Frankfurter Fake News - Robert Maier - E-Book

Frankfurter Fake News E-Book

Robert Maier

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Beschreibung

Ein Deutschtürke wird in seinem Bockenheimer Reisebüro erschossen. Ein Auftragsmord des organisierten Verbrechens, wie die Frankfurter Kripo vermutet? IT-Rentner Olaf ermittelt in seinem zweiten Fall wieder heimlich hinter dem Rücken seines Sohns, der als Kriminalbeamter in die Ermittlungen eingebunden ist. Olaf gewinnt zunehmend Gefallen an seiner Rolle als IT- und Internet-"Schnüffler". Bei seinen Recherchen unter dem Tarnnamen "Virus Cop" stößt er bald auf Online-Gruppen, die Fake News verbreiten und Menschen manipulieren, und deckt einen heimtückischen Plan auf. Doch als Olaf tiefer in den Sumpf aus Lügen eintaucht, droht er selbst Zielscheibe eines mörderischen Spiels zu werden. In der brandaktuellen Diskussion um Fake News und online/offline-Realitäten liefert der zweite "Virus Cop"-Krimi einen spannenden Beitrag auf der Höhe der Zeit. Autor Robert Maier, selbst IT-ler, kennt das Internet aus dem Effeff, schreibt authentisch und hat mit dem IT-Rentner Olaf einen sympathischen Privatermittler geschaffen, dem die LeserInnen gerne bei seinen Recherchen über die Schulter schauen.

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Seitenzahl: 233

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eISBN 978-3-947612-98-7

Copyright © 2020 mainbook Verlag

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Gerd Fischer

Covergestaltung: Lukas Hüttner

Auf der Verlagshomepage finden Sie weitere spannendeBücher: www.mainbook.de

Robert Maier

Frankfurter Fake News

Ein Virus Cop Krimi

Der Autor

Robert Maier, 1961 in Frankfurt am Main geboren, schreibt seit 2010 Belletristik und Kurzgeschichten. Dabei fühlt er sich im Krimi-Genre genauso wohl wie etwa in Science-Fiction und sozialkritischen Glossen.

2016 wurde sein erster Roman „Pankfurt“ veröffentlicht.

Robert Maier ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er arbeitet bei einer großen deutschen Fluggesellschaft im IT-Bereich.

Veröffentlichungen bei mainbook: „Virus Cop – Der Tote an der Nidda“ (2019)

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

1

Zwei Gruppenreisen in einer Stunde. Wenn es bloß an jedem Tag so gut liefe. Kasim schmunzelte, als er sich von seinem Bürostuhl erhob. Er ging ins Hinterzimmer, um sich einen Tee zu machen.

In der Familie war er der einzige Teetrinker. Sabine und die Kinder machten sich nicht viel daraus. In dieser Hinsicht hatten sie nichts von seinen kurdischen Wurzeln übernommen. Sie tranken lieber Kaffee. Nur äußerst selten noch sprach er Kurmandschi, seine Muttersprache. Er dachte und träumte schon viele Jahre auf Deutsch. Dass er fließend Türkisch sprach, war hilfreich für sein Reisebüro, das sich auf Türkeireisen spezialisiert hatte.

Über das laute Rauschen des Wasserkochers hinweg vernahm er das Klingeln der Ladentür. Ständig wurde er von seinen Kunden auf die alte, mechanische Türglocke angesprochen. Manche fanden sie sympathisch, viele aber altmodisch und überkommen. Für ihn war es seit vielen Jahren der unverkennbare Hinweis, dass jemand seinen Laden betrat, ein Signal, das er problemlos aus lauter Musik oder dem Lärm seines Wasserkochers heraushörte.

Er schloss den oberen Hemdknopf, räusperte sich und trat in den Laden hinaus.

»Wo sind sie?!« Der Mann, der ihn am Arm packte, atmete heftig. Seine Augen waren weit aufgerissen.

»Was?« Kasim wurde schwindelig vor Schreck. Er versuchte zu erkennen, was der Andere ihm an den Kopf hielt. Es schmerzte.

»Wo ist der Eingang?«

Er begriff, dass es eine Pistole sein musste, die man ihm an die Schläfe drückte. Seine Knie begannen zu zittern. Er spürte den fordernden Blick des Mannes auf sich.

»Was wollen Sie von mir?«

Der Andere stieß ein böses Lachen aus. Der Schmerz an der Schläfe wurde heftiger.

»Tu einmal in deinem Leben etwas Gutes, bevor ich dich zu deinem Allah schicke!«

Was sollte das bedeuten? Wieso sagte der Mann so etwas? Was hatte er ihm getan? Wollte er ihn tatsächlich umbringen?

