Freie Fahrt für die Ingrine - Michael Reymann - E-Book

Freie Fahrt für die Ingrine E-Book

Michael Reymann

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Beschreibung

Ein Boot wird für eine geplante Reise gebucht und kurz darauf nennt man auf wundersame Weise ein anderes Boot sein Eigen. Lag es am Kleingedruckten, das nicht ausreichend studiert wurde oder wie kam das nun zustande? Kommen Sie an Bord und erfahren Sie diese aufregende Geschichte aus erster Hand. Erleben Sie die ersten Tage an Bord und kommen Sie mit auf eine abenteuerliche Reise, die Sie entlang des Canal de Bourgogne im Herzen Frankreichs führt und lernen Sie dabei ein wenig Land und Leute kennen. Die Fahrt führt Sie durch die malerischen Landschaften im Burgund hinüber an die Saône und hoch in die Franche-Comté. Dort findet die INGRINE eine neue Heimat und erlebt ihren ersten Winter in neuer Umgebung. Erfahren Sie von den umfangreichen technischen Änderungen, die im Winterhalbjahr vorgenommen wurden und erleben Sie die erste kleine Urlaubsreise zu Ostern im nächsten Jahr. Aber Vorsicht: der Bootsbazillus ist hochansteckend und schnell hat es Sie erwischt!

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Für Doris

die mir den Antrieb gab….

Coverbild: Die INGRINE im Kanalhafen von Tonnerre am Canal de Bourgogne

Inhaltsverzeichnis

Es kommt im Leben immer anders als man denkt

Aus C180 wird die Ingrine

Der Canal de Bourgogne

Das erste Mal Gäste an Bord

Lebensretter im Einsatz

Olympische Schleusenmanöver

Dijon, Cote d´Or

Wochenend und Sonnenschein

Abschleppservice

Vom Gare d´ Eau zum Waldkonzert

Gray, der Kreis schließt sich

Winter in der Franche-Comté

Frühlingserwachen

Ostergrillen im Burgund

Es kommt im Leben immer anders als man denkt

Da plant man nichts ahnend eine Urlaubstour mit einem Mietboot in die Camargue in Südfrankreich und findet sich als Besitzer eines ehemaligen Charterbootes in der Franche-Comté wieder.

Auf was habe ich mich da nur eingelassen?

Aber langsam und alles der Reihe nach..

Es fing alles so harmlos an.

Den Winter über hatte ich mich damit beschäftigt, alte Fotos und Videoaufnahmen zu digitalisieren, um der Familie diese Erinnerungen für spätere Zeiten zu archivieren und zu erhalten. Dabei fielen einem auch viele längst vergessene Motive in die Hände und es wurden unzählige alte Erinnerungen geweckt.

Wie war das damals noch gleich gewesen? Wer war das noch einmal? Wann und wo war dieses Bild denn aufgenommen worden?

Viele Fragen traten dabei auf und oftmals konnte man aus der Erinnerung einige Dinge und Zusammenhänge zeitlich nicht mehr korrekt in die richtige Reihenfolge einordnen, dann wurde weiter in Fotoalben geblättert, gesucht, um die Erinnerungslücken zu füllen, und vielfach hatte man die fehlenden Lücken auch gefunden.

Meine Frau war vor einigen Jahren verstorben und so hatte ich keine zusätzliche Quelle der Erinnerungen, die ich mal eben kurzfristig befragen konnte.

Mit meiner neuen Lebensgefährtin zusammen hatten wir bei entsprechender Gelegenheit in alten Bildern und Videos aus meiner langen Zeit der Verbundenheit nach Frankreich gestöbert und je mehr man sich mit den alten Sachen beschäftigte, umso mehr baute sich bei mir auch so etwas wie ein wenig Wehmut und Heimweh auf. Ich vermisste die alten Zeiten, ich vermisste die Fahrten nach Frankreich, ich vermisste das Leben dort.

Mit meiner Frau und unseren beiden Söhnen hatten wir viele Jahre unsere Urlaube in Frankreichs Süden an der Cote de Provence verbracht, zwischen Marseille und Toulon, unweit vom Badeort Saint Cry sur Mer.

Meine neue Lebensgefährtin kannte weder diesen Bereich von Südfrankreich und der Provence noch hatte ihr Frankreich bisher überhaupt gefallen oder gereizt.

Eine einmalige Frankreichreise nach Paris einige Jahre zuvor hatte sie in keiner sehr guten Erinnerung gehalten, es hatte ihr dort überhaupt nicht gefallen. Die Leute in den Hotels und Restaurants seien ihrem Empfinden nach unhöflich und gar nicht freundlich gewesen, alles erschien ihr so teuer und viele Dinge mehr gaben den Ausschlag für ihr abneigendes Interesse, das Land erneut zu besuchen.

„Ja, Du warst ja auch in Paris, aber das ist doch nicht Frankreich!“

lautet meine Antwort an sie.

Und dann fing ich an zu erzählen und schwärmen und vertiefte mich in Geschichten über Land und Leute und wie das eigentliche Leben jenseits der großen Hauptstadt tatsächlich war. Wie man über die Dorfmärkte schlendert oder in einem Cafe sitzt und den Leuten auf der Strasse zusieht und auch zuhört, und wie der Franzose so viele Dinge im Leben einfach etwas lockerer sieht.

