Foul am Bosporus - Celil Oker - E-Book

Foul am Bosporus E-Book

Celil Oker

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Beschreibung

Remzi Ünal braucht dringend einen neuen Auftrag. Da trifft es sich gut, dass ein Freund vom ihm einen Geschäftspartner in der Modebranche hat. Und der besitzt einen Fußballverein, der kurz vor dem Abstieg steht. Remzi Ünal soll eigentlich nur herausfinden, ob ein paar der Spieler bestechlich sind. Dann aber läuft die Angelegenheit schwer aus dem Ruder. Und Remzi Ünal steckt mitteindrin in den unschönen Aspekten von Sport, Mode und Mord. Celil Okers zweiter Roman um Remzi Ünal aus Istanbul zeichnete die Türkei erneut als eine Gesellschaft im Umbruch.

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Seitenzahl: 336

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Über dieses Buch

Der eine braucht die Werbung, der andere hat eine fußballverrückte Frau. Zwei Textilmagnaten aus Istanbul halten sich Fußballclubs, bei denen es allerdings kriselt. Der Abstieg steht bevor. Remzi Ünal soll eigentlich nur verhindern, dass die Spieler verkauft werden. Und dann läuft die Angelegenheit schwer aus dem Ruder.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Celil Oker (1952-2019) arbeitete als Journalist, Übersetzer und Leiter einer Werbeagentur. Als er in der Zeitung die Ausschreibung las für den ersten türkischen Wettbewerb für Kriminalliteratur, schrieb er Schnee am Bosporus und gewann den ersten Preis.

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Ute Birgi-Knellessen (*1938) verbrachte viele Jahre in Istanbul. Nach der Übersiedelung in die Schweiz 1980 studierte sie Islamwissenschaft und Vorderasiatische Archäologie in Bern und arbeitet seither als freie literarische Übersetzerin.

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Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Celil Oker

Foul am Bosporus

Ein Fall für Remzi Ünal

Kriminalroman

Aus dem Türkischen von Ute Birgi-Knellessen

Ein Fall für Remzi Ünal (2)

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 3 Dokumente

Die Originalausgabe erschien 1999 unter dem Titel Kramponlu Ceset bei Oğlak Yayinlari, Istanbul.

Originaltitel: Kramponlu Ceset (1999)

© by Celil Oker 1999

© by Unionsverlag, Zürich 2024

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Ulrike Haseloff

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30247-1

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

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Version vom 26.07.2024, 22:35h

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Inhaltsverzeichnis

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Über dieses Buch

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Inhaltsverzeichnis

FOUL AM BOSPORUS

1 – Ich wollte dem Kerl, der sich da monsterartig …2 – Am Montagmorgen stand ich früh auf. Der Ladenjunge …3 – Bisher kannte ich Vereinspräsidenten nur aus dem Fernsehen …4 – Wir sprachen kein Wort mehr, bis der schweigsame …5 – Der Fahrer meines Taxis machte einen gesprächigen Eindruck …6 – Zusammen mit meinem Freund ging ich langsam auf …7 – Dann zündete ich mir eine Zigarette an …8 – Beim Aufwachen quälte mich die Frage, ob wohl …9 – Eine Viertelstunde später saßen wir in Cem Tümers …10 – Ich wurde verfolgt. Aber seit wann11 – Ich fuhr nach Hause. Ich fand es ganz …12 – Mit der Hand an der Beule ging ich …13 – Lange musste ich nicht suchen. Rund um den …14 – Dilek Aytar und Kayahan Karasu standen auf und …15 – Ich fand das Studio in der Gegend von …16 – Cem Tümers Gesichtsausdruck glich dem eines Regisseurs …17 – Um herauszufinden, was auf einer Computer-CD enthalten ist …18 – Mine war kein idealer Kopilot. Während der ganzen …19 – Ich ließ Aysu Samanci im verschlossenen Schlafzimmer und …20 – Am Samstagmorgen war ich früh auf den Beinen …Zur Aussprache

Mehr über dieses Buch

Über Celil Oker

Celil Oker: »Dies ist ein Wink des Schicksals«

Celil Oker: »Der Detektivroman ist eine Tragödie mit Happy End«

Thomas Wörtche: Universal Ünal

Über Ute Birgi-Knellessen

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1

Ich wollte dem Kerl, der sich da monsterartig vor mir aufgebaut hatte, überhaupt nicht wehtun. Aber ich musste unbedingt verhindern, dass seine Hand, die wie eine scharfe Klinge über mir drohte, im nächsten Augenblick auf meiner Schläfe landete. Und es ging auch darum, meine sensibelsten Regionen – jeder Mann wird für meine Besorgnis Verständnis aufbringen – vor einem nicht auszuschließenden Fußtritt zu schützen. Deshalb stellte ich mich leicht schräg. Ich atmete tief ein und zog die Luft durch meine Lungen hindurch bis in mein Hara hinab. Ich hätte dabei ganz entspannt sein sollen. War ich aber nicht. Mein bärtiges Gegenüber grinste dreckig. Seine Augen sagten: »Du kriegst gleich eine, dass du nicht mehr weißt, wo dir der Kopf steht!«

Ich bin nicht gerade klein, aber der Kerl überragte mich doch sehr. Und als besonders zartgliedrig würde ich mich auch nicht bezeichnen; trotzdem hatte mein Gegenüber den kräftigeren Knochenbau. Während unseres Kampfes war sein Hemdkragen aufgegangen, sodass ich die weißen Haare auf seiner Brust sehen konnte. Auf seiner Stirn, an seinen Schläfen, an beiden Nasenflügeln und an seinem Hals glänzten dicke Schweißtropfen. Es freute mich, dass ich ihm ordentlich eingeheizt hatte!

Was jetzt kam, war nicht schwer zu erraten: ein wohl überlegter, kontrollierter und ohne Eile ausgeführter Schlag. Den wollte ich lieber gar nicht erst zulassen. Während ich mit dem linken Fuß einen Schritt vorwärts tat, ergriff ich mit der linken Hand seinen Unterarm und mit der rechten das dazugehörige Handgelenk. Ich entließ die in meinem Innern angestaute Luft und machte einen Schritt nach links. Das wirkte sich ziemlich nachteilig auf das bereits angeschlagene Gleichgewicht meines Gegenübers aus. Und als ich meine Arme nach unten führte, klappte der lange Kerl wie ein Taschenmesser zusammen.

