François Rabelais' Gargantua und Pantagruel I - François Rabelais - E-Book

François Rabelais' Gargantua und Pantagruel I E-Book

François Rabelais

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Beschreibung

Der vorliegende I. Band (mit dem Ersten und Zweiten Buch) von Gargantua und Pantagruel erzählt u. a. von der Geburt und Erziehung Pantagruels, Kriegszügen und Abenteuern, Gründung der utopischen Abtei Thelem und der Devise »Tu, was dir gefällt«. Die Gesamtedition, von insgesamt drei Bänden der vollständigen Ausgabe, fußt auf der stupender Übertragung von Regis, musste aber freilich vom Herausgeber lesbar gemacht werden, was Orthographie, Zeichensetzung, kaum bekannte und unbekannte Termini sowie sprachliche Neuschöpfungen sowohl von Rabelais als auch Regis betrifft, immer geleitet vom strengen Vorsatz, Schwächen zu eliminieren, ohne Zauber und Essenz anzutasten, so wenig Eingriffe wie irgend möglich, nur so viele wie unbedingt nötig! Die deutsche Übersetzung wurde mit dem französischen Originaltext abgeglichen, und zum besseren Verständnis des Lesers hat der Herausgeber, Joerg K. Sommermeyer, dem Text zahlreiche Anmerkungen und Worterläuterungen beigefügt.

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Seitenzahl: 447

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Über dieses Buch

Der Roman Gargantua und Pantagruel (Gargantua et Pantagruel) ist 1532-1553 von François Rabelais in 5 Büchern verfasst worden: Erstes Buch, Lyon 1532; Zweites Buch, Lyon 1534; Drittes Buch, Paris 1546; Viertes Buch, Paris 1552; Fünftes Buch, Royaume de France 1564 (postum; Authentizität fraglich). Das unumstritten großartige Werk, durchtränkt von Rabelais’ scharfem satirischem Witz, einer die Zeiten überdauernden, beißenden Kritik an Epoche und Gesellschaft, wurde u. a. von Johann Fischart seit 1575 ausschweifend frei bearbeitet (»Geschichtsklitterung«) und Gottlob Regis 1832-41 kongenial übersetzt.

Unser vorliegender I. Band (mit dem Ersten und Zweiten Buch) erzählt u. a. von der Geburt und Erziehung Pantagruels, Kriegszügen und Abenteuern, Gründung der utopischen Abtei Thelem und der Devise »Tu, was dir gefällt«. Unsere Gesamtedition, von insgesamt drei Bänden der vollständigen Ausgabe, fußt auf Regis’ stupender Übertragung, musste aber freilich vom Herausgeber lesbar gemacht werden, was Orthographie, Zeichensetzung, kaum bekannte und unbekannte Termini sowie sprachliche Neuschöpfungen sowohl Rabelais’ als auch Regis’ betrifft, immer geleitet vom strengen Vorsatz, Schwächen zu eliminieren, ohne Zauber und Essenz anzutasten, so wenig Eingriffe wie irgend möglich, nur so viele wie unbedingt nötig! Die deutsche Übersetzung wurde mit dem französischen Originaltext abgeglichen, und zum besseren Verständnis des Lesers hat der Herausgeber, Joerg K. Sommermeyer, dem Text zahlreiche Anmerkungen und Worterläuterungen beigefügt.

Der Autor

Ein Universalgelehrter, dionysischer Humanist, voller Lebensfreude und Liebe zum chthonischen Dasein, jegliche Einengung durch Scholastik, Kirche, Papst, Mönchstum oder Askese verabscheuend. Der Humanist François Rabelais, französisches Renaissance-Genie, erblickt das Licht der Welt um 1494 in La Devinière bei Chinon/Touraine als Sohn eines vermögenden Advokaten. Um 1511 Novize im Franziskanerorden, 1520 Mönch in Fontenay-le-Comte, 1524 Benediktiner, Chorherr in der Abtei Maillezas, 1527 Säkularkleriker, 1528-30 in Paris. Studium der Medizin in Paris und Montpellier. 1532-35 Lyoner Anstaltsarzt. 1536 muss ihm Papst Paul III. Verstöße gegen Ordensregeln verzeihen. 1537-40 Arzt in Montpellier. Seine Werke werden verboten. 1546 kirchliche Verfolgung; Flucht nach Metz, Stadtarzt. Seit 1534 etliche Aufenthalte in Rom. Sekretär und Leibarzt von Kardinal Jean Du Bellay, Begleiter von dessen Bruder Guillaume Du Bellay. 1551 Kanoniker in Meudon. Rabelais stirbt am 9. April 1553 in Paris. [Siehe zu Leben und Werk François Rabelais’ das Nachwort des Herausgebers, Joerg K. Sommermeyer, im dritten und letzten Band OrSyTa 72023.]

Der Übersetzer

Der deutsche Dichter und Übersetzer Johann Gottlob Regis, Sohn eines Predigers an der Leipziger Nikolaikirche kommt am 23. April 1791 in Leipzig zur Welt und stirbt am 29. August 1854 in Breslau (Wroclaw). Nach dem Besuch der Nikolaischule in Leipzig und der Klosterschule in Roßleben an der Unstrut, studiert er 1809-1812 Rechtswissenschaft in Leipzig. 1816 werden dort seine »Kasualreden« publiziert. Im selben Jahr wird er Korrektor bei der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle. Seit 1825 wirkt er als Privatgelehrter in Breslau. 1841 bedenkt ihn Friedrich Wilhelm IV mit einer Pension. Viele Übersetzungen von Shakespeare, Swift, Rabelais, Boiardo, Machiavelli, Buonarotti.

Der Herausgeber

Joerg K. Sommermeyer (JS), geb. am 14.10.1947 in Brackenheim, Sohn des Physikers Kurt Hans Sommermeyer (1906-1969). Kindheit in Freiburg. Studierte Jura, Philosophie, Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft. Klassische Gitarre bei Viktor v. Hasselmann und Alton Stingl. Unterrichtete in den späten Sechzigern Gitarre am Kindergärtnerinnen- / Jugendleiterinnenseminar und in den Achtzigern Rechtsanwaltsgehilfinnen in spe an der Max-Weber-Schule in Freiburg. 1976 bis 2004 Rechtsanwalt in Freiburg. Zahlreiche Veröffentlichungen. JS (Joerg Sommermeyer) lebt in Berlin und Lahnstein.

Orlando Syrg, Berlin, 12. Mai 2023

Inhalt

Über dieses Buch

Der Autor

Der Übersetzer

Der Herausgeber

Erstes Buch

Des Autors Prologus

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebentes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Vierundzwanzigstes Kapitel

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Achundzwanzigstes Kapitel

Neunundzwanzigstes Kapitel

Dreißigstes Kapitel

Einunddreißigstes Kapitel

Zweiunddreißigstes Kapitel

Dreiunddreißigstes Kapitel

Vierunddreißigstes Kapitel

Fünfunddreißigstes Kapitel

Sechsunddreißigstes Kapitel

Siebenunddreißigstes Kapitel

Achtunddreißigstes Kapitel

Neununddreißistes Kapitel

Vierzigstes Kapitel

Einundvierzigstes Kapitel

Zweiundvierzigstes Kapitel

Dreiundvierzigstes Kapitel

Vierundvierzigstes Kapitel

Fünfundvierigstes Kapitel

Sechsundvierzigstes Kapitel

Siebenundvierzigstes Kapitel

Achtundvierzigstes Kapitel

Neunundvierzigstes Kapitel

Fünfzigstes Kapitel

Einundfünfzigstes Kapitel

Zweiundfünfzigstes Kapitel

Dreiundfünfzigstes Kapitel

Vierundfünfzigstes Kapitel

Fünfundfünfzigstes Kapitel

Sechsundfünfzigstes Kapitel

Siebenundfünfzigstes Kapitel

Achtundfünfzigstes Kapitel

Zweites Buch

Des Autors Prologus

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebentes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Vierundzwanzigstes Kapitel

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Achundzwanzigstes Kapitel

Neunundzwanzigstes Kapitel

Dreißigstes Kapitel

Einunddreißigstes Kapitel

Zweiunddreißigstes Kapitel

Dreiunddreißigstes Kapitel

Vierunddreißigstes Kapitel

Erstes Buch

Das unschätzbare Leben des großen Gargantua,

Vaters Pantagruelis, weiland verfasst durch Meister Alcofribas Nasier, den Abstractor der Quintessenz

Ein Büchlein voller Pantagruelismus

Den Lesern

Ihr Leser dieses Buches lobesam Tut ab von euch Affekt und Leidenschaft, Und wann ihrs leset, ärgert euch nicht dran: Denn es kein Unheil noch Verderben schafft. Die Wahrheit zwar zu sagen, musterhaft Ist wenig drin, wenn wir nicht Lachen meinen. Den Text erwählt mein Herz, und weiter keinen. Seh ich den Kummer, der euch nagt und frisst, Handl ich von Lachen lieber denn von Weinen, Dieweil des Menschen Vorrecht Lachen ist.