Und nicht nur Zeitabsprachen und Termine gehören dazu…

Ich hatte damit scheinbar ihr Interesse geweckt und unterstützt durch das Betrachten der Urlaubsbilder und Videos wurde der Entschluss gefasst, den gemeinsamen kommenden Sommerurlaub in Frankreichs Süden zu verbringen, um ihr etwas von Land und Leuten zu zeigen.

Nun galt es nur noch, die Region zu wählen und uns eine geeignete Unterkunftsart für unseren Aufenthalt auszuwählen.

Die Camargue wollte sie unbedingt besuchen und kennen lernen, die Aussicht auf die vielen dort zum Teil noch frei und fast wildlebenden Tiere in der Natur des Rhônedeltas, die wir auch auf Fotos betrachten konnten, hatten es ihr angetan.

Über die Anmietung eines Wohnmobils als geeignetes Gefährt wurde kurz beraten, aber auf Grund der horrorhaften Mietpreise in der Sommerzeit und der ähnlich hoch zu erwarteten Nebenkosten, mit denen wir alleine für das Gefährt zu rechnen hätten, wurde diese Idee als unakzeptabel abgelehnt und verschwand von unserem Plan.

Für unser Geld müssen wir immer noch hart arbeiten gehen.

Mit Ferienanlagen, wie man sie aus anderen Urlaubsländern her kannte, sah es in dieser Region auch deutlich schlechter aus.

Zum Glück. Denn aus Naturschutzgründen war das Bauen solcher Touristenanlagen hier weitestgehend tabu. Als Alternative gab es einzig ein paar Campingplätze abseits der Camargue entlang der Mittelmeerküste, die man als Quartier wählen konnte. Sich dort aber ein Bungalow oder einen Wohnwagen für den Aufenthalt anzumieten konnte mich aber auch nicht so richtig reizen und überzeugen.

Durch das ansehen der vielen alten Videofilme und Fotos kam dann auch irgendwann leise das Thema Mietboot zum Gespräch, da ich so eine Mietbootanmietung in Südfrankreich in der Vergangenheit bereits zweimal mit der Familie gemacht hatte.

Das Thema war total neu für sie und hatte ihr Interesse geweckt, obwohl sie unsicher war, ob sie das Geschaukel in einem Boot aushalten würde. Die Preise wurden im Internet nachgesehen und waren kaum höher als für die Wohnwagenmiete auf einem Campingplatz in der Saison.

So wurde dann im Frühjahr 2010 der Entschluss gefasst, im Spätsommer eine Woche auf einem Mietboot den Urlaub zu verbringen.

Von St.Gilles aus, südlich von Arles und Avignon gelegen, sollte es über den Canal de Rhône a Sète und entlang der Camargue hinüber bis zum Canal du Midi gehen, je nachdem wie weit wir in dieser Woche kommen würden und wie es uns dort gefallen sollte.

Erneut gab es für uns Arbeit und es wurden dann im Internet zahlreiche Angebote studiert, online recherchiert und alles genauestens geplant, damit auch nichts schiefgehen würde.

Wir wollten nur mit zwei Personen auf die Bootstour gehen, dadurch war uns die Auswahl des geeigneten Bootes nicht so schwergefallen, da nur ein kleineres Boot von Größe und Preis für uns in Frage kam. Ruckzug war das passende Boot ausgewählt worden und für den Zeitpunkt unseres geplanten Urlaubes gebucht, ebenfalls Online, versteht sich.

Alles problemlos und kinderleicht.

Ich war doch schon ordentlich gespannt, wie ihr es gefallen würde, da Sie mit einem Urlaub auf einem Boot keinerlei Erfahrung hatte, für mich war es das berühmte gute dritte Mal.

Hatte das etwas zu bedeuten?

Die Reise wurde wie in der Buchung erwünscht pünktlich angezahlt und es ging als nächstes daran, aktuelle Reiseführer der Region für unsere Fahrt dorthin zu besorgen. Wir warteten in den folgenden Tagen auf die Buchungsbestätigung und derweil wurden bereits Alternativen besprochen, wie und wo wir auf Hin- und Rückreise noch zusätzliche Urlaubstage verbringen könnten, Frankreich ist groß und es gibt soviel zu sehen und zu besichtigen, es gab genug Orte auf der Anreisestrecke, die uns etwas zu erzählen hatten und bei denen sich ein Halt sicher lohnen würde. Von Düsseldorf aus in den Süden war es eine lange Strecke und wenn wir schon auf Hin- und Rückfahrt Übernachtungen einlegen mussten, dann konnte man das sicher mit einer Stadtbesichtigung oder etwas anderem interessanten Verbinden.

Aus irgendeinem Grunde hatte ich mich zu dieser Zeit aber nicht weiter damit beschäftigt, dies zu planen und zu organisieren, obwohl das eigentlich nicht so meine Art war, aber wir hatten ja noch reichlich Zeit vor uns.

Die nächsten Tage und Wochen vergingen und endlich lag auch nach geraumer Zeit unsere Buchungsbestätigung im Briefkasten, so wie erwartet und gebucht und so wie es sich auch gehört. Alle Daten wurden mit der Bestellung verglichen, alles war korrekt.

