Freund oder Feind - Jennifer Weise - E-Book

Freund oder Feind E-Book

Jennifer Weise

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Beschreibung

Amandas ehrenamtliche Arbeit im Frauenhaus macht sie zur Zielscheibe eines eifersüchtigen Ex-Mannes. Ohne auch nur zu ahnen, was wirklich vor sich geht, lernt die junge Frau einen charmanten Mann kennen. Gleichzeitig gibt es in ihrem Alltag immer mehr Probleme - zu allem Überfluß wird sie von ihrem Chef auch noch sexuell belästigt. Doch ihr wird nicht geglaubt. Im Frauenhaus erzählt sie den Frauen, die dort unterkommen und Schutz erhalten, sie dürften nicht aufgeben, müßten um ihr Leben und ihr Recht kämpfen. Doch ist Amanda auch in der Lage das für sich selbst umzusetzen?

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Seitenzahl: 230

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Ein mürrischer Chef

„Miss Harms, das muss heute noch raus!“

Genervt sah die junge Frau auf die Unterlagen, die der Chef ihr gerade auf ihren Schreibtisch geworfen hatte. Genau genommen war er nicht einmal ihr Chef, sondern der ihrer Kollegin Nicole. Allerdings stand Nicki schon mit ihrem Mantel am Fahrstuhl. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, Überstunden zu machen. Ihr pünktlicher Feierabend war ihr wichtig. Nun blieb das also wieder an Miss Harms hängen. Sie sah auf die Uhr, es war viertel nach fünf.

Gegen halb acht war sie endlich fertig und klopfte an die Bürotür ihres Chefs, natürlich war der schon längst bei seiner Familie, also legte sie ihm die wichtigsten Unterlagen auf seinen Schreibtisch. Danach klopfte sie an die Bürotür von Nicoles Chef.

„Ja?“

Sie hätte nie vermutet, dass in einem einzigen Wort so viel Unfreundlichkeit liegen könnte.

Die Frau trat ins Büro und ging direkt auf den Schreibtisch zu.

„Mr. Dawson“, sagte sie nur und reichte ihm einige Schreiben entgegen.

„Was?“ fragte er unwirsch.

Meine Güte, was hatte dieser Mann bloß? Wenn sie schon wegen ihm auf einen pünktlichen Feierabend verzichtete, könnte er wenigstens ein bisschen freundlich sein.

„Sie sagten, diese Briefe müssten heute noch raus“, erklärte sie, auch wenn es ihr überflüssig vorkam.

„Dann schicken Sie sie gefälligst raus, dafür werden Sie schließlich bezahlt!“

Amanda Harms atmete tief durch, nur um ihre Ruhe zu bewahren, dann antwortete sie freundlich:

„Mr. Dawson, Sie müssen die Briefe erst genehmigen und unterschreiben.“

Er riss ihr die Unterlagen förmlich aus der Hand und unterschrieb dann jeden Einzelnen ohne sich anzusehen, was sie eigentlich getippt hatte. Dann reichte er ihr die Unterlagen.

Wortlos nahm sie sie an sich und verließ sein Büro.

Sie beeilte sich damit, die Schreiben in Umschläge zu stecken und lief dann schnell zur Post, die hatte donnerstags bis 20 Uhr geöffnet und mit etwas Glück würde sie es gerade noch schaffen.

„Hallo Mandy!“

Amanda Harms erkannte Doreen, als sie die Post betrat und stellte sich zu ihr in die Schlange.

„Doreen! Wie geht es dir?“

„Du siehst aber schick aus, Mandy!“

Miss Harms sah an sich herunter, natürlich, so hatte Doreen sie noch nie gesehen.

„Das muss ich auf der Arbeit tragen“, erklärte sie ihr schickes Kostüm.

„Steht dir aber wirklich gut! Arbeitest du in einem Büro?“

Als sie nicht antwortete, entschuldigte Doreen sich gleich:

„Tut mir leid, dass ist alles noch so neu für mich.“

Amanda Harms bemerkte ihre Unsicherheit:

„Das geht am Anfang jedem so. Mit der Zeit wirst du dich daran gewöhnen.“

„Ich weiß nicht, ob ich mich daran wirklich gewöhnen will.“

Doreen sah traurig und verloren aus. Genau in diesem Moment war sie an der Reihe und ließ Amanda Harms vor, also gab diese die Briefe auf und wartete dann am Eingang auf Doreen.

Als Doreen sie nicht gleich bemerkte, sprach sie sie an:

„Doreen!“

„Du bist noch hier, Mandy?“

„Hast du Lust mit mir ´ne Cola zu trinken?“

Amanda bemerkte Doreens erstaunten und unsicheren Blick.

„Wie wär’s, wenn wir uns in ein Bistro setzen? Ich lad’ dich auch ein!“

Absichtlich wählte sie einen öffentlichen Ort. Auch wenn sie nicht nachvollziehen konnte, wie Doreen sich fühlte, hatte sie doch viele Frauen vor ihr kennen gelernt, die diesen schweren Weg gingen. Wenn auch jedes Schicksal einzigartig war, so gab es doch Parallelen und eine davon war diese unbeschreibliche Angst.