»Ich bin nicht gläubig.«

An der wütenden Fratze seines Gegenübers erkannte er, dass es dumm gewesen war, so zu antworten. Aber es stimmte: Er glaubte nicht an den Gott der Moscheen, auch nicht an den der Kirche. Wenn man starb, war man vergangen, weg, existierte nicht mehr.

Nur vage nahm er wahr, dass der Mann ihn ins Hinterzimmer drängte. Überall am Körper spürte er Schweiß, er schmeckte ihn in seinem Mund.

Er glaubte zu fallen. Nein, er fiel tatsächlich. In den Stuhl, wo er eigentlich seinen Tee trinken wollte. Der Mann hatte ihn dorthin gedrängt, sonst wäre er einfach zu Boden gekippt. Auch im Sitzen zitterten seine Knie.

»Das muss eine Verwechslung sein.« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Er konnte nicht klar denken. Was geschah hier?

Der Andere blickte sich suchend im Raum um, hielt ihm weiter die Pistole an den Kopf. Dann starrte er ihm eindringlich ins Gesicht und kam ihm sehr nahe. Der Druck an der Schläfe wurde unerträglich. Kasim stieß einen heiseren Schrei aus, wollte den Kopf abwenden, konnte ihn aber nicht von der Wand lösen.

»Wo ist der Eingang?!«, schrie der Mann mit der Pistole. Seine Stimme überschlug sich. Sein Gesicht glänzte von Schweiß.

»Ich verstehe nicht.«

Er spürte sein Herz in Panik hämmern. Waren das seine letzten Schläge? Er würde sterben. Jetzt gleich. Auf der Arbeit. In seinem Reisebüro. Wieso? Er dachte an Sabine, an die Kinder. Sie würden sich nie wieder sehen. Was würde aus ihnen werden? Was aus ihm? Wie viele Sekunden hatte er noch zu leben? Würde er im nächsten Augenblick in einem Nichts vergehen? Tot? Ausgelöscht?

Er spürte, wie sich die Hand des Anderen anspannte. Es würde jetzt geschehen. Unausweichlich.

»Hat der Mensch eine Seele?«, flüsterte er, bevor eine schmierige Masse aus Hirn und Blut gegen die Wand spritzte, über den Tisch und über den verstummten Wasserkocher. Kasims Bewusstsein war vergangen, noch bevor sein lebloser Körper die Tasse mit dem Teebeutel herunterriss und mit einem dumpfen Laut auf dem Fußboden aufschlug.

2

Olaf fand den Artikel im Lokalteil. Er war der Redaktion nicht mehr als eine halbe Spalte wert gewesen. Seit dem Mord war bereits eine Woche vergangen, für ein Blatt mit dem Anspruch, aktuelle Nachrichten zu drucken, eine Ewigkeit.

Die Fahrgäste um ihn herum sahen genervt auf, als er die Zeitung mit lautem Rascheln handgerecht faltete. Dann senkten sie die Blicke wieder. Olaf schickte ein freundliches Lächeln in die Runde, aber alle starrten nur geschäftsmäßig auf ihre Displays.

Natürlich las Olaf auch Online-Zeitungen. Meistens aber brauchte er eine echte in der Hand, wenn er Nachrichten las. Er grinste in sich hinein. Die Leute um ihn herum hielten ihn gewiss für einen technisch zurückgebliebenen alten Herrn, weil er ihnen bedrucktes Papier entgegenhielt. Einer von der Sorte, der an der Supermarktkasse nervte, indem er Kupfermünzen zusammenklaubte, um »es passend zu haben«, statt einfach mit Karte zu zahlen.

Wie man sich doch täuschen konnte. Bis vor wenigen Wochen hatte Olaf als Experte für IT-Sicherheit gearbeitet, lange und erfolgreich genug, um mit Ende fünfzig von einer üppigen Rente leben zu können.

Er rückte die Lesebrille zurecht. Das Mordopfer Kasim Y. war, wie es in dem Artikel hieß, in seinem Reisebüro in Bockenheim mit einem Kopfschuss getötet worden. Alles deute darauf hin, so weiter, dass Kasim Y. geradezu exekutiert worden sei. Die Polizei gehe deshalb von einem Auftragsmord der türkischen Mafia aus. Der Artikel schloss mit einigen Zeilen über die steigende Zahl von Schutzgelderpressungen in Frankfurt.

Olaf ließ die Zeitung auf seinen Schoß sinken. Der Anzugträger gegenüber sah gequält auf die Seiten, die in seine Richtung überhingen, stöhnte demonstrativ auf und zog sein Tablet näher an sich heran. Olaf grinste den Mann an, der aber stur auf seinen Bildschirm blickte und gewichtig tat. Dabei spielte er bloß Candy Crush, das hatte Olaf bei einem zufälligen Blick auf den Bildschirm sehen können.