Gargantua, prologue (Gustave Doré, 1832-1883)

Des Autors Prologus

Sehr treffliche Zecher, und ihr meine kostbaren Venusseuchling, (denn euch und sonst niemandem sind meine Bücher zugeschrieben) Alcibiades, in dem Gespräch des Platon die Zech betitelt, sagt unter anderen Reden zum Lob seines Meisters Sokrates, welcher ohnstreitig der Weltweisen Kaiser und König war, dass er sei gleich den Silenen gewesen. Silenen waren vor diesem kleine Büchslein, wie wir sie heut in den Läden der Apotheker sehen, von außen bemalet mit allerlei lustigen, schnakischen Bildern, als sind Harpyen, Satyrn, gezäumte Gänslein, gehörnte Hasen, gesattelte Enten, fliegende Böck, Hirschen die an der Deichsel ziehen, und andre derlei Schildereien mehr, zur Kurzweil konterfeiet um einen Menschen lachen zu machen: wie denn des guten Bacchus Lehrmeister Silenus auch beschaffen war. Hingegen im Innersten derselben verwahrt' man die feinen Spezereien, als Balsam, Bisam, grauen Ambra, Zibet, Amomum, Edelstein und andre auserlesne Ding. So, sagt er, wär auch Sokrates; weil ihr denselben von außen betrachtend und äußern Ansehn nach schätzende, nicht einen Zwiebelschelf für ihn gegeben hättet: so hässlich war er von Leibesgestalt, so linkisch in seinem Bezeigen, von Spitznas, Augen wie eines Stieres Augen, Narren-Antlitz, einfältiger Sitten, bäurisch in Kleidung, arm an Vermögen, bei Weibern übel angesehen, untauglich zu allen Ämtern im Staat, immer lachend, immer jedem zutrinkend, immer Leute foppend, immer und immer Versteckens gespielt mit seiner göttlichen Wissenschaft. Aber, so ihr die Büchs nun eröffnet, würdet ihr inwendig funden haben himmlisch unschätzbare Spezereien: einen mehr denn menschlichen Verstand, wunderwürdige Tugend, unüberwindlichen Standmut, Nüchternheit sondergleichen, feste Genügung, vollkommenen Trost, unglaubliche Verachtung alles dessen darum die sterblichen Menschen so viel rennen, wachen, schnaufen, schiffen und raufen.

Wohin (denkt ihr in euem Gedanken) zielt doch dies Vorspiel, dieser Probschuss? Dahin, dass ihr meine guten lieben Jüngerlein und etlich eurer Mitmaulaffen, wann ihr die lustigen Titel etlicher Bücher von unsrer Erfindung leset, als: Gargantua, Pantagruel, Stürzbecher, die Würdigkeit der Hosenlätz, von Speckerbsen cum commento etc., allzuleichtfertig urteilt es werd darinnen nichts abgehandelt als eitel Spottwerk, Rareteiden und lustige Lügenmährlein, hinsichts ihr äußerlich Sinnschild (das ist der Titel) ohn weitre Untersuchung gemeinlich für Possen und Schimpf geachtet wird. Aber also leichtfertiglich ziemt sich nicht Menschenwerk abzuschätzen; denn ihr pfleget doch selbst zu sagen, dass das Kleid nicht den Mönch mach, und ist mancher verkappt in eine Mönchskutt, der innerlich wenig vom Mönchtum weiß; geht auch wohl mancher im spanischen Mantel, dem sein Sinn nimmer nach Spanien stehet. Derhalb soll man das Buch recht auftun und was drin ausgeführt sorglich erwägen. Dann werd ihr merken dass die Spezerei drin wohl von einem andern und höheren Wert ist, als euch die Büchs verhieß: will sagen, dass die hie beregten Materien nicht allerdings so töricht sind, als es die Überschrift vorgeschützt.

Und auf den Fall gesetzt dass ihr auch im buchstäblichen Sinn genugsam lustige Ding anträfet und die sich wohl zum Namen schickten, sollt ihr doch gleichwohl hieran nicht haften bleiben wie am Sirenen-Sang, sondern vielmehr im höheren Sinn auslegen was ihr vielleicht nur Scherzes halber gesagt zu sein vermeinet hattet. Zogt ihr auch je einer Flaschen den Pfropf aus? Ei potz Zäpel! so denket zurück wie ihr euch dazu angestellet. Oder sähet ihr je einen Hund, wann er ein Markbein am Wege fand? Dies ist, wie Plato Lib. 2 de Rep. schreibt, das philosophischste Tier der Welt. Wenn ihrs gesehen habt, habt ihr wohl merken können wie andächtig er es verschildwachtet, wie eifrig ers wahrt, wie hitzig ers packt, wie schlau ers anbricht, wie brünstig zerschrotet, wie emsig aussaugt. Wer treibt ihn an also zu tun? Was ist die Hoffnung seiner Hundsmüh? Was vermeinet er hieraus guts zu erlangen? Nichts weiter als ein wenig Mark: wenn schon in Wahrheit dieses Wenig weit köstlicher denn alles Viel der anderen Ding ist, in Obacht das Mark eine Nahrung, so zur Vollkommenheit der Natur ist erwirket worden, wie Galenus spricht III. facult. nat. et XI. de usu partium.

Nach dessen Vorbild nun ziemet euch Klugheit, dass ihr fein riechen, wittern und schätzen mögt diese edeln Schriften vom dicken Schmer, die man zwar leichtlich pürschen mag, schwer aber treffen: dann mittelst fleißigen Lesens und steter Betrachtung das Bein erbrecht und den substantialischen Mark draus sauget, dies nämlich was ich unter diesen Pythagorischen Symbolis verstanden hab, in gewisser Hoffnung dass euch solch Lesen witzigen und erleuchten wird. Denn ihr sollt wohl einen anderen Schmack und tiefverborgenere Lehr drin finden, die euch höchstüberschwengliche Sakrament und schaudervolle Mysterien offenbaren wird, beides was unsre Religion, als Welt- und Regentenstand, wie auch die Hauszucht angeht.

Glaubt ihr auch wohl, auf euern Eid, dass Homerus, als er die Ilias und Odyssee schrieb, jemals an die Allegorien gedacht hab die aus ihm auskalfatert Plutarchus, Eustathius, Phurnuthus, Heraklides Ponticus und was aus ihnen Politian gestohlen hat? Wo ihr es glaubt, kommt ihr weder mit Händen noch Beinen zu meiner Meinung die besagt, dass dem Homero dergleichen so wenig im Traum erschienen als dem Ovid in seinen Metamorphosen die evangelischen Sakrament, wie sie ein Bruder Hans Laff und wahrer Speckschnäppel sich drin zu erweisen gemartert hat, ob er vielleicht mehr Narren wie Er, und wie man spricht, Deckel auf seinen Topf fänd.

So ihr es aber nicht glaubt, ei was wehret euch mit dieser muntern und neuen Chronik nicht eben auch also zu tun? Wiewohl ich, derweil ichs diktiert, so wenig drauf gedacht hab als ihr, die ihr wohl trinkt so gut als ich. Denn ich mit Stellung dieses sehr herrlichen Buches kein ander noch mehr Zeit vertan noch verdorben hab als die ich mir zu Einnahm meiner Leibesnahrung vorbestimmt hätt, nämlich während Essens und Trinkens. Auch ist dies just die rechte Stund, da man von so erhabenen Dingen und tiefen Szientien schreiben soll.

Wie sich gar wohl darauf verstanden Homerus, der Spiegel aller Schriftgelahrten und Ennius, der lateinischen Poeten Ziehvater; wie Horaz bezeuget: wenn schon ein Mollkopf behaupten will dass seine Vers mehr nach Wein denn nach Öl röchen.

Dergleichen sagt nun ein Tier-Lupin auch von meinen Büchern. Aber ich ach ihn einen Quark. Weingeruch, o wie weit nützlicher, schützlicher, kützlicher, himmlisch holdseliger ist er doch als des Öles! Und werd mirs zu keinem geringern Ruhm anrechnen, dass man von mir sag ich hab in Wein mehr aufgehn lassen denn in Öl, als Demosthenes tät, da man ihm nachsagt' er hätt in Öl mehr vertan denn in Weine. Ich für mein Teil kann nur Ehr und Ruhm davon haben, so man mich für einen guten Schlucker und Kunden mit gelten und laufen lässt. Bin unter dem Namen gern gesehen bei allen guten Pantagruelsbrüdern. Dem Demosthenes hats ohnhin ein Sauertopf längst vorgeruckt dass seine Reden wie eines alten garstigen Ölhökers Kram-Plan röchen. Derhalb legt meine Wort und Werk zum allervollkommensten aus, habt Ehrfurcht vor dem käsförmigen Cerebro das euch mit diesen schönen Schaumbläslein ätzet und, so viel an euch, bleibt mir fein allzeit guter Ding.