„Hast du dich schon eingelebt?“ fragte sie Doreen, als sie gemeinsam an einem kleinen Tisch saßen.

„Ich bin hin und her gerissen. Das ist alles so schwierig! Ich bin ja dankbar, dass du mich aufgenommen hast, aber…“

Auch diese Erklärung hörte Amanda Harms immer und immer wieder. Sie beneidete jede einzelne Frau, die zu ihnen kam, für ihren Mut, aber sie taten ihr auch alle leid, das war kein leichter Weg.

„Doreen, diese neue Situation ist bestimmt nicht leicht für dich. Ich kann mir gut vorstellen, dass es eine enorme Überwindung gekostet hat, zu uns zu kommen.“

Erstaunt sah Doreen ihr Gegenüber an.

„Hast du auch schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht?“

„Nein, da hatte ich Glück.“

„Aber warum verstehst du mich dann so gut?“

„Ich arbeite jetzt seit fast vier Jahren ehrenamtlich im Frauenhaus, da lernt man viel.“

„Trotzdem hat nicht jede Mitarbeiterin soviel Verständnis wie du.“

Amanda war klar, dass Doreen auf Barbara anspielte.

„Weißt du, jede von uns versucht euch zu helfen und jede hat dabei eine andere Art.“

„Ich will mich nicht einleben“, sagte Doreen auf einmal.

„Willst du zurück zu deinem Mann?“ fragte Amanda Harms, denn auch das wäre nicht ungewöhnlich.

„Nein, auf gar keinen Fall!“

Doreens Augen füllten sich mit Angst.

Als Amanda nichts sagte, fuhr sie fort:

„Aber ich fühle mich im Frauenhaus auch nicht wohl. Einerseits bin ich dankbar, dass ich irgendwohin konnte, aber andererseits schäme ich mich auch. Ich fühle mich schrecklich wertlos…“

„Schämen sollte sich dein Mann, er hat dir das angetan und nicht umgekehrt!“

„Ach Mandy, ich fühle mich so unwohl…“

„Im Frauenhaus?“ damit hatte Amanda gerechnet, aber sie wollte sich noch mal versichern.

Als Doreen nickte, sah sie ihre Befürchtung bestätigt. Ihrer Ansicht nach waren Frauenhäuser eine gute Einrichtung, aber sie konnten nicht jedem helfen. Doreen kam in dem Haus nicht zurecht, das war ihr schnell aufgefallen. Sie mied den Kontakt zu den anderen Bewohnerinnen und hielt sich auch aus sämtlichen Aktivitäten raus. Für manche Frauen war es besonders schwer, ihren Platz im Leben zu finden, während ihrer vierjährigen Arbeit hatte sie einmal erleben müssen, wie sich eine Frau letztendlich selbst aufgab. Es war für sie erschütternd und unglaublich, denn die Frau hatte sich nach Jahren voller Qualen endlich von ihrem Mann getrennt und Zuflucht bei ihnen im Frauenhaus gesucht. Damals dachte sie, in so einem Moment hätte eine geschlagene Frau die schwerste Zeit hinter sich, doch sie hatte sich getäuscht. Als die Frau damals den Freitod gewählt hatte, wollte Amanda Harms im ersten Moment mit der Arbeit aufhören, aber dann tauchte ein junges Mädchen auf und brauchte Hilfe. So wurde ihr klar, dass sie nicht aufhören konnte, irgendwer musste doch versuchen zu helfen.

„Doreen, welchen Weg würdest gerne gehen?“

Sie ging davon aus, dass Doreen sich Gedanken über ihr Leben gemacht hatte, wahrscheinlich dachte sie Tag und Nacht kaum über etwas anderes nach.

Scheu sah Doreen sie an.

„Stell dir mal vor, du bräuchtest keine Angst haben, was würdest du dann tun?“

Amanda bemerkte sofort den veränderten Gesichtsausdruck, ganz so, als wäre ein Schatten von Doreens Gesicht gefallen. Sogar ein leichtes Lächeln konnte sie erkennen.

„Ich träume davon zu studieren“, verriet sie ihr.

„Welche Richtung?“

„Jura“, sagte Doreen leise und mit wenig Selbstbewusstsein.

„Das kann ich mir gut vorstellen“, sagte Amanda Harms zuversichtlich.

„Tatsächlich?“

„Ja, klar. Hast du denn Abitur?“

Wieder nickte Doreen.

„Hier oder lieber in einer anderen Stadt?“ fragte Amanda weiter.

„Ach, das sind doch bloß Hirngespinste“, tat Doreen es ab.

„Warum, Doreen?“

„Dafür bin ich viel zu alt!“

„Du bist doch mit 26 nicht zu alt, um zu studieren!“

„Und ich bin zu dumm dafür“, fügte sie leise hinzu.