Türkische Mafia. Olaf wollte zwar weitere Morde aufklären, sich mit der Organisierten Kriminalität anzulegen, war aber ein paar Nummern zu groß für ihn. Das ging weit über seine Möglichkeiten als Amateur hinaus.

Bis vor wenigen Wochen war undenkbar gewesen, dass er einmal hobbymäßig Morde aufklären würde. Auch hatte er sein Leben als Rentner völlig anders geplant gehabt. Ganz gewiss hätte er sich damals nicht für den Altersteilzeitvertrag entschieden, wenn er geahnt hätte, was mit Carola, seiner Frau, passieren würde.

Nun hatte er in seinem neuen Leben sehr viel Zeit, genügend Zeit, um neue Talente zu entwickeln. Wie etwa das Aufklären von Mordfällen. Seine alten, bewährten Talente halfen ihm dabei. Der Handyvirus, den er eigenhändig programmiert hatte, zählte ganz gewiss dazu.

Es war ein Jammer, dass er ihn nicht mehr benutzen durfte.

»Nächster Halt: Konstablerwache.«

Hier musste er umsteigen. Er genoss es ein wenig, mit ausladenden Bewegungen seine Zeitung auf die Ausgangsgröße zurück zu falten und anschließend in der Mitte zu knicken.

»Einen schönen Arbeitstag«, wünschte er den abwesenden Gesichtern um ihn herum.

3

Zu Hause in Bornheim angekommen, setzte er als Erstes einen Kaffee auf. Sein Sohn Tobias war noch im Polizeipräsidium, wo er erst seit Kurzem arbeitete. Olaf würde die 4-Zimmerwohnung bis zum Abend für sich alleine haben.

Wie an den Tagen vorher verspürte er den Drang, sofort den Laptop aufzuklappen und Nachrichten des Handyvirus zu lesen, aber den hatte er vor einer Woche deinstalliert. Und das war auch gut so.

Die Ergebnisse des medizinischen Check-ups waren nicht spektakulär. Sein Hausarzt hatte Anmerkungen zu einigen geringfügig erhöhten Werten gemacht, ihm aber ansonsten attestiert, dass er seinem Alter entsprechend kerngesund war. Allerdings sollte er Sport treiben, damit es auch in Zukunft so bliebe, hatte der Doktor hinzugefügt. Es gäbe speziell auf Leute seines Alters zugeschnittene Programme in Fitnessstudios, die würden sogar von seiner Krankenkasse bezuschusst.

Olaf fühlte sich unbehaglich bei dem Gedanken. Sport war für ihn etwas, das er nur sporadisch machte. Mal fuhr er Fahrrad, gelegentlich joggte er sogar. Allerdings musste er sich eingestehen, dass seine letzte Fahrradtour vor einigen Monaten gewesen war. Gejoggt war er zum letzten Mal vor zwei Jahren. Für richtige Fitness müsste er so etwas häufiger und regelmäßig tun. In ein Fitnessstudio würde ihn aber kein Arzt bringen.

Er goss Kaffee in seine Tasse und kippte Milch aus der Tüte hinterher. Ganz bestimmt trank er mehr Kaffee, als gesund war.

Er hatte sich gerade am Küchentisch niedergelassen, als das Telefon zu brummen begann.

»Hallo Olaf, ich wollte mich mal melden.«

Gottfried. Gestern hatte er die Chemotherapie begonnen.

»Ich hoffe, du rufst nicht aus New York, Rio oder Tokio an.«

Gottfried war eigentlich immer irgendwo auf der Welt auf Dienstreise. Ein Glück, dass er nun endlich den ersten Therapietermin angetreten hatte. Ob er zu den Folgeterminen pünktlich erscheinen würde? Olaf war davon nicht überzeugt. Es wäre keine große Überraschung, wenn Gottfried bereits für einen Interkontinentalflug eingecheckt hätte.

»Sei unbesorgt«, klang es aus dem Hörer. »Ich bin in Frankfurt. Und es sieht so aus, als müsste ich noch eine ganze Weile im Krankenhaus bleiben.«

Also war es doch so schlimm, wie es die ganze Zeit den Anschein hatte. Innerhalb weniger Monate war Gottfried zu einem Skelett abgemagert. Seine Umwelt war schockiert über sein Äußeres gewesen, während ihn selbst der Darmkrebs nicht besonders gestört zu haben schien. Mehrmals hatte Olaf Gottfried dazu anhalten müssen, die Therapie zu beginnen, statt sie ständig wegen irgendwelcher Vertragsverhandlungen in Kalifornien zu verschieben. Dass es nun statt der geplanten Einzeltermine zu einem längeren Krankenhausaufenthalt gekommen war, ließ nichts Gutes über Gottfrieds Zustand erahnen.

