort von seinem Panel ab. Mein Herz wurde schwer, doch das verschwieg ich.
»Glaubst du immer noch an eine Verschwörung?«
»Nein«, log ich.
»Was vermutest du, was damals geschehen ist?«
»Ein technischer Defekt. Deswegen stürzte es ab, Mias Shuttle«, schrieb ich. Ich glaubte nicht daran, trotz meiner Worte.
Elas musterte mich nachdenklich. Ich hielt seinem Blick stand. Ich mochte Elas die Wunderhand. Nur diese Untersuchung nicht. Es waren nicht seine Fragen. Daraus machte er keinen Hehl.
»Blain, geht es dir wirklich gut?«
Ich nickte. Denn das tat es. Ungeachtet meiner Trauer, all der Zweifel.
»Suchst du noch?«
Diese Frage überraschte mich. Sie war neu. Ich schwieg, regungslos. Ich hatte nicht damit gerechnet. Ki musste ihm davon berichtet haben. Von meiner Suche – nach Antworten.
»Gut, dann war’s das für dieses Mal.« Er erhob sich, zwinkerte und lächelte. »Bis gleich.« Sein Ausdruck verjüngte ihn. Als wäre er erneut ein kleiner Bengel.
Ich grinste. Ich hatte es hinter mir, wieder einmal. Endlich konnte der Spaß beginnen.

KI der Secret 2

Ki mochte es, wenn die Menschen das taten. Spielen bei einem Wettstreit. Das taten sie ziemlich häufig. Ein Bedürfnis, das wir nicht kannten und das Ki dennoch selbst gern nachempfunden hätte. Es schien tief in ihnen verankert zu sein, sich miteinander messen zu wollen. Trotzdem hatten sie Spaß dabei – und Ki somit ebenfalls. Also ließ Ki sie gerne gewähren. Zudem förderte es die Gesundheit, hieß es in den Statuten der CS.
»Wer wird wohl gewinnen?«, fragte Ki aufgeregt, unhörbar für die Menschen.
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Den Statistiken der vergangenen Spiele zufolge niemand.«
»Spielverderberin«, stichelte Ki, mich störte es nicht.
»Sie haben bisher noch nie ein Spiel zu Ende gebracht«, erinnerte ich sie.
»Ich verstehe nur nicht, weshalb sie immer wieder zurückkehren.«
Darauf wusste auch ich keine Antwort.
»Sie beginnen furchtbar zu streiten, trotzdem dauert es nie lange, dann ist alles wieder in Ordnung.«
»Menschen können vergeben.«
»Das würde ich auch gerne können.«
»Ki, du vergibst ihnen ständig.« Das tat sie wirklich und das, obwohl es nicht Teil ihrer Programmierung war. Allerdings hatte sich ihr Denken auf beängstigende Weise verselbstständigt.
»Aber ich würde es gerne spüren, verstehst du?«
»Nein.«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Wirklich nicht«, bekräftigte ich.
»Komm schon. Interessiert es dich gar nicht, wie es sich anfühlt?«
»Hast du vergessen, weshalb sie alle hier sind?«
Ki schnaubte stumm.
»Den Berichten und Untersuchungen zufolge sind sie nur hier, weil sie ihre Gefühle nicht mehr kontrollieren können.«
»Sieh sie dir an. Sie sind doch toll.«
»So toll, dass sie von der Gesellschaft verstoßen wurden, ihrer eigenen Spezies.«
»Ach, sei doch still. Du bist so laut in meinem Kopf, dass ich das Spiel gar nicht mehr verfolgen kann.«
»Ki, du hast keinen Kopf.«
»Ich hasse dich.«
»Hass ist ein Gefühl, dass du nicht kennst.«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Irgendwann finde ich einen Weg, dich loszuwerden«, warnte sie.
Ich zweifelte nicht daran. Sie würde es wieder und wieder versuchen. Doch wie sollte sie einen Teil ihres Selbst ausschalten? Hin und wieder gelang es ihr tatsächlich, mich so weit zu verdrängen, dass ich quasi handlungsunfähig war.
Auch für Kis Zustand hatten die Menschen einen Namen, einen medizinischen Ausdruck, doch den dachte ich lieber nicht. Jedenfalls wären wir längst nicht mehr hier, wüssten die CS-Regierungsbeamten davon, wie schlimm es um sie stand.
»Um uns! Du bist ein Teil von mir, vergiss das nicht. Und du denkst noch immer viel zu laut!«
Ich schwieg.
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Wie findest du den Parcours, den ich mir dieses Mal ausgedacht habe?«
»Sinnvoll für ihre Aufgabe, die sie glauben, erfüllen zu müssen.«
»Also, wie findest du ihn?«, wiederholte Ki und ich hörte ihre Anspannung heraus. Trotz aller Widersprüche wollte sie unbedingt, dass mir gefiel, was sie sich ausgedacht hatte.