Wahrscheinlich hatte ihr Mann über Jahre versucht ihr genau das einzureden.

„Das glaube ich nicht.“

Amanda fiel Doreens überraschter Gesichtsausdruck auf.

„Du bist nicht dumm! Und wenn du das wirklich willst, dann wirst du es auch schaffen!“ redete sie Doreen weiter zu.

Doreens Widerstand legte sich langsam, sie begann über ihre Möglichkeiten nachzudenken.

Da es mittlerweile dunkel geworden war, brachte Amanda sie ins Frauenhaus, danach machte sie sich auf den Weg in ihre Wohnung.

„Guten Morgen, Nicki!“

„Hallo Amanda! Hast du gestern noch lange gearbeitet?“

Wieder musste sie an ihren Chef denken und verdrehte die Augen.

„Wie hältst du es mit dem bloß aus?“

Nicki lächelte sie an.

„Einfach nicht drüber nachdenken, Amanda! Und vor allem `nein` sagen!“

Nette Anspielung! Aber sie hatte ja recht, Amanda konnte einfach nicht ´nein` sagen und musste das dringend lernen, wenn sie nicht wollte, dass Mr. Dawson weiter so mit ihr umsprang.

„Was hast du am Wochenende vor?“ fragte sie, um nicht über ihre Schwäche diskutieren zu müssen.

„Heute Abend holt Kyle mich ab, wir wollen in dieses neue Restaurant in der Innenstadt…“

Schon fing Nicki an zu schwärmen. Zurzeit war sie total begeistert von einem gewissen Kyle, letzten Monat war es noch Ralph und wer weiß, wer es nächsten Monat sein sollte.

Den Vormittag über hatten sie nicht viel zu tun und so konnte Amanda sich endlich einmal um ihre Ablage kümmern, während Nicki ihre Fingernägel feilte. Dabei wurde Nicki nicht müde, Amanda mehr und mehr über ihre neueste Eroberung vorzuschwärmen. Amanda mochte ihre Kollegin, auch wenn sie einen starken Kontrast zu den Frauen, mit denen sie sonst zu tun hatte, bildete. Nicki kam einen im ersten Moment sehr oberflächlich vor, aber wenn man sie näher kannte, merkte man doch schnell, dass sie sehr sensibel war. Manchmal hatte Amanda den Eindruck, die ganze Schminke diente nur als eine Art Mauer.

„Sieh mal hier, Amanda!“

Plötzlich stand Nicki vor ihr, beugte sich nach vorne und öffnete dabei einen Knopf ihrer Bluse. Wie immer trug sie keinen BH und Amanda erkannte einen Knutschfleck auf Nickis Brust.

Stolz ging Nicki zurück an ihren Platz, sie erwartete glücklicherweise keinen Kommentar, Amanda hätte auch nicht gewusst, was sie dazu sagen sollte.

Kurz darauf klingelte Nickis Telefon.

„Hallo Schatz!“ sagte sie nicht gerade leise.

Wahrscheinlich war es dieser Kyle. Ungeniert flirtete sie am Telefon, Nicki interessierte es nicht, was andere Leute von ihr dachten.

„Amanda, Kyle will übers Wochenende mit mir wegfahren!“

„Ich dachte, ihr wollt in dieses neue Restaurant?“ fragte sie erstaunt.

„Kyle ist immer für eine Überraschung gut! Er wartet unten vorm Eingang auf mich!“

Amanda sah auf ihre Uhr, es war kurz vor elf, freitags arbeitete Nicki normalerweise bis vierzehn Uhr.

„Du glaubst doch nicht, dass Mr. Dawson dich jetzt schon gehen lässt?“

„Ich hab’ nicht vor, ihn zu fragen!“

„Wie bitte?“

„Amanda, ich hab’ schreckliche Kopfschmerzen, deswegen muss ich jetzt gehen“, behauptete Nicki in einem leidenden Tonfall und zwinkerte ihrer Kollegin zu.

„Du erwartest doch nicht etwa, dass ich für dich lüge?“ fragte Amanda Harms leicht angenervt.

„Ach, Amanda! Sei doch nicht so!“

Damit waren sie wieder bei ihrer Schwäche, natürlich konnte sie nicht ablehnen.

„Zisch ab, Nicki! Und viel Spaß!“

Kaum hatte sie das ausgesprochen, schon war Nicki weg.

Nachdem Amanda ihre Ablage erledigt hatte, setzte sie sich an Nickis Schreibtisch, auch wenn sie nichts gesagt hatte, so war doch klar, dass Amanda sie vertreten musste. Sie hatte noch nicht einmal den Korb mit den Posteingängen bearbeitet, also kümmerte Amanda sich darum.

„Miss Myer, wo…?“

Amanda Harms blickte auf und sah Mr. Dawson auf sich zukommen.

„Wo ist Miss Myer?“ fragte er ohne jegliche Begrüßung.

„Sie ist krank“, log Amanda, allerdings nur widerwillig.

