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Autor:innen schreiben für die Ukraine: Unter dem Hashtag "Miteinanda für die Ukraine" setzten Dutzende von Autor:innen ein solidarisches Zeichen und griffen zur Schreibfeder. Ob romantisch, sinnlich, leidenschaftlich, liebevoll, fantastisch oder nachdenklich, alle Kurzgeschichten haben eins gemeinsam: Sie haben ein Happy End und erzählen von Liebe, Hoffnung, Glück und Neuanfängen.
Mit dem Kauf der Benefizanthologie "Friedensboten" unterstützen Sie die gemeinsame Spendenaktion "Wir für Ukraine" der "Caritas" und der "Kleinen Zeitung".
Sämtliche Autor:innen sowie der Verlag verzichten auf ihr Honorar und ihre Bezahlung. Alle Einnahmen kommen der Spendenaktion zugute.
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Seitenzahl: 232
Veröffentlichungsjahr: 2022
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© HOMO Littera Romy Leyendecker e. U.,
Am Rinnergrund 14, A-8101 Gratkorn,
www.HOMOLittera.com
E-Mail: [email protected]
Grafik und Gestaltung: Rofl Schek
Cover: Pray for Ukraine © famveldman by AdobeStock.com
Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet.
Handlung, Charaktere und Orte sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.
Originalausgabe: November 2022
ISBN Print: 978-3-99144-012-3
ISBN PDF: 978-3-99144-013-0
ISBN EPUB: 978-3-99144-014-7
ISBN PRC: 978-3-99144-015-4
Friedensboten
Impressum
Einleitung
Friedensboten
Für unsere kleinen Leseratten
Kerstin Breitler: Pauline Schnickschnack treibt schon wieder Schabernack
Für unsere kleinen und großen Leseratten
Ava Cooper: Die Macht der Manipulation oder Image ist alles
Katharina Gerlach: Das letzte Rentier
Für unsere großen Leseratten
Bea Berg: Die große Jugendliebe
Monika Grasl: Von Göttern und Müttern
Andreas Hufschmidt: Allah ist geduldig
Andreas Hufschmidt: Als die Frauen die Geduld verloren
Andreas Hufschmidt: Oskar und das Wunder
Ludwig Karrell: Order L0v5
Rewa Kasor: Battleangel
Margarita Kinstner: Das stärkste Gemüse der Welt
Margarita Kinstner: Die Altenkrankheit
Steve Krämer: Jeblaoui
Drew Leylan: Der Liebesstein
Stefanie Maurer: Das Reine
Cathy J. McGorrey: Der Schwur des Highlanders
Kaia Rose: Manchmal kommt es anders
Kaia Rose: Zur Sicherheit auf Abstand
Norbert Schäfer: Dixieland
Elke Schleidt: Liebe überwindet Zeit und Raum
Heidi Stehbach-Braunreuther: Das Weihnachtsgeschenk – Lara und Lukas
Martin A. Völker: Einmal den Untertischwein, bitte
Romy Weiß: Dirty Charly
Gisela Witte: Der Peacemaker
Autor:innen von A bis Z
Berg, Bea
Braunreuther, Heidi
Breitler, Kerstin
Cooper, Ava
Gerlach, Katharina
Grasl, Monika
Hufschmidt, Andreas
Karrell, Ludwig
Kasor, Rewa
Kinstner, Margarita
Krämer, Steve
Leylan, Drew
Maurer, Stefanie
MCGorrey, Cathy J.
Rose, Kaia
Schäfer, Norbert
Schleidt, Elke
Völker, Martin A.
Weiß, Romy
Witte, Gisela
Unsere Unterstützer
Unsere Benefizanthologien
Friedenszeit
Friedensboten
Friedensfreunde
„Wenn die Macht der Liebe über die Liebe zur Macht siegt, wird die Welt Frieden finden.“, wusste schon Jimi Hendrix zu sagen. Es ist immer schwer, die passenden Worte für eine Einleitung einer Benefizanthologie zu finden, vor allem dann, wenn die Hintergründe so schwerwiegend und bedrückend sind.