Der Brief enthielt neben den erwarteten Unterlagen zu unserer Reisebuchung weiteres Informationsmaterial für Anreise und Aufenthalt vor Ort, die Lage der Basis und deren Öffnungszeiten und eine Liste mit Dingen, die man mitbringen sollte, aber auch einen Prospekt, der dann später unser Leben verändern sollte.

Haben Sie schon einmal daran gedacht, ihr eigenes Boot zu besitzen?

So harmlos stand es dort auf dem Flyer gedruckt, der unserer Buchungsbestätigung beilag und auch noch Beschreibungen und Preise einer kleinen Auswahl an möglichen Booten an verschiedenen Standorten in Frankreich enthielt.

Aber anstatt den Flyer ins Altpapier zu geben, lag er dann einige Tage auf meinem Schreibtisch und lächelte mich an.

Und ich lächelte zurück.

Frankreich.

Wenn ich früher mit meiner Familie nach Frankreich in Urlaub fuhr war das in all den Jahren immer so etwas wie nach Hause kommen für mich.

Seit meiner Jugend hatte ich im Süden an der Cote de Provence meine Ferien verbracht. Zuerst in den Schulferien mit den Eltern in einem Wohnwagen, den wir bei einem befreundeten Weinbauer am Rande eines Weinberges stehen hatten, später dann zogen wir damit auf einen Campingplatz ins Hinterland, als das Weinfeld aus Altersgründen des Weinbauers verkauft wurde. Darauf folgten Jahre in einem eigenen Wohnwagen als Dauercamper auf einem Campingplatz nahe bei den Freunden, die wir im Laufe der langen Zeit dort kennen lernen konnten.

Im Umfeld der vielen Freunde und Bekannten wuchsen dort auch meine beiden Söhne in den Ferien auf, bis wir nach unzähligen Jahren, als die Söhne größer wurden und sich abnabelten, den Wohnwagen aufgaben und verkauften und unsere Ferien an anderen und neuen Orten verbrachten.

Es nagte in mir.

Die Gedanken ließen mich nicht mehr los. Erneut wurden die Videos von den damaligen Bootsfahrten angesehen und auch im Internet nach Filmen gesucht.

Immer und immer wieder wurde das Prospektschreiben herausgekramt und studiert. Es ging am Anfang weniger um den Besitz eines Bootes als vielmehr um den Gedanken, wieder dort etwas Dauerhaftes zu haben und wieder nach Frankreich zu kommen.

Nach dem damaligen Verkauf unseres Wohnwagens hatten wir noch zwei oder drei Mal eine Ferienwoche dort im Süden verbracht, die Freunde besucht, aber wie es immer so ist im Alltag, die Kontakte wurden weniger und weniger, schliefen ein und brachen dann irgendwann ganz ab.

Gut, wir würden die alten Bekanntschaften nicht wiederaufleben lassen können, zumal uns ein Boot in eine andere Region führen würde, aber man könnte neue Leute kennen lernen und wer weis, wen man einmal treffen würde.

Bei einem Treffen mit meinen beiden Söhnen kam schließlich das Thema auch bei einem belanglosen Gespräch über den nächsten Urlaub auf. Ich berichtete von der gebuchten Urlaubswoche und der geplanten Tour mit dem Mietboot und unserer voraussichtlichen Reisestrecke und erwähnte auch beiläufig das erhaltene Kaufangebot für ein gebrauchtes Mietboot.

Das Interesse war groß und ich musste das nun ausführlicher berichten. Sofort wurde in Erinnerungen über unsere Bootsfahrten geschwelgt und über die schönen Zeiten in Frankreich geschwärmt. Wir hatten in den vielen Jahren einiges erleben können, wobei meine beiden Jungs oft genug auch der Grund für die eine oder andere Anekdote waren. „Lass uns doch einfach mal so ein Boot ansehen fahren“, war das Fazit unseres Treffens. Also kramte ich in der folgenden Woche den Flyer aus der Schublade und suchte mir die Kontaktadresse heraus. Aus der Liste der angebotenen Boote im Internet wählte ich mir das für meine Zwecke am besten geeignete Angebot aus und stellte eine Anfrage für eine Besichtigung an den Bootsmakler von LeBoat.

Der Vertrieb meldete sich bereits einen Tag darauf bei mir zurück und gab mir einen Terminvorschlag für das ausgewählte Boot, den ich bestätigen konnte.

Keine zwei Wochen später befand ich mich bereits mit meinen beiden Söhnen an einem Samstag im Auto und war auf dem Weg nach Gray ins Burgund, um ein erstes Mal ein ausgewähltes Boot zu besichtigen.

Die Anreise führte uns durch die Eifel nach Trier und über Luxemburg und Nancy ging unsere Tour weiter in Richtung Dijon. Auf unserer Strecke in Richtung Süden passierten wir Orte mit uns vertrauten Namen, an denen wir früher auf den Fahrten nach Südfrankreich oft vorbeigekommen waren. Das Wetter spielte mit, es war sonnig und warm und nur wenige Wolken waren am Himmel zu sehen.

Unsere Fahrt war geprägt von der Euphorie, dieses Abenteuer zu starten und wir waren gespannt, was uns dort und in Zukunft erwarten würde.

Ein Boot wird gekauft, das stand da aber bereits schon fest.