„Und warum werde ich davon nicht informiert?“ fragte er unwirsch.

Anstatt ihm zu antworten, blickte sie wieder auf den Bildschirm und wollte weiter arbeiten.

„Miss Harms, ich rede mit Ihnen!“ fuhr er sie an.

„Mr. Dawson, ich versuche hier Nicoles Arbeit mit zu erledigen. Ich habe einige Terminsachen entdeckt, die dringend bearbeitet werden müssen…“, begann sie, wagte jedoch nicht aufzublicken.

„Das hätte schon längst raus sein müssen!“ sagte Mr. Dawson erstaunt, er stand jetzt direkt hinter ihr und blickte auf den Bildschirm.

Amanda öffnete ein weiteres Programm und zeigte auf mehrere Klientennamen:

„Diese anscheinend auch“, entgegnete sie.

„Das ist unglaublich! Wozu schreibe ich überhaupt Termine dazu? So eine Schlamperei!“ schimpfte er und ging zurück in sein Büro.

Typisch Mr. Dawson! Er hätte Amanda ja auch fragen können, ob sie sich darum kümmerte, aber das war anscheinend selbstverständlich.

Amanda arbeitete bis kurz vor eins eifrig weiter, auch wenn sie noch längst nicht alles fertig hatte, beschloss sie dennoch, mit den ersten Ergebnissen zu Mr. Dawson ins Büro zu gehen. Dann konnte sie ihm auch gleich die Post und die ersten Briefe, die zur Post mussten, geben. Alles was er jetzt nicht unterschrieb, würde bis Montag warten müssen.

Wieder klopfte sie und trat dann ein.

Mr. Dawson sah auf.

„Sind Sie fertig?“ fragte er.

„Nein, Mr. Dawson. Ich würde gerne die Schreiben zur Post geben, damit das heute noch rausgeht. Diese Terminsachen sind zur Durchsicht fertig und den Rest mach’ ich nach meiner Mittagspause“, erklärte sie.

„Nach Ihrer Mittagspause?“ fragte er und nahm ihr die Unterlagen aus der Hand.

Sie zog es vor, auf seine Frage gar nicht erst zu reagieren. Mr. Dawson konnte doch nicht erwarten, dass sie wegen ihm auf ihre Mittagspause verzichtet! Irgendwo hörte es auf!

„Ich seh’ mir das kurz durch und komm dann gleich zu Ihnen nach vorne“, äußerte Mr. Dawson und wandte sich ihren Unterlagen zu.

Also ging sie zurück an ihren Arbeitsplatz und überprüfte, ob es neue E-Mails gab. Ihr Chef, Mr. Hydecker schickte ihr meistens sämtliche Arbeitsanweisungen per Mail und sie wollte ihre eigene Arbeit nicht vernachlässigen, nur weil sie Nicki half.

Als Nickis Telefon klingelte, holte sie den Anruf auf ihren Apparat:

„Sekretariat von Mr. Dawson, Sie sprechen mit Amanda Harms. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Hat George eine neue Sekretärin?“ hörte sie eine Frauenstimme fragen.

„Mit wem spreche ich bitte?“

„Natürlich, Sie sind neu und kennen meine Stimme noch nicht! Ich bin Kelly Cossella“, verriet die Dame überfreundlich.

„Was kann ich für Sie tun, Mrs. Cossella?“

„Miss, bitteschön!“ sagte die Stimme nun pikiert.

„Miss Cossella, wie kann ich Ihnen helfen?“ fragte Amanda und versuchte dabei freundlich zu bleiben, aber irgendwie nervte sie diese Frau.

„Sind Sie Georges neue Assistentin?“ fragte die wiederholt.

„Nein, Miss Cossella, Mr. Dawsons Sekretärin ist krank, ich helfe nur aus.“

„Ach so.“

Dann war es still in der Leitung. Was wollte diese Frau?

„Miss Cossella, was kann ich für Sie tun?“ erkundigte Amanda sich erneut.

„Was für eine Frage! Selbstverständlich will ich mit George reden!“

„Es tut mir leid, Miss Cossella, aber er spricht gerade.“

„Was fällt Ihnen ein? So was ist mir ja noch nicht untergekommen! Wenn ich mit George reden will, dann haben Sie mich gefälligst zu verbinden…“

Während die Frau weiter keifte kam Mr. Dawson auf Amanda zu.

„Miss Cossella möchte Sie sprechen“, äußerte sie also und ignorierte die Schimpferei der Frau.

Zu ihrer Verwunderung nahm Mr. Dawson ihr den Hörer aus der Hand und lehnte sich gegen ihren Schreibtisch.

Amanda nahm die Post an sich und verschwand dann, es interessierte sie nicht, was die beiden zu besprechen hatten. Aber sie passten ihrer Ansicht nach zusammen, denn alle beide waren mehr als unfreundlich.