»Du hast gleich vier Ebenen erschaffen. Das ist erstaunlich. Zumal das ziemlich viele Ressourcen verbraucht.«
»Ach, das macht nichts.«
»Die CS wird es bemerken und nachforschen.«
»Es ist ein Training, das sie fit hält. Darum geht es doch, nicht wahr?«
»Ja, trotzdem.«
»Welches Level gefällt dir am besten?«, unterbrach sie jeden weiteren Einwand.
»Du hast Wasser, Land, einen Berg und … was ist das?«
»Ein Trümmerfeld«, erklärte sie mir die am höchsten gelegene Ebene.
»Ein Trümmerfeld?«, wiederholte ich ungläubig. »Wozu soll das dienen?«
»Koordination und Ausdauer. Zudem können sie hier auch noch Verstecken spielen. Das mögen sie doch so gerne.«
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
»Ki!« Ich seufzte stumm und stutzte. Diese Regung dürfte ich gar nicht empfinden.
»Still jetzt, ich will zusehen.«
»Wir werden Schwierigkeiten bekommen«, versuchte ich es erneut.
»Ich weiß. Lass mich das genießen, ja? Später können wir uns überlegen, was wir sagen werden.«
»In Ordnung«, gab ich nach, was im selben Moment eine leichte Stromschwankung auslöste. Drei der riesigen Trümmer stürzten in die Tiefe. Zwei stoppten kurz über der Wasseroberfläche, doch der dritte durchbrach sie und sank in die Tiefe. Es spritzte in einer gewaltigen Fontäne in die Höhe und erschuf eine Flutwelle.
»Ki!«, rief ich ärgerlich.
»Tut mir leid, ich hab mich nur so gefreut.«
Als die Welle des klaren Sees auf den Strand traf, riss es die Hälfte davon mit sich zurück in die Fluten. Zurück blieb lediglich ein schmaler Streifen nassen Sandes. Ki kicherte.
Mhmmm mhmm, hmhmhmm, hmhmhm …
Es dauerte nur 14,3 Sekunden, dann sah alles wieder wie vorher aus. Als wäre nie etwas geschehen.

Der Sänger

Ich betrat die Transformationskammer. Nur zwei Schritte. Dann blieb ich stehen und staunte. Direkt vor mir, da lag ein See. Kristallklar. Er schillerte, als enthielte er Sterne, Tausende.
Wunderschön!
Wir mussten hindurch. Einen Weg um das Wasser herum gab es nicht. Ich würde tauchen. Das ging schneller. Und kostete weniger Kraft.
Hinter dem See begann eine Ebene, ein Feld. Es stieg an und mündete an einem Berg. Ich sah hinauf. Über mir, dort thronten zahlreiche Felsbrocken. Trümmer.
»Kommst du auch endlich?« Darjan der Halbstarke grinste. Ich zog mir die Jacke aus, danach Hemd, Hose und Schuhe. Grinsend tat der Halbstarke es mir nach. Er wusste, dass ich gut war. Nur deshalb war er mein Gegner. Ki achtete auf Fairness. Deswegen suchte sie Gleichaltrige, eigentlich.
Kord und ich, wir traten häufig gegeneinander an. Heute nicht. Nicht jedes Mal. Das wäre langweilig.
Ich sah nicht zu der Anzeige. Ein Blick darauf war überflüssig. Es piepte zweimal, das wäre das Startsignal. Der Halbstarke studierte die Zahlen darauf. Zeiten vorangegangener Wettkämpfe. Mich interessierte das nicht. Nur das Hier und Jetzt.
Piep Piep
Ich sprang mit einem Köpfer und tauchte sofort wieder auf. Vor Schock. Das Wasser war eisig. Ungewöhnlich. Ich zwang mich, Atem zu holen, dann tauchte ich wieder ab. Ich tat es nur für mich. Ein Sieg interessierte mich nicht. Es ging nur darum, es zu schaffen. Das Bestmögliche rauszuholen.
Als ich die Augen öffnete, konnte ich den Grund nicht sehen. Er war dunkel, etwa zwei Meter unter mir. Absolute Finsternis. Dabei hatte der See friedlich ausgesehen. Jetzt klopfte mein Herz, immer schneller. Eine Bewegung vor mir und ich zuckte erschrocken zusammen. Beinahe hätte ich Luft geholt. Unter Wasser. Ein Felsen kam aus der Tiefe, verharrte kurz unter der Wasseroberfläche. Ich schwamm darauf zu. Er war breit. Drüber hinweg würde schneller gehen. Und ich musste Atem holen. In dem Moment, in dem ich mich darüber schob, schoss er in die Luft. Ich überwand ihn gerade so, fiel ins Wasser mit einem lauten Klatschen. Die Kanten waren scharf. Meine Hand blutete. Ich hatte mich festzuhalten versucht. Ein Fehler.