In Gray führte uns die Hauptstraße herunter an eine Brücke über die Saône und vom Auto aus konnten wir die Hafenanlage von LeBoat auf unserer linken Seite ausmachen. Auf Grund der guten Beschilderung fanden wir sehr schnell die Basis der Mietstation von LeBoat und fragten dort nach dem Basisleiter Mr. Turpin. Wir waren dort angekündigt und wurden bereits von ihm erwartet und freundlich begrüßt. Dann ging es mit ihm hinaus in Richtung der Boote, die unterhalb der Basis am Schwimmponton im Wasser lagen und strahlend weiß im Sonnenlicht leuchteten. Der Basisleiter nahm sich sehr viel Zeit für uns und zeigte uns das von mir ausgewählte Boot in aller Gründlichkeit und mit allen Details.

Sicher, das Boot war nicht neu und man sah ihm seine Vergangenheit als Mietboot auch an, aber im Innenraum war alles sehr sauber und gepflegt und recht gut erhalten.

Der Bootstyp beziehungsweise die Bauform gefiel mir ganz gut. Das Boot war zu den Zeiten unserer ersten Bootsanmietung vor einigen Jahren eines der Topmodelle und vom Mietpreis damals kaum zu bezahlen. Es war in einem guten Zustand erhalten und im Vergleich zu anderen Booten, die wir von früheren Reisen her kannten, war es im Salon sehr geräumig.

Im Motorraum sah es nicht ganz so Klasse aus, hier sah man sehr deutlich den einen oder anderen Makel. Am Kühler waren leicht poröse, aber noch dichte Schläuche zu sehen. In der Motorbilge schwappte Wasser, das durch abgetropftes Altöl vom Motor schwarz und dunkel verfärbt war und in den Tiefen unter dem Motorraumdeckel dahintrieb.

Es fehlten nur noch die Ratten, die uns aus den Winkeln und Ecken der Bilge anschauten, bildlich gesprochen.

Hier schien man in der Zukunft mit dem einen oder anderen größeren oder kleineren Problem konfrontiert zu werden.

Das Boot verfügte über dem Salon über ein Schiebedach und uns wurde, da am heutigen Vormittag halbwegs Sonnenschein herrschte, dessen Funktion demonstriert. So saß man wie in einem Cabriolet im Boot und konnte beim Fahren die Umgebung aus dem Salon betrachten und genießen.

Anschließend wurde uns auch der Dieselmotor vorgeführt. Manuell wurde das Vorglühen eingeleitet, dann wurde der Anlasser betätigt. Das Aggregat sprang gutwillig an hörte sich einfach prima an, ein schönes tiefes Grummeln ertönte hinten aus dem Motorraum, ein traumhaftes Geräusch.

Der Basisleiter wurde ins Büro ans Telefon gerufen und so hatten wir Gelegenheit uns kurz zu beraten und waren uns schnell einig.

„Im Guten und Ganzen hätte es uns zugesagt“, sprach ich den Basisleiter an, “ ich könne mir vorstellen das Boot zu nehmen, ab wann es denn verfügbar sei?“

Der einzige Wehrmutstropfen für uns folgte dann auf dem Fuß: das ausgewählte Boot hatte bereits einen Interessenten mit Vorkaufsrecht und es sei in der Zwischenzeit vermutlich bereits verkauft worden, näheres könnte ich nur von dem Bootsmakler im Süden in Castelnaudary erfahren.

Lange Gesichter bei uns. Schade, doch kein Boot.

So war dann die heutige Besichtigung beendet und wir bummelten noch etwas in Gedanken versunken in der Stadt umher. In der Nähe der Schleuse von Gray war direkt oberhalb am Staudamm ein kleines Restaurant mit einer schönen Außenterrasse, die im Schatten von großen alten Bäumen einfach einladend aussah.

Es war Mittagszeit, man konnte etwas zu Essen vertragen und das angebotene Tagesgericht, viel Auswahl war nicht auf der Karte vorhanden, sprach uns auch an.

Es gab als Vorspeise eine bunte Salatplatte mit etwas geräuchertem Schinken, gefolgt von einer Scheibe Schweinebraten, als Beilage gab es Pommes sautet. Wir verbrachten hier eine geraume Zeit, bevor es dann schließlich auf den Rückweg zurück nach Düsseldorf ging.

Auf der Rückfahrt hatten wir natürlich viel Gesprächsstoff. Schade und bedauerlich, wenn ich das Boot doch nicht bekommen könnte, da uns im Wesentlichen alles gut gefallen hatte. Im Geiste wurden bereits diverse Möglichkeiten von Änderungen am Boot durchgespielt, viele dieser Vorhaben endeten aber im phantasievollem Desaster und es kam das Abschiedsspiel der Band vom Oberdeck der Titanic zum Einsatz,

Nearer My God to Thee

Gluck Gluck Gluck

Ein Weinkeller sollte besser nicht nachträglich im Boot eingebaut werden, so unser Résumé.

Zumindest hatten wir auf der Rückfahrt so unseren Spaß mit unseren Blödeleien.

In der folgenden Woche nach unserer Rückkehr nahm ich mit der Verkaufsabteilung von LeBoat in Castelnaudary Kontakt auf und hatte dort meine Eindrücke und Vorstellungen geschildert. Das besichtigte Boot war in der Tat so gut wie verkauft und stand mir somit nicht zur Disposition.