»Ist es schlimmer, als dein Arzt angenommen hat?«

»Doktor Scharschmidt bleibt bei seiner Prognose von fifty-fifty«, stellte Gottfried klar. »Er will mich zur Beobachtung in der Klinik behalten. Einen Augenblick!«, sagte er unvermittelt.

»Was ist jetzt auf einmal?«

»Die Mail, auf die ich die ganze Zeit gewartet habe. Ich muss kurz das Handy weglegen.«

Olaf schüttelte den Kopf. Gottfried, wie er leibt und lebt. Er sah ein Bild von ihm, im Schlafanzug mit einem Laptop auf einem Krankenhausbett sitzend. Gewiss koordinierte er gerade die Geschicke seiner Abteilung, organisierte ein Executive-Meeting oder stellte wer weiß was an, was man während einer Chemotherapie im Krankenhaus nicht tun sollte. Sein Arzt hatte ihn bestimmt nicht nur aus dem Grund dabehalten, ihm regelmäßig Blut abnehmen zu können. Er wollte verhindern, dass Gottfried das erstbeste Flugzeug nach Übersee besteigen und auf Dienstreise entwischen würde.

Dieser Doktor Scharschmidt war ein Fuchs.

»Das war die Mail von Bob Gionfriddo«, meldete sich Gottfried nach kurzer Zeit zurück. »Er sagt den Workshop im Rheingau zu. Lass mich schnell noch Alaia Bescheid geben, dass sie das Hotel für den 1. September buchen soll.«

Gottfried war wieder weg. Olaf interessierte nicht, wer Bob Gionfriddo war, auch nicht Alaia, wahrscheinlich die Abteilungssekretärin.

»Du willst doch nicht wirklich in drei Wochen in den Rheingau!«, rief er ins Telefon, bekam aber wie erwartet keine Antwort zurück. Gottfried verfasste in diesem Augenblick eine Mail an seine Kollegin, eine Verabredung zu einem Workshop zweier Unternehmen, vermutlich mit anschließender Weinprobe. War am 1. September seine Therapie überhaupt schon zu Ende?

Es dauerte etwa eine Minute, bis Gottfried sich zurückmeldete. »Entschuldige, nun ist das geregelt.«

»Der Rest muss sich aber von alleine regeln«, sagte Olaf. »Sie haben dich nicht zum Arbeiten ins Krankenhaus gesteckt.«

»Das ist doch keine Arbeit«, erwiderte Gottfried lachend. »Was ist aus dem Virus geworden?«, setzte er hinzu. »Du hast ihn doch wirklich gelöscht?«

»Selbstverständlich. Wie wir vereinbart haben«, sagte Olaf mit Nachdruck.

»Ich kenne diesen Unterton«, kam es von Gottfried zurück. »Ich hoffe, der Virus ist mausetot.«

»Doch, doch«, versicherte Olaf. »Unser Fall ist ja gelöst.«

Ohne die Schnüffeleien des Virus hätten Olaf und Gottfried niemals Tobias’ letzten Mord aufgeklärt. Allerdings hatte er sich für alle als äußerst gefährlich erwiesen. Es hatte Olaf viel Überwindung gekostet, den Virus zu deinstallieren, aber es war mehr als nötig gewesen.

»Willst du wissen, was seine letzten Worte waren?«

»Die letzten Worte eines Virus? Hast du das Ding gelöscht oder nicht?«

Olaf lachte. »Der Virus ist den Weg alles Irdischen gegangen. Allerdings hat er mir vor seinem Dahinscheiden noch drei Nachrichten geschickt.«

»Ein neuer Mordfall?« Gottfrieds Skepsis schien wie weggeblasen. »Um was geht es genau?«

»Ein gewisser Kasim Yousef wurde erschossen.«

»Der Name klingt türkisch. Ein Deutschtürke?«

»Im Prinzip ja. Er war deutscher Staatsbürger, stammte aus der Türkei, war aber Kurde.«

»Was weißt du über die Umstände?«, fragte Gottfried.

»Der Mann besaß ein Reisebüro in Bockenheim. Er wurde in einem Nebenraum seines Ladens erschossen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass jemand gewaltsam eingedrungen wäre oder es einen Kampf gegeben hätte. Die Polizei glaubt, dass der Mörder wie ein ganz normaler Kunde in das Reisebüro kam.«

»Aber der fragte nicht nach einer Pauschalreise an die Türkische Riviera, sondern erschoss ihn?«

»So wird es gewesen sein. Yousef wurde aus nächster Nähe in die Schläfe geschossen. Es war wie eine Hinrichtung.«

»Ein kurdischer Deutschtürke wurde exekutiert«, resümierte Gottfried. »Das könnte politisch motiviert sein.«