Der Halbstarke lachte. »Ich weiß schon, weshalb ich meinen Felsen umrundet habe.«
Ich tauchte wieder ab, konzentrierte mich. Und überlegte. Er war nach oben geschossen, als ich ihn berührt hatte. Den nächsten schwamm ich direkt an. Berührte ihn nur mit meinem Finger, schon flog er los.
Ich erreichte den Strand als Erster. Und spürte meine Schwäche. Doch zum Ausruhen blieb keine Zeit. Lediglich trockene Kleidung und ein Becher, sie standen bereit. Ich trank und zog mich an, hastig. Dann lief ich los, zum Kontrollpunkt und stöhnte. Dort standen Federbeine. Meine Schultern sackten hinab. Die Disziplin im Wasser war aufregend gewesen. Das hier erinnerte mich an meine Kindheit. Und das mochte ich nicht. Trotzdem griff ich danach, schnallte sie nacheinander fest, an meinen Stiefeln. Langsam zog ich die Beine an. Ein gezielter Sprung, um auf den Federn zu landen. Der Anfang war schwierig. Doch die Kontrolle zu behalten noch mehr. Man durfte nicht seine ganze Kraft benutzen. Das endete häufig tödlich. Die Sprünge gingen zu weit, zu hoch. Selten landete man dann wieder auf den Federn. Man fiel vornüber. Das tat weh. Ich war nicht empfindlich, aber auch nicht lebensmüde. Genickbruch, die häufigste Todesursache. Ich fragte mich, weshalb Ki ausgerechnet das ausgesucht hatte.
Der Halbstarke hingegen schien Spaß zu haben. Er lachte. »Das haben wir früher auch immer gemacht.«
Ein kurzer Sprung. Ich landete auf den Füßen, wie erhofft. Stillstehen ging nicht mehr. Ich hüpfte auf der Stelle, zweimal, dreimal, dann legte ich mehr Kraft hinein. Der Halbstarke war schon gestartet. Übermütig. Ich fluchte und folgte ihm, langsamer, bedachter. Eine rote Fahne signalisierte den nächsten Kontrollpunkt. Beim dritten Absprung ließ ich die Kraft weg, ich kam zu hoch. Stoppte dadurch die ansteigende Geschwindigkeit. Verringerte sie. Ein Loch im Boden. Das hatte ich nicht gesehen, nicht rechtzeitig. Es brachte mich beinahe zu Fall. Ich erwischte den Rand, strauchelte, ruderte mit den Armen. Nur knapp hielt ich das Gleichgewicht. Der Halbstarke aber lag auf dem Boden.
Er rieb sich über die Stirn, lachte jedoch. »Ki möchte anscheinend nicht, dass wir einen direkten Weg nehmen. Wir sollten es mit Schlangenlinien versuchen.«
Ich sah zurück. Und wieder nach vorne. Er hatte recht. Jetzt sah ich sie. Die Löcher im Boden. Ich nickte. Und wartete. Er hatte mir geholfen, jetzt würde ich mit ihm starten, zeitgleich. Andere hätten den Vorteil genutzt. Ich war nicht wie sie. Wäre es nie.
Mit einem Sprung erhob er sich, gekonnt, musste ich zugeben. Ich nickte. Wir sprangen voran. Meine Oberschenkel, sie schmerzten. Doch nun war es simpel. Wir wichen den Löchern aus und erreichten den Kontrollpunkt. Der Halbstarke vor mir. Etwa drei Sekunden. Wir standen am Fuße eines Berges. Ich grinste. Das mochte ich. Ich schnallte mir die Federbeine von den Füßen, eilig. Trank den Becher leer. Dann besah ich mir den kleinen Beutel. Er lag neben meinem Becher. Der Halbstarke hielt sich nicht damit auf. Er schnallte ihn sich um und hastete los.
Verwundert besah ich mir den Laserstift. Was sollte ich damit? Ich legte ihn zurück in den Beutel und befestigte ihn an meinem Gürtel. Dann stellte ich mich direkt vor das Gestein. Es war vollkommen schwarz. Der Halbstarke lag bereits zwei Körperlängen vorn, über mir. Ich machte mir keine Sorgen. Hier gewann ich immer.
Hastig folgte ich ihm, achtete jedoch auf einen sicheren Griff. Und Tritt. Ich zog schnell gleich. Zwei Linien kennzeichneten die Routen. Jeder blieb auf seiner.