Am 24. Februar 2022 begann der russische Überfall auf die Ukraine, eine vom russischen Präsidenten W. Putin befohlene Invasion, die auf das gesamte Staatsgebiet abzielt und den seit 2014 gärenden Russisch-Ukrainischen Krieg eskalieren ließ. Am 7. März rechtfertigte das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche den Angriff auf die Ukraine in der Sonntagspredigt mit einer „Loyalitätsprüfung“ zwischen Ost und West. Es sei seiner Meinung nach eine Zumutung für Menschen, Schwulenparaden ertragen zu müssen (Quelle: Bayrischer Rundfunk, Russischer Patriarch: Schwulenparaden sind Hauptgrund für Krieg, 07.03.2022).
Homophobie als Rechtfertigung für das Verbrechen am ukrainischen Volk und den Verstoß gegen das Völkerrecht heranzuziehen, ist mehr als absurd. Als Österreichs erster Verlag für ausschließlich homosexuelle Literatur wollten wir deshalb ein Zeichen setzen und allen Menschen aus der Ukraine helfen. Unter dem Motto: #Miteinanda für die Ukraine riefen wir die Benefizanthologie „Friedenszeit“ ins Leben. Wir suchten Autor:innen, die auf ihr Honorar verzichten und uns mit einer Kurzgeschichte unterstützen würden.
Alle guten Dinge im Leben sind bekanntlich DREI, und neben den Menschen aus der Ukraine leiden auch die Tiere an den verheerenden Folgen des Krieges. Tiere können nicht für sich sprechen, sie brauchen ein Sprachrohr – und das werden wir an dieser Stelle gerne sein. Unsere dritte Benefizanthologie „Friedensfreunde“ für die Tiere in und aus der Ukraine entdeckte das Licht der Welt. Abermals baten wir Autor:innen um ihre Unterstützung, und auch dieses Mal erhielten wir wunderbare Beiträge.
#Miteinanda kreierten wir drei großartige Benefizanthologien für den guten Zweck. Sämtliche Einnahmen der Anthologien „Friedenszeit“ und „Friedensboten“ gehen an die gemeinsame Spendenaktion der Caritas und Kleinen Zeitung „Wir für Ukraine“. Alle Einnahmen der Anthologie „Friedensfreunde“ gehen an den Verein Vier Pfoten und sein Notfallprojekt „Hilfe für die Ukraine“, das sich auch an die zurückgelassenen Tiere vor Ort richtet.
Wenn man ein Projekt aus Liebe und Solidarität ins Leben ruft und innerhalb weniger Tage so viel Zuspruch und Unterstützung erfährt, geht einem das Herz auf. So ist es nur logisch, dass hinter einem Projekt wie diesem, das die Eigenschaft hatte, sich selbst zu vermehren, eine Vielzahl an Personen steckt, ohne die es niemals möglich gewesen wäre, die Benefizanthologien zu veröffentlichen.
Als Verlegerin von HOMO Littera verbeuge ich mich deshalb zutiefst vor allen Autor:innen und bedanke mich von ganzem Herzen für euer Engagement und euren Einsatz. Herzlichen Dank, dass ihr ein Teil des Projektes #Miteinanda für die Ukraine seid. Es ist nicht selbstverständlich, auf sein Honorar zu verzichten und kostenlos einen Beitrag zur Verfügung zu stellen. Ein großes DANKESCHÖN dafür.
Ebensolcher Dank gilt meinem Team. Ihr habt nicht nur auf eure Bezahlung verzichtet und ehrenamtlich gearbeitet, ihr habt das Projekt auch in allen Belangen unterstützt. Vielen Dank für euren unermüdlichen Einsatz und eure Hilfe.
Dank gebührt auch unseren Unterstützern, die am Ende der Anthologie noch einmal aufgeführt sind. Ohne euch hätte sich die Umsetzung des Projektes viel schwieriger gestaltet. Vielen Dank für eure Hilfe.