»Vorstellbar. Es gibt da einen gewissen Präsidenten in Ankara, der bei dem Wort Kurde ein Tourettesyndrom bekommt.« Olaf lachte. »Die Polizei ermittelt allerdings in eine andere Richtung: Organisierte Kriminalität, Schutzgelderpressung und so was.«

»Woher weißt du das überhaupt?«, kam es skeptisch vom anderen Ende zurück. »Du hast den Virus doch abgeschaltet.«

»Das war der Stand der Ermittlungen an dem Tag, an dem ich ihn gelöscht habe. Heute steht das übrigens auch in der Zeitung.«

»Dann bin ich beruhigt, was den Virus anbelangt. Gegen die Organisierte Kriminalität zu ermitteln, ist eine Nummer zu groß für uns.«

»Gottfried, du ermittelst da gar nichts!«, sagte Olaf bestimmt. »Sie haben dich ins Krankenhaus gesteckt, und da wirst du brav deine Therapie machen.«

»Selbstverständlich mache ich meine Chemo und alles andere, was die mit mir anstellen wollen«, erwiderte Gottfried. »Das heißt aber nicht, dass ich hier versaure. Ich habe meinen Laptop, mein Smartphone und einen Internetanschluss: Das reicht zum Ermitteln.«

Olaf seufzte. Gottfried war nicht dazu geboren, einen Klinikaufenthalt zur Erholung zu nutzen. Gewiss würde er sich auch noch um die Wahl eines adäquaten Rieslings kümmern, den er mit diesem Ami im Rheingau trinken wollte.

»Gottfried, ich werde Kontrollbesuche machen und überprüfen, ob du auch wirklich im Krankenhaus bist.«

»Hauptsache, du schickst mir keinen Virus«, sagte Gottfried, bevor er auflegte.

4

Kurz darauf brach das Inferno aus. Der Schlagbohrer musste riesig sein! Gestern hatte Olaf bereits einen ähnlichen Lärm erlebt, was nicht ganz ungewöhnlich war, wenn im Haus neue Nachbarn einzogen. Die Familie war vor zwei Tagen mit einem riesigen Möbelwagen und viel Tamtam in das Stockwerk unter ihm eingezogen. Seitdem dröhnte es im Haus mehrere Male am Tag, als wäre in der ersten Etage ein Presslufthammer im Einsatz.

Als Olaf seine Tasse in die Spülmaschine stellte, glaubte er den kreischenden Bohrer in seinem Schädel zu spüren. Es fühlte sich an wie eine Zahnwurzelresektion. So hieß die Marter, der er sich vor einigen Jahren bei einem Kieferchirurgen ausgesetzt hatte. Der Kieferknochen war aufgefräst worden, um die Spitze der Wurzel zu kappen. Das Instrument des Chirurgen hatte Olafs Hirn in Rotation versetzt, und genauso fühlten sich die Bohrgeräusche aus dem ersten Stock an.

Er streifte sich die Jacke über. Bevor er von dem Krach verrückt würde, sollte er besser in den ›Krummen Hund‹ gehen, seine Stammkneipe.

Als er ins Treppenhaus trat, stellte er fest, dass der Bohrer dort noch lauter lärmte als in seiner Wohnung. Die neuen Mieter hatten ihre Tür offengelassen. Er lugte in den Flur hinein und erblickte Umzugskartons, Tapetenrollen und Utensilien zum Streichen.

»Guten Tag.« Olaf fuhr herum. Ein kleiner Junge mit schwarz gescheiteltem Haar streckte ihm die Hand entgegen. Dabei sagte er etwas, das wie »Paul« klang, aber wegen des Lärms nicht wirklich zu verstehen war.

»Hallo. Ich bin Olaf.«

Der etwa 8-Jährige schüttelte ihm mit ernsthafter Höflichkeit die Hand. Dann bedeutete er ihm mit einer Geste zu warten und verschwand eilig in der Wohnung. Augenblicke später verstummte die Bohrmaschine so abrupt, dass die Stille in Olafs Ohren klingelte.

»Ich möchte mich entschuldigen«, rief Olaf dem Mann entgegen, der durch den Flur auf ihn zukam. »Mein Sohn hatte wieder mal die Stereoanlage zu laut.«

Der Mann mit der von Farbe und Putz fleckigen Jeans sah ihn verständnislos an. Er hatte dieselben schwarzen Haare wie der kleine Junge, allerdings eine schickere Frisur und einen elegant gestutzten Bart. »No Deutsch«, sagte er, als sie sich die Hände schüttelten. »I’m Mateu«, setzte er auf Englisch hinzu. Olaf ordnete den Akzent als einen spanischen ein. Nun war klar, warum sein ironischer Spruch ins Leere gelaufen war.

»Welcome to Frankfurt«, sagte er.