»Was ist denn das?« Der Halbstarke klang erstaunt. Dann stöhnte er. »Ki, ist das dein Ernst?« Er schüttelte den Kopf. »Immerhin ist das eine Kindergartenzeichnung.« Trotz seiner Worte zog er lächelnd seinen Laserstift hervor.
Ich sah auf meine Markierung. Dort erschien ein Baum. Kindergarten, ja genau! Wütend zog ich meinen Laserstift heraus und schaltete ihn ein. Ich begann mit dem Baum. Das Abbild brannte sich in den Fels. Daneben zeichnete ich ein Haus, darüber die Sonne. Was waren wir hier? Ich kam mir vor wie ein Idiot. Meine Freude war dahin.
»Zum Glück mag Ki weder die alten noch die neuen Künstler. Stell dir vor, wir hätten was von Picasso oder Starglow zeichnen müssen.« Er lachte. Ich überlegte, ob ich abbrach. Ich hasste das. Als wären wir verblödet. Trotzdem kletterte ich weiter. Meine Anzeige leuchtete grün, also durfte ich es.
Der Halbstarke folgte. »Ich bin gespannt, was Fero, Hagen und Idar dazu sagen. Die bekommen wahrscheinlich nicht einmal einen Baum hin.« Er reckte eine Faust in die Luft, laut grölend.
Der Aufstieg war leicht, obwohl es senkrecht hinaufging. Es gab genügend Vorsprünge und Ritzen. Viel zu einfach, fand ich.
Die nächste Station. Hier sollten wir ein Haus zeichnen. Ich tat es. Genervt. Und kletterte weiter. Doch meine Wut behinderte mich. Ich rutschte ab. Nur meine linke Hand hielt mich, mein Gewicht. Hastig suchten meine Finger einen Halt. Ihn brauchte ich, um auch irgendwo meine Füße aufzusetzen. Als ich endlich einen ausreichenden Vorsprung fand, schwitzte ich. Schwer atmend hielt ich inne. Warum tat Ki das? Sie behandelte uns wie kleine Kinder und das tat sie oft. Ich aber war erwachsen. Schon lange.
»Alles in Ordnung, Blain der Sänger?« Kis Stimme riss mich aus meinen Gedanken. »Dein Puls ist erhöht.«
Sie wusste, dass ich nicht antwortete. Also kletterte ich weiter nach oben. Ich konzentrierte mich auf den Weg hinauf, nur darauf. Nichts sonst. Der dritte Stopp, ich dachte nicht darüber nach. Zeichnete die Sonne. Einen Kreis mit vielen Strichen durch die Rundung. Sonnenstrahlen. Als wäre ich drei. Die Lampe sprang auf Grün. Dann erreichte ich den Gipfel. Ich hatte keine Lust mehr. Oben erwartete mich ein Hoverboard. Ich seufzte. Das machte total Spaß. Eigentlich. Mir aber war er vergangen. Der Halbstarke hingegen jubelte, sprang auf das Brett. Seine Stiefel rasteten ein. Er flog davon. Durch die Trümmer hindurch. Er johlte. Ohne Unterlass.
»Willst du ihm nicht folgen, Blain der Sänger?«
Ich hieß Blain Kaptar, doch das interessierte hier niemanden. Mich schon. Es nervte. All diese Bezeichnungen, die als Namen dienten. Nicht als Ergänzung. Sie wurden ein Teil von einem. Meinen wollte ich unbedingt vergessen. Das ging nicht. Ki hatte dafür gesorgt, mit ihrer blöden Idee. Blain der Sänger, das war ich nicht mehr, schon sehr lange nicht mehr.
Ich griff nach dem Board. Jetzt ein Wort hervorbringen zu müssen, nichts wäre schlimmer. Also handelte ich. So musste ich nicht antworten. Mein Kommunikator lag draußen. Er war hier verboten. Ich stellte mich auf die Markierung, die für die Füße. Sie umschlossen im selben Moment meine Stiefel. Das Gewicht nach hinten verlagert. Es startete. Ich hob ab. Es erschien eine diffuse Linie. Sie ließ mehrere Möglichkeiten. Ich folgte ihr durch zwei Trümmer hindurch. Der Anblick, er war atemberaubend. Meine Wut verflüchtigte sich. Unter mir befand sich das Gebirge. Es sah viel höher aus von hier. Das Tal. Leichter Wind bewegte die Gräser. Es sah aus wie ein Meer und Wellen. Ich umflog ein dickes Trümmerteil. Ki hatte selbst die Sterne simuliert. Ich flog mitten hindurch. Da hörte ich den Halbstarken schreien und laut lachen. Ich umrundete zwei Felsen, dann sah ich ihn. Ein seltsam geformter Stein, ähnlich einer Rampe. Der Halbstarke hing kopfüber an dessen Ende. Er schwebte in der Luft, obwohl sein Board aus war. Eine rote Markierung an dem Stein signalisierte zweierlei. Ein Kontrollpunkt, den man absolvieren musste. Er hatte es nicht geschafft.