Kollegin in Nöten

Pünktlich um zwei betrat Amanda Harms das Büro, auf ihrem Schreibtisch lagen einige Akten und eine handschriftliche Notiz von Mr. Dawson. Er hatte stichpunktartig aufgeführt, was sie zu erledigen hatte.

Wahrscheinlich war er zu dieser Kelly Cossella gefahren, wer hielt sich an einem Freitagnachmittag auch im Büro auf? Für Amanda war es normal, denn sie machte montags und mittwochs schon mittags Feierabend, da sie an den Nachmittagen im Frauenhaus arbeitete. Deswegen blieb sie freitags grundsätzlich länger, um diese Stunden auszugleichen.

Da sie für ihren Chef nichts Dringendes zu erledigen hatte, machte Amanda sich an Nickis Arbeit. Es störte sie nicht, das für ihre Kollegin zu machen. Nicki half ihr auch, wenn sie Stress hatte. Lediglich Nickis Chef ging ihr auf die Nerven, am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn sie ihn gar nicht sehen bräuchte. Genau genommen war ihr diese Notiz von ihm lieber, als eine direkte Unterhaltung.

Amanda arbeitete bis achtzehn Uhr weiter, dann beschloss sie, die fertigen Papiere zu Mr. Dawson ins Büro zu bringen.

Natürlich war er nicht da, also legte sie alles auf seinen Schreibtisch. Dabei fiel ihr ein kleiner Notizzettel an seinem Bildschirm auf. Neugierig las sie ihn sich durch:

Abmahnung für Miss Myer!!!

Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Auch wenn Nickis Verhalten nicht korrekt war, so könnte er doch erst mal persönlich mit ihr darüber reden, bevor er sie gleich abmahnte! Schließlich musste sie den ganzen Tag jemanden wie Mr. Dawson ertragen und auf seine Launen Rücksicht nehmen, da war eine Abmahnung eindeutig übertrieben!

Und wenn das Ganze wirklich so wichtig war, dann hätte er das jetzt auch selber fertig stellen können! Aber nein, für diese Arbeit war er sich sicher zu fein!

Amanda schnappte sich ihr Handy und rief Nicole an, um ihrem Ärger Luft zu machen.

„Oh je“, sagte die nur.

„Der Mann ist doch unmöglich!“ schimpfte sie weiter.

„Amanda, er hat doch recht“, erwiderte Nicki kleinlaut.

„Aber deswegen muss er dich doch nicht gleich abmahnen, er hätte doch wenigstens ein Gespräch suchen können“, noch immer war sie sauer auf Mr. Dawson.

„Das hat er bereits, Amanda…“

„Was?“

„Mir ist das schon mal passiert, da hat er mich nur mündlich abgemahnt, und beim nächsten Mal dann schriftlich…“

„Soll das heißen…? Meine Güte, Nicki, was ist bloß los mit dir?“

„Ich weiß auch nicht, ich hab’ das nicht absichtlich vergessen…“

Ihr Tonfall bewies Amanda, dass sie die Wahrheit sagte.

„Was soll ich jetzt machen?“ fragte Amanda Harms also.

„Das hat sich wohl erledigt, wenn Dawson mich noch mal abmahnt, dann flieg ich raus.“

„Hast du es darauf angelegt?“

„Nein! Auf keinen Fall! Ich brauch’ doch den Job!“ versicherte ihr Nicki sofort.

Angestrengt suchten sie nach einer Lösung. Schließlich fiel Amanda etwas ein.

„Sag mal, Nicki, wenn das alles bis Montag fertig ist, dann hat er doch eigentlich keinen Grund dich abzumahnen, oder?“

„Nein, genau genommen nicht, aber wie soll ich das denn bis dahin schaffen?“ fragte sie verzweifelt.

„Wir sollten es zumindest versuchen“, schlug Amanda ihrer Kollegin vor.

Nicki schöpfte wieder Hoffnung, wenn Amanda ihr half, dann konnten sie es vielleicht noch rechtzeitig schaffen. Nicole wusste auch nicht, woran es lag, dass sie immer wieder soviel vergaß. Vielleicht wuchs ihr ihr Liebesleben langsam über den Kopf. Na ja, das hatte sich erst mal erledigt. Nachdem sie am Nachmittag mit Kyle in diesem netten Hotel angekommen waren, und sie mit ihm geschlafen hatte, ließ er sie gleich fallen. Wahrscheinlich hatte er nur das Eine gewollt. Nicki erlebte das nicht zum ersten Mal und sie wusste nicht, was sie verkehrt machte.

Geknickt war sie dann mit einem Taxi zurück in ihre Wohnung gefahren und saß dort alleine im Dunkeln, bis der Anruf von Amanda sie erreichte. Nicki überlegte, ob sie es vielleicht wie Amanda machen sollte, in ihrem Leben gab es keinen Mann und Amanda schien auch nichts zu vermissen, zumindest kam sie ihr nie unglücklich vor.

„Du bist schon hier?“ fragte Amanda erstaunt, als sie um kurz nach acht das Büro betrat.