Mateu lächelte ihn freundlich an. Wenn das hier erledigt wäre, er zeigte auf die Umzugskisten, würde er ihn auf eine Flasche katalanischen Rotwein einladen.

»And I will bring a Bembel«, gab Olaf zur Antwort.

Sein neuer Nachbar machte erwartungsgemäß ein ratloses Gesicht. Olaf erklärte, wofür der Krug mit der Salzglasur gut war. »You must try Apfelwein«, fügte er hinzu.

Nachdem Mateu sich nochmals für den Lärm entschuldigt hatte, steuerte Olaf den ›Krummen Hund‹ an.

Dieser Mateu schien ein brauchbarer Nachbar zu sein.

In der kleinen Apfelweinkneipe war nicht viel los. Olaf machte es sich am Tresen auf einem der Barhocker bequem und bekam von Karin sofort einen Sauergespritzten hingestellt.

»Erlaubt dir dein Arzt überhaupt Alkohol zu trinken?«, fragte sie mit gespielter Schnippischkeit. Karin war wie immer gut über ihre Stammgäste informiert, so auch über Olafs heutigen Arztbesuch.

»Er hat mir Sport verordnet: Muckibude, Joggen und Radfahren.«

»Du kannst bei uns mitkicken.« Wie aus dem Nichts war Günther aufgetaucht. »Wir spielen jeden Mittwochabend in der ›Buga‹.« Er stellte sein Glas auf den Tresen und setzte sich auf den Hocker neben Olaf.

»Lass stecken.« Olaf grinste. »Ich fange erst mal mit Schach an. Das wird bald olympische Disziplin.«

Günther lachte. »Und danach verschärftes Hallen-Jo-Jo? Versuch’s mal mit Fußball. Wir sind eine kleine, aber feine Truppe sympathischer Herren und nehmen gerne frisches Blut auf.«

»Mein Blut ist aber fast sechzig Jahre alt.«

»Damit wirst du den Altersdurchschnitt senken. Überleg dir mal, ob du bei uns einsteigst. Da spielt übrigens einer von der Eintracht mit, der war in den Neunzigern Stammspieler in der Amateurmannschaft.«

Olaf wusste, dass er nun schnell das Thema wechseln musste. Wenn es stimmte, was er gerne und oft im ›Krummen Hund‹ erzählte, kannte Günther einige ehemalige Eintrachtspieler, die in den Neunzigern aktiv gewesen waren. Einmal bei dem Thema Eintracht Frankfurt angekommen, würde er davon nicht mehr abzubringen sein.

»Hast du von dem Mord in Bockenheim gehört?«

Günther blickte Olaf irritiert an. »Reisebüro Yousef«, sagte er. »Spezialist für Türkeireisen.«

»Du bist aber gut informiert!« Olaf war beeindruckt. »Hast du den Mann gekannt?«

»Nicht persönlich.« Günther nahm einen Schluck Apfelwein. »Eine Freundin von mir, Bettina, wohnt einige Häuser weiter. Sie hat mir erzählt, was es mit dem Mord auf sich hat.«

Das Gespräch nahm eine völlig unerwartete Wendung. Olaf konnte im ›Krummen Hund‹ bei einem Äppler Ermittlungen anstellen.

»Bettina kannte Yousef nicht wirklich gut«, setzte Günther fort. »Sie sagt, sie sei drei- oder viermal in seinem Laden gewesen. Und es hätte sie nicht gewundert, dass es mit ihm ein solches Ende genommen hat.« Er genehmigte sich einen weiteren Schluck von seinem Glas.

»Günther, nun mach es nicht so spannend. Was war mit dem Typen, dass deine Bettina so was sagt?«

Günther nahm noch einen Schluck und schien das Glas absichtlich langsam auf den Bierdeckel zurückzustellen. »Bettina meint, Yousef sei ein schmieriger Typ, das hätte sie sofort bemerkt. Und dann hat sie erfahren, dass der Mann auf kleine Mädchen stand.«

»Yousef war pädophil?«

Günther nickte. »Bettina sagt, die Spatzen zwitschern es von den Dächern. Jeder in der Nachbarschaft weiß Bescheid, aber die Polizei hat nichts dagegen getan.«

»Hat sie ihn angezeigt?«

»Sie hatte ja keine Beweise, mit der sie zur Polizei hätte gehen können. Angeblich sollen mehrmals Leute gegen Yousef Anzeige erstattet haben, aber das hätte die Polizei nicht dazu bewegt, etwas zu unternehmen.«

»Der Mörder könnte der Vater eines der Missbrauchsopfer sein«, sagte Olaf nachdenklich.

»Möglich«, meinte Günther. »In diesem Fall hoffe ich, dass der Mord nie aufgeklärt wird.«

Zu Hause angekommen, zog es Olaf zu seinem Virusprogramm. Der Virus hatte sich bei seinem ersten Mordfall als unerhört nützlich erwiesen. Allerdings hatte er auch einige unerklärliche Macken.