Nun so erlabt Euch dran, liebe Schätzlein: lests fröhlich all zu Leibestrost und Nierenfrommen. Büscht! Hundsfisli! dass euch der Wolf ins G'säß schlag! Wollt ihr mir gleich mein Gottslohn trinken? Ich werd euch auch plötzli Bscheid tun.

Erstes Kapitel

Von des Gartantuä Antiquität und Stammbaum

Ich verweis euch auf die große Pantagruelinen-Chronik, so ihr die Antiquität und Stammbaum daraus Gargantua uns entsprossen, wollt kennen lernen. Aus selbiger werd ihr mit mehrem ersehen wie die Riesen in diese Welt sind kommen, und wie von ihnen in grader Lini abgesprungen Gargantua der Vater des Pantagruel. Werd euchs auch nicht verdrießen lassen wenn ichs für diesmal übergeh; obschon die Sach von der Art ist dass sie, je mehr man ihrer erwähnt, Euern Gestrengen desto besser gefallen müsst, wie ihr dafür das Ansehen Platos in Philebo et Gorgia habt, desgleichen Flacci, welcher sagt, dass etliche Ding (wie denn ohn Zweifel dies hie eins) immer ergötzlicher würden je öfter man sie erzählt und wiederholt.

Wollt Gott, ein jeder wüsst seinen Stammbaum so eigens vom Kasten Noä bis diese Stund! Ich halt dafür, es sind ihrer Mehre heut zu Tag Kaiser, Könige, Herzöge, Fürsten und Päpst auf Erden, welche von einigen Bettelbriefträgern und Ballenbindern das Leben haben. Und wiederum Mehre sind Spittel-Pracher, elende Lumpen und Hungerleider die vom Geschlecht und Blute großer König und Kaiser entsprossen sind, hinsichtlich der erstaunlichen Versetzung der Staaten und Königreich;

Assyriens in Medien,

Mediens in Persien,

Persiens in Mazedonien,

Mazedoniens in Rom,

Roms in Griechenland,

Griechenlandes in Frankreich.

Und dass ich mich, der ichs euch sag, allein zu einem Exempel aufwerf, so glaub ich gänzlich dass ich etwan von einem reichen König oder Fürsten der Vorzeit herkomm: denn ihr habt euer Lebelang keinen Menschen gesehen der einen stärkern Trieb König und reich zu sein in ihm verspürt hätt, als mich: auf dass ich auch im Saus könnt leben, nix schaffen noch sorgen dürft, und meine Freund und alle fromme geschickte Leut daneben auch stattlich reich machen möcht. Aber ich tröst mich wiederum damit: ist es nit hie, so ist es dort; ja wohl weit mehr als ich mir itzo zu wünschen erkühnt. Tröstet auch ihr euch in euerm Unglück mit diesem, oder besseren Gedanken, und ist es tunlich, habt allzeit frisches Getränk bei euch.

Jetzt wieder auf unsre Hammel zu kommen, sag ich: dass uns durch höchste Schenkung des Himmels die Antiquität und Stammbaum Gargantuä vollständiger ist erhalten worden als eine, ohn des Messias Stammbaum, von welchem ich nicht sprechen mag, denn es geziemt mir nicht: auch sind die Teufel (das ist die Kuttner und Blaustrümpf) dawider. Und ward gefunden durch Hans Audeau auf einer Wiesen, so er hätt unweit der Gualeauer Schleusen unter Olive auf der Seit gen Narsoy. Wie der die Gräben dort stechen ließ, da stießen die Gräber mit ihren Karsten auf ein großes Grab von Erz; lang ohne Maßen, denn sie konnten nimmer ein End davon finden, weil es bis weit in die Vienner Gemarkung strich. Als sie solches an einem Ort erbrochen hatten, worüber ein Becher skulpieret war und mit hetrurischen Lettern rings umhergeschrieben HIC BIBITVR, fanden sie da neun Flaschen in der Ordnung stehen wie man die Kegel in Gaskognien zu setzen pflegt, und unter deren mittelster lag ein klein graugrün, artig, schartig, ziemlich schimmelig Büchlein, das stärker den Rosen, aber nicht besser roch.

In selbigem hat man ermeldeten Stammbaum der Läng nach mit Kanzellarschrift geschrieben funden, nicht auf Papier, noch Pergamen, auch nicht auf Wachs, sondern geschrieben auf Ulmenrinden, wenn schon für Alter so abgenützt, dass man davon mit Müh drei Ziffern in gleicher Reih gewahren mocht.

Ich nun (wiewohl der Ehr unwürdig) ward dazu hin erfordert: da ich sodann mit guter Brillenhilf die Kunst des Aristoteles wie man unscheinbare Lettern lieset, ausgeübt und’s so wie ihr hie sehen könnt, verdollmetscht hab zum Frommen aller Pantagrueleser, das ist frisch netzender froher Leser der schauderhaften Pantagruelstaten. Am End des Buchs stund ein Traktätlein, der antidotierete Firlfanz betitelt. Die Ratten und Matten, oder (dass ich nicht lüg) andere missgünstige Tier hatten den Anfang davon vernaget. Das andre hab ich hie untergestellt dem alten Schwärtel zu Lieb und Ehren.

Zweites Kapitel

Der antidotierete Firlfanz, in einem alten Begräbnis gefunden

O, i?.. am der große Bändiger der Cimbern

: : ;. ugs durch die Luft, weil ihn der Tau verdross.

≡ er erschien, tät man die Trög beklimpern

:!. frischer Butter, die mit Mulden goss:

Davon die große Mutter überfloss

Und schrie laut und bat ihn aufzufangen,

Da der Morast ihm schier zu Bärten schoss;

Ihm mindestens zu reichen eine Stangen.

Die einen schrien, ihm den Pantoffel lecken

Wär besser denn um Ablass sich bemühn:

Allein da kam der listigste der Gecken

Zum Loch herfür, wo man fischt Kresselin,

Der sprach: Um Gott, Herrn! lasst ihn nicht entfliehn!

Hie ist der Aal, und steckt in dieser Pfütze:

Dort unter seinem Krägel, merkt auf ihn!

Da findet ihr die große Tiras-Mütze.

Wie er itzt sein Kapitel wollt beginnen

Fand sich nichts drunter als ein Kalbsgeweih.

Mir ist, sprach er, in meiner Miter drinnen

So kalt, sie druckt auf mein Gehirn wie Blei.

Man wärmt ihn drauf mit Rüben-Spezerei,

Da ließ er sichs am Feuerherd gefallen,

Wofern ein frischer Gaul vorspännig sei

Den vielen Leuten die die Fäuste ballen.

Ehr Handel war um Patricks heilig Loch,

Gibraltar, und viel tausend andre Höhlen,

Ob sie sich wohl vernarben ließen noch

Durch ein Rezept dies Husten abzustellen:

Weil ihr Bejähnen aller Wind und Wellen

Doch einen jeden bass verdriessen sollt;

Und könnte man sie wohl als Geisel stellen,

Wenn man dereinst hinlänglich sie versohlt.

Auf solchen Schluss rupft Herkules den Raben,

Herkul, aus Lybien kam er eben an.

Was! sagte Minos, will man mich nicht haben?

Die ganze Welt, nur mich nicht bittet man:

Und soll mich dann noch erlustieren dran

Mit Austern und mit Fröschen sie zu speisen?

Ich sei verdammt, wird, weil ich atmen kann,

Ihr Kunkel-Markt je von mir gut geheißen.

Q. B. kam sie zu bläun, der lahme Peter,

Im Freigeleit starrköpfger Mystenbrut.

Der Worfelnde, des Groß-Kyklopen Vetter

Zerdrasch sie: jeder schneuze seine Schnut.

Nur wenig Buker zeugt dies Hufengut,

Die in der Lohmühl nicht gewippet wären.

Lauft alle her, schlagt Lärm, seid auf der Hut!

Man wirds euch besser denn vorn Jahre lehren.

Nach kurzer Frist gedachte Jovis Aar

Sich mit dem Part der Schlechten zu gepaaren;

Doch als er sah wie schwer ergrimmt man war,

Sorgt' er das Reich möcht in die Pilze fahren,

Und riss vom Schrein der Pökelheringswaren

Des Empyräums Feuer lieber fort,

Eh er die heitre Luft die man verfahren,

Ließ beugen unter Masoreten-Wort.

Auf Schwertes Spitze kam der Pakt zu stehen

Trotz Até, die sich reigerbeinig dünn

Dort niedersetzt, da sie Penthesileen

In ihrem Alter als Kresshökerin

Geehrt sah. Schlechte Kohlenbrennerin!