Der größte Dank geht aber an alle Leser:innen und Käufer:innen. Mit dem Erwerb dieses Buches unterstützen Sie Menschen und Tiere aus der Ukraine, die durch den Krieg viel zu viel verloren haben. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für mehr Liebe, Solidarität und Frieden. Vielen Dank, dass Sie sich für den Kauf von „Friedenszeit/Friedensboten/Friedensfreunde“ entschieden haben.
In diesem Sinne bleibt mir nicht mehr viel zu sagen. Möge sich die Situation der Ukraine bald stabilisieren und wieder Frieden in das Land einkehren. Denn schon Mutter Teresa wusste: „Das Leben ist Liebe, und die Frucht dieser Liebe ist Frieden. Das ist die einzige Lösung für alle Probleme der Welt.“
Herzlichst
Romy Gorischek
Verleger und Geschäftsführer HOMO Littera
Pauline Schnickschnack ist ein junges aufgewecktes Mädchen. Sie ist gerade zwölf Jahre alt geworden und geht liebend gerne in die Schule. Dort hat sie auch viele Freunde. Pauline hat auch noch eine kleine Schwester, Philippa, die aber alle nur Pippi nennen. Sie ist erst ein paar Monate alt, und somit kann Pauline mit ihrer Schwester noch nicht so toben und spielen, wie sie es mit ihren Freunden in der Schule gewohnt ist.
Pauline wohnt mit ihrer Schwester und ihren Eltern in einem großen Haus in der Nähe eines Waldes in Schnickschnackhausen. Dieser Wald machte Pauline, vor allem wenn es dunkel wurde, immer schreckliche Angst, weil tief aus dem Wald immer so komische Geräusche kamen. Paulines Papa erklärte ihr, dass sie sich nicht fürchten solle, diese Geräusche kämen nämlich von den vielen unterschiedlichen Tieren, die im Wald wohnen, aber Pauline hatte trotzdem Angst – weniger vor den Tieren, denn sie liebte Tiere, als vor der Dunkelheit, die den Wald umgab.
Eines Nachmittags spielte Pauline mit ihrer besten Freundin Emma auf der großen Wiese vor dem Wald. Da hörten die beiden Mädchen ein seltsames Winseln. Pauline rannte sofort in Richtung des Waldes, da sie sich ja immer nur fürchtete, wenn es dunkel war, aber Emma meinte, dass es besser sei, nicht alleine in den Wald zu gehen.
Pauline sagte darauf nur: „Komm schon, du Hasenpfote, ich bin ja bei dir, und wir gehen auch nicht tief in den Wald!“
„Na gut, aber ich muss bald nach Hause“, antwortete Emma.
Auf einmal krachte es, als würde ein dicker Ast entzweibrechen.
Die beiden Mädchen folgten unbeeindruckt dem Winseln im Wald.
Emma jammerte ständig: „Pauline, das ist keine gute Idee, es wird bald dunkel und ich muss nach Hause.“
Aber Pauline hörte ihrer Freundin gar nicht zu. Sie war neugierig, wo das Winseln herkam und vor allem, welches Tier sich dahinter verbarg. Ihr Papa hatte ihr ja erklärt, sie brauche sich nicht zu fürchten, da im Wald viele Tiere wohnten – und vor Tieren fürchtete sich Pauline gewiss nicht. Es war eben die Dunkelheit, die ihr Angst machte.
Obwohl Emma ein ungutes Gefühl hatte, folgte sie ihrer besten Freundin, und da kamen die neugierigen Mädchen auf eine Lichtung mit einer riesigen grünen Wiese, die inmitten des Waldes lag.