Olaf setzte sich an den Laptop und öffnete die Entwicklungsumgebung für den Virus. Wie oft hatte er in den letzten Tagen auf den Quellcode gestarrt, war ihn Zeile für Zeile durchgegangen, nur um dann doch keinen Fehler zu finden?

Er startete den Virus in der abgesicherten Testumgebung, dort wo er kein Unheil anrichten konnte. Mit einem beinahe zärtlichen Gefühl blickte er auf das vertraute Konfigurationsfenster mit den bunten Knöpfen. Hätte er die Software nicht eigenhändig programmiert, könnte er es für das Einstellungsfenster eines harmlosen Computerspiels halten. Doch der Virus war kein Programm zur Errichtung eines Ponyhofs. Er war eine Sammlung brandgefährlicher Spionagewerkzeuge. Auf dem Handy eines Opfers installiert, könnte man schier alles damit anstellen: Passwörter, Fotos und Videos herunterkopieren, Telefonate mitschneiden, Chatprotokolle lesen und vieles Heikles mehr. Und natürlich wäre es möglich, sich auf die Kamera des Handys zu schalten. Dadurch könnte man ein Opfer rund um die Uhr mit Bild und Ton überwachen. Eine perfekte Wanze, die das Opfer freiwillig mit sich herumtragen würde. Schaurige Vorstellung, dass solche Viren von Geheimdiensten und Kriminellen ganz gewiss eingesetzt wurden.

Auch Olaf hatte seinen Virus genutzt: auf dem Handy seines Sohnes. Allerdings nicht mit der Absicht, ihn auszuspionieren. Nur eine einzige, wirklich ungefährliche Funktion hatte er aktiviert: Tobias’ Telefon sollte, ganz gleich, was sein Besitzer eingab, stets eine Nummer im Frankfurter Rotlichtviertel wählen. Zugegeben, ein etwas deftiger Scherz, vor allem, weil sich das alles auf Tobias’ Diensthandy abspielte. Es wurde rasch klar, dass Olaf diese Funktion schnellstmöglich ausschalten musste, sollte sein Sohn vor den Kollegen nicht wie ein unfähiger Idiot dastehen. Tobias’ Handy wählte fortan wieder die Telefonnummern, die er eingab. Allerdings zeigte sich, dass der Virus auf eigene Faust etliche Funktionen aktiviert hatte. Olaf konnte sich dieses Eigenleben der Software nicht erklären, war aber nicht unglücklich über die Informationen, die der Virus ihm geliefert hatte: vertrauliche Dokumente der Polizei, ausschließlich für Tobias und seine Kollegen bestimmt.

Und selbst heute hatte Olaf nur eine vage Ahnung, warum der Virus das getan hatte.

5

Bis jetzt hatte Olaf bloß zwei Anknüpfungspunkte, zu denen er recherchieren konnte. Neben den Gerüchten über Yousef war es das Reisebüro. Am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück, machte er sich auf den Weg dorthin. Es galt, sich einen Eindruck von dem Ort zu verschaffen, der zugleich Yousefs Arbeitsplatz und der Tatort für seinen gewaltsamen Tod gewesen war. Wenn es ihm darüber hinaus gelänge, einen Draht zu Yousefs Angestellten zu bekommen, könnte er hoffentlich weitere Hinweise erhalten.

Das Reisebüro befand sich in der Nähe der Bockenheimer Warte. Als Olaf vor dem Schaufenster stand, wurde ihm bewusst, wie oft er schon daran vorbeigelaufen war. Dass es einmal der Schauplatz eines Mordes sein könnte, war ihm nie in den Sinn gekommen.

Die Werbebilder im Schaufenster zeigten glückliche Menschen an Sandstränden: ein eigentümlicher Kontrast zu dem Verkehrslärm auf der Straße. Über dem Fenster war der Schriftzug »Reisebüro Yousef« zu lesen, »Ihr Türkei-Experte«. Durch die Scheibe konnte Olaf einen Verkaufstresen erkennen. Davor standen gepolsterte Stühle für die Kunden. An der Scheibe der Eingangstür klebte von innen ein DIN-A4-Blatt. »Wegen Trauerfall geschlossen« war darauf zu lesen. Olaf probierte dennoch, die Türe zu öffnen, spürte aber sogleich, dass sie zugesperrt war.

»Der Laden wird so schnell nicht mehr aufmachen.«

Der Mann hinter ihm musste aus dem Nichts gekommen sein. Er trug ein legeres Freizeithemd über einer modischen Jeans. Der Streifen Bart an seinem Kinn war nicht ungewöhnlich für einen Mittvierziger, wirkte aber wie ein vertikaler Schnurrbart.

