Frieden finden - Georg Fischer - E-Book

Frieden finden E-Book

Georg Fischer

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Beschreibung

Wie zerbrechlich ist der Friede geworden! Im Äußeren sehen wir das in Unruhen und Kriegen. Im Inneren vertreiben Sorgen und Ängste, Streitigkeiten und Konflikte unseren Frieden. Wie in den vielfachen Krisen zum Frieden finden? Wie Frieden stiften oder wenigstens zum Frieden beitragen? Die Bibel und die Spiritualität der Jesuiten bieten hier wertvolle Anregungen. Die Autoren zeigen Wege zu tieferem innerem und äußerem Frieden auf. Sie sprechen Stolpersteine an und stellen Übungen für den Alltag vor.

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Stefan Hofmann SJ und Georg Fischer SJFrieden finden

Ignatianische Impulse

Herausgegeben von Igna Kramp CJ, Stefan Kiechle SJ und Stefan Hofmann SJ

Band 100

Ignatianische Impulse gründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.

Ignatianische Impulse greifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.

Ignatianische Impulse werden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.

Stefan Hofmann SJ

Georg Fischer SJ

Frieden finden

Der Umwelt zuliebe verzichten wir bei unseren Büchern auf Folienverpackung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

© 2024 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter.de

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

ISBN 978-3-429- 05938-5

ISBN 978-3-429- 05298-0 (PDF)

ISBN 978-3-429- 06637-6 (ePub)

Inhalt

Hinführung

I.Frieden und Unfrieden sehen

Friedensforschung: negativer und positiver Friede

Sind begriffliche Unterscheidungen wirklich nötig?

Der eigene innere Friede

Übung: innere Friedensräuber wahrnehmen

II.Die biblische Verheißung vom Frieden

Die Breite der Bedeutungen von »schalom«

Jhwh, ein Gott des Friedens

Probleme mit »Frieden« in der Bibel

Kontraste bezüglich »Frieden«

Wege in Richtung Frieden

III.Vom Weg der Ehre zum Weg der Demut: die Lebenswende des Ignatius

Charakterbild des Ignatius

Bekehrung und das Ablegen der Waffen

Ignatius nach Manresa: zielstrebig und friedvoll

Ignatius’ Verständnis vom Frieden

Einsatz für Versöhnung

Kreuzzugsfrömmigkeit

Der Plan für eine Kriegsflotte

IV.Frieden mit Gott: die Exerzitien

1. Woche: sich der eigenen Gewalt stellen

2. Woche: dem sanften Christus folgen

3. Woche: Bereitschaft zum Leiden

4. Woche: Frieden als Ziel und als Weg

V.Dialog über Frieden und Pazifismus

Jesuiten für Gewaltfreiheit und Frieden

Verlangt Jesus Pazifismus?

Hoffnung für Israel und die Ukraine

VI.Was konkret dem Frieden dient

Haltungen, die vor Unfrieden bewahren

Übungen und Gebete

Literatur

Anmerkungen

Hinführung

»Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir«, so das bekannte Wort des Augustinus. Manche Menschen erfahren im Gebet oder in der Meditation, wie das eigene Herz in Gott zur Ruhe kommt. Die Aussage des Augustinus ist aber auch unabhängig von jeder Religiosität erhellend. Wenn unser menschliches Streben in Gott zur Ruhe gelangt, dann deshalb, weil das Herz dort gefunden hat, was es ersehnt. Hier zeigt sich: Als Menschen streben wir in der Regel bestimmte Güter oder Beziehungen an. Das Herz streckt sich beständig aus nach etwas Gutem oder Notwendigem.

Ob wir inneren Frieden finden, das hängt nicht zuletzt von den erstrebten Gütern und Beziehungen ab und auch davon, wie wir sie erstreben. »Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz« (Mt 6,21), heißt es im Neuen Testament. Ist eine geliebte Person physisch oder menschlich fern, so bewegt dies unser Herz. Wir denken an die geliebte Person, hoffen für sie, manchmal auch voll Sorge. Ähnliches gilt von »geliebten« Dingen: Wer ein neues Fahrrad erworben hat und es in einem unsicheren Viertel auf der Straße abstellen musste, wird ab und zu mit Sorge an das Fahrrad denken. Hoffentlich passiert auch nichts! Nicht dass es gestohlen wird.

Es gibt viele Anlässe, weshalb wir den inneren Frieden verlieren können. Dieses Buch will dazu anregen, über den eigenen inneren Frieden nachzudenken und ihn zu suchen. Es lohnt zu fragen: Was raubte mir (gestern, heute Nachmittag etc.) den Frieden, sodass ich ihn verloren habe? Was könnte mir helfen, ihn leichter zu finden? Was, ihn treuer zu bewahren? Das Wort der Schrift, die Philosophie, die Geistesgeschichte, sie bieten sehr viele Einsichten und Weisheit, die uns auf der Suche nach dem Frieden helfen können. Unser menschlicher Friede ist zerbrechlich. Umso mehr lohnt es sich, ihn zu suchen und um ihn zu ringen. Dieses Buch möchte hilfreiche Anregungen dazu bieten.