Mir wurde aber ein zweites Exemplar vom gleichen Bootstypen angeboten und vorzugsweise für mich reserviert, das ich dann in Migennes, am anderen Ende vom Canal de Bourgogne, in Augenschein nehmen konnte. Damit war ich einverstanden und bestätigte meine Besuchsabsicht. Von der dortigen Basis bekam ich später eine Information, wann das Boot dort im Hafen zur Besichtigung anzutreffen sei und es wurde mit der Basis ein Termin vereinbart.

Wir mussten auf diesen Termin nur etwas warten, da das Boot in diesem Frühjahr gut vermietet war.

Nun hatte ich also fest vor ein Boot zu kaufen und es kamen immer wieder so viele Fragen auf. Zuerst natürlich, wohin damit. Wo und wie komme ich an einen geeigneten Liegeplatz für mein Schiff? Was muss da zusätzlich beachtet werden?

In welcher Region wollen wir das Boot lassen? Nach Deutschland holen, das war uns klar, das war kein Thema, wir wollten mit dem Boot in Frankreich bleiben.

Zum Glück waren diese Fragen in Zeiten von Internet und Co. nicht mehr ein ganz so großes Problem.

Die Suchmaschine wurde geölt und gestartet und kurz darauf hielt ich eine zweiseitige Liste mit Haltepunkten und Häfen aus dem Burgund in der Hand.

Dann kam der dicke Rotstift auf der Liste zum Einsatz.

zu teuer,

zu teuer,

Nebenkosten, soviel, spinnen die denn?

zu weit weg

Die Liste schrumpfte zusammen wie Butter in der Sonne und der Weinpegel in meinem Glas. Wir hatten noch etwa fünfzehn Adressen auf der Liste, davon vielen wieder zwei weg, da dort keine Dauerplätze vorhanden oder buchbar waren.

Wie war das mit den zehn kleine Neg……… aus dem bekannten Kinderlied?

Es kristallisierte sich ein Kandidat heraus, der uns in einigen Punkten unserer Kriterien ansprach, der Port du Pharle bei Montereau-faut-Yonne, eine kleine Hafenanlage in einem alten Kiesbaggersee an der Yonne. Der Preis war ansprechend und von der Lage her nicht zu weit weg von Migennes und damit war für uns auch die Anreise aus Deutschland gerade noch vertretbar.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir aber in einigen Dingen noch etwas gutgläubig. Das wird schon alles klappen, sodass wir uns den Hafen nicht auch im Vorfeld ansehen wollten. Auf der Internetseite des Betreibers hatten wir uns umgesehen und waren der Meinung, dass wenn wir mit dem Boot dort ankommen würden hätte er etwas frei für uns. Das wäre ausreichend, da er auf der Internetseite noch freie Plätze anbot. Auf die Idee dort anzufragen oder gar mit dem Hafenbetreiber Kontakt aufzunehmen kamen wir vorerst nicht.

Umso überraschter und erschreckter war ich einige Tage später, als die Internetseite nicht mehr aufrufbar war, ein Systemfehler wurde mir angezeigt, die eingegebene Url sei falsch.

Das kann ja eigentlich nicht sein, der Link war ja abgespeichert worden und die Seite war von mir bereits mehrfach aufgerufen worden.

Kein Problem, ich hatte mir bei der Suche ja eine Liste als PDF ausgedruckt, die ich auf der Webseite von Bruno Chanal gefunden hatte, der auf seiner Seite umfangreiche Informationen für die Freizeitkapitäne bereitstellt.

L’YONNE: PORTS & ESCALES

Also rein ins Netz, bin drin, google, google, schwuppdiwupp, Seite von Bruno aufgerufen, Liste gesucht und geöffnet und da stand es schwarz auf weiß

Le port du Pharle n'existe plus - The port of Pharle does not exist anymore

Und nun????

Betretendes Schweigen erfüllte den Raum. Das stimmt nicht ganz, denn es war Sonntag und wir saßen zu diesem Zeitpunkt auf dem Balkon.

Also erfolgte eine erneute Auswahl. Die anderen Häfen auf unserer Liste waren uns zu dicht an Paris gelegen oder befanden sich unterhalb der Yonne an den Kanälen von Nivernais oder Briarre, zu weit weg von Deutschland für einen kurzen Wochenendbesuch, wie wir es für die Zukunft geplant hatten.

Jetzt war guter Rat teuer.

In Migennes oder in Saint Florentin an den Basen von Rive de France und von LeBoat gab es keine Liegeplätze für Dauerlieger und weiter hatten wir uns dort auch noch nicht umgesehen.

Bei weiteren Recherchen stieß ich im Internet auch auf Bilder der Region, die mich brutal mit einem weiteren Thema konfrontierten, mit dem ich mich bisher überhaupt nicht befasst hatte

Hochwasser

Klar, bei uns in Düsseldorf am Rhein kennt man das Thema Hochwasser nur allzu gut. Da ist entweder Dauerregen in Süddeutschland oder Schneeschmelze im Hunsrück und schon spülen uns Mosel, Main und die anderen Nebenflüsse das nasse Element vor die Haustüre. Besonders betroffen sind bei uns die vielen Altstädte entlang des Rheines wie zum Beispiel Köln und Düsseldorf aber auch die alten Anliegerortsteile direkt am Fluss, wo später oftmals die alten Flutwiesen und Auen zugebaut wurden. Landunter ist dann bei den Neureichen in ihren erstklassigen Wohnanlagen, wenn in den preisgekrönten Schickimickibuden Strom und Pumpen ausfallen.