Rief männiglich, ziemt dir umherzuhetzen?

Das Römer-Banner raubtest du dahin,

Das man gemacht nach Pergamentes Sätzen.

War Juno nicht, die unterm Himmelsbogen

Mit ihrem Herzog Lockepfeiflein blies,

Man hätt ihr einen bittem Hieb gezogen,

Der ihr am Leib kein ganzes Glied verhieß.

Die Abkunft war, dass sie aus dem Gemüs

Zwo Eier der Proserpina empfinge,

Und, wo sie wieder sich betreten ließ,

Am Hagedomgebirg in Banden hinge.

Nach sieben Monden, zweiundzwanzig ab,

Geschahs das Der Karthago einst zerstöret,

Manierlich sich in ihren Kreis begab,

Sein Erbteil fordernd so ihm angehöret;

Zum mindest Teilung unverkürzt begehret

Nach dem Gesetz das Niet und Nagel hält,

Auch von der Brüh ein weniges verehret

Den Kleppern die das Breve ausgestellt.

Doch kommt das Jahr mit einem Türken-Bogen,

Fünf Spindeln, drei Topfböden auch signiert,

Da einem König der zu ungezogen,

Im Klausner-Rock das Kreuz gepfeffert wird.

O Schmach! Um einen Esauspelz verführt

Wollt ihr so viele Morgen sehn verschlingen?

Lasst ab, lasst ab! den Mummschanz detestiert.

Zum Schlangen-Bruder müsset ihr entspringen.

Nach diesem Jahr herrscht friedsam Der da ist,

Mit seinen guten Freunden immerdar;

Da wird kein Trutz mehr sein noch böser Zwist,

Ein jedes fromme Wünschen macht sich wahr.

Die Hilfe so vordem verheißen war

Dem Volk des Herrn, wird nahn mit Sturmesläuten:

Dann wird die jüngst gescheuchte Mären-Schar

Wie Königszelter im Triumphe schreiten.

Und diese Zeit der Hokuspokus währt

Bis Mars in Angeln wird gebunden schleichen:

Dann kommt ein Mann der über Alle fährt,

Anmutig, schön, holdselig sondergleichen.

Nun Herz gefasst! Ringt nach so süßen Feigen,

Ehr meine Treuen! Mancher ist dahin

Der sich um Gold nicht wieder würde zeigen:

So wird alsdann die alte Zeit beschrien.

Zu guter Letzt wird man am Haspenband

Den Wächsernen zum Glocken-Fritz quartieren:

Nicht mehr hinfüro wird Herr! Herr! genannt

Hans Bumbaum der den Bottich pflegt zu führen.

Hui! Wer nur seinen Fochtel dürfte rühren!

Mit allem Him-Geschelle wär es aus,

Und könnte man mit Packdraht gar verschnüren

Der Narreteiden ganzes Vorratshaus.

Drittes Kapitel

Wie Gargantua elf Monde im Mutterleibe getragen ward

Grandgoschier war zu seiner Zeit ein guter Schäker, liebte sowohl als irgendeiner damals auf Erden, rein auszutrinken, und aß gern Gesalzenes. Zu dem End führt' er für gewöhnlich einen ganzen Schub Mainzer und Bayonner Schunken, Rauch-Zungen die schwere Meng, Würst im Überfluss wann die Zeit war, und gepökelt Rindfleisch mit Mustrig: Lasten von Botargen, Salsuzen-Vorrat, nicht Bologneser (denn er scheut' sich vor den Lombardischen Mundbisslein) sondern von La Brene, Bigorre, von Longaulnay und von Rouargue. Als er zu seinen Tagen kommen, nahm er zum Weibe Gurgelmilten, die Tochter des Königs der Millermahler, ein schönes Trüserle, hübschen Visiers, und machten die Beiden öfters zusammen das Tier mit zween Rücken, rieben sich den Speck aneinander lustiglich, bis sie von einem schönen Sohne schwanger ward, und denselben trug bis in den elften Monat.

Denn so lang und länger können die Weiber Leibesfrucht tragen, insonderheit wenn es ein Wunderwerk der Natur ist und eine Person, die ihrer Zeit mannhafte Taten verüben soll. Wie Homer sagt, dass das Kind, womit Neptunus die Nymph beschwängert, zur Welt kam, nachdem ein Jahr herum war: dieses war aber der zwölfte Monat. Denn (wie Aulus Gellius Lib. 3. spricht) war diese lange Zeit der Majestät Neptuni schicklich, damit in selbiger das Kind zur Vollkommenheit kam und gebildet wurde. Aus gleichem Grund ließ Jupiter die Nacht, da er Alkmenen beiwohnt', an achtundvierzig Stunden dauern, weil er in einer kürzern Zeit den Herkules, der unsre Welt von Tyrannen und Bestien säuberte, nicht hätte fabrizieren mögen.

Die alten Herren Pantagruelisten haben bestätigt, was ich sag, und haben das Kind, das eine Frau im elften Monat nach ihres Mannes Tod gebieret, nicht nur für möglich, sondern für rechtmäßig erkannt:

Hippokrates Lib. de Alimento.

Plinius Lib. VII, Cap. 5.

Plautus in Cistellaria.

Marcus Varro in der Spottschrift das Testament betitelt, wo er des Aristoteles

Autorität über diesen Punkt zitieret.

Censorinus Lib. de die natali.

Aristot. Lib. VII. Cap. 3. et 4. de natura Animalium.

Gellius Lib. III. Cap. 16. Servius in Ecl. IV. wo er den Vers des Virgilius auslegt:

Matri longa decem, etc.

und andre tausend Fantastenköpf mehr, deren Anzahl noch durch die Legisten verstärkt wird ff. de suis, et legit. l. intestato. § fin. Et in authent. de restitut. et ea quae parit in undecimo mense.

Ja haben noch express darüber ihre speckhäkliche Lex geschmieret: Gallus ff. de lib. et postum. et l. septimo ff. de stat. homin. nebst andern die ich für jetzt nicht nennen mag.

Mittelst welcher Gesetz die Witwen nach ihrer Männer Hinschied ganzer zween Monat lang des Bürzelspiels auf Hieb und Stoß und alle Trümpf los kecklich pflegen und brauchen dürfen. Ich bitt euch doch gar schön, ihr lieben Haverlinger, wo ihr deren etwan trefft die sich des Aufnestelns verlohnen, sitzt auf und reitet mir sie vor! denn wenns im dritten Monat fängt, wird ihre Frucht des Verblichenen Erbe. Und ist die Schwangerschaft erkannt, stecht frisch drauf zu, so geht das Schifflein, dieweil das Ränzel die rechte Last hat.

Wie sich auch Julia, des Kaisers Octaviani Tochter, niemals ihren Paukern ergab, außer wann sie sich schwanger spürt'; nach gutem Schiffs-Brauch, welches seinen Steuermann nicht einnimmt, wenn es nicht wohl zuvor kalfatert und geladen ist.

Und wo sie jemand drum schelten wollt dass sie sich also pomeiseln ließen in ihre Schwangerschaft hinein, hinsichtlich doch die Tier selbst niemals ihre trächtigen Leiber dem Männlein zu bemänneln erlauben: so antworten sie dass dies Tiere sind, sie aber Weiber, wohlbekannt mit denen schönen angenehmen Rechten der Superfötation; wie weiland Populia nach dem Bericht Macrobii im zweiten Buch der Saturnalien zur Antwort gab. Wills aber der Teufel nicht haben, dass sie schwanger werden, dann heißts, Spund zu und wisch das Maul.

Viertes Kapitel

Wie Gurgelmilte, in ihrer Schwangerschaft mit dem Gargantua, eine große Meng Kutteln aß

Die Art und Weis wie Gurgelmilte ins Kindbett kam, war folgende: und wo ihrs nicht glaubt, entgehet euch das Fundament. Das Fundament entging ihr eines Nachmittags am dritten Hornung, als sie Zu viele Bauntzen gessen. Bauntzen sind feiste Magendärm von Barrenrindern. Barrenrinder sind an der Kripp' und auf Zwirentwiesen gemäste Ochsen. Zwirentwiesen sind zweimal im Jahr Gras tragen. Von selbigen feisten Ochsen nun hätten sie dreihundertsiebenundsechzigtausendundvierzehn geschlagen zum Einsalzen auf Fastnacht, dass sie im Frühjahr fein zeitigs Pökelfleisch die Füll erzielten; denn sie wollten gern zur Mahlzeit Anfang auch ihr Wörtlein von Gesalznem mitreden, weil der Wein drauf noch einmal so gut schmeckt. Der Kutteln waren viel, wie ihr von selbst einseht, und waren so köstlich dass jeder darnach die Finger leckt'. Aber der große Vier-Teufel war nur, dass mans ohnmöglich lang verwahren noch sparen konnt, denn sie wären verfaulet; welches sich nicht gebühren wollt. Ward also beschlossen mit Stumpf und Stiel sie aufzuessen. Hiezu luden sie alle Leut von Sainnais, Suillé, Laroche-Clermaud, Vaugaudry, vergaßen auch nicht die von Couldray, Montpensier, von Gué de Vede und andere Nachbarn alles gute Kunden, gute Zecher, schöne Kegelschieber. Der gute Mann Grandgoschier hätte daran sein herzlich Lust und Freud und ließ es ihnen mit Scheffeln messen, warnet' aber dabei sein Weib, dass sie davon das wenigst äße, weil sie nah auf ihrem Ziel ging und dies G'schling just keine sehr ratsame Speis wär. Denn, sprach er, der muss große Lust zum Dreckkäun tragen, der diese Säck isst. Dieser Ermahnungen ungeachtet aß sie deren doch sechzehn Wispel, zween Scheffel und sechs Metzen auf. O schöne fäkalische Materi, die ihr im Leibe bluttem sollt!