Jetzt hatte ich ihn so weit. Da lag er nun, und ich kniete neben ihm. Es nützte gar nichts, dass er herumzappelte. Ich hatte ihn vollständig unter Kontrolle. Schön, aber was jetzt? Keine Ahnung! Von mir aus konnten wir stundenlang so liegen- beziehungsweise sitzen bleiben und uns Geschichten erzählen!

Da ich wirklich nicht weiterwusste, ließ ich seinen Arm los und sprang auf. Auch der bärtige Mann stand auf. Er rieb sich den Ellbogen des Armes, mit welchem ich ihn auf die Erde gedrückt hatte. Jetzt war ich dran. Ich trat einen Schritt zurück und bereitete – genau wie er vorher – einen wohlüberlegten, kontrollierten Angriff vor.

Der Mann war besser als ich. Das gemeine Grinsen auf seinem Gesicht verschwand, stattdessen zeichnete sich dort jetzt die ernsthafte Aufmerksamkeit eines Uhrmachers ab. Bevor ich überhaupt begriff, dass er angefangen hatte, fand ich mich schon auf der Matte wieder.

Unser Meister klatschte in die Hände.

Wie die anderen fünf Paare ließen wir auf der Stelle voneinander ab. Kniend und mit erhobenem Kopf beugten wir uns leicht nach vorn, wobei wir unserem jeweiligen Gegenüber in die Augen sahen und zuerst unsere linken und dann unsere rechten Hände aneinander legten.

Mein Freund, der Werbemensch, der mit einem kleinen Inserat in der Hürriyet dafür gesorgt hatte, dass ich mehr Anrufe erhielt als meine wenigen Berufskollegen, kam im Shikko-Gang auf mich zu, nachdem er sich von seinem Uke verabschiedet hatte.

»Verschwinde nicht wieder gleich nach dem Duschen«, sagte er leise. »Ich muss mit dir reden.«

Ich nickte. Wir zehn Aikidoka saßen jetzt vereint im Seiza-Sitz und blickten auf unseren Meister: meine Wenigkeit, der Privatdetektiv Remzi Ünal, mein Freund, der Werbemensch, der Filmregisseur, mit dem ich eben noch trainiert hatte, der Eisenwarenhändler, der Gymnasiast, der sich für die Uni-Aufnahmeprüfung vorbereitete, der Typ, der, frisch vom Militär zurück, noch keine Arbeit gefunden hatte, der Schiffsausstatter, der Programmierer und – als einzige Frau – die Journalistin. Wir alle sahen unserem Meister zu, wie er, zusammen mit dem Dichter, der der Ranghöchste in unserem Dojo war, eine neue Figur vorführte. Wie immer kapierte ich auch diesmal bei der ersten Demonstration gar nichts.

»Domo arigato gozaimashita!«, sagte unser Sensei schließlich.

»Domo arigato gozaimashita!«, antworteten wir im Chor. Wie jedesmal dankten wir einander, und wie jedesmal fragte ich mich, was ich dort eigentlich zu suchen hatte. Dreimal die Woche Aikido war vielleicht doch etwas für jüngere Menschen.

Doch schon nach der Dusche spürte ich meine körperliche und seelische Fitness zurückkehren, die es mir erlaubte, den Schlechtigkeiten dieser Welt die Stirn zu bieten. Und für meinen Lebensunterhalt zu sorgen, natürlich ohne den geringsten Versuch, den Lauf der Welt ändern zu wollen. Aber wo blieben die Aufträge? Die kleine Anzeige in der Hürriyet schien nur Leute anzulocken, die nichts Besseres zu tun hatten, als ihren Frust auf meinem Anrufbeantworter abzuladen. Ja, und dann war da noch die etwas verwirrte Dame, die sich hartnäckig weigerte, Name und Adresse zu hinterlassen.

Während ich mich anzog, hörte ich schweigend zu, wie der Filmregisseur und der Eisenwarenhändler die allgemeine ökonomische Lage diskutierten. Ich sah, wie mein Freund, der Werbemensch, sich sorgfältig mit Deodorant besprühte, nachdem er in seine von den unseren so abstechend teure Marken-Unterhose gestiegen war. Er kniff sich in die Fettröllchen oberhalb der Gürtellinie und zog, wie immer, ein verdrossenes Gesicht. »Mal wieder zu viel gefuttert«, sagte er.

Wie immer enthielt ich mich eines Kommentars. Und wie immer nahm er mir das nicht übel. Er zog jetzt sein Seidenhemd und seine modisch weite Hose an, in der ich ganz sicher eine komische Figur abgegeben hätte. Dann kam die Reihe an die italienischen Schuhe. Auch ein seidenes Foulard gehörte zur Ausstattung.

»Bleibst du zum Frühstück?«, fragte er.

Wie immer schüttelte ich den Kopf. Er, der Eisenwarenhändler, unser Meister, der Schiffsausstatter und der Filmregisseur trafen sich jeden Samstagmorgen nach dem Training oben neben dem Pool, wo sie im Schatten der Bäume ein unglaubliches Frühstück zelebrierten. Weil ich eine so früh am Tag eingenommene Mahlzeit mit einem saurem Magen bezahlen musste und weil ich nur mäßiges Interesse für die Konversation dort aufbringen konnte, blieb ich diesen Zusammenkünften fern. Genau wie der Gymnasiast, der Programmierer und unser arbeitsloser Kollege pflegte ich, nachdem wir uns gegenseitig ein schönes Wochenende gewünscht hatten, meiner Wege zu gehen. Nur die Journalistin nahm hin und wieder an diesen Frühstücksorgien teil.

»Hast du momentan viel zu tun?«, fragte mein Werbefreund, während er sich die Haare kämmte.

Ich war längst angezogen. Und längst sehnte ich mich nach meiner Cessna Skylane RG, die zu Hause auf mich wartete.