In Köln gibt es zum Beispiel eine komplette Wohnanlage in Toplage, wie man heutzutage dazu sagt, eine ehemalige Hafenanlage. Ein unterirdisches Parkhaus über mehrere hundert Metern Länge ist dort unter die ganze Luxusanlage gebaut worden und bei Hochwasser wird das gesamte Parkhaus geflutet, damit es dem Wasserdruck standhält.

Ja, ein Boot kann man nicht so einfach am Ufer festmachen und es dann dort für ein paar Wochen zurücklassen. Das ist ein ernstzunehmendes Problem, das wir in allen unseren bisherigen Betrachtungen außer Acht gelassen hatten. Wir sind ja auch bisher im Sommer auf dem Wasser unterwegs gewesen, aber was ist zur berühmten grauen Jahreszeit dort los?

Dem Thema wurde absolute Priorität zugewiesen und ein sicherer Abstellort musste für unser Boot gefunden werden.

Ich hatte mir dann die Region um Gray an der Saône angesehen, LeBoat hat seine Boote schließlich auch dort das ganze Jahr über im Wasser liegen.

Das stimmt schon, aber die von LeBoat haben dort einen Schwimmsteg, der bei steigenden oder sinkenden Wasserstand mitgeht!

Es half also alles nichts, es kann nur einen richtigen Hafenplatz für unser Boot geben, der auch sicher genug bei Hochwasser ist, ein einfacher Halteplatz mit Anleger ist da total ungeeignet. Erneut ging es auf die Suche ins Internet. Aus irgendeinem Grund verlief diese Suche nun aber an der Saône entlang, wobei mein Augenmerk auf die Region oberhalb von Gray fiel.

Dort gab es einige Orte, die für uns in Frage kamen. Ganz oben in Corre war ein kleiner Hafen gerade ausgebaut worden, dort waren massenhaft Plätze frei und wurden auch im Internet angeboten, zum Kauf aber auch zur normalen Miete.

Weiter unterhalb folgten die Orte Port sur Saône und Scey sur Saône mit zwei Hafenanlagen, gefolgt von Savoyeux, nicht weit von Gray entfernt.

Unsere Wahl fiel zunächst auf den Liegeplatz am oberen Ende der Saône in Corre mit dem kleinen Hafen am Ende der schiffbaren Saône und dem Übergang zum Canal de Vosges, dem Vogesenkanal, wie er in Deutsch heißt.

Die nähere Entfernung nach Deutschland sollte es uns zudem leichter ermöglichen, später auch einen Besuch am Wochenende auf dem Boot zu verbringen, also erschien uns das eine ganz gute Wahl.

Nur lag zwischen der Saône und dem derzeitigen Liegeplatz in Migennes ein Stück Kanal, den es vorher zu durchfahren galt.

Aber jetzt wollten wir erst einmal das zweite uns angebotene Boot besichtigen und alles Weitere werden wir danach sehen und klären.

Fast einen Monat nach dem ersten Besuch in Gray war es dann endlich soweit, wir bekamen eine Mail mit einem Terminvorschlag für einen Samstag, was uns ganz gut entgegenkam.

Also wurde eine zweite Besichtigungstour nach Migennes organisiert, diesmal aus zeitlichen Gründen nicht mit den Söhnen, sondern mit meiner besseren Hälfte, die diesmal mit nach Frankreich kommen konnte, da sie an dem Tag frei hatte.

Für Helga war es generell das erste Mal, an dem Sie mit einem Mietboot Kontakt hatte, so ein Boot kannte Sie gar nicht und war mächtig gespannt darauf.

Die Anreise über Luxemburg und Nancy war dieselbe Strecke wie bei der ersten Besichtigungsfahrt mit meinen beiden Söhnen.

Auf Höhe von Langres bogen wir dann aber rechts ab Richtung Paris, während es beim letzten Mal geradeaus Richtung Dijon weitergegangen war. Die Autobahn führte uns vorbei am Ehrenmal von Charles de Gaulle, der in dieser Region beheimatet war, bis nach Troyes, dort verließen wir die Autobahn und fuhren über die RN 77 südwärts nach Saint Florentin und von dort weiter nach Migennes.

In Migennes war ich am Samstagvormittag an der Basis von LeBoat angemeldet und wir bekamen das Boot trotz des Wechseltages am Wochenende und den damit verbundenen zusätzlichen Arbeiten für die Basismitarbeiter ausführlich von Olivier, einem Mitarbeiter der auch etwas Deutsch sprach, gezeigt.

Wir gingen mit Olivier aus dem Büro hinüber zu den Liegeplätzen für die Boote, die dort wie auch vor ein paar Wochen in Gray strahlend weiß in der Sonne leuchtend am Ufer vertäut dalagen, aber ich konnte das ausgesuchte Boot dort nicht erkennen. Stattdessen hielten wir vor einem Etwas, das sich erst auf dem zweiten Blick als das Bootsmodell darstellte, das in unsere engere Auswahl gekommen war.

Der äußere Eindruck zog mich erst einmal etwas herunter, kein schönes glänzendes weißes Boot wie in Gray, sondern ein braunes Etwas lag da vor uns am Quai.

