Frau Friese und das Bunkergrab - Martha Bull - E-Book

Frau Friese und das Bunkergrab E-Book

Martha Bull

3,9

Beschreibung

»›Unverschämter Hund, willst du …!‹ Was hat der denn da? Was hat der denn da ausgebuddelt, etwas Weißes, Langes! Das sieht aus wie, nein, das glaube ich nicht, das sieht ja aus wie ein Knochen! Ein großer Knochen! Entsetzt greife ich mir an den Hals, damit ich nicht schreie.« Waltraud Friese, Rentnerin und Witwe aus dem Bremer Stadtteil Peterswerder, kommt auch nach ihrem Umzug nicht zur Ruhe. Der Abriss des benachbarten Bunkers sorgt schon seit Wochen für einen Höllenlärm, aber schlimmer noch: Hund Gottfried spürt im Sand der tiefen Baugrube die Knochen eines Toten auf. Das Verbrechen reicht weit in die NS-Vergangenheit zurück, weckt böse Kindheitserinnerungen und beschert der alten Dame unruhige Träume. Zum Glück! Weil Waltraud nachts nicht schlafen kann, beobachtet sie aufmerksam, dass im Schutze der Dunkelheit auf der Baustelle und in ihrer Nachbarschaft merkwürdige Dinge vor sich gehen. Frau Friese schlägt erneut Alarm, denn der Tote aus vergangenen Tagen hat augenscheinlich Freunde in der Neonazi-Szene, die auch vor Bombenanschlägen und Mord nicht zurückschrecken …

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Martha Bull

Frau Friese und das Bunkergrab

Bremen-Krimi

1

Rums! Krach!

Was für ein Höllenlärm! Seit zwei Monaten geht das nun schon. Die reißen nebenan diesen alten Bunker ab. Sollen schicke Neubauten hin. Nicht für Leute wie mich natürlich. Da reicht meine Rente man höchstens für einmal zum Angucken.

Huch, jetzt wackelt wieder alles. Ich komme mir manchmal vor wie auf einem Schiff. Ob das nun gut ist für meine Wohnung? Da war ich so stolz, dass ich vor ein paar Monaten ins Erdgeschoss ziehen konnte, endlich raus aus dem dritten Stock, wo ich doch nicht mehr so gut Treppen laufen kann. Bin eben eine alte Frau, nützt nichts zu jammern, es ist, wie es ist. Und jetzt dieses ständige Rumpeln und Zittern. Ich schlafe schon schlecht, habe immer Angst, mir fällt das ganze Haus auf den Kopf. Kann ja nicht, weil nachts arbeiten sie ja nicht. Aber komisch ist das schon, da kommen irgendwelche Ängste hoch, kenne ich gar nicht von mir.

Wieso reißen sie den überhaupt ab? Was ist, wenn es wieder Krieg gibt? Wohin gehen wir dann? Also, nicht, dass ich da wirklich mit rechne, möge der Himmel verhüten, dass ich das noch mal erleben muss. Nur, wer weiß so etwas denn? Wenn ich so alt werde wie Frau Tietjen, also, die ist zweiundneunzig, habe ich noch fast zwanzig Jahre. Wer weiß, was da noch passieren kann. Wieso also reißen die die Bunker ab? Weil es dann sowieso nichts mehr zu retten gibt?

Ach, Waltraud, was denkst du an so einem schönen Sonnentag!

Aber es kommt mir doch hoch, bleibt ja nicht aus, wenn man so einen Bunker nebenan hat.

Habe ich früher nie drüber nachgedacht, der war einfach da. Mit all dem Efeu sah man eigentlich gar nicht mehr, was das mal war. In den Blättern haben immer so viele Vögel gewohnt, war ja ganz zugewachsen, und im Herbst sah es richtig schön aus, goldgelb und rot. Ich dachte, das ist wie eine Vogelgroßstadt. Und nun ist die einfach weg. Muss für die Vögel sein wie für uns ein Erdbeben oder so was. Wo sind die jetzt nur alle hin? Aber wer denkt schon an Vögel, wenn es ums Geldverdienen geht? Gehört nicht mehr in unsere Zeit. Gehöre ich auch nicht mehr, denke ich manchmal.