»Einen neuen Kunden könnte ich noch unterbringen«, erwiderte ich. Dabei hoffte ich inständig, dass er mich nicht selbst anstellen wollte. Dafür, dass ich seinerzeit einige »Zeitschriftenhändler« aufgespürt hatte, die seiner Agentur Geld schuldeten, schaltete er zu Sonderbedingungen meine kleine Anzeige in der Zeitung. Aber das war keine Geschäftsverbindung, sondern unter Aikidokas übliche Solidarität, die zu einer Art Freundschaft geführt hatte.

»Einer meiner Kunden könnte deine Hilfe gebrauchen«, sagte er.

»Inkasso ist nicht mein Ding, das weißt du doch«, entgegnete ich vorsichtig.

»Ja, weiß ich«, sagte er. Es ist etwas anderes. Du sollst auch nicht seine Frau beschatten.«

»Was dann?«

»Es handelt sich um den Besitzer der Textilfirma Karasu. Du weißt doch, wo ich den Film gemacht habe, in dem die Mädchen reihenweise ins Schwimmbecken fielen …«

Ich erinnerte mich an den Werbestreifen und wie die in Chefetagen-Kleidern aufmarschierenden Models eins nach dem anderen, und noch bevor man die Klamotten überhaupt richtig wahrnehmen konnte, in den Pool sprangen. Und dass sie unter den nun nassen Kleidern kaum etwas anhatten, war beim Heraussteigen kaum zu übersehen gewesen. Ich hatte damals nicht verstanden, was dieser Gag eigentlich aussagen sollte. Aber mein Werbefreund fand das Ergebnis äußerst zufriedenstellend.

»Ist eine von den Darstellerinnen abgesoffen?«, fragte ich.

»Nein, das nicht.« Er lachte. Anscheinend war ihm das gute Geld eingefallen, das ihm die Kampagne eingebracht hatte. »Aber der Mann besitzt auch einen Fußballverein. Und der macht ihm augenblicklich Sorgen.«

»Karasu Güneşspor.«

»Karasu Güneşspor«, bestätigte er.

Ich kannte den Klub. Es handelte sich um einen Istanbuler Stadtteilsverein, der erst im vergangenen Jahr in die dritte Liga aufgestiegen war. Seit die Firma Karasu Textilien ihn sponserte, war er immer besser geworden, sodass er endlich aus dem Amateurstatus herausgekommen war. Natürlich hatte es auch ein paar wichtige Transfers gegeben. Soviel ich mitbekommen hatte, waren da recht große Summen im Spiel gewesen. Trotzdem schien der Klub gerade jetzt gegen Ende der Saison nicht ganz auf der Höhe.

»Will er den Schiedsrichter bestechen?«, fragte ich.

»Mensch Abi, woran du immer gleich denkst«, meinte mein Freund.

»Wenn er das nicht macht, fliegt sein Klub aber ziemlich sicher aus der Liga«, hielt ich dagegen.

»Genau das befürchtet der Chef ja auch«, sagte er. »Da hat nämlich jemand seinen Spielern einen Deal vorgeschlagen.«

»Jeder trifft mal seinen Meister«, sagte ich.

»Mehr weiß ich allerdings auch noch nicht. Neulich hat der Chef mich nach einer Sitzung zur Seite genommen und gefragt, ob ich jemanden wüsste, der da mal ein bisschen nachforschen könnte. Tüchtig und verschwiegen sollte er sein. Ich hab sofort an dich gedacht.«

»Danke.«

»Wenn dich der Job interessiert, komm doch am Montagmorgen in mein Büro. Ich habe einen Termin mit dem Mann, anschließend kannst du mit ihm reden. Mit der Bezahlung ist er übrigens großzügig«, fügte er noch hinzu.

»Am Montag habe ich nichts zu tun«, sagte ich.

»Prima«, rief mein Freund. »Um neun bei mir. Unsere Besprechung ist um zehn. Es wird aber nicht lang gehen. Sobald er meine neue Anzeige abgesegnet hat, mache ich euch miteinander bekannt.«

»Werden die Frauen wieder nass?«, wollte ich noch wissen.

»Nee, diesmal stehen sie auf dem Kopf.«

Das Wochenende verbrachte ich vor meinem Flugsimulator, voll beschäftigt damit, einen Sichtflug von Chicago nach New York zu Ende zu bringen. Das mag langweilig klingen, aber für mich ist es nach wie vor eine aufregende Sache.

2

Am Montagmorgen stand ich früh auf. Der Ladenjunge meines Bakkal, meines Krämers, war wieder einmal mit der Zeitung im Verzug. Ich trank meinen Kaffee am Fenster, um seine Ankunft nicht zu verpassen. Draußen war ein Istanbuler Frühling zu ahnen, ein Frühling, der sich noch nicht ganz sicher schien, ob er in dieser letzten Aprilwoche zum Bleiben bereit war. Eine ungeduldige Mutter war dabei, ihr Kind, das den Schulbus verpasst hatte, ins Auto zu verfrachten. Mein Kaffee war ausgetrunken und noch immer keine Zeitung. Weil ich noch immer das Samstagtraining in den Knochen spürte, sparte ich mir meine morgendlichen Aikido-Aufwärmübungen und ging sofort unter die Dusche. Danach machte ich mir noch einen Kaffee.

Die Agentur meines Freundes liegt in Levent, da konnte ich gut zu Fuß hingehen. An der Kreuzung vor dem Sisli-Terakki-Gymnasium zog ich mit gemächlichem Schritt an der langen Schlange ineinander verkeilter Autos vorbei. Auch die Mutter mit ihrem zu spät aufgestandenen Sprössling erspähte ich im Stau.

In der Agentur herrschte typische Montagmorgenstimmung. Trotz der offenstehenden Fenster lag noch ein Rest abgestandener, über das Wochenende eingeschlossener Büroluft in den Räumen. Und die junge Frau am Empfang hatte offensichtlich noch keine Zeit gefunden, ihre Schminkutensilien vom Tisch zu räumen.

Weil sie mich von meinen früheren Besuchen in der Agentur kannte, ergriff sie wortlos das Telefon.