Ein braunes Dach!

Wer hatte sich denn so etwas ausgedacht?

Das braune Dach war durch das Alter und die Sonne stumpf und matt und das Boot sah damit so richtig schäbig aus. Die Lauffläche auf dem Deck war vor langer Zeit einmal mit grauer Farbe gepinselt worden, die aber an vielen Stellen abblätterte, der eigentliche Schiffsrumpf hingegen war weiß, so wie es sich gehört.

Fast wollte ich schon im Vorfeld auf den Rest der Besichtigung verzichten, so gefiel mir das Boot par tout nicht, aber das konnte ich Helga nicht antun, sie war ja immerhin extra die weite Fahrt mitgekommen und wollte das Boot auf jeden Fall von innen sehen.

Mit leichter Enttäuschung ging es in das Boot hinein und an die Besichtigung. Die Aufteilung in diesem Boot war ähnlich gestaltet wie bei dem Boot in Gray, allerdings war im Salon an der Abtrennung zum Küchenraum ein Schrank etwas anders platziert, dadurch hatte die Sitzgruppe einen Platz mehr und sah damit größer aus. Der Innenraum wirkte wesentlich geräumiger und durch die zwei Rundecken, über die die Sitzgruppe verfügte, war es so auch viel gemütlicher.

Die Spüle in der Pantry war um 90° gedreht und damit etwas anders angeordnet als bei dem Boot in Gray, ebenfalls zum Vorteil des Platzes, aber auch für die Optik, alles sah hier viel geräumiger aus.

Die vordere Kabine war identisch mit dem Boot in Gray, in dem Raum und in der danebenliegenden Dusche und Toilette war kein Unterschied festzustellen. Achtern war das Bett derzeit zum Doppelbett hergerichtet und eine Schiebetür als Kabinentür schloss den gesamten hinteren Bereich ab, der Zugang zum Waschraum und der Toilette war so nur von innerhalb der Kabine zugänglich, auch nicht schlechtgemacht.

In der Achterkabine war der Bodenbelag leicht beschädigt, man hatte aber bereits angefangen, einen Teil von dem Belag zu entfernen, um dort den Teppich zu erneuern. Zumindest machten die Kabinen und der Salon insgesamt einen besseren Eindruck als bei dem Vergleichsboot in Gray, wenn uns auch die äußere Erscheinung des Bootes zu allererst abgeschreckt hatte.

Also setzten wir die Besichtigung fort, die sich nun aber langsam in eine Inspektion wandelte.

Die Schränke und die Staufächer waren alle in Ordnung, der Kühlschrank war wiederum nicht berauschend. Unten waren Risse und Sprünge am Boden und an der Isolierung von dem Gerät und am Gefrierfachverdampfer zeigten tiefe Kerben und Kratzer die Spuren zahlreicher unfachlicher Abtauvorgänge. An einer Stelle war eine sehr tiefe Beschädigung an der Kälteleitung zu sehen, das sah nicht gut aus und aus Erfahrung, ich arbeite in der Hausgerätetechnik, konnte man hier mit einem bald auftretenden Defekt rechnen, dann wäre der Kühlschrank ein Fall für den Entsorger.

Nach dem Wohnbereich ging es nun an die Technik des Bootes. Olivier schob den Teppich im Salon zurück und legte mit ein zwei Handgriffen den Zugang zur Bilge, dem Kellerraum eines Bootes, frei. Dort unten waren die beiden Akkus für den Verbrauchsstrom in einem speziellen Gehäuse untergebracht, ebenso die Druckwasseranlage und der Warmwasserboiler. Zusätzlich gab es hier jede Menge Stauraum für alle möglichen Sachen, die man vielleicht nicht immer zur Hand haben muss. Der gesamte Salon war so unterkellert, die vordere Hälfte nahm der Wassertank ein. Diesen Stauraum bekamen wir bei der ersten Besichtigung in Gray nicht zu sehen, gab uns aber einen Einblick hinter die Kulissen des Bootes, den ich selber so auch nicht kannte. Er empfahl uns auch noch, den Warmwasserboiler, der derzeit nur vom Motor versorgt wird, später gegen einen neueren Typen auszuwechseln, der auch über eine Beheizung durch Strom verfügen würde, somit wäre man da viel flexibler bei der Warmwasserversorgung und brauche nicht immer den Motor zu starten, um warmes Wasser zu erhalten.

Den Vorschlag nahm ich gerne zur Kenntnis und Olivier deckte den Bilgenraum wieder mit der Luke ab und legte danach den aufgerollten Teppichboden wieder ordentlich darüber aus. Nun schlug er uns vor, den Motorraum zu inspizieren und wir machten uns, ihm folgend, auf dem Weg nach draußen und nach hinten zum Motorraum. Da wir gerade daran vorbeikamen zeigte er uns gleich noch eben schnell den Stauraum für die Gasflaschen, in der sich auch der Wasserschlauch und die Erdnägel zum Anlegen auf freier Strecke befanden. Der Gaskasten wurde wieder verschlossen und dann öffnete Olivier die beiden Deckel vom Motorraum.