In der jüdisch-christlichen Tradition gilt der Friede als eine Gabe Gottes, die dem betenden Menschen verheißen ist. Gott kann unruhige und gewaltbereite Herzen wandeln. Ein Beispiel hierfür ist das Leben des Ignatius von Loyola. Im dritten Kapitel wollen wir seine geistliche Biographie gezielt mit Blick auf Gewalt und Frieden untersuchen. Die auf Ignatius zurückgehende Spiritualität des Jesuitenordens ist durchaus mit dem Anliegen des Friedens verbunden. Manche der Anregungen, die sie zu bieten hat, wollen wir in Kapitel vier erschließen. Einige kurze Porträts von Jesuiten im fünften Kapitel zeigen, wie die ignatianische Spiritualität und ihr Impuls gegen Gewalt historisch auf beispielhafte Weise greifbar wurden.

Wenn wir heute über Frieden diskutieren, dann denken wir sofort an Regionen, in denen Staaten Kriege führen. Sehr schmerzlich und viel zu lange erleben wir das im Nahen Osten und auch in der Ukraine. Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine fügt der unschuldigen ukrainischen Bevölkerung sehr viel Leid zu und bedroht den Frieden in ganz Europa. Zu den militärischen Konfliktzonen unserer Welt gehören zudem eine Reihe anderer Länder wie Jemen, Syrien, der Südsudan und das Chinesische Meer. Angesichts so direkter militärischer Gewalt stellt sich die bittere Frage, welche politischen Maßnahmen Frieden schaffen können und welche humanitäre und militärische Hilfe jeweils zu leisten ist. Sollten sich die demokratischen Länder des Westens von solchen Konflikten möglichst fernhalten? Was wäre die Aufgabe gläubiger Menschen und einer christlich geprägten Politik? Verlangt das Evangelium nicht ein radikales Engagement für Frieden?

Spiritualität und Gewalt scheinen ein diametraler Gegensatz zu sein. Es scheint, die Suche nach dem persönlichen Frieden kann nur dann zum Ziel führen, wenn wir die Welt der Gewalt vergessen oder ausblenden. Wäre die Suche nach dem inneren Frieden dann aber nicht ein egoistischer Rückzug auf sich selbst? Zudem ist zu fragen, wie Frieden politisch erreicht werden soll, wenn die friedliebenden Zeitgenossen sich in privates Glück zurückziehen. Dürften wir auf Frieden hoffen, wenn diejenigen, die die Geschicke dieser Welt bestimmen, keinen dauerhaften Frieden in sich tragen?

Die Suche nach Frieden darf die Geschicke dieser Welt nicht ausblenden. Wo Spiritualität auf rein private Innerlichkeit beschränkt wird, liegt ein Individualismus vor, der sich nur schwer auf Jesus stützen kann. Ein solcher Individualismus mag heute en vogue sein, gesellschaftlich tragfähig ist er nicht. Die jüdischchristliche Tradition hat hinsichtlich von Krieg und Frieden auch höchst Fragwürdiges hervorgebracht. Eine Engführung der Spiritualität auf das eigene Ich und einen unpolitischen Privatfrieden kann man ihr jedoch nicht vorwerfen.

Ein Anliegen dieses Buches ist es, von der Geschichte des Geistes und der Spiritualität zu lernen. Hierfür müssen auch der politische Unfrieden und die Thematik des Krieges mitbedacht werden. Den Spannungsbogen zwischen dem persönlichen inneren Frieden und den Konflikten dieser Welt gilt es in seinen Wechselwirkungen wahrzunehmen: Wenn wir die Augen nicht verschließen, kann uns der Unfriede dieser Welt nicht kaltlassen. Und was wir als Einzelne heute tun und wirken, hat morgen Einfluss auf den Frieden von uns allen.

Das fünfte Kapitel des Buches bietet deshalb auch einen Dialog über die politischen Fragen von Frieden und Pazifismus, von Waffen und Gewalt. Friedliebende Menschen sollten sich aus unserer unwirtlich gewordenen Welt nicht zurückziehen. Jesus predigt: »Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen« (Mt 5,9). Wer aus Gottes Geist lebt und immer neu den Frieden sucht (Ps 34,15), darf deshalb nicht unpolitisch bleiben. Wenn ein Mensch den Frieden findet und ihn teilt, profitieren alle anderen mit ihm. Der Weg dorthin hat sehr viel mit regelmäßigem Üben und Beten zu tun. Am Ende des Buches schlagen wir daher einige geistig-geistliche Übungen vor. Diese könnten helfen, jene Haltungen zu erwerben, die dem Frieden dienen.