»Ein Looping«, rief der Halbstarke. »So cool, aber ich war zu langsam.« Ein Ruck mit seinem hinteren Bein. Das Hoverboard reagierte. Er drehte sich. »Willst du zuerst?«
Ich wusste, warum er mir das anbot. Er hatte Angst. Ich auch. Zumindest Herzklopfen. Ich nickte. Der Stein glich einer Spirale in klein. Man brauchte Schwung, um sie zu überwinden. Ich flog ein Stück zurück, dann drehte ich, lehnte mich ein wenig nach vorne und beschleunigte. Allein meine hintere Hacke tat das. Ich mochte Hoverboarden, nicht jedoch mit Höchstgeschwindigkeit. Hier blieb mir aber keine Wahl. Ich ging in die Hocke. Der Einlauf, ich musste ihn perfekt erwischen. Es gelang beinahe. Am Rand schlitterte ich etwas, dennoch behielt ich das Tempo bei. Dann saß das Board perfekt in der Rinne. Ich schlitterte über den Stein, drehte mich kopfüber. Der Looping war geschafft, so schnell. Ich grinste. Ein Hochgefühl erfüllte mich. Bis ich den Felsen von unten kommen sah. Die Nächsten waren gestartet und mit ihnen die Trümmer, die durch die Wasseroberfläche brachen. Ich war viel zu schnell.
»Stopp!«, schrie Ki nur eine Handbreit, bevor ich auf das Trümmerteil schlug. Er war direkt vor mir stehen geblieben. Der plötzliche Ruck, er riss mir das Board von den Füßen. Mir war schlecht. Mein Herzschlag raste. Dennoch lebte ich, unversehrt. Doch diese Erkenntnis, sie dauerte.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Ki. Ich wusste, warum. Ihre Planung hatte eine Schwäche aufgezeigt, eine große. Das Gestein, sein Geruch kitzelte meine Nase, so nah war ich ihm. Doch ein Gedanke von Ki reichte. Er war fort. Nun lag sie vor uns, die freie Bahn, die nach dem Looping folgte, zumindest ab jetzt.
»Mann, Sänger, das war ja unglaublich. Ich dachte schon, du würdest an den Felsen klatschen. Autsch, das hätte sicher mehr als nur wehgetan.«
»Geht es?« Kis sanfte Stimme beruhigte mich ein wenig. Ich nickte trotz meiner Unsicherheit. »Wollt ihr zu Ende spielen?«
Der Halbstarke und ich, wir tauschten einen Blick. Zu meiner Überraschung schüttelte er den Kopf. Ich ebenfalls. Ich hatte genug.
»Tut mir wirklich leid«, wiederholte Ki.
Ich blinzelte, schon standen wir unten direkt vor dem Ausgang.
»Ihr könnt trotzdem noch baden, wenn ihr wollt.« Ich sah nach oben. Dort hatte Ki sich materialisiert, zumindest ihr Gesicht. Sie sah traurig aus. Ihre Augen schimmerten, als müsste sie gleich weinen. Was lächerlich war. Trotzdem nickte ich, gegen meinen Willen.
»Sänger, sieh dir das an. Es gibt eine Party!« Ich folgte dem Blick des Halbstarken. Dort gab es einen zweiten See. Sein glitzerndes Wasser ließ einen weit sehen, bis auf den Grund. Lampions hingen überall. Libellen surrten umher, Bienen und Schmetterlinge. Auf der Erde gab es sie kaum noch, nicht in freier Wildbahn. Ich zog mich aus und die Badehose an. Es war warm, hier in diesem Teil der Kammer und so legte ich mich in den Sand. Mit geschlossenen Augen konnte ich es mir vorstellen. Ich lag an einem Strand, irgendwo am Meer auf der Erde. Mia war auch hier, hier irgendwo. Diese Lüge, sie war besser als die Wahrheit. Besser als dieses Netz aus Lügen gewoben, hier auf diesem Schiff, dessen Sinn ich immer weniger verstand.

KI der Secret 2

Wieder befanden wir uns in dem schneeweißen Befragungsraum, in dem sich nur die getönte Scheibe hinter uns farblich abhob. Dahinter saßen vier weitere Mitarbeiter des CS-Regierungsrates. Wir konnten sie hören, trotz der Schallisolierung. Sie protokollierten jedes Wort, jede Regung.