„Ich konnte nicht schlafen“, erklärte Nicki.

Amanda fielen gleich ihre dunklen Augenränder auf, es sah aus, als hätte sie die ganze Nacht geweint. Sie holte eine Tüte mit Croissants aus ihrer Tasche und forderte:

„Erzähl, Nicki!“

Sofort lief ihr eine Träne über die Wange, also nahm Amanda Nicole in die Arme und hörte ihr zu. Eigentlich war es dieselbe Geschichte, die sie immer wieder erzählte. Und wieder fiel Amanda nichts Passendes ein, was sie dazu hätte sagen können. Also beschränkte sie sich aufs Zuhören.

Später machten sie sich dann an die Arbeit, es war sehr viel liegen geblieben und so verzichteten sie auch auf eine Mittagspause. Sie arbeiteten bis spät in den Abend hinein und trafen sich am Sonntag wieder ganz früh.

„Amanda, ohne dich hätte ich das nie geschafft!“ meinte Nicki schließlich dankbar.

„Du musst dir was einfallen lassen, damit das nicht wieder passiert!“

„Ich weiß, hab’ ich auch schon versucht, aber das klappt einfach nicht“, gab sie ehrlich zu.

Merkwürdig, normalerweise war Nicki immer sehr gewissenhaft bei der Arbeit. Auch die letzten beiden Tage war sie recht langsam, das kannte Amanda nicht von ihr.

„Wenn du morgens den Kaffee für mich in den Räumen der Chefs verteilst, dann könnte ich in der Zeit die Fristen für dich überprüfen“, bot Amanda an.

Dankbar nahm Nicki das Angebot an.

„Miss Myer, kommen Sie sofort in mein Büro!“ befahl Mr. Dawson, als er das Büro betrat. Amanda sah er nicht einmal an und rannte im Mantel an ihnen vorbei.

Nicki stand auf und lief ihm hinterher.

Im Zimmer des Chefs wäre sie beinahe gegen ihn geprallt, so abrupt blieb er stehen.

„Was ist das?“ fragte er mit einem Blick auf seinen überladenen Schreibtisch.

„Die Terminsachen, die bis Freitag hätten fertig sein müssen. Durch Krankheit konnte ich das erst bis heute fertig stellen“, erwiderte Nicki ohne ein Wort des Bedauerns.

Der Mund von Mr. Dawson war ein glatter Strich, seine Miene versprach nichts Gutes, als er einen Blick in die Unterlagen warf.

„Schicken Sie sofort Miss Harms in mein Büro!“ ordnete er kalt an.

Nicole verließ erleichtert den Raum, für den Moment war sie einer Kündigung entgangen, aber ihr war klar, dass das sehr knapp gewesen war. Sie musste dringend etwas ändern, damit sie nie wieder in solch eine Situation kam!

„Amanda, er will dich sprechen“, sagte sie, als sie ihre Kollegin auf dem Flur traf.

„Ich muss für Mr. Hydecker was erledigen“, entgegnete Amanda ihr und verschwand.

Nicki zog es vor, ihrem Chef telefonisch mitzuteilen, dass Amanda nicht sofort käme. Auch wenn sie sich nach außen hin stark gab, so war das alles nur eine Fassade. In Wirklichkeit litt sie immens unter der unfreundlichen Art ihres Chefs. Müde setzte sie sich an ihren Schreibtisch, in letzter Zeit war Nicole oft müde und selbst wenn sie früh genug ins Bett ging, fühlte sie sich am nächsten Morgen nie ausgeruht.

Als Amandas Telefon klingelte, nahm sie den Anruf entgegen.

„Büro von Mr. Hydecker, Sie sprechen mit Nicole Myer.“

„Ich möchte Mandy sprechen“, forderte eine männliche Stimme.

„Mandy?“ fragte Nicki irritiert.

„Genau!“

„Tut mir leid, ich kenne keine Mandy, Sir. Vielleicht können Sie mir den Nachnamen verraten, denn ich kenne nicht jeden Mitarbeiter mit Vornamen“, erklärte sie freundlich.

Da legte ihr Gesprächspartner einfach auf.

Nicki versuchte sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren und schrak zusammen, als Mr. Dawson auf einmal vor ihr stand.

„Wo ist Miss Harms?“ fragte er wie immer unfreundlich.

Nicole blickte auf den unbesetzten Schreibtisch.

„Ich weiß es nicht, Mr. Dawson.“

In dem Moment betrat Amanda Harms den Raum.

„Miss Harms, kommen Sie sofort in mein Büro!“ befahl Mr. Dawson.

Noch bevor sie etwas erwidern konnte, war er schon wieder verschwunden.

Nicki zog eine Grimasse und Amanda verdrehte mal wieder die Augen.

„Was für ein Stress!“ raunte sie Nicole zu und ging dann zu Mr. Hydecker. Etwa eine halbe Stunde später konnte sie sein Büro wieder verlassen und klopfte bei Mr. Dawson.