Eine Hasenmutter mit ihren vier Jungen hüpfte an ihnen vorbei und blieb vor den Mädchen verwundert stehen. „Du bist Pauline, oder?“
Stotternd und total überrascht, dass sie von einem Hasen angesprochen wurde, antwortete Pauline: „Äh, jjjjaa!“
Sie sah Emma verwundert an, aber Emma stand nur mit offenem Mund da und sagte dann zu Pauline: „Sag mal, bin ich verrückt, oder hat dich der Hase gerade was gefragt?“
Pauline musste lachen, obwohl sie es auch kaum fassen konnte, dass die Hasenmutter ihren Namen kannte. „Nein, nein, du bist nicht verrückt, ich habe es auch gehört!“
Die Hasenmutter, völlig unbeeindruckt von den verwunderten Mädchen, erklärte ihnen, dass sie sich im Zauberwald befinden würden und hier alle Tiere und Pflanzen sprechen könnten.
Pauline war begeistert. Immer schon wollte sie wissen, was Tiere so denken. Emma hingegen musste sich einen Moment setzen, aber als sie ihren Popo am Wiesenrand auf den Waldboden plumpsen ließ, hörte sie eine weitere Stimme: „Au, geh runter, du sitzt auf meinem Fuß!“
Emma stand auf und blickte entlang eines hohen Baumes empor. Sie sah, dass der Baum knapp unter der Krone ein Gesicht hatte.
„Äh, tut mir leid. Entschuldigung.“ Mehr fiel ihr dazu nicht ein. Sie rannte wieder auf die Wiese, wo sich Pauline immer noch mit der Hasenmutter unterhielt, die ihr eine kleine Geschichte erzählt hatte. „Pauline, lass uns nach Hause gehen, hier wird es immer unheimlicher. Gerade hat mich ein Baum angequatscht!“
„Das ist meine Freundin Emma, sie ist noch ein wenig ängstlich, aber das legt sich bald“, sagte Pauline zur Hasenmutter. Dann flüsterte sie Emma kurz zu, dass ihr die Hasenmutter gerade eine Geschichte erzählte, und auch Emma wurde hellhörig.
„Ihr müsst wissen, die Tiere hier im Wald konnten nicht immer sprechen, aber seit Timi Schabernack in der Hütte nicht weit von hier mit seinem Hund wohnt, kann man uns Tiere und Pflanzen sprechen hören.“
„Aber warum?“, fragte Pauline neugierig.
Die Hasenmutter, ihr Name war Hoppla, meinte nur: „Tja, meine Liebe, das weiß nur der große Meister Bobo!“
Emma, noch immer verwundert und völlig aus dem Häuschen, dass sie mit einem Hasen sprechen konnte, fragte Hoppla: „Wer zum Teufel ist Meister Bobo?“
Hoppla antwortete: „Das ist das größte Tier hier im Wald und sozusagen der Bürgermeister von uns Tieren!“
„Ach sooooo! Na dann! War ja klar, dass ihr hier einen Bürgermeister habt. Wie konnte ich nur so dumm fragen“, sagte Emma.
Pauline wollte von Hoppla wissen, ob sie mit Meister Bobo sprechen könne, aber Hoppla meinte, dass er bereits ein brummiger alter Bär sei, der nicht gerne Besuch bekomme.
Das war Pauline aber egal, sie musste herausfinden, warum die Tiere in diesem Wald sprechen konnten und was es mit Timi Schabernack auf sich hatte.
Als bereits die Dämmerung anbrach, bedankten sich die beiden Mädchen bei der Hasenmutter Hoppla und liefen nach Hause. Pauline war bereits auf dem Heimweg fest entschlossen, am nächsten Morgen wieder in den Wald zurückzukommen, um Meister Bobo zu suchen, denn sie musste der Sache auf den Grund gehen.
Zu Hause angekommen, verabschiedete sie sich noch schnell von ihrer Freundin Emma, die immer noch völlig ahnungslos aus der Wäsche guckte, ihr aber versprach, am nächsten Morgen wieder mit in den Wald zu kommen.
***
Die Sonne strahlte am nächsten Tag mit Pauline um die Wette. Ungeduldig wartete sie im Garten auf Emma.