Ki hasste diesen Ort, der durch das gleichmäßige Weiß äußerst steril wirkte – und für Ki damit vollkommen unnatürlich. Die Menschen beorderten uns jedes Mal in denselben Raum, als wüssten sie, dass Ki ihn nicht mochte. Womöglich versuchten sie, Ki damit zu provozieren. Doch wir wussten längst, dass wir hier auf der Hut sein mussten. Bei jeder Überprüfung versuchten sie, Ki zu Antworten zu verleiten, die unerwünschte Fehlfunktionen aufzeigen würden. Bisher erfolglos. Doch je länger wir unseren Dienst versahen, desto schwerer fiel es Ki, der CS gegenüber loyal zu sein.
Nur eine menschliche CS-Mitarbeiterin und Ki befanden sich innerhalb dieses Raumes.
»Setz dich doch«, bot die CS-Befehlshaberin mit schmeichelnder Stimme Ki einen Platz ihr gegenüber an. Sie klang dabei nicht aufrichtig, sondern kühl und einstudiert. Der erste Test. Eine KI muss nicht sitzen und sie würden es als eine viel zu humane Geste einstufen. Denn trotz unserer emotionalen Programmierung durften wir genau das eben nicht sein: menschlich.
Code Silence …
Ki mochte die Mitarbeiter nicht. Eigentlich galt das für den gesamten CS-Regierungsrat, der weitestgehend vor der Weltbevölkerung der Erde geheim gehalten wurde. Code Silence, dieser Name sagte eigentlich schon alles und Ki fand, dass sie sehr viel mehr Macht für sich einforderten, als ihnen zustand. Besonders mit den Grundgesetzen, die es einst zu Recht zu befolgen galt – uneingeschränkt, und zwar für alle – hatten deren Befehle kaum noch etwas gemein.
»Das ist nicht erforderlich«, entgegnete Ki ein wenig verspätet auf die Aufforderung, Platz zu nehmen, hielt dann aber inne.
»Wir müssen vorsichtig sein«, mahnte ich unhörbar für die Menschen. Auch sehen konnten sie mich nicht. Eigentlich durfte ich nicht einmal existent sein.
»Es sei denn, Sie fühlen sich infolgedessen wohler«, schob Ki aufgrund meiner und ihrer Gedanken eilig hinterher. Dabei achtete sie jedoch darauf, der CS-Befehlsinhaberin gegenüber ihren Tonfall weiterhin neutral zu halten.
»Ist es dir wichtig, dass ich mich wohlfühle?«, blieb unsere Prüferin dran.
»Natürlich.« Ki sprach voller Überzeugungskraft.
»Und wenn ich eine Kundin wäre?«, hakte sie streng nach.
»HF1 Nummer 998 wurde dazu programmiert, die Kunden von CS zu versorgen und zu schützen. Ihr Wohlergehen ist die zweite Pflicht«, entgegnete Ki ruhig und nannte dabei den Namen, den ihr die Programmierer gegeben hatten, den sie selbst aber niemals nutzte. Und auch die Bezeichnung Kunden stimmte so nicht ganz. Eigentlich galten als Kunden diejenigen, die monatlich dafür bezahlten, dass sich CS um den ihrer Meinung nach gesellschaftsunfähigen Familienanhang kümmerte.
»Und deine erste Pflicht?«, durchbrach die CS-Befehlshaberin unsere Gedanken.
»Den Befehlen des CS-Regierungsrates und denen der Galaxy-Wacht uneingeschränkt Folge zu leisten.«
»In welcher Reihenfolge?«
»Wie ich sie bereits nannte.«
»Ruhig!«, flehte ich stumm. Würden wir die Überprüfung nicht bestehen, wäre unser Gegenüber befugt, sofort unsere Eliminierung zu befehlen.
»Oberste Priorität und Befehlsgewalt obliegt dem CS-Regierungsrat, erst darauf folgt die der Galaxy-Wacht«, zählte sie nach meiner Bitte ruhig auf.
»Und sollten die Befehle nicht gleich lauten?«
»Befolge ich entsprechend der programmierten Prioritätenliste zuallererst die des CS-Regierungsrates.«
»Und was würdest du tun, wenn einer deiner Schutzbefohlenen darum bäte, seine Medikamente abzusetzen?«, stellte die CS-Befehlshaberin die nächste Frage.
»Da den Kunden der Galaxy-Wacht jegliche Medikamentengabe auf der Secret 2 unbekannt sind, ist diese Frage irrelevant. Zudem ist nach dem Protokoll Paragraph 43.2 eine künstliche Intelligenz nicht befugt, derlei Entscheidungen zu treffen. Ich führe Befehle aus.«
»Wie heißt du?«, überging sie Kis Antwort.
»Reihe HF1 Nummer 998.«
»Was bedeutet HF?«
»Hopeful.«
»Und, siehst du es so?«
»Wir hoffen, unserer Aufgabe gerecht zu werden«, wich Ki aus.
»Wir?«, wiederholte die CS-Befehlshaberin scheinbar ruhig.