»Remzi Bey ist da.« Dann drehte sie sich zu mir und sagte: »Der Chef erwartet Sie.«

Ich schenkte dem Mädchen ein freundliches Lächeln und stieg die mir bekannte Treppe hoch.

Mein Freund saß an seinem Schreibtisch, einen hohen Stapel halbgelesener Zeitungen vor sich und die größte Kaffeetasse in der Hand, die mein Auge je erblickt hatte.

»Willst du einen Kaffee?«, fragte er, ohne aufzustehen.

»Ich hatte schon zwei Tassen«, lehnte ich ab und setzte mich.

Er schaute auf die Uhr und griff nach dem Telefon.

»Schnapp dir die Anzeige, und komm rüber«, rief er in die Muschel. »Wir sind spät dran!« Er drehte sich kurz zu mir und sagte: »Eigentlich sind wir immer zu spät.« Dann wandte er sich wieder seiner Zeitungslektüre zu.

Ich hatte dem nichts dazuzufügen und fischte mir stattdessen von dem Zeitungsstapel vor seiner Nase mein Blatt, auf das ich am Morgen vergeblich gewartet hatte. Die Politik überschlug ich sofort. Was auch immer die Herrschaften anstellten, mit meinem Leben hatte das wenig zu tun. Die dritte Seite tat mir kund, dass für den Sonntag, den ich zuhause eingeschlossen verbracht hatte, allein in Istanbul vier Morde, zwei mit bekanntem und zwei mit unbekanntem Motiv, zu vermelden waren. Zwei der Täter waren bereits in Polizeigewahrsam. Zur Illustration des Artikels dienten kleine, eingerahmte, von den Führerscheinen oder anderen Ausweisen kopierte Fotos der Opfer und neue Aufnahmen von den Tätern, die mit über den Kopf gezogenen Jacken Schutz vor den Blitzlichtern suchten. Einer der beiden war nur knapp der Lynchjustiz seiner Nachbarn entkommen, als man ihn zur Rekonstruktion zum Tatort gebracht hatte. Stinknormale Nachrichten. Immer brachte jemand jemanden um, ob ich nun zuhause saß oder nicht.

Also schnell zum Sport. Von den Berichten über die Spiele der ersten Liga vom Vortag las ich nur schnell die Überschriften, bevor ich mich auf die Suche nach den Ergebnissen der dritten Liga machte. Es war gar nicht so einfach, sie auf der Rückseite in einer unübersichtlichen Ecke versteckt zu finden. Karasu Güneşspor hatte unentschieden gespielt und war damit Drittletzter in der Tabelle, mit nur einem Punkt Vorsprung auf den Zweitletzten.

Eine Frau in der gleichen Aufmachung, wie ich sie von dem Karasu-Werbestreifen her kannte, steckte den Kopf zur Tür herein. Mir ging gerade durch den Kopf, dass ich heilfroh war, nicht in der Haut des Trainers von Karasu Güneşspor zu stecken.

»Wir sind so weit, Chef«, sagte die junge Frau, indem sie leicht an den Türrahmen klopfte. Sie trug eine riesige Aktenmappe bei sich.

Mein Freund erhob sich von seiner Zeitungslektüre, zog sich die Jacke über, die an der Stuhllehne hing, und griff automatisch nach seiner Krawatte.

»Los«, sagte er zu mir.

Ich faltete die Zeitung mit der aktuellen Kriminaltopografie unserer geliebten Stadt und den für meinen zukünftigen Kunden nicht gerade erfreulichen Sportresultaten wieder zusammen, legte sie auf den Stapel zurück und stand auf. Draußen machte mein Freund mich mit der jungen Frau bekannt, die vor der Tür auf uns gewartet hatte. In spätestens zwei Stunden seien wir zurück, wurde dem Fräulein am Empfang mitgeteilt. Unten erwartete uns ein Jaguar mit weit geöffneten Türen.

Ich durfte vorne Platz nehmen, neben dem Chauffeur, der wie ein Diplomat im Ruhestand gekleidet war. Die hinten Sitzenden waren bereits mit den Blättern beschäftigt, die augenblicklich aus der Aktentasche hervorgeholt worden waren.

Der piekfeine Chauffeur wusste anscheinend, wohin die Fahrt ging. Ohne zu fragen, steuerte er den Jaguar durch das 4. Levent-Viertel auf den Trans-European-Motorway zu. Es wurde kein Wort gesprochen. Ich machte es mir bequem. Aber ich merkte mir den Weg, wobei ich mich am Sicherheitsgurt festhielt, um einigermaßen wach zu bleiben.

Nachdem wir ein paar an der Straße zum Flughafen liegende Großbauten von Zeitungsverlagen und Fernsehgesellschaften passiert hatten, bogen wir in eine Nebenstraße ab. Obwohl mir die Augen fast zufielen, versuchte ich, mir jede Kurve und jede Kreuzung einzuprägen. Warum musste dieser verdammte Jaguar an diesem nachtschlafenden Morgen auch so still und wie geölt dahingleiten!

Endlich wurde der Wagen langsamer, und wir kamen vor einem breiten eisernen Schiebetor an. Ein nachlässig gekleideter Wächter näherte sich zögernd und voller Respekt dem Wagenfenster. Ein Zauberwort meines Freundes genügte, um das in den Karasu-Farben Braun-Gelb gestrichene eiserne Tor unter Ächzen aufgehen zu lassen.

Ein großer Innenhof diente einer ganzen Reihe von PKWs, Kleintransportern und anderen Fahrzeugen als Parkplatz. Gegenüber dem Tor hatte sich ein Architekt ausgetobt. Mit einem von einer unglaublich geschmacklosen Treppe beherrschten Eingang. Dieses schien dann allerdings auch der einzige Teil des prismenförmigen Gebäudes, an dem überhaupt ein Architekt gewirkt hatte. Über dem Eingang prangte in den größten Lettern, die ich auf meiner Fahrt bisher zu Gesicht bekommen hatte, der Firmenname KARASU TEXTILIEN. Mein Freund vorneweg, die junge Frau mit der Aktenmappe hinterdrein und am Ende ich, so strebten wir eilig dem Eingang zu. Als mein Freund dem jungen Mann an der Anmeldung das gleiche Zauberwort zuflüsterte, öffnete sich eine weitere Tür für uns.