Und wenn ich im Frühjahr im Garten einen Nistkasten aufhänge? Großstadt wäre das ja nun nicht, eher Vogel-Bungalow, aber Kleinvieh macht auch Mist.

Ich nicke energisch. Das mache ich.

Ich gebe zu, dieser Bunker war ein riesiger Klotz, und wenn die neuen Häuser schön werden, mag sein, es sieht besser aus. Vielleicht ziehen ja nette Leute ein, kann auch, Waltraud.

Die Kellners von gegenüber sind für ein paar Wochen in Urlaub gefahren. Nur, wer kann das für mehrere Monate? Die Petersens sagen, ihnen macht das alles nichts, aber die gehen um kurz vor acht aus dem Haus und kommen abends spät wieder, da kriegen die von dem Lärm nichts mit. Der Dreck scheint sie nicht zu stören. Lisa von weiter links die Straße runter klagte letztens: »Hugo schläft mittags so schlecht ein bei diesem Krach, dabei braucht er doch noch seine Mittagsruhe, der kleine Windelpupser.«

Mittagspause machen Handwerker ja schon seit ewig nicht mehr. Als Kinder durften wir zwischen eins und drei nicht mal laut rufen, aber heute kennen die nix, da wird gerumpelt und gedröhnt, in einem durch.

Nette Leute, die Lisa und ihr Mann. Rabenschwarz ist der, kommt aus Uganda oder so, ist ein richtig schöner Mann, muss ich schon sagen. Guck ich manchmal heimlich rüber, wenn der auf der Treppe sitzt.

Also Waltraud!

Wieso? Bin ja nicht am Spionieren oder so.

Ah, wieder kracht es. Meine Nerven!

Dabei hatte ich mich so auf den Sommer in meinem Gärtchen gefreut. Also, »Gärtchen« ist übertrieben, sind nur ein paar Meter, und Sonne ist da nur im Hochsommer, die Häuser drum rum sind ja zu hoch, ist aber trotzdem ein kleiner Flecken hinterm Haus zum Dasitzen und In-den-Himmel-Gucken, da habe ich mich schon gefreut, wo ich immer im Dritten gewohnt habe ohne Balkon. Vorne raus ist Hochparterre, da könnte ich auf der winzigen Terrasse vor dem Fenster sitzen. Nur, laut ist es genauso, und außerdem ist es mir zu öffentlich, kann mir ja jeder zugucken beim Ausruhen. Nein, das mag ich nicht.

Zum Glück kann ich Frau Tietjen besuchen, die wohnt ein Stück die Braunschweiger Straße runter, da hört man es nicht so sehr, und mit ihrem Gottfried muss ich Gassi gehen. Ich wollte immer einen Hund, und jetzt teile ich mir Gottfried mit Frau Tietjen, weil die nicht mehr so gut zu Fuß ist. Da gehe ich eben raus mit ihm. Ist ja ein lieber Hund, er freut sich immer so, wenn ich komme. Aber manchmal will ich doch einfach nur zu Hause sein.

Manchmal glaube ich, ich bin zu alt für diese Welt, dabei bin ich erst vierundsiebzig.

Grete Tietjen sagte gestern noch: »Nehmen Sie es nicht so tragisch, Frau Friese. Auch die schönen Altbauten hier in der Straße waren einmal neu, und dafür ist etwas anderes abgerissen worden. Immer verschwindet Gewohntes für etwas Neues. Das ist ein natürlicher Kreislauf.«

So kann man das auch sehen, aber sie wohnt nicht gleich nebenan.

2

»Gottfried, komm sofort her!«

So was, jetzt ist er mir ausgebüxt. Reißt mir einfach die Leine aus der Hand!

»Kommst du wohl sofort her!«

Nein! Jetzt rennt er auch noch auf die Baustelle! Wie ist er denn nur da reingekommen, dick, wie er ist? Sind doch überall Zäune drum herum, jetzt nach Feierabend. Hoffentlich bleibt er nicht mit der Leine hängen. Nee, nee aber auch, dieser Hund!