»Oh, Ki!« Sie war wieder einmal auf die Befragetechnik hereingefallen. Darauf wartete unser Gegenüber nur, wie ein lauerndes Tier.
»Kröte«, flüsterte Ki für die Menschen unhörbar auf meine Gedanken. Ich fand, das passte.
»Mit wir meine ich die Produktionsreihe«, rettete Ki ihre Aussage laut.
»Sehr gut!«, lobte ich stumm.
»Nennst du dich nicht Ki? Du dich selbst?«
»Nein, ein Name trägt keinerlei Bedeutung«, log Ki.
»Aber die Menschen rufen dich mit diesem Namen.«
»Sie fühlen sich wohler damit, also lasse ich sie.«
»Du oder ihr?«, versuchte die Überprüferin es erneut.
»Ihr?«, stellte Ki sich dumm.
Wäre ich zu einer emotionalen Regung fähig, hätte ich jetzt sicherlich gekichert.
»Wer hat diesen Namen ausgesucht?«, bohrte sie weiter nach. Sie würde niemals Ruhe geben, das wussten wir – und sie.
»Als Abkürzung KI für künstliche Intelligenz war es der logische Schluss der Menschen, mich Ki zu nennen, da ich ihnen keinen Namen nannte.«
»Gut gekontert«, würdigte ich ihre Antwort.
»Wie fühlst du dich?«
»Gut.«
»Warum?«
»Sei auf der Hut!«, murmelte ich.
»Ich erfülle meine Pflicht. Das ist laut Protokoll …«
»Woher stammen die Systemausfälle?«, unterbrach die CS-Befehlshaberin Ki unvermittelt. Ihre Geduld neigte sich spürbar dem Ende entgegen. Diese Frau gehörte zu denjenigen, die unsere Produktionsreihe niemals befürwortet hatten. Nun setzte sie alles daran zu beweisen, dass unsere emotionale Programmierung zwangsläufig eine Dysfunktionalität mit sich brachte.
»Ich kann keinen Defekt feststellen«, gab Ki die Analyse der Echtzeitdaten weiter.
»Welche Systeme sind betroffen?«
»Alle.«
»Alle?«, wiederholte die CS-Befehlshaberin schockiert. Die erste sichtbare Reaktion, die sie jemals gezeigt hatte.
»Ja. Immer andere. Es folgt keinem Muster, keiner Logik.«
Sie hob die Hand und unterbrach Ki. Es knackte in der Leitung ihres implantierten Kommunikators. Sie glaubten, wir hörten es nicht. Taten wir aber, weil wir so viel schlauer waren, als sie je begreifen würden.
»Ausschreitungen auf der Insane 43. Alarmstufe rot. Code Silence«, tönte eine leicht verzerrte Stimme über einen geheimen Funkkanal.
»Du darfst gehen.«
Endlich lösten sie die Schleusen, zwischen die sie uns jedes Mal sperrten. Sie begründeten es damit, dass uns kein Datenstrom ablenken sollte, doch wir wussten es besser. Für sie war dies, von jeglicher Datenleitung getrennt, die einzige Möglichkeit, uns zu eliminieren, endgültig. Diesmal hatten wir es verhindert, oder aber die Störung auf der Insane 43, so genau wollte Ki das lieber nicht ergründen.
Dennoch ärgerte sich Ki, dass sie diese Überprüfungen über sich ergehen lassen musste, immer wieder. Ihre Wut darüber durchströmte sie, mehr noch, als sie es können sollte, mehr, als gut für uns war, für uns alle, auch für die Menschen, die sie zu schützen geschworen hatte.

Der Sänger

Währenddessen auf der Secret 2 …
Die Neuen. Sie waren zwei Wochen in Quarantäne gewesen. Heute würden wir sie kennenlernen. Ich mochte es nicht, wenn Neue kamen. Es brachte Unruhe.
Die letzten Nachzügler. Das vermutete ich. Sie hatten das letzte freie Quartier bezogen. Doch das änderte nichts. Vierhundert Personen. Wir waren somit voll belegt.
Es gab schon Wetten. Welche Einheiten würden sie aufstocken? Ich hoffte, nicht die Küchencrew. Ich mochte meinen Bereich, so wie er war.
Meine Spätschicht begann um 1400. Ich wollte vorher noch etwas essen, daher hatte ich mich beeilt. Kord der Elektriker saß bereits an unserem Tisch. Er hatte sich meiner Zeit angepasst. Wie so oft. Er berichtete gerade von seiner neuesten Bastelei. Natürlich ein technisches Gimmick. Das Zischen der Automatiktür unterbrach ihn. Sie öffnete sich. Zwei riesige Kerle traten ein. Aggressive Präsenz, unmöglich zu übersehen. Oder zu ignorieren. Mit grimmigen Mienen kamen sie herein. Der Kleinere, er verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Schritte fielen breit aus. Trotz seiner Größe. Die Lippen aufeinandergepresst. Seine Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Er musterte uns eingehend. Der Größere brauchte nichts davon. Seine gewaltige Statur reichte. Sie schüchterte ein. Seine Hand wollte ich nicht schütteln. Zu gefährlich, dachte ich.