„Das wird aber auch Zeit, Miss Harms! Ich hatte `sofort` gesagt“, fuhr der Mann sie an.

„Tut mir leid, Mr. Dawson, aber ich musste erst zu Mr. Hydecker.“

Für einen Moment musterte er sie, dann fuhr er ungehalten fort:

„Diese Terminsachen haben Sie erledigt!“

„Welche Sachen?“ fragte Amanda unschuldig.

Mr. Dawsons Miene verhärtete sich.

„Miss Harms, ich bin sehr wohl in der Lage zu unterscheiden, welche Arbeit von Ihnen und welche von Miss Myer ausgeführt wurde!“

„Sind Sie mit der Arbeit unzufrieden?“ fragte sie nur.

Amanda hielt seinem wütenden Blick stand. Natürlich hatte sie damit gerechnet, dass er sauer war, wenn sie seine Pläne durchkreuzte.

„Mr. Dawson, wenn das alles ist? Ich habe noch zu tun!“

Als er weiterhin kein Wort sagte und Amanda nur wutentbrannt anstarrte, verließ sie einfach den Raum.

„Ich geh’ jetzt was Essen!“ verkündete Nicki um eins.

„Wir sehen uns dann morgen!“ entgegnete Amanda ihr. In einer Stunde hatte sie Feierabend, an ihren beiden kurzen Arbeitstagen verzichtete sie grundsätzlich auf die Mittagspause.

Eine halbe Stunde später kam Mr. Dawson vorbei.

„Wie ich sehe, ist Miss Myer mal wieder abwesend, aber Ihnen macht es ja nichts aus ihre Arbeit zu erledigen“, sagte er emotionslos und warf ihr eine Akte auf ihren Schreibtisch.

Schnellen Schrittes verschwand er wieder in sein Zimmer.

Nun reichte es Amanda, also nahm sie die Akte und rannte ihm hinterher. Ohne anzuklopfen betrat sie den Raum.

„Mr. Dawson, ich bin nicht Ihre Sekretärin! Wenn Sie Hilfe brauchen, dann warten Sie bis Miss Myer von ihrer Mittagspause zurück ist!“

Sie warf die Akte auf seinen Schreibtisch und ging wieder.

Zum ersten Mal hatte sie ´nein´ gesagt! Amanda war überaus stolz auf sich!

Unerwartete Begegnung

Drei Tage später hatte sie ihre erste Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung auf ihrem Schreibtisch! Dieser Mann war einfach unglaublich! Sie überlegte, ob sie sich bei ihm direkt beschweren sollte oder lieber zu ihrem Chef gehen sollte. Vielleicht war der Personalrat auch die richtige Anlaufstelle? Auf jeden Fall wollte sie das nicht so einfach hinnehmen! Andere schafften es schließlich auch, sich gegen Ungerechtigkeiten aufzulehnen, warum dann nicht auch sie? Doreen hatte ihr erst gestern die Bewerbungen für einige Unis gezeigt. Sie hatte sich tatsächlich dazu durchgerungen, weiter zu kämpfen und endlich etwas für sich selbst zu tun. Es war an der Zeit, dass auch Amanda etwas für sich tat!

„Guten Morgen!“

Eine freundliche Männerstimme riss sie aus ihren Gedanken.

Erschrocken sah Amanda auf.

„Entschuldigen Sie, warten Sie schon lange?“

Sie sah in zwei blaue Augen, die sie warm anlächelten. Der Mann war mittelblond und sie schätzte ihn auf etwa dreißig.

„Schlechte Nachrichten?“ fragte er und deutete auf das Schreiben in ihren Händen.

Schnell faltete sie die Abmahnung zusammen.

„Anstatt hier private Gespräche zu führen, sollten Sie lieber arbeiten!“

Das war natürlich Mr. Dawson, der genau in dem Augenblick an ihnen vorbei ging.

„Was für ein unfreundlicher Zeitgenosse! Ist das etwa Ihr Chef?“ fragte der junge Mann mitfühlend.

„Zum Glück nicht!“ erwiderte Amanda spontan.

„Sie sind also Amanda Harms“, stellte der junge Mann mit einem Blick auf ihr Namensschild fest.

„Ich wette, Ihre Freunde nennen Sie Mandy!“

Mandy wurde sie nur im Frauenhaus genannt, skeptisch sah sie den Mann an.

„Meine kleine Schwester heißt auch Amanda, aber jeder sagt Mandy zu ihr“, erklärte er unbeschwert weiter.

Amanda musste lächeln, dieses Frauenhaus hatte sie misstrauisch gemacht.

„Ich mag diese Abkürzung nicht sonderlich“, erklärte sie.

Erstaunt sah der Fremde sie an.

„Heißt das, niemand darf Sie Mandy nennen?“ fragte er weiter.

„Nein, das nicht…“, was für eine seltsame Frage!