»Gottfried!«

Ach, nützt alles Rufen nichts, der hört heute einfach nicht. Was hat der nur, ist doch sonst so gut erzogen.

Ich gucke durch die Lücke im Bauzaun. Da scharrt er wie verrückt in einem Erdhaufen rum. Lass das doch, Hund, nachher fällt dir ein Stein auf den Kopf, und was sage ich dann Frau Tietjen? Wenn dem was passiert! Da ist doch diese tiefe Grube, wenn er da reinfällt, kommt er ja alleine nicht wieder raus.

»Gottfried, komm schon, eine Baustelle ist doch nichts für dich. Mit dem Zeug überall. Nun komm endlich. Muss ich erst böse werden?«

Spar dir den Atem, Waltraud, der will nicht, den musst du schon holen. Nur wie? Ich ruckele an dem Bauzaun. Muss ja irgendwie aufgehen, die Bauarbeiter klettern schließlich auch nicht drüber weg. Ist sicherlich verboten, aber wenn ich aufpasse, wo ich hintrete, passiert schon nichts. Ich muss doch den Hund holen. Mit Mühe hebe ich den Zaun ein Stück an, jetzt kann ich ihn aufschieben. Reicht ein Spalt, ich bin ja dünn. Mager nennt Frau Groote das, ich soll mehr essen, aber … Waltraud, der Hund.

Vorsichtig zwänge ich mich durch die Lücke, nur nicht hängen bleiben, sonst zerreiße ich mir den schönen Rock. Dazu kommt es noch, wegen dem ungehorsamen Köter.

»Gottfried!«, schimpfe ich. Er hebt die erdverschmierte Schnauze und lächelt, ich wette es, er lacht mich aus.

»Unverschämter Hund, willst du …!«

Was hat der denn da? Was hat der denn da ausgebuddelt, was Weißes, Langes! Das sieht aus wie, nein, das glaube ich nicht, das sieht ja aus wie ein Knochen! Ein großer Knochen!

Entsetzt greife ich mir an den Hals, damit ich nicht schreie. Jetzt schnappt er mit seinen scharfen Zähnen nach dem Ding und schleift es zu mir her.

»Gottfried!«, wimmere ich. »Mein Gott! Was hast du denn da?«

Ich wage es kaum, hinzusehen, aber Gottfried wirft mir dieses Etwas vor die Füße und wedelt heftig mit dem Schwanz. Er bellt vor Begeisterung, springt hin und her, will eine Belohnung. Aber das geht doch nicht, Gottfried, eine Belohnung für dieses …

»Gottfried«, flüstere ich, »ist der von einem Menschen?«

Mir zittern die Knie, fall bloß nicht um, Waltraud.

Ich presse die Hände vor den Mund. Da liegt er vor mir, weiß und fast blank, nur ein paar Erdkrumen hier und da.

Ist nicht wirklich eklig, so für sich genommen. Der muss zu jemandem gehören, der da in dieser Grube liegt.

Furchtbar! Da ist einer verscharrt! Der kann doch da nicht bleiben.

Hilflos schaue ich mich um.

So kommt doch her! Wo seid ihr denn alle?

Ist denn hier niemand? Sonst stehen hier dauernd Leute rum, um zuzugucken.

Aber da, das ist Frau Petersen am offenen Fenster. Heftig winke ich, nun kann ich mich nicht mehr beherrschen:

»Kommen Sie!«, schreie ich und wedele wild mit den Armen. »Hier liegt einer unter dem Sand!«

Ein Toter! Ich flüstere es nur, das kann ich nicht laut aussprechen, das ist zu entsetzlich. Sicher ist der schon lange tot, aber trotzdem, geht doch nicht. In einer Baugrube! Wieso hat man den nicht begraben? Unwillkürlich tut er mir leid. Wie schrecklich, so verscharrt zu werden. Möchte ich ja nicht, dass mir das passiert.