Wir befanden uns jetzt in einem großzügigen Raum, der mit der verheerenden Außenansicht des Gebäudes nicht das Geringste zu tun hatte. Die schlichte, funktionelle Einrichtung beeindruckte sogar mich. Die wie in einer Galerie aufgereihten und auch genauso beleuchteten fenstergroßen Fotografien an der Wand zeigten berühmte in- und ausländische Models in Kleidern, die sich unschwer als Karasu-Kreationen erkennen ließen. Zu beiden Seiten des Korridors hinter diesem Salon war eine Reihe von geschlossenen Türen zu sehen. Die Lautsprecher hingegen, aus denen sanfte Jazz-Musik ertönte, waren unsichtbar. Die beiden Werbemenschen neben mir wussten mit Sicherheit, wohin sie sich zu wenden hatten. Trotzdem zögerten sie einen kleinen Moment, als ob sie ein Empfangskomitee erwarteten, wobei Krawatte beziehungsweise Miniröckchen noch schnell zurechtgerückt wurden. Und da öffnete sich auch schon eine Tür am Ende des langen Korridors, um ein Ein-Personen-Empfangskomitee durchzulassen, das jetzt auf uns zukam.

Aber was für ein Empfangskomitee! Die schönste, anziehendste, aufregendste junge Frau des gesamten Vorderen Orients inklusive des Balkans kam da auf uns zugeschritten. Mit einem Lächeln auf den Lippen, das auch dem härtesten Kerl die Knie weich werden ließ, und einem unschuldigen, dabei aber äußerst aufmerksamen Ausdruck in den Augen kam sie mit erhobenem Kopf und stolzer Haltung, mit sicherem, wie für den Laufsteg berechnetem, doch irgendwie viel natürlicherem Gang auf uns zu.

Eine Szene in Zeitlupe. Die Frau trug eine weiße ärmellose Bluse aus einem feinen, wie Seide den Körper umschmeichelnden Material. Darunter den kürzesten aller Röcke, mit denen ich mich in letzter Zeit in demselben Raum befunden hatte. Unter diesem Stückchen Stoff zeigten sich schwarz bestrumpfte Beine, die um einiges voller und realer waren als die der Models an der Wand. Ihr Gesicht war entweder kaum oder aber mit vollendeter Meisterschaft geschminkt. Um den Hals trug sie eine schwere Kette aus runden glänzenden Metallteilen, die bei jedem ihrer Schritte erbebten und Anstalten machten, in den großzügigen Ausschnitt ihrer Bluse einzutauchen.

Unser kleines Komitee hatte sich inzwischen auch in Bewegung gesetzt, um ihr entgegenzugehen. Weil ich es nicht über mich brachte, meine Augen von diesem wunderbaren Anblick abzuwenden, konnte ich nicht einmal einen Blick durch eine offenstehende Tür in das dahinter liegende Büro werfen.

»Herzlich willkommen«, sagte die Schöne mit einer rauen Stimme, die zu ihrer äußeren Erscheinung irgendwie nicht passte. »Lasst mal sehen, was ihr da mitgebracht habt.« Die Schöne schüttelte unserer jungen Begleiterin die Hand, während sie mich einer eingehenden Prüfung unterzog.

»Das ist Remzi Ünal«, stellte mein Freund mich vor. Einfach so, ohne weitere Erklärungen. Ich setzte mein freundlichstes Lächeln auf.

»Dilek«, sagte sie und schüttelte leicht, aber energisch meine Hand. »Dilek Aytar.«

»Dilek Hanim leitet die Werbe- und PR-Abteilung«, erläuterte mein Freund. Doch Dilek Hanim hielt sich nicht lange mit mir auf, sondern wandte sich sofort an die beiden Werbemenschen.

»Ilhan Bey ist noch nicht da«, sagte sie. »Wahrscheinlich steckt er wieder im Verkehr fest. Wir können in meinem Büro auf ihn warten und uns schon einmal Ihre Vorschläge ansehen.«

Wir schritten auf das am Ende des Korridors liegende Büro zu. Im Vorbeigehen konnte ich jetzt auch in die anderen Räume hineinschauen. Doch außer noch nicht ganz wachen jungen Frauen und Männern vor ihren Computern war nichts zu entdecken.

Ich betrat als Letzter das Büro der Dilek Aytar. Neben einem riesigen Schreibtisch und einem noch ausladenderen Konferenztisch fielen in dem Raum zwei nackte Kleiderpuppen auf. Sie standen da und blickten mit leeren Augen aus den Fenstern, vor denen Jalousien herabgelassen waren. Der weiblichen Puppe hatte jemand einen dünnen Seidenschal um den Hals geschlungen.

Wir setzten uns auf die um den Konferenztisch aufgestellten Chefsessel. Dilek Hanim fragte, während sie auf dem Tisch herumliegende Blätter einsammelte:

»Was möchten Sie trinken?«

Wir wollten alle Kaffee. Der wurde mit einem Knopfdruck auf die Gegensprechanlage bestellt. Eine irgendwo im Hause waltende Nimet Hanim besaß offensichtlich die Kompetenz, drei Tassen Nescafé zuzubereiten, davon zwei mit Milch.

»Ich bin schon ganz nervös wegen heute Abend«, sagte Dilek Hanim, als auch sie sich gesetzt hatte. Dabei war an der Frau keine Spur von Nervosität festzustellen.

»Sie brauchen sich sicher keine Sorgen zu machen«, meinte mein Freund. »Es wird schon alles glatt über die Bühne gehen.«

»Das glaube ich ja auch, aber …«, entgegnete Dilek Hanim. »Irgendwas läuft doch immer schief. Mal sehen, was es heute Abend wohl ist. Und unser guter Ilhan Bey hat wieder alles mir aufgehalst. Gestern kam er im letzten Moment noch mit seinem Fußballklub an, das wäre gut für die PR. Ob wir die Jungs nicht sogar aufs Podium bringen könnten. Und so weiter. Und dauernd findet er etwas auszusetzen.«

»Dafür ist er ja schließlich der Chef«, wandte mein Freund ein.