Nach dem Mittagsimbiss zogen sie all kopfüber unter das Weidicht hinaus, und tanzen da auf dem dichten Gras nach hellen Pfeiflein und süßen Schalmeien so fröhlich, dass eine himmlische Lust war, sie dergestalt sich tummeln zu sehen.

Fünftes Kapitel

Die Trinker-Gespräch

Drauf kamen sie ins Halbabendbrot-Gespräch miteinander am schicklichen Ort. Da ging es an ein Flaschen-Laufen, Schunken-Traben, Becher-Fliegen, Stamper-Klirren. Lauf und schaff! Trill dich und troll dich! Stell mir her, ohn Wasser, so Freund. Stürz mir dies Glas brav, schenk mir Claret ein, dass das Glas heult. Durst-Frieden! O du arges Fieber! Wirst du nicht weichen? Mein Six, Gevatterin, ich kann die Zech nicht mittun. Habt ihr euch etwan verkältet, Bäslein? Freilich. Potz Velten! lasst uns von Trinken reden: ich trink nicht denn zu meinen Stunden, wie des Papsts Maultier. Ich trink nicht, denn aus meinem Brevier, wie ein guter Gardian-Vater. Was war eher, Durst oder Trinken? Durst: denn wer hätt im Stand der Unschuld ohn Durst getrunken? Trinken den privatio praesupponit habitum. Ich bin ein Gelahrter: Foecundi calices quem non fecere disertum? Wir unschuldigen Kindlein trinken nur allzu viel ohn Durst. Ich Sünder aber nie ohn Durst: hab ich ihn jetzt nicht, so hab ich ihn künftig, muss also vorbaun, seht ihr ein. Ich trink für den Durst, der kommen soll. Ich trink ewig. Dies ist mein Ewigkeitstrinken und meine Trinkewigkeit. Gesungen, getrunken, stimmt an einen Kanon! Wo ist mein Kanon? mein Trichter? ich trink nicht anders denn per procuram. Netzet ihr, dass es trocknet, oder trocknet ich, dass es nass wird? Ich versteh mich nicht auf die Theorik, aber mit der Praktik da behelf ich mich ein wenig. Basta. Ich netz, ich feucht, ich trink, und alls aus leidiger Todesfurcht. Trinkt allzeit, so sterbt ihr nimmer. Wenn ich nicht trink, so bin ich im Treuchen: so bin ich tot; mein Seel wird in einen Froschpfuhl fahren; im Treuchen wohnet nimmer kein Seel. Küper! o ihr Schöpfer neuer Formen, macht mich aus einem, der nicht trinkt, zum Trinkenden! Unvergängliche Sprengwedlung über diese Nerven und dürren Därm! Der trinkt um nix, der nix von spürt. Dieser schlägt einem in die Adern, das Brunzerl kriegt da nix von ab. Ich möcht hie diesem Kalb, das ich heut fruh geputzt hab, die Kutteln spülen. Ich hab meinen Magen wohl ballastiert. Wenn das Papier meiner Schuldregister so wacker trinken könnt als ich, meine Gläubiger kriegten ihr Weinl wohl, wenns an ein Liquidieren ging. Diese Hand verstellt dir nur die Nas. O wie viel andre werden da noch eingehn, ehe dieser ausfahrt! So im Seichten zu trinken: hui, da muss einem schier der Gurtriem platzen. Dies heiß ich mal ein Vogelstellen mit Flaschen getrieben. Was Unterscheids ist zwischen Boutelgen und Flaschen? Großer: den Boutelgen stopft mans Loch mit Pfropfen zu, den Flaschen mit Schrauben. Ehrbar! Unsre Alten tranken derbe, ließen nichts im Topf. Scheiß auf dein Singen, getrunken! getrunken! Habt ihr was an den Fluss zu b'stellen? der geht jetzt hin die Kutteln zu spülen. Ich trink nicht tiefer denn ein Schwamm. Ich trink wie ein Templer. Ich tamquam sponsus. Und ich sicut terra sine aqua. Ein Schunken-Synonymum! wer weiß! Ist ein Zech-Compulsorium, ist ein Schrotleiter: durch die Leiter bringt man den Wein in Keller, durch den Schunken in Bauch. Hei da, zu trinken! zu trinken he! Es hat kein Ladung. Respice personam! Pone pro duos-bos ziehts noch nicht. Wenn ich so tapfer aufsteig als ich zu Tal lass, ich wär längst hoch in Lüften. So kam Jack Coeur zu guten Tagen, so gedeihet das Holz in der Brachen. So unterwarf ihm Bacchus Indien, so philosophieren sie in Melindien. Ein kleiner Regen mag großen Wind legen. Lang Trinken bricht Donner. Wenn aber mein Schwanitz solchen Ham pisst', möchtet ihr in auch saugen? Ich halts noch an, ein Weil. Schenk her, Bub! sieh, ich stell dir mein Vollmacht auf meinen Kopf. Stichs aus, mein Seppel, hie ist noch ein Scheppel. Ich verwahr mich widern Durst apellando als vor Chikan: Bub, relevier du mein Beschwer solenniter, dies Jücken! Sonst pflegt ich zwar stets rein auszutrinken, itzunder lass' ich auch nichts drin. Wir wollen uns nicht übereilen, auf dass nichts umkomm. Eingesackt!

Seh eins die Sonntagskutteln, seht die Bratenbaunzen von dem Falben mit dem schwarzen Strich!

Ei lasst uns ihn doch striegeln, um Gott! als gute Hauswirt, blank und rein! Trinkt, oder ich will euch ... Nicht doch! trinkt, ich bitt euch schön. Die Spatzen fressen nicht, man streicht ihnen denn die Schwänz! ich trink nicht, man schmeichel mirs denn ein.

Lagona edatera! Es ist in meinem ganzen Leib kein Ratz-Loch da mir dieser Wein nicht den Durst erfrettelt. Der pürscht mir ihn gut. Der wird mir ihn ganz und gar Landes verweisen. Blast's bei Boutelgen- und Flaschenschall aus, dass wer seinen Durst verloren hat, ihn nicht allhie zu suchen hab: lange Sauf-Klistier haben ihn aus unsern Häuslein längst verjagt. Gott macht' den Himmel und Sonnen drein, wir Lümmel machen die Tonnen rein. Ich führ das Wort Gottes im Mund: Mich dürstet. Der Stein Asbestos ist nicht unauslöschlicher als der Durst meiner Würden. Der Hunger, sagt Angeston, kommt wenn man isset, aber der Durst vergeht, wenn man trinkt. Ein Mittel wider den Durst? Es ist das Widerspiel der Arzenei wider den Hundsbiss: lauf allezeit dem Hunde nach, so beißt er dich nimmer: und trink allzeit dem Durste vor, so erwischt er dich nimmer. Jetzt hab ich euch gefangen, jetzt bring ich euch diesen Wecker zu. Küper, o du ewiger Wecker, schütz und behüt uns du vorm Schlaf! Hundert Augen hätt Argus zum Sehen, hundert Händ muss ein Küper haben, zum unermüdlichen Weinauszapfen wie Briareus. Heisa! frisch genetzt, es ist gut Trocknen. Weißen! schenks gar aus, schenk in Teufels Namen, schenk hier, bis 'rauf! mir schwelt die Zung. Trinke Si' lans! Prost Kamrad! Munter! la la la, das heiß ich schlampampt, das. O Lacrima Christi! Dieser ist von der Devinie's, ist Zirbelwein. O des edeln Weißen! Auf meine Seel, ein taftens Weinl! he he he, es ist einöhriges Gewächs, echtes Gespinst und tüchelt wohl. Courag mein Gsell, auf diesen Gang gehn wir noch mit, denn ich hab ein Zwickmühl ex hoc in hoc gemacht; es ist kein Hexerei dabei, es habens all mit angesehen. Darin such ich meinsgleichen hie auf dem Platz. Ei lirum larum, ich bin Pfaff Matz. O oder Schlucker! der Durstigen! Bursch, Bursch, mein Freund! fülls hie und krön den Wein, ich bitt dich. Auf Kardinalisch: Nam natura abhorret vacuum: meint ihr ein Muck hätt hie getrunken? Holla! auf gut Bretonisch, rein aus mit der Neigen! niedergeschluckt! ist Kraut, es sticht nicht.