Wir verwenden die erste Person Plural, da der Text in der Regel unsere gemeinsame Überzeugung zum Ausdruck bringt. Nur sehr vereinzelt nutzen wir die Ich-Form und den Vornamen, um eine individuelle Perspektive kenntlich zu machen. Für die kritische Durchsicht des Manuskripts danken wir Christiane Rostock und Sophia Lucke. Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir viele Anregungen und v.a. gute und gangbare Wege zum Frieden.

Stefan Hofmann SJ

Georg Fischer SJ

I. Friede und Unfrieden sehen

Was meinen Sie, wenn Sie von Frieden sprechen? Was vermissen Sie, wenn Sie Unfrieden erfahren? Wer intellektuell und spirituell nach neuen Wegen sucht, muss zunächst klären, was er sucht. Befriedigende Antworten und Wege können sich nur zeigen, wenn klar ist, welche Wünsche und Fragen uns bewegen. Das ist beim Frieden nicht anders als bei der Frage nach dem guten Leben. Wir sollten deshalb klären, welche Wirklichkeit wir finden möchten, wenn wir von Frieden sprechen. Welche Voraussetzungen sollten jedenfalls erfüllt sein, damit die Rede vom Frieden sinnvoll erscheint? Ist die Totenstille eines Friedhofs hinreichend für »Frieden«? Unsere Rede vom Frieden ist vielseitig: Sie ist politisch und spirituell, säkular und religiös, oft sehr vage, dann aber wieder anspruchsvoll. Soweit möglich, wollen wir in diesem Buch das ganze Spektrum des Bedeutungsfeldes von »Frieden« mitbedenken. Trotzdem lohnt es sich zu fragen, welche Vor- und Nachteile unterschiedliche Definitionen von Frieden mit sich bringen – und welche von ihnen am ehesten überzeugen können.

Die Etymologie des Wortes Frieden verweist auf das althochdeutsche fridu und dessen Bedeutungsfeld von Schonung und Freundschaft. Wer diesen historischen Aspekt betont, wird Frieden als Begriff guter, sozialer Beziehungen beschreiben. Frieden kann es dann nur dort geben, wo zwei oder mehrere Personen in guten Beziehungen zueinander stehen.1 Dieser Begriff vom Frieden wäre ein positiv gefüllter Begriff: Friede ist dann viel mehr als die bloße Abwesenheit von Krieg und Gewalt. Die philosophisch-spirituelle Rede vom »inneren Frieden« kann hier sehr gut anknüpfen: Der innere Friede, den wir in Mystik und Philosophie erstreben, ist sicher mehr als die pure Abwesenheit von Stress und Streit. Für viele ist er mit Trost und innerer Ruhe verbunden.

Lebensphilosophie und Spiritualität lehren uns, den Frieden im Sinne einer inneren Zufriedenheit zu verstehen. Dann fragen wir: Was sättigt mich? Was erfüllt mich mit Frieden? Welche Bedürfnisse wollen befriedigt sein, sodass im Alltag ein tragfähiger innerer Friede möglich wird? Das Bild einer Katze, die soeben ihr Lieblingsmenü verzehrt hat und deshalb friedvoll schnurrt, kann uns hierbei helfen. Oft stellt sich innerer Friede dort ein, wo etwas in uns zufrieden gestellt wurde. Und es ist gut, die leibliche Dimension, für die das Bild der Katze steht, auch wirklich ernst zu nehmen. Wir Menschen besitzen allerdings auch die Fähigkeiten der Vernunft. Deshalb stellen sich zum menschlichen Frieden mehr Fragen als bei Haustieren. Alle Aspekte unseres Lebens müssen berücksichtigt werden. Deshalb lohnt es zu fragen: Welche Sehnsucht, welche Fähigkeiten kennen wir (kenne ich) als Lebewesen mit Vernunft? Inwiefern sind wir (bin ich) zu einem tieferen Frieden in der Lage als ein Haustier wie die erwähnte Katze? Wann kann der Mensch mit Leib, Seele und Geist, wann kann ich mit meinem Leib, mit meiner Seele und mit meinem Geist spürbar Frieden finden? Geistliche Übungen können helfen, diesen Fragen nachzugehen.