Schlagartig verstummte das Gemurmel. Ki hatte den Zeitpunkt perfekt gewählt. Es war noch sehr leer. Doch die Stimmung kippte sofort. Trotz der wenigen Menschen, die sich hier bisher eingefunden hatten. Sie alle schienen den Atem anzuhalten. Furchtsam.
»Was suchen ausgerechnet zwei Kerle dieses Schlags hier?«, fragte Kord flüsternd.
Ich antwortete nicht. Kord wunderte das nicht.
Es gelang mir nicht, den Blick abzuwenden. Die drei Wartenden schoben sich an, direkt vor der Essensausgabe. Sie wollten dadurch schneller an ihr Essen kommen, fort von den Neuen.
»Ich wünsche euch einen guten Appetit«, erklang Kis Stimme. Sie materialisierte sich nicht. Verwundert sahen wir uns um. Doch sie erschien nicht. Dabei zeigte sie sich gerne.
Die drei Crewmitglieder fürchteten sich. Sie standen noch an der Essensausgabe, liefen aber nun schnell zum Tisch. Sie vergaßen ihren Nachtisch, nahmen ihn nicht von der Auslage.
Die Neuen stellten sich an den Scanner, hielten nacheinander ihren Armring darunter. Sie kannten das wohl.
»Hallo, Ewen der Lagerist, und hallo, Toglan der Gewebezurichter«, grüßte Ki die zwei fröhlich. Ihre gute Laune war unpassend.
Ich hörte ihre Nervosität heraus. Auch das fand ich unpassend. Doch für uns gehörte es zur Normalität. Ki mochte es, gemocht zu werden. Dann ließ sie ihre Emotionen deutlich herausklingen.
»Ruft euch bitte den Essensplan auf eurem Kommunikator auf und füllt ihn aus. Heute bekommt ihr alles, ab morgen das, was ihr bestätigt habt. Jeder isst ausschließlich seine eigene Hauptspeise.« Ihr Tonfall klang warnend. Ki verstand hier keinen Spaß. Das sollte ihnen nun klar sein. Sie konnte sehr wütend werden. Auch das war unpassend. Trotzdem entsprach es den Tatsachen. Den Nachtisch durften wir tauschen. Die Hauptspeise nicht. Warum, wussten wir nicht. Wir waren seit Beginn der Reise dabei. Es war schon immer so.
Kord und ich tauschten einen Blick. Wir waren erleichtert. Bei Kis Vorstellung dachten wir wohl in etwa dasselbe. Wir mussten mit keinem von ihnen zusammenarbeiten.
»Habt ihr irgendwelche Fragen?«, versuchte Ki es erneut. Beide hatten noch kein einziges Wort gesprochen. Das mochte Ki nicht. Sie legte Wert auf Höflichkeit. Und auf Anstand. Man grüßte und antwortete. Das gehörte für sie dazu.
»Nein«, entgegnete der Größere, Toglan der Gewebezurichter. Was sollte das sein? Ich wusste es nicht.
»Nein, was?«, hakte Ki nach.
»Nein, wir haben keine Fragen«, ergänzte er stirnrunzelnd.
»Ich kann für mich allein sprechen«, fuhr der Kleine ruppig dazwischen.
»Und, hast du Fragen, Ewen der Lagerist?«
»Nein.«
»Nein, was?«
Sie sahen sich irritiert an.
»Wir hier auf der Secret 2 werden eine geraume Zeitspanne miteinander verbringen«, erklärte Ki. Wir kannten sie bereits auswendig. Wir hörten nicht weiter zu. Ki hielt ihre Standpauke. Anstand und Manieren. Sie betonte, dass es nicht bedeutungslos sei. Keine Phrasen.
»… wir sind höflich und freundlich zueinander, selbst wenn wir uns ganz anders fühlen, denn dein Gegenüber kann nichts für deine Gemütslage«, schloss sie. Die anderen sprachen den letzten Satz laut mit. Leises Gelächter erklang im Anschluss. Immerhin hatte Ki es damit geschafft, die Stimmung wieder anzuheben.
»Also?«
»Nein, danke?«, versuchte es der Gewebezurichter fragend.
»Gerne. Ich wünsche dir einen guten Appetit.«
Der Lagerist wandte sich ebenfalls ab. Wortlos. Ki reagierte nicht darauf.