Sechstes Kapitel

Auf was seltsame Art Gargantua geboren ward

Während sie diese Trinkwörtlein noch wechselten fing Gurgelmilte sich über Leibsschmerz zu beklagen an; dass Grandgoschier vom Gras aufstund, ihr liebreich zusprach in Meinung es wären die Kindeswehen und zu ihr sagt1, es wär ihr dort gewesen zu frisch in dem Weidengebüsch und würd gewiss nicht lang mehr währen, so würd sie junge Bein gebären; müsst also sich auch ein frisch Herze fassen zur frischen Ankunft ihres Püppleins, und wenn ihr der Schmerz auch ein wenig streng deucht', so würd er doch bald ein Ende nehmen, und die drauf folgende Freud ihr all dies Leid vertreiben, also dass sie gar nicht mehr dran denken würd. Denn, sprach er, ich beweis euchs: unser Heiland im Evangelium Johannis Sechzehn, sagt er nicht: Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat sie Traurigkeit; wenn aber sie das Kindlein erst zur Welt geboren, gedenkt sie nicht mehr an die Angst? Ei, spricht sie, daran sagt ihr recht, und diese evangelische Reden hör ich weit lieber und tun mir besser als wenn mir einer ein langes und breits das Leben der heiligen Margret vorsagt und mehr dergleichen Pfaffengewäsch. Nur Lamms-Courag! sprach er, schafft dies fort, so machen wir bald ein anders.

Ha! spricht sie, was doch ihr Mannsleut für gut reden habt. Nu mit Gottes Hilf will ich mich zwingen, weils euch lieb ist. Aber ich wollt zu Gott, dass er euch abgehauen wär. Wer? was? spricht Grandgoschier. Ha, antwort sie, wie blöd ihr tut! ihr verstehets ja wohl.

Mein G'sell? spricht er: Potz-Zickel-Blut! wenn euch dies ansteht, schafft doch gleich ein Messer her! Ach, sprach sie, ach bei Leib nit! Gott verzeih mirs, ich meints nit von Herzen. An meine Reden dürft ihr euch nicht kehren, weder wenig noch viel. Aber heut werd ich wohl mächtig zu schwitzen kriegen, so Gott mir nicht beisteht, und das alls um eures G’sellen willen, damits euch wohl wär.

Nur Herz gefasst, nur Herz, sprach er, bekümmer dich des weitern nicht, und lass die vier Ochsen da vom nur ziehen. Ich geh jetzt und trink noch ein paar Schlückel, werd aber gar nicht weit sein: wo dich indes ein Weh ausstieß, bin ich auf einen Pfiff in die Hand flugs wieder bei dir.

Über ein kleines fing sie zu ächzen, zu lamentieren, zu schreien an. Alsbald erschienen Hebammen haufenweis von allen Enden; die befühlten sie zu unterst und fanden ein Geschling von ziemlich argem Geschmacke, dachten es wär das Kind: allein es war das Fundament, das ihr entging durch die Erweichung des graden Darmes (welchen ihr den Mastdarm nennt), weil sie zu viele Kutteln gegessen, wie wir zuvor berichtet haben.

Da macht' ihr eine alte Vettel aus der Gevatterschaft, die für eine große Ärztin geachtet, und vor etlichen sechzig Jahren von Brisepaille bei Saint Genou dortin gezogen war, die macht' ihr ein so entsetzlich Restrinctif, welches ihr alle Karunkeln im Leib dermaßen zusammenschnürt' und räufelt', dass ihr sie mit genauer Not mit den Zähnen hättet erlockern mögen: was schauderhaft zu denken ist: zumal der Teufel doch in der Mess des heiligen Martin als er das Geträtsch der beiden Sybillen aufschrieb, sein Pergament mit schönen Zähnen gar wohl zu prolongieren wusst.

Durch diesen Unfall öffneten sich die Cotyledons der Gebärmutter oberwärts, durch welche das Kind kopfüber hupft' in die hohle Ader, dann durch das Zwergfell weiter kroch bis über die Achseln, (wo sich gedachte Ader in zwei teilt,) und seine Straß zur linken nehmend, endlich durchs linke Ohr zu Tage kam. Sobald es geboren war, schrie es nicht, wie die andern Kinder, mi mi mi! sondern mit lauter Stimm: zu trinken! zu trinken! zu trinken! gleich als ob es die ganze Welt zu trinken ermahnt', so hell auf, dass es die ganze Gegend von Beusse und Bibaroys vernahm. Ich bild mir ein, ihr werd an diese verwundersame Nativität nicht steif und fest zu glauben wagen. So ihrs nicht glaubt, fichts mich nix an: aber ein Biedermann, ein Mann von Verstande glaubet allzeit das, was man ihm sagt und was er in Schriften findet. Sagt nicht Salomo Sprichwörter am Vierzehnten: der Unschuldige glaubt jedes Wort u.s.w.? und der heilige Paulus Ersten Korinther 13: die Liebe glaubet alles? Warum wollet ihrs also nicht glauben? Weil man es nimmer ersehn hat, sagt ihr. Ich aber sag euch dass ihr eben um dieser einzigen Ursach willen ihm vollen Glauben schenken müsst. Denn die Sorbonnisten nennen den Glauben ein Argumentum derer Ding, die man niemals mit Augen siehet.

Laufts etwan wider unser Gesetz, Glauben, Vernunft oder heilige Schrift? Ich meines Orts kann in der Bibel nichts finden was dawider wär. Und wenn es Gott so gefallen hätt, meint ihr, er hätts nicht tun können? Ei ich bitt euch doch um alles, umnebelkäppelt euch nicht die Köpf mit solchen eiteln Gedanken: ich sag euch, dass bei Gott kein Ding unmöglich ist. Und wenn er wollt, so brächten von Stund an die Weiber ihre Kinder also durchs Ohr zur Welt! Bacchus, kam er nicht aus dem Schenkel des Jupiter? Spaltenfels nicht aus der Ferse seiner Mutter? Fliegenschnäpper aus seiner Ammen Pantoffeln zur Welt? Minerva, entsprang sie nicht durchs Ohr aus Jupiters Hirn? Adonis durch eines Myrrhenbaums Rinden? Kastor und Pollux aus einem Ei, das Leda gelegt und ausgebrütet? Wie aber sollt ihr erst erstarren und staunen, wenn ich euch itzund gleich das ganze Kapitel des Plinius auslegen wollt, in welchem er von seltsam unnatürlichen Geburten handelt? Gleichwohl bin ich noch lang kein so dreister Lügner als er. Lest nur in seiner Naturgeschichte das dritte Kapitel des siebenten Buchs und quält mir nicht länger die Ohren damit.

Siebentes Kapitel

Wie Gargantua benamset ward, und wie er sich zur Tränk hielt

Während der gute Mann Grandgoschier noch zecht' und mit den Andern schwärmet', hört er das mörderliche Geschrei, welches sein Sohn bei seinem Eintritt in dieses Licht der Welt erhub, als er zu Trinken! zu Trinken! brüllte: und sprach: I gar! kannt du aa schon fein dursten! Welches als die Gäst vernahmen, sagten sie, dass er um dieserwillen durchaus Gargantua heißen müsst, weil dies das erste Wort seines Vaters bei seiner Geburt gewesen wär; nach Vorgang und in Nachahmung der alten Hebräer. Hierin war derselbe ihnen auch gem zu Willen, gefiel auch seiner Mutter wohl. Und um ihn zufrieden zu stellen, brachten sie ihm zu trinken, was oben hinein wollt: und ward nach frommer Christen Sitt zur Tauf getragen und getauft.

Und wurden siebzehntausendneunhundertunddreizehn Küh von Pautillé und Brehemond verschrieben, für gewöhnlich ihn zu säugen; denn eine bastante Amm zu finden war im ganzen Land unmöglich, in Betracht der großen Mengen Milch, die zu seiner Nahrung erforderlich war. Zwar wollen ein Paar Scotistische Doktoren behaupten dass seine Mutter ihn gestillt hab und dass sie vierzehnhundertzwei Pipen und neun Maß Milch auf jeden Ruck aus ihren Brüsten hab melken können. Aber es ist der Wahrheit nicht ähnlich, und dieser Satz mammaliter pro scandaloso wehmütigen Ohren ärgerlich und schon von weitem nach Ketzerei ausdrücklich stinkend erkläret worden.