Als diese gemütlich um die Ecke schlenderte, rief ihr Pauline ungeduldig entgegen: „Na endlich, da bist du ja. Ich dachte schon, du kneifst!“
„I wo“, sagte Emma, „ich will doch wissen, was Meister Bobo zu sagen hat. Aber ein bisschen mulmig ist mir schon. Ist dir eigentlich klar, dass wir beide freiwillig einen alten brummigen Bären suchen?“
Pauline konnte ihr Lachen kaum verbergen, verstand aber, dass Emma Angst hatte. „Wenn die Tiere nicht sprechen könnten, würde ich das sicher nicht tun!“, meinte sie zu ihrer besten Freundin.
Die beiden machten sich auf den Weg in den Wald, denn Pauline konnte sich noch an die Wegbeschreibung erinnern, die ihr die Hasenmutter Hoppla am Vortag verraten hatte.
Nach gefühlten zwei Stunden Umherirren, nachdem sie links beim großen Eichenbaum falsch abgebogen waren und wieder umkehren mussten, kamen sie endlich zur angekündigten Höhle von Meister Bobo. Vorsichtig näherten sie sich.
Jetzt war auch Pauline etwas mulmig zumute. Sie fasste all ihren Mut zusammen und rief in die Höhle: „Meister Bobo, bist du da? Wir wollen dich nicht stören, aber wir müssen dich etwas ganz Wichtiges fragen!“
Es dauerte nicht lange, da hörten Pauline und Emma ein lautes Brummen, als ob der Bär sich gerade gestreckt hätte. Dann sahen die Mädchen in zwei große dunkle Augen. Meister Bobo war zum Ausgang seiner Höhle gekommen.
„Was wollt ihr hier?“, sagte der Bär brummig.
Pauline legte gleich los und plapperte ohne Punkt und Komma. Das war eine Angewohnheit von ihr. Immer wenn sie nervös war, redete sie umso mehr und vor allem in doppelter Geschwindigkeit als sonst. Selbst Emma hatte Schwierigkeiten, ihrer Freundin zu folgen.
Meister Bobo unterbrach sie und sagte: „Langsam, langsam, junges Fräulein. Wenn du so schnell sprichst, stellen sich einem ja die Bärenhaare auf!“ Er rümpfte kurz seine Nase, sah die Mädchen nochmals prüfend mit seinen großen Augen an und sagte: „Gut, wenn ihr es unbedingt wissen wollt, warum die Tiere in diesem Wald sprechen können, will ich es euch erzählen.“ Mit einem lauten RUMS ließ sich der Bürgermeister des Waldes auf seinen Po fallen, und Pauline und Emma setzten sich auf den großen Stein, der direkt vor Meister Bobos Höhle lag.
Als Meister Bobo mit seiner Geschichte fertig war, wussten Pauline und Emma, dass auf den Tieren ein Zauber lag, sie aber nicht darüber sprechen durften. Das durfte nur Meister Bobo. Timi Schabernack wollte den Tieren helfen, wurde aber vom Zauberer Wurzelknopf dazu verdammt, ewig mit seinem Hund im Wald zu wohnen. Im Gegensatz zu den Tieren wurde Timi Schabernack allerdings damit bestraft, dass er nicht mehr sprechen konnte. Der Zauber der Tiere sowie der über Timi Schabernack konnte, so erklärte es ihnen zumindest Meister Bobo, nur durch den Saft einer äußerst seltenen Blume gebrochen werden. Diese Blume mit dem Namen „Zimtschneckenkersi“ würde den Zauber nur brechen, wenn sie von einem kleinen Mädchen gefunden würde. Den Namen hatte diese Blume, weil sie nach Zimt roch und sich zusammenrollen konnte, eben wie eine Zimtschnecke.
Konnte das wirklich wahr sein? Sollte Pauline diese Mädchen sein – und wie sollte sie diese Pflanze finden? Konnte sie auch Timi Schabernack helfen?
Das und vieles mehr steht aber auf einem anderen Blatt, denn Pauline Schnickschnack treibt eben gerne Schabernack.