Wenn er tot war, hat er es nicht mehr gemerkt, Waltraud, nun werde mal nicht weinerlich. Ich muss mich zusammenreißen, die Nerven, die Nerven.

Endlich werden die Nachbarn aufmerksam, wie wir da auf der verbotenen Seite vom Zaun stehen, Gottfried bellt wie verrückt, und ich winke immer noch mit beiden Händen, als wollte ich ein Flugzeug dirigieren.

Als ob das jetzt noch eilig wäre, Waltraud. Irritiert lasse ich die Arme sinken.

Plötzlich wimmelt es von Leuten, sie haben den Bauzaun weit aufgeschoben, ein paar Bauarbeiter sind nun da und bemühen sich, uns auf die Straße zurückzudrängen. Frau Groote greift nach Gottfrieds Leine und versucht, ihn mitzuzerren. Der will den Knochen mitnehmen. Oh, wie böse knurrt er, als ihm das nicht gelingt. Aber geht doch nicht, Hund. Erklär ihm das mal einer.

Ich sehe das alles wie in einem Film, als ob mich das Ganze nichts anginge. Nur meine Zähne klappern aufeinander, ich kann es nicht lassen. Erst als Frau Petersen mich leicht bei den Schultern fasst und zum Haus schiebt, komme ich zurück in die Wirklichkeit. Frau Petersen, ich kenne sie kaum, nur von gegenüber, aber jetzt bin ich froh, dass sie da ist. Sie murmelt irgendwas, ich verstehe es nicht, aber macht nichts, es beruhigt mich.

Ich sitze müde in meinem Sessel am Fenster und wickele mich in eine warme Decke. Dabei ist es nicht kalt, aber mich fröstelt. Immer muss ich an den armen Toten denken, der da über so viele Jahre unbestattet gelegen hat.

Die Polizei kommt sogar. Aber was kann ich denen schon sagen?

»Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Friese«, sagt dieser kleine Dicke. »Dieser Mensch ist seit mindestens siebzig Jahren tot, vielleicht länger. Genau wissen wir das noch nicht. Er muss schon vor dem Bau des Bunkers da gelegen haben. Wann der errichtet wurde, müssen wir erst prüfen.« Er lächelt entschuldigend. »Niemand weiß zurzeit, ob er nicht eines natürlichen Todes gestorben ist. Er oder sie, wir wissen nicht einmal, welchen Geschlechts die Leiche ist.«

»Aber warum hat man ihn dann nicht beerdigt?«

Der Polizist zuckt die Achseln. »Es war Krieg«, versucht er eine Erklärung. Dann lächelt er mich an.

»Es ist schon verständlich, Frau Friese, dass Sie sich erschreckt haben. Aber niemand wird Sie behelligen. Selbst wenn es eine Straftat gewesen sein sollte, der oder die Täter sind garantiert schon lange gestorben.«

»Haben Sie denn mehr gefunden als nur diesen einen Oberschenkelknochen?«, fragt Frau Groote neugierig. Die geht da ungerührt mit um, ist sie ja gewohnt als Ärztin. Auch Frau Petersen tut nur besorgt, merke ich, die findet das richtig spannend.

Was beunruhigt mich denn eigentlich, frage ich mich, die haben doch recht. Was geht mich eine Leiche aus den Dreißigerjahren an, da war ich nicht einmal geboren. Trotzdem fürchte ich mich. Da kommt noch was nach, denke ich dauernd. Das ist noch nicht zu Ende. Der will was von uns.

Waltraud, Waltraud, wo ist dein Verstand geblieben? Glaubst du seit Neuestem an Gespenster?

Ich zwinge die gruseligen Gedanken zurück und höre wieder zu.