In solcher Weis bracht er ein Jahr und sechs Monde hin, um welche Zeit man nach dem Rat der Ärzt ihn anfing auszutragen, und ward nach Angab des Jan Denyau ein schönes Ochsen-Kärchel gebauet, in selbem kutschiert' man ihn fröhlich umher: und war eine Lust ihn anzusehen, denn er hätt ein hübsch Göschlein, wohl zehn Kinn am Hals, schrie auch fast wenig; dafür aber bekackt' er sich zu allen Stunden, denn er war eines ungebührlich durchschlägichen Gesäßes, teils aus natürlicher Komplexion teils durch zufälligen Habitum, den ihm das viele Saugen des September-Traubenmüsleins zuzog. Doch sog er davon keinen Tropfen ohn Ursach; denn wenn sichs traf, dass er verdrießlich, dickschnutig, bös, oder mogrich war, wann er schrie, strampelt’, heult’, und man bracht ihm zu trinken, gleich kam er euch wieder zu sich und war ganz still und guter Ding. Seiner Wärterinnen eine hat mirs auf ihre Treu geschworen, er hätt dies also in der Art, dass er beim bloßen Schall der Kannen und Flaschen schon in Verzückung käm als ob er die Freuden des Paradieses im Voraus schmeckt’; derhalb sie in Betrachtung dieser göttlichen Eigenschaft, um ihn am frühen Morgen aufzuheitern, mit einem Messer an die Gläser klinkten oder mit Flaschen-Spunden oder mit Kannen-Deckeln klirrten: auf diesen Schall würd er gleich lustig, hüpft’ auf und wiegt' sich selber ein mit dem Kopfe lottend, monochordiert’ mit den Fingern und barytoniert’ mit dem Arß.

Achtes Kapitel

Wie man Gargantua kleiden tät

Als er zu diesem Alter kommen, befahl sein Vater ihm Kleider zu machen nach seinen Farben, weiß und blau. Da ward sogleich Hand angelegt, und wurden gemacht, genäht, geschneidert nach damals kursierender Landesmod. Aus den alten Archiven der Rechnungskammer zu Montsoreau erseh ich, dass er in folgender Art bekleidet war:

Zu seinem Hemd wurden ausgehoben neunhundert Ellen Leinwand von Chastelleraud, und zweihundert zu den Zwickel-Kisslein unter die Achseln. Und ward nicht gefältelt; denn das Fälteln der Hemden ist erst aufkommen seit die Nähterinnen die Spitzen ihrer Nadeln zerbrochen haben und mit dem Öhr zu hantieren begonnen.

Zu seinem Wams wurden ausgehoben achthundertdreizehn Ellen weißer Atlas, und zu den Nestelschnüren fünfzehnhundertneun und ein halb Hundshäut, denn damals fing die Welt an die Hosen an das Wams zu henken, nicht das Wams an die Hosen, denn es läuft dies der Natur zuwider, wie ausführlich dartut Ockam über die Exponibilien des Meisters Beinkleiderios.

Zu seinen Hosen wurden erhoben elfhundertfünf und ein drittel Ellen weißen Sammets, und waren gemützert in Form geriefter krenelierter Säulen hinten, damit sie ihm nicht die Nieren erhitzten; die Mützen aber mit blauem Damast inwendig geflitzert so viel als nötig: und ist zu merken, dass er sehr schön beschienbeint war und in der rechten Proportion zu seiner übrigen Leibesstatur.

Zu seinem Hosenlatz wurden erhoben sechzehn und ein viertel Ellen des nämlichen Zeuges, und war gestaltet wie ein Strebebogen, gar lustig zwischen zwei schöne güldene Rinken gespannet, in die zween Heftel von Glockenspeis eingriffen, und in jedem derselben war ein dicker Smaragd von der Groß eines Pomeranzapfels eingefasst. Denn es hat dieser Stein, (wie Orpheus Libro de Lapidibus, und Plinius Libro ultimo lehren) erektivische und stärkende Kraft des natürlichen Gliedes. Des Latzes Schlitz war einen Stab lang, gemützert wie die Hosen und mit blauem Damast gepufft wie oben. Hättet ihr aber erst die schöne Verbrämung von Kantille gesehen, und das artige güldene Stickwerk dran, besetzt mit feinen Demanten, feinen Rubinen, feinen Türkisen, feinen Smaragden und Persischen Perlen: so würdet ihr ihn einem schönen Horn des Überflusses verglichen haben, wie ihr auf den Antiken seht und wie sie Rhea den beiden Nymphen Adrastea und Ida, den Ammen Jupiters verehrt'. Stets prächtig, trächtig, übersäftig, immer grünend, immer blühend, früchtesprühend, voller Blüten, voll aller Frucht und Herrlichkeit. Gott sei mein Zeug, ob nicht der Latz ein stattlichs Aussehn hätt', doch werd ich euch davon noch ganz andre Ding berichten in dem Buch, das ich von Würdigkeit der Lätz verfasst hab. Eins aber sollt ihr dennoch wissen: dass er, obschon so lang und breit, doch innerlich sehr wohl verproviantieret und beschlagen war, in keinem Stück den heuchlerischen Schein-Lätzen einer ganzen Schar von Schleckern ähnlich, als in welchen zu großem Präjudiz der Weibsleut, gar nichts enthalten ist denn Wind.

Zu seinen Schuhen wurden erhoben vierhundertsechs Ellen karmesinblauen Sammets und wurden zierlich gemützert in parallelischen Linien, durch gleichförmige Zylinder verbunden. Zu Besohlung derselben nahm man elfhundert braune Kühhäut, geschnitten nach der Stockfischschwänzenart.

Zu seinem Leibrock wurden erhoben achtzehnhundert Ellen blauen, wohl im Grän gefärbten Sammets, rings mit schönem Laubwerk bordiert, und in der Mitten mit silbernen Bechern von Kantille, umgestülpt unter güldenen Sparren mit dichten Perlen, anzuzeigen, dass er ein guter Stürzbecher zu seiner Zeit würd werden.

Sein Gürtel war aus dreihundert und einer halben Ellen Seiden-Sarsch’, halb weiß, halb blau, wofem ich nicht sehr irr.

Sein Degen war nicht von Valence, noch auch sein Dolch von Saragossen; denn sein Vater hasset' dies ganze vermauschelte Indalgos- und Bourratschenvolk wie Teufel: sondern er hätt einen schönen Degen von Holz, und einen Dolch von gummiertem Leder, so fein verguldet und gemalt wie sichs nur einer wünschen mocht.

Sein Säckel war aus dem Hodensack eines Oriflanten gefertigt, den ihm Mynheer Prakontal, Statthalter in Lybien, verehret.

Zu seinem Mantel wurden erhoben neuntausendsechshundert weniger zwei drittel Ellen blauen Sammets, wie oben, ganz mit Gold durchfädelt in diagonalischer Figur: welches nach richtiger Perspektiv eine unbekannte Farb gab wie ihr an Turteltaubenhälsen sehet, all denen, die ihn sahen, ein unvergleichlicher Augentrost.

Zu seinem Barretlein wurden erhoben dreihundertzwei und ein viertel Ellen weißen Sammets, und war die Form desselben weit und rund nach Umfang des Hauptes; denn sein Vater sagt', dass diese heutigen Barretlein auf Marrabesisch, wie ein Pastetensatz gestaltet, noch eines Tages ihren Verstutzten schlimme Händel zuziehn würden. Statt Federbusches trug er eine schöne große blaue Feder von einem Onokrotalus [Rosapelikan; Anm. d. Hg.] aus dem wilden Hyrkanien [Landschaft an der Südküste des Kaspischen Meeres], die ihm gar zierlich übers rechte Ohr hing. Zu seiner Medaille führt' er in einer güldenen, achtundsechzig Mark schweren Platten eine Figur von gleichem Schmelzwerk, worin ein menschlicher Leib bossiert war mit zween Köpfen, den einen gegen den andern gedreht, vier Armen, vier Beinen, und zween Ärßen, wie Plato in Symposio sagt, dass die menschliche Natur in ihrem mystischen Ursprung beschaffen gewesen, und stund darum mit ionischen Lettern geschrieben: ATAIIH OY ZHTEI TA EAYTHΣ[Die Liebe suchet nicht das Ihre],

Sein gülden Kettlein, das er am Hals trug, wog fünfundzwanzigtausendunddreiundsechzig Mark Goldes in Form großer Beeren, mit grünen rau geschliffenen Jaspissteinen durchzogen, die wie Drachen gravieret und geschnitten waren, sämtlich mit Strahlen und Funken umzirkelt, wie einst der König Necepsos trug: und hing ihm bis zum obern Buckel des Bauchs herunter; davon er dann sein Lebelang den Nutzen spürt', welcher den griechischen Ärzten bewusst ist.