„Hilfe!“ – „Ein Ungeheuer!“
Aufgeregt kreischen die Menschen durcheinander, als sie mich mitten unter sich erblicken. Manche von ihnen begnügen sich damit, ihre Angst herauszuschreien, andere kommen gleich mit gezücktem Schwert auf mich zu und zielen nach mir.
Ich seufze, denn daran bin ich mittlerweile gewöhnt. Einen Stich versetzt mir diese Reaktion dennoch. Was kann ich schließlich dafür, dass mein Antlitz das Zerrbild eines menschlichen Gesichts und mein Körper plump ist? Auch die grüne Haut macht mich nicht hübscher, das weiß ich. Doch ich habe mir dieses Aussehen nicht ausgesucht, verdammt noch eins – wir Goblins werden so geboren!
Wenn unsere Schöpfer uns wenigstens so gewaltig gemacht hätten wie die Trolle, wäre mir das ja egal, dann hätten die Menschen zumindest Respekt vor uns. Aber nein, wir werden kaum größer als ihre Kinder. Damit denkt jeder – absolut jeder! – er könnte sich mit uns anlegen.
Fluchend weiche ich einem besonders vorwitzigen Schwert aus, das meiner Bauchdecke bereits gefährlich nahe kommt. Ich verziehe das Gesicht zu einer noch abscheulicheren Fratze und brülle schauderhaft. Mit einem erschrockenen Quieken verzieht sich der Angreifer und sucht so schnell das Weite, als ob ich ihm sonst seine Seele aussaugen würde. Doch auch das können wir nicht. Eigentlich sind wir Goblins zu gar nichts in der Lage – außer Angst und Schrecken zu verbreiten. Aber darin sind wir wirklich unschlagbar.
Ich lache leise, weil der Markt, der eben noch rappelvoll gewesen ist, wie ausgestorben wirkt. Niemand ist mehr hier, nicht einmal die Händler. Vor lauter Angst, mein hässliches Gesicht könnte sie versteinern, haben sie all ihre Waren zurückgelassen. Vor mich hin pfeifend bediene ich mich an den Ständen und suche alles zusammen, was ich für die nächsten Monate brauche. Das meiste finde ich in unmittelbarer Nähe der Höhle, die ich bewohne. Aber auch ein Naturgeist wie ich genießt ganz gerne mal einen Schnaps oder einen guten Wein. Außerdem könnte ich eine neue Keule brauchen. Die letzte habe ich zerschlagen, als ein paar Halbstarke versucht haben, mich einzufangen, um ihren Mut zu beweisen.
Diese Idioten! Dachten sie wirklich, sie könnten einfach in meine Höhle hineinspazieren und ich ergebe mich?
Denen habe ich natürlich gezeigt, dass wir Goblins zwar klein, aber stark und zäh sind. Nachdem ich ihnen einige Schläge mit der Keule verpasst habe, haben sie sich endlich verzogen.
Ich suche gerade nach einem Stand mit Waffen, als auf einmal eine belustigte Stimme erklingt: „Und, hast du jetzt alles, was du brauchst?“
Erstaunt drehe ich mich um. Wer war so mutig – oder dämlich – hierzubleiben? Mein Blick fällt auf eine junge Frau. Sie sitzt auf einer Bank, schlürft in aller Gemütsruhe ein Bier und grinst mich an. Sie ist nicht hübsch, dafür ist ihre Nase zu groß, ihr Mund zu klein und ihr Gesicht zu kantig, aber sie hat eine Ausstrahlung, wie sie nur wenige ihres Volkes haben. Allerdings kann sie mich nicht bezirzen. Ich bin ein Goblin, kein närrischer Mann – und ich will meine Besorgungen in Ruhe erledigen. Dabei stört sie mich. Also setze ich wieder mein furchtbarstes Gesicht auf und brülle. Der Schrei ist sogar noch schrecklicher als der davor. Die junge Frau bleibt allerdings gänzlich unbeeindruckt davon. Sie trinkt einfach weiter ihr Bier und schaut mich an. Weder Furcht noch Abscheu ist in ihrem markanten Gesicht zu erkennen, sondern nur gespannte Erwartung. Verblüfft schließe ich den Mund, ersticke den Schrei.