Friedensforschung: negativer und positiver Friede

Die Unterscheidung zwischen negativem und positivem Frieden stammt aus der politisch motivierten Friedensforschung. Eingeführt wurde sie von Johan Galtung, einem norwegischen Friedensforscher. Galtung versteht unter positivem Frieden die Abwesenheit von struktureller (indirekter) Ungerechtigkeit und Gewalt.2 Ein negativer Friedensbegriff, der nur auf die Abwesenheit direkter Gewalt fokussieren würde, ist für Galtung unzureichend: So könnte die indirekte Gewalt ungerechter Gesellschaftsstrukturen übersehen werden, obwohl Unterdrückung, Ausbeutung und Verarmung so weit gehen können, dass auch sie zum Tod führen. Ein Beispiel für einen negativen Frieden, der nicht genügen kann, wäre die Pax Romana: Von 27 v. Chr. an erlebte das Römische Reich einen über 200 Jahre anhaltenden inneren Frieden. Die römischen Städte blühten auf, viele profitierten durch Sicherheit und Wohlstand. Dennoch war dieser Friede ein römischer Friede, der den anderen Völkern von außen aufgezwungen wurde. Kleinere Aufstände schlugen die Römer blutig nieder. Obwohl es keine nennenswerten Bürgerkriege gab, herrschte in vielerlei Hinsicht strukturelle Gewalt. Nach den Begriffen Galtungs muss die Pax Romana deshalb als negativer Friede gelten.

Vor dem Hintergrund der Defizite eines solchen negativen Friedens forderten die deutschen Bischöfe vor ein paar Jahren, dass wir in Gesellschaft und Politik gezielt nach »gerechtem Frieden« suchen sollten.3 Das Anliegen ist sehr verständlich: Ein ungerechter Friede, der auf Ausbeutung beruht und Konflikte gewaltsam unterdrückt, dürfte den Namen »Friede« kaum verdienen. Solange systemische Ungerechtigkeiten nicht beseitigt werden, droht direkte Gewalt immer neu aufzubrechen. Das gilt für unseren sozialen Nahbereich genauso wie für Staaten, die ethnische oder religiöse Minderheiten unterdrücken.

Der positiv gefüllte Friedensbegriff wird allerdings zu Recht auch kritisiert: Die Idee des positiven Friedens gilt als vage, da unklar ist, wann tatsächlich Gerechtigkeit verwirklicht ist. Zudem kann die Idee vom positiven Frieden zur Rechtfertigung von Gewalt herangezogen werden. Dann könnte die je eigene Vorstellung vom gerechten Frieden im Extremfall den Einsatz von Waffen legitimieren. Wenn existierende gesellschaftliche Strukturen nur noch als Systeme struktureller Gewalt betrachtet werden, dann kann der Kampf gegen das System schnell als Einsatz für den »besseren« positiven Frieden und damit als gut und richtig erscheinen.

Oft dürfte es eine subtile Versuchung sein, mit Verweis auf ungerechte Strukturen militärische Gewalt für legitim zu halten. Gewalt ist auch dann nicht einfach gut, wenn der herrschende Friede (etwa in Libyen) noch kein gerechter Friede ist. Die Unterscheidung von positivem und negativem Frieden scheint den »negativen Frieden« zu Unrecht abzuwerten. In Zeiten von Krieg und militärischen Konflikten wie z.B. im Sudan oder in der Ukraine fragen viele, ob ein Ende der Waffengewalt nicht an sich schon einen Gewinn darstellen würde. Wie viel Leid könnte so verhindert werden? Wer Frieden eher im Sinne eines »negativen« Begriffs als Abwesenheit von Krieg und direkter Gewalt versteht, muss die bestehenden Ungerechtigkeiten nicht automatisch gutheißen. Er hätte auch unabhängig von seinem Begriff von Frieden die Möglichkeit, Ungerechtigkeit zu kritisieren. Friede im Sinne einer bloßen Waffenruhe ist zu wenig. Allerdings wäre mit dem Ruhen der Waffen in manchen Situationen doch sehr viel gewonnen.

Sind begriffliche Unterscheidungen wirklich nötig?

Manche werden fragen, wieso wir das Anliegen des Friedens mit so vielen Überlegungen erschweren sollten. Handelt es sich bei Unterscheidungen wie jener vom negativen und positiven Frieden nicht um unnötige Quisquilien? Um Belanglosigkeiten, die für die Praxis letztlich ohne Bedeutung sind? Wäre nicht Engagement für den Frieden alles, was zählt? Aus der Sicht der ignatianischen Spiritualität und ihrer Theologie kann eine solche Pragmatik nicht genügen. Ignatianisch ist Spiritualität dann, wenn die Wirklichkeit differenziert wahrgenommen und alle Fragen und unsere menschlichen Reaktionen klug unterschieden werden. Nur so können die vielen Aspekte von Frieden und Unfrieden ganz in den Blick kommen. Wo ein falscher oder trügerischer Friede herrscht und wo nicht; inwiefern Gewalt ethisch legitim sein könnte oder nicht; was eine Spiritualität des Friedens sein und leisten kann, und inwiefern der Friede eine »Frucht des Geistes« (Gal 5,22) sein könnte – all diese Fragen verlangen Unterscheidungen. Engagement ist meistens gut. Blindes Engagement kann allerdings auch viel zerstören.