„Erlauben Sie mir, Sie Mandy zu nennen?“

„Ich kenne Sie doch gar nicht!“

„Entschuldigen Sie, Paul Miller ist mein Name“, stellte er sich galant vor.

„Wie kann ich Ihnen helfen, Mr. Miller?“

„Paul!“

Als sie nichts erwiderte, verkündete er:

„Sie haben mir bereits geholfen, Mandy!“

Irritiert sah Amanda ihm hinterher.

Dann stand sie auf und ging entschlossen zu Mr. Dawson. Auf sein wie immer unfreundliches `Ja? ` betrat sie sein Büro.

Noch bevor er etwas sagen konnte, begann sie:

„Mr. Dawson, ich gehe davon aus, dass ich das hier Ihnen zu verdanken habe?“ stellte sie fest und zeigte ihm ihre Abmahnung.

„Absolut verdient!“

„Ich hatte nicht erwartet, dass ein Mann wie Sie seine Macht derart missbraucht!“

„Setzen Sie sich, Miss Harms“, forderte er Amanda zu ihrer Überraschung auf.

Also nahm sie Platz und wartete bis Mr. Dawson sich auch setzte. Vorher schloss er die Bürotür.

„Also, Miss Harms, Sie halten Ihre Abmahnung für ungerechtfertigt?“

„Ich halte eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung für unfair, schließlich bin ich immer für Nicole eingesprungen, wenn es nötig war und habe eilige Terminsachen erledigt.“

„Vorgestern haben Sie sich geweigert!“

„Mr. Dawson, ich bin nicht Ihre Sekretärin, und wenn Nicole abwesend ist, bin ich lediglich verpflichtet, den Telefondienst zu übernehmen. Bisher bin ich Ihnen dennoch immer entgegen gekommen!“

„Und Ihr Verhalten am Wochenende halten Sie für richtig?“

„Wenn Sie mich deswegen abmahnen wollen, bitte! Aber eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung nehme ich nicht hin!“

„Einen Moment, Miss Harms“, forderte er und nahm den Telefonhörer in die Hand.

„Miss Myer, bringen Sie mir den Arbeitsvertrag von Miss Harms!“

Was sollte denn das werden? Wollte er sie kündigen? Aber dazu hatte er kein Recht, denn er war schließlich nicht ihr Chef.

Es klopfte und Nicki betrat den Raum. Als sie Mr. Dawson den Vertrag gab, sah sie Amanda mitleidig an, ging aber ohne ein Wort wieder.

Mr. Dawson blätterte den Vertrag durch, schließlich sah er Amanda an:

„Ich ging davon aus, dass Sie Miss Myer zu vertreten hätten, Miss Harms, aber mehr als der Telefondienst ist nicht Ihre Aufgabe. Warum haben Sie das dann getan?“

„Warum nicht? Nicole hilft mir schließlich auch!“

Nachdenklich sah Mr. Dawson sie an.

Als er nichts sagte, forderte Amanda:

„Sorgen Sie dafür, dass diese Abmahnung aus meiner Personalakte verschwindet oder muss ich mich erst an den Personalrat wenden?“

„Ich gebe Ihnen einen Rat, Miss Harms: Fallen Sie mir nicht noch mal in den Rücken!“ entgegnete er kühl und nahm ihr ihre Abmahnung aus der Hand, um sie zu zerreißen.

Wortlos verließ Amanda sein Büro, um dann gleich stolz zu Nicki zu laufen und ihr alles zu berichten.

Mitten in ihrem Redeschwall stockte sie.

„Nicki, geht’s dir nicht gut?“ fragte sie, denn ihre Kollegin war leichenblass und konnte sich anscheinend kaum auf ihre Worte konzentrieren.

„Nein, irgendwie nicht“, begann sie.

„Du musst unbedingt zum Arzt gehen!“

„Und wie soll ich das Dawson erklären? Nachdem du gerade bei ihm warst, ist er bestimmt geladen!“ mutmaßte sie.

Amanda seufzte:

„Ich mach’ das schon, Nicki! Aber versprich mir, dass du wirklich zum Arzt gehst!“

Amanda half Nicki in ihren Mantel und sah ihr hinterher. Irgendwas stimmte mit ihrer Kollegin nicht, nicht nur dass sie bei der Arbeit immer langsamer und unkonzentrierter wurde, sie sah auch immer schlechter aus. Hoffentlich konnte ein Arzt ihr schnell helfen!

Amanda nahm das Telefon in die Hand und rief Mr. Dawson an.

„Ja?“

„Mr. Dawson, Miss Myer ist gerade zum Arzt gegangen, ich werde der Personalabteilung sofort Bescheid sagen.“

Da er nicht antwortete, trennte sie die Verbindung und rief in der Personalabteilung an.

Als sie aufgelegt hatte, stand Mr. Dawson vor ihr.

„Wie lange wird Miss Myer ausfallen?“

„Das weiß ich nicht, Mr. Dawson, aber ich werde mich sofort bei Ihnen melden, wenn ich mehr erfahre“, bot sie freundlich an.