»Wir sind erst am Anfang mit unseren Untersuchungen, aber wir haben in der Grube Teile des Skeletts gefunden, unsere Leute graben noch weiter. Ob die Zerstörung der Leiche durch den Bagger verursacht wurde, prüfen wir noch. Die Arbeiter haben nichts gesehen, aber sie haben diesen Erdhaufen mit dem einzelnen Knochen erst kurz vor Feierabend aufgehäuft, vermutlich wären sie morgen früh auf das Skelett gestoßen. Wir untersuchen die Grube sehr genau nach weiteren Überresten. Es scheint aber, dass die Leiche eher neben dem Bunker gelegen hat. Schließlich ist die Bodenplatte noch weitestgehend intakt.«

Dass der so viel erzählt, ich dachte immer, Polizisten dürfen über solche Sachen gar nicht reden. Aber vielleicht, wenn es eine alte Leiche ist …

»Müssen Sie da denn auch ermitteln?« Frau Petersen hechelt etwas atemlos. Sie glüht geradezu. Und das in meiner Wohnung, ist mir richtig peinlich.

»Zu ermitteln wird es nicht viel geben. Wir versuchen selbstverständlich zu klären, woran dieser Mensch gestorben ist, aber viel können wir wahrscheinlich nicht finden. Wie gesagt, es wird wohl keine Strafverfolgung mehr geben können, selbst wenn eine Straftat vorgelegen haben sollte.«

Freundlich tätschelt er Gottfrieds breiten gelben Kopf. »Da hast du was angerichtet, mein Lieber.«

Gottfried schnauft nur und sieht mich unverwandt an. »Gebt ihr mir nun meinen Knochen wieder?«, fragt sein Blick.

»Der Hund muss zurück zu Frau Tietjen«, beschließe ich, wieder etwas resoluter geworden. Das ist etwas Reelles, das lenkt mich ab von alten Toten. Gottfried springt sofort auf und schlägt mit dem Schwanz. Frau Groote lächelt mich an.

»Ich sehe, Sie haben sich gefasst. Schließlich haben Sie schon ganz andere Sachen überstanden als eine alte Leiche, Frau Friese. Aber halten Sie Gottfried schön fest, wer weiß, was er uns noch alles aus dem Baggerloch holt.«

Da lachen alle herzlich, aber mir will es nicht gelingen, mitzulachen. Ich nicke nur, damit sie mich nicht für einen Pflegefall halten und gehen. Ich will meine Ruhe haben.

Da fällt mir plötzlich etwas ein.

»Suchen Sie da morgen auch noch?«

»Bestimmt, es ist ja bald dunkel, da werden wir morgen zumindest vormittags noch tätig sein. Wieso?«

»Weil das heißt, dass wir morgen einmal ausschlafen können. Da rumpelt der Bagger nicht wieder in aller Herrgottsfrühe los.«

3

An der Baustelle ist nun viel los, ein Pulk Neugieriger hat sich gesammelt, beobachtet aufgeregt die Arbeit der Polizisten, die immer noch im Schutt graben. Automatisch blicke auch ich zu ihnen hinüber. Pfui Teufel, sind das die Knochen, die da auf einer Plane liegen? Schnell schaue ich weg, das will ich lieber nicht sehen. Gottfried zieht an der Leine, will da wieder hin. Aber ich zerre ihn kräftig zurück.

»Lass das, Gottfried, du machst mir nur Scherereien heute«, schimpfe ich. »Grete wartet, die macht sich bestimmt schon Sorgen, komm jetzt endlich.«

Ein dicker Mann blockiert den schmalen Fußweg. Der sieht mich nicht, hat nur Augen für die Polizei.

»Kann ich mal bitte durch?«, frage ich den Mann bemüht höflich, dabei würde ich lieber brüllen. Die Nerven, die Nerven.

Keine Reaktion.

Wie der gafft! Dem steht ja der Schweiß auf der Stirn. Sieht aus, als wäre er gerade aus dem Bett gefallen, und das am frühen Abend. Sein Gesicht ist irgendwie verknautscht, alles an ihm wirkt ein bisschen ungepflegt, gammeliges T-Shirt und schmuddelige Jeans. Ist doch schon ein älterer Mann, bestimmt schon jenseits der vierzig, schätze ich. Ein unangenehmer Mensch. Wohnt der hier irgendwo?

Waltraud, du sollst den nicht heiraten, du willst nur vorbei.