»Richtig. Ich muss auch zugeben, dass er gute Arbeit durchaus zu würdigen weiß«, lenkte Dilek Aytar ein.

»Ganz sicher. Ich bin richtig gespannt, was er zu unserer Anzeige meint.«

Hier bückte sich die junge Werbefrau, die bisher kein Wort zur Unterhaltung beigesteuert hatte, nahm die große Aktenmappe vom Boden und stellte sie auf den Tisch. Sie holte einen Anzeigenentwurf heraus, der fast nur aus einem riesigen Foto bestand. Weil die junge Frau mir genau gegenübersaß, sah ich die Models auf dem Foto auf ihren Füßen stehen, die wenigen Schriftzeichen dafür auf dem Kopf. Die Werbefrau stellte ihre Tasche wieder auf dem Boden ab und breitete das Blatt vor Dilek Aytar aus.

»Was für eine tolle Idee!«, rief diese mit einem kleinen, gut eingeübten Überraschungsschrei.

»Mit dieser Werbung bleiben wir unserem Konzept treu: ›Wenn alles verkehrt läuft, bleibt Karasu …‹«, glaubte die junge Frau erklären zu müssen.

»Jaja«, meinte Dilek Aytar. »Unsere Models werden heute Abend sowieso den Laufsteg rückwärts betreten.«

»So fügt sich wieder einmal alles bestens«, rief mein Freund, der Werbemensch. Hoffentlich stolpern sie nicht dabei, dachte ich mir im Stillen.

»Ich will zwar nicht vorgreifen, aber ich bin sicher, dass Ilhan Bey mit dieser Anzeige zufrieden ist«, sagte Dilek Hanim. »Sie passt wirklich gut in unser Konzept.«

»Das Diapositiv hatten wir ja mit ihm zusammen ausgesucht, wie Sie sich erinnern werden«, fuhr die junge Werbefrau fort. »Allerdings sollten wir jetzt so schnell wie möglich sein Okay haben, damit wir den Entwurf für die Farbabstimmung weiterleiten können.«

»Wann ist der endgültige Abliefertermin?«, wollte Dilek Hanim jetzt wissen.

»Heute Abend um sechs«, antwortete die junge Frau. »Um Mitternacht geht dann das Magazin in Druck.«

»Es tut mir Leid, wir sind wohl immer ein bisschen spät mit unserer Absegnung«, sagte Dilek Aytar zu der jungen Werbefrau.

»Aber Ilhan Bey hatte versprochen, Zeit für uns …«

Hier fiel mein Freund seiner eigenen Angestellten ins Wort: »Ilhan Bey ist sehr beschäftigt, und Dilek Hanim auch. Wir sind diejenigen, die sich anpassen müssen. Am besten gehst du gleich mal telefonieren und schickst die Anzeige schon zur Farbabstimmung. Wenn Ilhan Bey etwas geändert haben möchte, können wir das immer noch dort machen.« Die junge Frau holte ihr Handy aus ihrer Aktenmappe und ging zu den Fenstern mit den herabgelassenen Jalousien hinüber. Dilek Hanim schenkte meinem Freund ein zufriedenes Lächeln.

»Oh, wen haben wir denn da!«, rief jemand, der ohne anzuklopfen in Dilek Aytars Büro gestürzt kam. »Lasst mal sehen, was ihr mir Schönes mitgebracht habt!« Wie auf Befehl erhoben wir uns alle drei gleichzeitig. Jetzt sollte ich also endlich Ilhan Karasu, den Besitzer der Karasu Textilien, den großen Arbeitgeber und Präsidenten von Karasu Güneşspor, kennen lernen.

3

Bisher kannte ich Vereinspräsidenten nur aus dem Fernsehen. Ilhan Bey sah aber gar nicht so aus. Er war schlank und trug auch keinen Anzug mit Weste. Er sah so aus, als ob er sich gleich anschließend an unsere Besprechung im Yachthafen vor seinem Boot mit seinen Freunden treffen und seinem Kapitän Anweisungen für den Wochenendausflug geben wollte: ein der Jahreszeit entsprechender petrolfarbener Pullover, eine Hose aus weich fallendem Material in einem etwas dunkleren Ton der gleichen Farbe und dazu passende Wildlederschuhe. Auf dem glatt rasierten Gesicht strahlte ein glaubwürdiges Lächeln. Mit der feinen Nase, dem bestimmten, befehlsgewohnten Mund und dem Kirk- Douglas-Grübchen am Kinn machte er Eindruck.

»Entschuldigen Sie, ich hab mich verspätet«, sagte er. Niemand von uns glaubte, dass er sich tatsächlich entschuldigte. Er drückte uns nacheinander schnell die Hand. Als die Reihe an mich kam, hielt er kurz inne und sah mich an.

»Das ist Remzi Ünal«, sagte mein Freund. »Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass ich ihn mitbringe.«

Ilhan Bey hielt meine Hand immer noch fest und schaute mich aufmerksam an. Ich glaube, er verglich mich mit den Privatdetektiven, die er aus Kinofilmen kannte. Doch dann wandte er sich an Dilek Aytar. »Sind wir bereit für den Abend, Dilek Hanim?«, fragte er in einem freundschaftlichen Ton, ohne eine Spur von Chefgehabe.

»Wir sind bereit, Ilhan Bey«, sagte Dilek Aytar. »Und wir haben eine fantastische Anzeige.«

»Lassen Sie mal sehen.« Er zog den auf dem Tisch liegenden Entwurf zu sich herüber und prüfte das Blatt mit zusammengekniffenen Augen. Dann drehte er es auf den Kopf und musterte die Kleider, die das darauf abgebildete Model trug, noch eingehender.

»Was meinen Sie?«, fragte Dilek Hanim schließlich mit zufriedener Stimme. Sie stand immer noch. Auch wir hatten uns nicht getraut, uns hinzusetzen. »Ich finde den Entwurf in Ordnung.«

»Kostenpunkt?«

»Das hatten wir bereits geklärt.«

»Garantie für die rechte Seite?«

»War nicht ganz leicht, aber auch das haben wir geschafft«, warf die Werbefrau ein.