»Ich habe es gerade gelesen: Trauerfall«, sagte Olaf.

»Ich frage mich, ob das wirklich ein Fall für Trauer ist.« Der Mann grinste spöttisch.

»Wieso sollte es das nicht sein? Ich schätze, es ist jemand aus der Familie gestorben?«

»Der Chef von dem Laden«, sagte der Mann. »Er wurde erschossen.«

»Erschossen?« Olaf spielte den Verblüfften. »Jetzt fällt es mir wieder ein: In der Zeitung stand ein Artikel über einen Mord in einem Reisebüro. Das ist hier passiert?«

»Genau hier. Letzte Woche Mittwoch«, bekräftigte der Andere mit einem Kopfnicken.

»Wie schrecklich für die Familie.« Olaf tat beeindruckt. »Sie wird unter Schock stehen.«

Der Mann nickte knapp.

»Was weiß man mittlerweile über den Mord? In der Zeitung stand, er könnte mit der Organisierten Kriminalität zu tun haben.«

»Das habe ich auch gelesen«, sagte der Andere. »Auf jeden Fall hat es mit Yousef nicht den Falschen erwischt.« Er sagte das mit der Überzeugung eines Mannes, der sich seiner Sache sicher ist.

»Wissen Sie mehr über den Mord, als in der Zeitung steht?«, fragte Olaf.

Der Mann grinste bitter und trat einen Schritt auf ihn zu. Er senkte die Stimme. »Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Yousef auf kleine Mädchen stand.«

»Er war ein Kinderschänder?«

Der Mann nickte. »Hier in diesem Haus, im Keller, hat er sich an unzähligen Kindern vergangen. Aber nicht nur das: Er hat einen regelrechten Pädophilenring betrieben. Das muss ein einträglicher Handel sein. Die vermieten kleine Mädchen oder verkaufen sie an die Höchstbietenden.«

»Das ist ja monströs!«

»Verstehen Sie jetzt, warum ich über den Tod dieses Typen alles andere als traurig bin?«

Olaf betrachtete sein Gegenüber. Er wirkte sympathisch und offen, wie einer, in dessen Gesellschaft man sich wohl fühlte. Nicht wie jemand, dem man nicht glauben sollte, was er erzählt. Wie aber sollte Yousef all diese schrecklichen Dinge getan haben, wenn die Nachbarschaft darüber Bescheid wusste?

»Wenn bekannt war, dass in diesem Reisebüro Kinder missbraucht wurden, wieso ist dann die Polizei nicht eingeschritten?«

»Es gab mehrere Anzeigen gegen Yousef, aber die sind alle im Sande verlaufen.«

»Man hat ihm nichts nachweisen können?«

»Eine einzige Hausdurchsuchung hätte gereicht, um unzählige Kinder zu retten. Die Polizei hat aber überhaupt nichts getan. Wahrscheinlich stellen Polizisten lieber Radarfallen auf, als den Laden eines Kinderschänders zu durchsuchen«, setzte der Mann sarkastisch hinzu.

»Wer, glauben Sie, hat ihn erschossen? Jemand aus der Nachbarschaft?«

»Ich war es ganz bestimmt nicht.« Der Mann trat mit gespielter Unschuldsgeste einen Schritt zurück. »Vielleicht war es jemand von hier. Ich glaube aber eher, ein Angehöriger eines der missbrauchten Kinder, vielleicht ein Vater, hat sich eine Waffe gekauft, um den Typen selbst zu richten. Es könnte aber auch jemand aus Yousefs Pädophilenring gewesen sein. Mit Kinderprostitution kann man viel Geld verdienen. Vielleicht ist er einem Konkurrenten zum Opfer gefallen.«

Der Mann verstummte und blickte finster durch das Schaufenster in das verwaiste Reisebüro.

»Missbrauch von Kindern, Pädophilenring und das alles – woher wissen Sie das überhaupt?«, fragte Olaf schließlich.

»Ganz gewiss nicht aus den Zeitungen.«

»Woher dann?«

»Durch eigene Recherche.«

»Sind Sie Journalist?«, entgegnete Olaf.

Der Mann sah ihn mit einem Grinsen an. »Nein. Aber ich kann zwischen den Zeilen lesen und achte darauf, was nicht gesagt wird.« Er wartete nicht auf eine Antwort. »Ich muss dann mal.« Er wandte den Blick ab. »Hoffentlich ist dieser Spuk bald vorüber.«

»Welcher Spuk?«, fragte Olaf, aber der Mann setzte sich bereits in Bewegung.

Olaf blickte ihm eine Weile hinterher. Ein Spuk?

6

Olaf wartete an einer roten Fußgängerampel, als das Handy in seiner Tasche vibrierte.