Der Motorraum sah deutlich besser aus als bei dem anderen Boot in Gray, es waren keine verbrauchten Schläuche zu sehen, die Bilge unter dem Motorblock war hier fast trocken. Die Dieselheizung in der Ecke unten rechts war erst vor zwei Jahren erneuert worden, so die Aufschrift, und der Diesel- und der Hydraulikfilter war neueren Datums, der Optik nach wurden sie erst vor kurzem erneuert.

Die Technik in diesem Boot war definitiv in einem besseren Zustand und die gesamte Einrichtung und Aufteilung gefiel mir eigentlich besser als bei dem ersten Boot in Gray.

Übrigens, hatte ich schon erwähnt?

Das schäbige braune Dach sah bei Sonnenschein gar nicht mehr so schäbig aus. Und außerdem und wofür gibt es eigentlich weiße Farbe?

Hin und her gerissen kamen wir ins Grübeln.

Dann kam auch noch die Frage und das Angebot von Olivier, ob wir eine kleine Ausfahrt mit dem Boot im Hafenbecken machen wollten, um alles zu Testen.

Dieses Angebot ließen wir uns nicht ein zweites Mal machen und Helga war ganz angetan von der spontanen Bereitschaft, eine kleine Ausfahrt mit uns zu unternehmen.

Wir begaben uns wieder ins Boot zurück und Olivier schaltete mit dem Zündschlüssel die Elektrik frei. Der Vorglühknopf wurde betätigt und nach gut zwanzig Sekunden startete Olivier den Anlasser. Der Motor sprang sofort an und verbreitete das gleiche angenehm anzuhörende Dieselgrummeln wie bei dem anderen Motor, den wir in Gray hören konnten.

Ruckzuck hatte Oliver das Kabinendach zurück gekurbelt um uns auch diese Handgriffe zu zeigen und verabschiedete sich kurz, er holte sich wegen der stärker werdenden Sonne anschließend seinen Strohhut aus dem Büro. Dann wurden die Leinen gelöst und für eine kleine Tour abgelegt.

Und damit war es dann endgültig um uns geschehen.

Es war mit Sicherheit keine Liebe auf dem ersten Blick, aber die inneren Werte, in diesem Fall der technische Zustand als Kontrast zum ersten optischen Eindruck des Bootes bei unserer Ankunft hier in Migennes, hatten uns in ihren Bann gezogen.

Nach dem Ablegen folgte eine kleine Hafenrundfahrt im Becken von Migennes. Olivier steuerte das Boot mittig in das Fahrwasser und räumte dann den Platz am Steuerstand, damit ich selber das Steuer, nein ich meine natürlich das Ruder, übernehmen konnte. Das Boot fühlte sich gut an und gehorchte jeder Lenkbewegung sofort. Beim Lastwechsel zwischen Vorwärts- und Rückwärtsfahrt gab es auch keine schlagenden oder klopfenden Geräusche, auch hier erschien mir alles in Ordnung zu sein. Kurzum, ich konnte nicht viele Punkte finden, die gegen den Ankauf des Bootes sprachen.

Ich wendete das Boot und steuerte wieder zurück zum Anleger, übergab aber vor dem rückwärtigen Anlegen zwischen zwei anderen Booten das Ruder an Olivier zurück. Helga und ich übernahmen die Festmacher und belegten sie an den Stahlringen, die an der Ufermauer einbetoniert waren. Der Motor wurde abgestellt und dieser Moment war somit zu Ende.

Anschließend ließ uns Olivier eine ganze Weile Zeit zum Bedenken und alleine im Boot zurück, wir könnten uns alles noch einmal genau ansehen und falls Fragen auftraten, er sei vorne im Büro. Dieses Angebot nahmen wir ebenfalls gerne an und legten los.

Jede Ecke und jedes Fach wurden von uns noch einmal genauestens inspiziert und alle kleineren Mängel wurden notiert und mit der Digitalkamera festgehalten. Alle möglichen Ecken und Winkel wurden ausgemessen und aufgezeichnet.

Die eine oder andere Macke wurde beratschlagt, das kann man ändern, das machen wir neu, das kann so bleiben, wir hatten angebissen.

„Und alles andere wird sich finden und dass mit der Farbe bekommen wir auch hin“, war die Zusage von Helga.

Unser Entschluss stand fest: das wird unser Boot.

Gefühlte zwei Stunden später packten wir unsere Utensilien zusammen und brachten den Schlüssel vom Boot ins Büro zurück. Wir bedankten uns noch einmal beim Mitarbeiter der Basis und informierten ihn, dass wir uns wohl zum Kauf entschlossen hätten. Darüber war er sehr erfreut und bat mich, mit dem Makler von LeBoat in Südfrankreich die weiteren Details abzuklären, dort könnten wir dann auch die Details zu dem Verkaufstermin erfragen. Wir warfen noch einen letzten Blick zurück auf das Boot und dann ging es für uns auf die Rückfahrt zurück nach Düsseldorf.

Wir hatten noch ausreichend Zeit für einen Abstecher und so fuhren wir von Migennes aus am Canal de Bourgogne entlang über Brienon-sur-Armancon Richtung Saint Florentin. Dort wurde ein erster Halt eingelegt und wir bummelten zum Kanal runter, um dort noch ein paar Eindrücke zu sammeln. Am Ufer gegenüber saßen ein paar Angler und gingen ihrem Hobby nach, auf unserer Seite badete ein etwa zwölf Jahre alter Junge seinen Wurm im Nass des Kanals.