»Gratuliere«, sagte Ilhan Karasu. »Gute Arbeit.«

»Wie immer«, sagte Dilek Aytar.

In diesem Augenblick erschien in der Tür ein junges Mädchen. Aufgeregt und ohne sich darum zu kümmern, wer sonst noch da war, rief sie zu Dilek Aytar hinüber: »Der Wetterbericht hat gerade für den Abend Regen angesagt.« Dann erst bemerkte sie den Chef und versteckte sich, so gut es ging, hinter dem Türrahmen.

»Regen?«

»Ja«, bestätigte das Mädchen kleinlaut.

»Wie ist das möglich?«, sagte Dilek Aytar. »Als ich gestern von zu Hause da angerufen habe, hieß es, dass der Abend ganz klar wird. Und heute habe ich noch dreimal angefragt.«

»Ich habe mich auch am Freitagabend erkundigt, bevor ich nach Hause gegangen bin«, sagte das junge Mädchen an der Tür. »Sie haben die Ansage heute Morgen geändert.«

»Wenn Sie in der letzten Aprilwoche eine Modenschau im Freien auf die Beine stellen, müssen Sie mit so etwas rechnen«, brach Ilhan Bey jetzt los. Mit schnellen Schritten ging er zu der nackten weiblichen Kleiderpuppe hinüber und begann loszubrüllen: »Zigmal habe ich euch gewarnt, aber ihr wolltet ja nicht hören. Ihr hättet euch doch denken können, dass ich nicht umsonst skeptisch war. Wenn ihr wenigstens noch zusätzlich einen Saal gemietet hättet! Was, verdammt nochmal, sollen wir jetzt machen? Wie gedenken Sie sich da rauszuziehen, Dilek Hanim? Was glauben Sie denn, wie viele Leute kommen werden, um sich unter strömendem Regen die Herbst- und Winter-Modenschau der Karasu Textilien anzusehen? Kein Mensch!« Als wollte er sich selbst daran hindern, noch ausfallender zu werden, begann Ilhan Bey durch die Zwischenräume der Jalousien nach draußen zu schauen.

Zunächst herrschte völlige Stille. Die Überbringerin der schlechten Nachricht hatte sich längst aus dem Staub gemacht. Nach einiger Zeit ging Dilek Hanim ganz langsam zu ihrem Chef hinüber und legte ihm von hinten die Hand auf die Schulter. Sie wartete ein wenig, um der Geste größeren Nachdruck zu verleihen, und sagte dann mit weicher Stimme:

»Es wird heute Abend nicht regnen, Ilhan Bey.« Und nach einer kurzen Pause: »Wenn es regnet, erschieß ich mich!«

An den meisten Krisen, denen ich beiwohne, bin ich irgendwie mitschuldig. Mit irgendetwas, das ich sage oder nicht sage, tue oder nicht tue, mische ich mich in das Geschehen ein. Zu meinem eigenen Verdruss und dem meiner Mitmenschen. Doch diesmal hielt ich mich zurück und überließ das Krisenmanagement Dilek Aytar, die, wie ich bereits gemerkt hatte, auf diesem Gebiet unschlagbar war. Außerdem war diese Krise nicht langlebig.

»Das wollen wir hoffen«, sagte Ilhan Karasu und drehte sich zu uns um. Als ob er nicht der gleiche Mann war, der da eben so unkontrolliert herumgeschrien hatte, kam er jetzt mit dem milden Gesichtsausdruck auf uns zu, mit dem er das Zimmer betreten hatte. »Die Anzeige ist wirklich gut«, sagte er zu Dilek Aytar, die vor dem Fenster stand und nach draußen blickte.

»Ja«, sagte sie und kam mit auf den Boden gehefteten Augen zu uns zurück. »Ich geh mal eben rüber zu Nazli, um von dort aus den Floristen anzurufen.« Sie löste sich schnell von uns und sagte im Vorbeigehen zu meinem Freund: »Ihr seid doch noch hier, oder?«

»Jaja, wir sind noch hier. Da sind noch ein paar Kleinigkeiten zu besprechen.«

Fort war sie. Wenn sie wirklich gegangen war, um mit dem Floristen zu sprechen, dann dürfte ihm wohl eines der schwierigsten Telefongespräche seines Lebens bevorstehen. Doch jetzt drehte Ilhan Karasu sich zu mir um.

»Kommen Sie, Remzi Bey«, sagte er. »Gehen wir rüber in mein Büro.« Ich folgte ihm. Er verließ mit raschem Schritt den Raum und öffnete die Tür des Büros gegenüber. Er ging hinein, ohne sich noch einmal umzusehen.

Mein Freund hielt mich an und sagte: »Wir sind hier gleich fertig. Bist du sauer, wenn wir schon mal gehen?«

»Ach was, geht nur«, erwiderte ich. »Bis bald.«

Auch das Büro von Ilhan Karasu hatte mit denen der Klubpräsidenten, die ich im Fernsehen bestaunen konnte, nicht die geringste Ähnlichkeit. Der am meisten ins Auge fallende Gegenstand in diesem Raum, der dreimal so groß war wie Dilek Aytars Büro, war ein fast den gesamten Boden bedeckender Isfahan-Teppich. Außer einem auffallend schlichten Konferenztisch, einem am Boden stehenden Fernseher samt Videogerät, einem diskret in einer Ecke versteckten, als Hausbar dienenden antiken Schränkchen und, vor den Fenstern mit geschlossenen Jalousien, zwei kleinen Sesseln mit einem Beistelltisch enthielt der Raum keine weiteren Einrichtungsgegenstände. Am Boden lagen ein paar Ordner, Zeitschriften, lose Blätter und ein rotes Telefon mit langer Schnur. An der Wand hing ein Bild mit Segelboot – eine Gouache von Abidin Dino. Ilhan Karasu hockte vor dem kleinen in dem Getränkeschränkchen versteckten Kühlschrank.

»Magst du schon was trinken, so früh am Morgen?«, fragte er, ohne sich nach mir umzudrehen.

»Nein«, antwortete ich.