»Kann ich mal durch?« Ich schreie fast, das muss er doch hören.

Er reagiert immer noch nicht.

Da tippe ich ihn auf den Arm.

Erschrocken fährt er zusammen, reißt eine geballte Faust hoch. Glotzt mich an, als wäre ich ein Gespenst. He, will der mich schlagen? Gottfried knurrt.

Da kommt er wieder zu sich, senkt die Hand, schaut unsicher auf den Hund.

»Kann ich mal bitte durch?« Ich zwinge mich, genauso freundlich zu fragen wie eben.

»Ja, ja«, brummt er, will sich schon zur Seite drehen, da hält er mich plötzlich am Arm fest.

»Aua, Sie tun mir weh«, beschwere ich mich. »Lassen Sie mich los!«

Aber er lockert den Griff nicht. Was will der von mir?

»Was ist das für’n Toter da drüben? Haben Sie den nicht gefunden?«

Sein Atem geht schnell, puh, Mundwasser benutzt der nicht, seine Augen flackern unsicher, aber wie betrunken wirkt er nicht. Was ist los mit dem Kerl? Hat der etwa Angst?

»Ich weiß nichts«, antworte ich knapp, will nur weg von dem.

»He, Lady, stellen Sie sich nicht so an«, schnauzt er. Unsicher sieht er sich um, als ob niemand ihn hören soll, denn nun flüstert er: »Ist das denn, also, äh … ist das ne frische Leiche oder ne alte von früher, also, äh, aus dem Krieg?«

»Die Polizei sagt, die ist alt«, erkläre ich nun doch.

»Puh«, schnauft er, wirkt erleichtert. Er lässt meinen Arm endlich los. Stiert wieder rüber zu den Arbeitern.

Ich dränge mich an ihm vorbei, so schnell ich kann, sehe mich dann noch mal nach ihm um. Merkwürdig, dieser Kerl. Als ob er mit einem frischen Toten gerechnet hätte.

»Frisch«, igitt, wie redet der denn! Wir sind doch nicht beim Schlachter!

Aber eindeutig hat er erwartet, dass da einer liegt, der kürzlich erst gestorben ist. Ist er deswegen so angespannt?

Das wäre dann kriminell, Waltraud.

Kriminell? Nenn es beim Namen, das wäre Mord. Der Mensch hat mit einem Ermordeten gerechnet!

Mir stockt der Atem. Wieder drehe ich mich um, aber ich sehe ihn nicht mehr. Dem möchte ich nicht gerne wiederbegegnen.

Ob er etwa …

Nein, Waltraud, denk nach. Der vermisst wahrscheinlich jemanden.

Abrupt bleibe ich wieder stehen.

Das ist ja schrecklich!

Jetzt tut er mir geradezu leid. Muss doch furchtbar sein, wenn wer verschwunden ist und man rechnet damit, den nur noch als Leiche wiederzutreffen. Gruselig ist das.

Trotzdem komisch, warum geht er denn nicht zur Polizei? Laufen genug Polizisten rum, die er fragen könnte.

Gottfried zerrt an der Leine, der will nach Hause. Oh ja, wir sind wirklich spät. Ich schüttele alle bösen Gedanken ab, geht mich ja auch nichts an, und eile im Schnellschritt zu Frau Tietjen.

4

Heute habe ich mir Brötchen zum Frühstück geholt, manchmal muss ich mich verwöhnen. Mmh, lecker! So, was sagt derKurier? Wahlkampf, ach ja, ist bald Wahl. Da blättere ich drüber weg, die lügen sich doch alle einen in die Tasche.

He, das ist die Braunschweiger Straße da auf dem Foto und unsere Baustelle!

»Rätselhaftes Schicksal nach 72 Jahren aufgeklärt«,steht da.

Ah, endlich etwas zu dem Toten. Ich dachte schon, die wollten das nicht berichten, weil es zu gruselig ist. Ist ja alles wieder ein paar Tage her. Nein, wie die Zeit rast, man glaubt es nicht. Eben war noch Frühling, und jetzt…

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