Zu seinen Handschuhen wurden verschnitten sechzehn Koboldsfell, und zum Vorstoß dran drei Werwolfshäut; und wurden ihm also zugericht nach dem Rat der Kabbalisten zu Sainlouand. Von Ringen (deren ihn sein Vater zu Erneuerung des Zeichens alter Ritterschaft tragen ließ) hätt er am Zeigefinger der Linken einen Karfunkel von der Größ eines Straußeneies, in feines Seraphsgold zierlich gefasst. Am Arztfinger eben dieser Hand hätt er einen Ring aus den vier Metallen allzumal, auf die wunderbarste Art verfertigt, die man noch je mit Augen gesehen: denn weder verschlang der Stahl das Gold, noch bracht das Silber das Kupfer unter. Alles gemacht durch Hauptmann Chappuys, und seinen guten Faktor Alcofribas. Am Arztfinger der Rechten hätt er einen Ring in spiralischer Form, darein ein vollkommner Balas-Rubin, ein ausgespitzter Demant, und ein Smaragd vom Physon unschätzbaren Wertes gefasst waren. Denn Hans Carvel, Groß-Juwelier des Königs von Melindien schätzt' sie zusammen auf neunundsechzig Millionen, achthundertvierundneunzigtausendundachtzehn lange Wollenhammel. So hoch habens auch die Fuckart von Augspurg [Fugger von Augsburg] geschätzet.

Neuntes Kapitel

Von des Gargantuä Farben und Leibtracht

Die Farben des Gargantuä waren Weiß und Blau, wie ihr zuvor habt lesen können: und damit wollt sein Vater sagen, dass er eine himmlische Freud wär. Denn das Weiß bedeutet' ihm Freud, Vergnügen, Lust und Fröhlichkeit, und das Blaue himmlische Ding. Ich merk zwar wohl, dass ihr bei Lesung dieser Wort des alten Zechers spotten und die Auslegung der Farben allzu ungewaschen und außer Ordnung finden werdet: denn, sagt ihr, Weiß bedeutet Treu und Glauben, Blau Beständigkeit. Aber erhitzt, erbost, ereifert, eräschert euch nur nicht erst lang (denn es ist eine gefährliche Zeit), sondern gebt Antwort auf meine Frag: eine andre Streng werd ich nicht brauchen gegen euch, noch wer es sei. Nur ein paar kurze Tischwörtlein werd ich euch zu Gemüte fuhren.

Wer sticht, wer stößt euch? Wer behauptet, dass Weiß Treu, Blau Beständigkeit bedeutet? Ein lotterichs Büchel, sprecht ihr, so die Bisarten [bisouarts, bizzordi; arme Gebirgsbewohner] und Ballenträger feil tragen, der Farben Wappen-Saal betitelt. Wer hat's g'macht? Wer er auch immer sei, daran hat er gescheit getan, dass er nicht seinen Namen dazu geschrieben hat. Im übrigen aber weiß ich nicht, was mich an ihm mehr wundern soll, sein Fürwitz oder seine Dummheit. Sein Fürwitz, dass er ohn all Ursach, ohn Grund noch Schein, ans eignem Ansehn sich vorzuschreiben erkecket, was für Ding die Farben bedeuten sollen: welches der Tyrannen Art ist, die ihren Mutwillen statt der Vernunft aufwerfen, nicht aber der weisen verständigen Leut, die ihre Leser mit deutlichen Gründen zufrieden stellen.

Seine Dummheit, dass er vermeint die Welt werd ohn weitem Beweis noch bündige Argument ihre Wappen-Devisen nach seinem läppischen Schrollen einrichten. Und ist auch nicht ohn, denn er hat (wie das Sprichwort sagt: dem durchlaufigen Arß hangt allzeit der Dreck an) ein überlei Häuflein Gecken aus der alten Zeit der hohen Mützen vorgefunden, die seinen Schriften Glauben geschenkt und ihre Denkreim und Wahlsprüch darnach geschustert, ihre Mäuler darnach bekappzaumt, ihre Buben gekleidet, ihre Hosen gemustert, ihre Handschuh verbrämt, ihre Betten befiranzt, ihre Fähnlein gemalt, Lieder gefertigt und (was das ärgst ist) unter den züchtigen Matronen heimlich allerlei schlechte Ränk und Gaunereien geschmiedet haben. In gleicher Finsternis stecken auch diese prunkischen Höfling und Namen-Verrucker, die in ihren Devisen, um Hoffnung auszudrücken, eine runde Öffnung, oder Hopfenstang malen lassen, ein Bein für Pein, das Kraut Ancholi für Melancholi, den zweigehörnten Mond für ein zunehmend Glück, eine zerbrochene Bank für einen Bankerottierer, Nicht und ein Panzerhemd für ein nicht hartes Kleid noch Wesen, Litzelsalat für Lizentiat: welches so alberne, fade, bäurisch barbarische Homonymien sind, dass man einem jeden sollt einen Fuchsschwanz an das Koller henken und eine Larv von Kühdreck fürtun, der sich hinfüro noch in Frankreich nach Wiedereinsetzung der guten Künst und Wissenschaften, ihrer gebrauchen oder bedienen möcht.

Mit gleichem Fug (man sollt aber lieber Unfug und Narrheit sagen) könnt ich einen Schmachtriemen malen lassen zum Zeichen, dass man mich schmachten ließ: und einen Senfstopf für mein Herz, das man nicht eben sänftlich stopf, und einen Pisspott als Kämmerling. Mein Hosenboden wär ein Furzfass, mein Hosenlatz eine Stiftskanzlei, und ein März-Schwein wär ein Herzensschrein, darin mein Liebsten Gunst belegen.

Gar anders hieltens im Altertum die weisen Ägypter wenn sie mit Lettern schrieben welche sie hieroglyphische nannten, die niemand verstund, der nicht die Tugend, die Natur und Eigenschaft der unter denselben versteckten Ding wusst, und jeder verstund, der diese wusst: von denen Horus Apollon auf Griechisch zween Bücher verfasst und Polyphilus im Liebestraum mit mehreren handelt. In Frankreich habt ihr davon ein Pröblein in der Divis des Herren Admirals, die vordem Octavianus Augustus trug. Doch länger soll mein Schiff in diesen unlustigen Strudeln und Seichten nicht treiben; ich lenk um und geh im Hafen vor Anker, von da ich ausfuhr: hoff aber wohl noch eines Tags ausführlicher davon zu schreiben und teils durch philosophische Gründ, teils durch von allen Zeiten her beglaubigte und rezipierte Autoritäten darzutun, welche und wievielerlei Farben in der Natur sind, und was eine jede bedeuten kann: wenn mir anders unser Herr Gott den Hutleist spart, das ist den Weinpott, wie mein Großmutter selige zu sagen pflegt'.

Zehntes Kapitel

Was die Farben Weiß und Blau bedeuten

Weiß also bedeutet Freud, Behagen, Wonn, und bedeutets nicht mit Unrecht, sondern mit vollem Recht und Würden; was ihr auch werdet billigen, wenn ihr mit Hintansetzung eurer Affekte hören wollt, was ich euch jetzt erörtern werde.

Aristoteles spricht, wenn man ein paar in ihrer Art entgegengesetzte Dinge annähm, als gut und bös, Tugend und Laster, kalt und warm, weiß und schwarz, Lust und Schmerz, Freud und Leid, und andre dergleichen mehr, und sie also zusammenstellt', dass ein Gegenteil einer Art vemünftigerweis mit einem Gegenteil einer andern übereinkäm, so folgt' notwendig, dass auch das andre Gegenteil dem andern überbleibenden entsprechen müss. Zum Beispiel Tugend und Laster sind in einer Art Gegenteil; desgleichen auch gut und bös: wenn nun das eine Gegenteil der ersten Art mit dem einen der zweiten übereinkommt, als Tugend und gut (denn es ist sicher, dass Tugend gut ist), so werden es auch die beiden überbleibenden, bös und Laster; denn Laster ist bös.

Diese logikalische Regel wohl verstanden nehmet nun die zwei Gegenteil Freud und Trauer, dann auch die beiden Weiß und Schwarz; denn sie stehen sich physikalisch entgegen. Wenn demnach Schwarz Leid anzeigt, wird mit vollem Recht Weiß Freude bedeuten.

Und ist diese Deutung nicht etwan erst durch menschliche Satzung eingeführet, vielmehr auf Übereinstimmung der ganzen Welt, was die Philosophen ius gentium, allgemeines Recht, durch alle Lande gültigs nennen, angenommen. Wie ihr denn zur Genüge wisst, dass alle Völker, alle Nationen, (ich nehm die alten Syrakusaner und etliche Argiver aus, denen die Seel überzwerch gelegen) alle Zungen, äußerlich ihr Leid zu offenbaren schwarze Kleidung tragen und jedermann schwarz trauert. Welche einhellige Übereinkunft nicht wäre, wenn nicht die Natur dazu einen Grund und Antrieb gäbe, den jeder bald von selbst verstehn kann