Als er zu mir zurückkam, hatte er ein Light-Bier in der Hand. Während er die Dose öffnete, ging er vorsichtig um den Teppich herum und setzte sich in einen der Sessel. Ich folgte ihm, während er einen kräftigen Schluck aus der Dose nahm.

»Du weißt, worum es geht?«, fragte er einleitend.

»Ihr Werbemensch hat mich etwas vorbereitet.«

»Verstehst du was vom Fußball?«

»Ich schaue gern zu«, sagte ich und nahm ihm gegenüber Platz.

»Und wie steht es mit deiner Menschenkenntnis?«

»Den Menschen schaue ich auch gern zu.«

»Das hört sich gut an«, sagte er und nahm noch einen Schluck aus der Dose.

»Den Fußballklub habe ich wegen der Reklame übernommen. PR nennt Dilek Hanim das, wir sollten als Sponsoren auftreten. Sie hätte eigentlich ein Volleyball- oder Basketballteam vorgezogen. Am besten was mit Frauen. Das würde besser zu unserer Linie passen. Ich hätte auf sie hören sollen. Sonst hör ich nämlich immer auf sie. Ich wollte aber auch selbst etwas davon haben. Und das habe ich jetzt, aber nicht so, wie ich gedacht hatte.«

»Es ist ja noch nichts entschieden, vielleicht können Sie sich ja halten«, sagte ich.

»Das hoffe ich natürlich auch«, meinte er. »Aber ich traue der ganzen Sache nicht. Vorige Woche habe ich einen Anruf bekommen, der mir nicht mehr aus dem Kopf geht.«

Höchste Zeit, den erfahrenen Privatdetektiv hervorzukehren. Ich beugte mich leicht zu ihm herüber.

»Kam der Anruf hier an oder im Verein?«

»Zu Hause«, sagte er. »Am letzten Donnerstag. Ich wollte gerade zu Bett gehen.«

»Wer nimmt bei Ihnen das Telefon ab?«

»Wer am nächsten dran ist, meine Frau, ich oder auch mein Sohn, wenn er gerade bei uns ist. Wir haben keinen Butler mit ›Bitte schön, hier bei Karasu‹ oder so ähnlich.«

»Was hat der Anrufer denn gesagt?«

»›Spreche ich mit Ilhan Bey?‹, fragte er. Darauf ich: ›Ja.‹ Dann sagte er: ›Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie.‹ Darauf ich: ›Was soll das heißen?‹ Zuerst hatte ich Angst, dass in der Fabrik was nicht in Ordnung war, ein Brand oder so. Aber er sagte: ›Das bevorstehende Spiel wird verkauft. Ihr Torhüter und der Linksaußen haben vor, das Spiel vom Samstag zu verschaukeln.‹ Ich fragte: ›Wer spricht denn da?‹ Da lacht der Kerl und sagt: ›Ein Fan vom Karasu Güneşspor.‹ Ich war völlig verblüfft. Als mir immer noch nichts einfiel, sagte er: ›Wenn Sie mir nicht glauben, kann ich Ihnen auch den Ort verraten, wo sie sich mit der Gegenseite treffen werden, um die Sache perfekt zu machen.‹ ›Dann lass mal hören‹, sagte ich. Aber der Kerl sagte, das wisse er noch nicht. Sobald der Treffpunkt bestimmt sei, würde er mir Nachricht geben. Und dann legte er einfach auf.«

»Hat er sich noch mal gemeldet?«

»Bis jetzt noch nicht.«

»Wird man Sie mit ihm verbinden, wenn er hier anruft?«

»Ich hab den Mädchen in unserer Zentrale selbst gesagt, dass sie aufpassen sollen, wenn jemand anruft, der sich als ›Fan von Karasu Güneşspor‹ ausgibt. Es hat aber niemand mehr angerufen.«

Ich lehnte mich wieder in meinen Sessel zurück. Und ich sagte ihm das, was mir als erste mögliche Erklärung durch den Kopf ging, auch wenn ich dadurch riskierte, meinen neuen Job gleich wieder loszuwerden:

»Ilhan Bey, könnte es nicht sein, dass sich da jemand aufspielt, um für ein bisschen Aufregung zu sorgen?«

»Das habe ich mir auch gesagt. Aber wenn nun doch was dran ist?«

»Gegen wen spielt Ihr Verein nächste Woche?«

»Das ist es ja gerade! Der Klub, gegen den wir antreten, gehört dem Kerl, wegen dem ich überhaupt in diese Sache hineingeraten bin. Entweder fliegen die aus der Liga oder wir.«

Während ich umsonst versuchte, mich an den Namen des nur einen Punkt unter Karasu Güneşspor stehenden Vereins zu erinnern, klopfte es an der Tür. Das Klopfen war wohl reine Formsache, denn ein korrekt gekleideter Mann mittleren Alters betrat mit selbstsicherem Schritt den Raum, ohne ein »Herein« abzuwarten. Mir schenkte er keinen Blick. Schweigend legte er ein Bündel Schecks auf das Ablagetischchen vor Ilhan Karasu hin. Der unterschrieb eilig fünf der Schecks, ebenfalls ohne ein Wort zu sagen. So schnell ging die Sache vonstatten, dass ich nicht einmal Gelegenheit hatte, die Zahl der Nullen hinter den Ziffern zu zählen. Als der Mann im gleichen Tempo wieder hinausging, rief Ilhan Karasu ihm nach:

»Hat Ankara die Zahlung ausgeführt?«

»Ja, aber die Bank konnte uns die Summe noch nicht gutschreiben, wegen einer Betriebsstörung«, sagte der Mann und drehte sich um.

»Wer ist der Mann, dessentwegen Sie in diese Sache hineingeraten sind?«, fragte ich.

Ilhan Karasu führte die Dose an den Mund, um einen weiteren Schluck von seinem Light-Bier zu nehmen. Als er feststellte, dass sie leer war, verzog er das Gesicht, stand auf und ging zu dem Barschrank hinüber. Während er in gebückter Haltung dessen Inhalt untersuchte, rief er zu mir herüber, ob ich immer noch nichts trinken wollte.

»Ein Kaffee wäre nicht schlecht …«, sagte ich.