„Danke. Ich hatte schon Angst, mein Bier wird sauer.“
Immer noch verdattert, starre ich sie an. „Wer bist du?“, frage ich endlich. „Und warum hast du keine Angst vor mir?“
„Wieso sollte ich mich vor dir fürchten?“, prustet sie los. „Wir wissen beide, dass du wenig kannst, außer Grimassen zu ziehen und zu brüllen.“
Das kratzt nun aber an meiner Ehre. „Also, ich kann noch vieles mehr!“, entrüste ich mich.
„Aha. Und was?“
„Ich kann …“ Weiter komme ich nicht, denn mir fällt tatsächlich nichts ein. Mein Volk hat weder den Erfindergeist der Zwerge noch das Geschick der Elfen – von deren Liebreiz einmal ganz abgesehen. Schließlich erkläre ich stolz: „Ich kann mit Insekten sprechen!“
„Wirklich?“
Ich nicke.
„Und … hat dir das schon einmal irgendwie geholfen? Verdienst du dadurch Gold?“
„Na ja, eigentlich nicht.“ Ich kratze mich an meiner knubbeligen Nase. „Aber ich kann Menschen damit ärgern! Du solltest mal sehen, wie die Leute rennen, wenn ein Schwarm Wespen auf sie zufliegt. Erst vor Kurzem, da hat eine Familie beim Picknick so viel Krach gemacht, dass sie meinen Mittagsschlaf gestört haben. Also habe ich meinen Kumpeln, den Wespen gesagt, etwas Leckeres würde auf sie warten. Schon hatte ich wieder Ruhe.“ Ich schütte mich vor Lachen schier aus bei der Erinnerung.
Die Frau, die vielleicht doch nicht so jung ist, wie ich anfangs dachte, schüttelt mit sanftem Tadel den Kopf. „Und was hast du dafür bekommen?“
„Na, meine Ruhe!“
„Das ist ja nett. Aber findest du nicht, du hättest etwas mehr verdient für all die Arbeit, die du dir gemacht hast?“
„Äh … wie meinen?“
Sie hat jetzt ihr Bier ausgetrunken und stellt das Glas neben sich ab. Voller Elan springt sie auf und kommt auf mich zu. Vor mir geht sie in die Hocke – wie Menschen das mit ihrem Nachwuchs machen. Diese Geste ärgert mich, denn ich bin zwar klein, aber kein Kind. Im Gegenteil, ich bin fast 150 Jahre alt und damit sicher um ein Vielfaches älter als sie. Andererseits ist es deutlich angenehmer, mit jemandem zu sprechen, dem man in die Augen schaut, anstatt auf seine Brust zu starren – zumal mich dieses Attribut nicht reizt; weder bei einer Menschenfrau noch bei einem Menschenmann und erst recht nicht bei meinem Volk.
„Ich sehe schon, du hast viel zu lernen.“ Ihr Tonfall wirkt belustigt, nicht belehrend.
Dennoch ärgere ich mich kolossal über ihre Worte, aus denen Herablassung spricht. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass sie etwas weiß, von dem ich keine Ahnung habe, und das macht mich schier wahnsinnig. „Was soll ich denn lernen?“, frage ich daher weit weniger bockig als geplant.
„Na, wie du reich und berühmt wirst!“
Vor lauter Verblüffung steht mir der Mund sperrangelweit offen. „Reich und berühmt? Ich?“
Sie nickt. Wieder starre ich sie an. Zuerst denke ich, ich hätte mich verhört. Aber sie sieht mich todernst an. Sofort breche ich in schallendes Gelächter aus. „Der ist gut, haha! Du vergisst wohl, wo wir sind? Das ist Märchenland; hier stehen nur die Schönen und Guten im Rampenlicht. Die Prinzen und Prinzessinnen! Die Feen und Elfen! Oh, und natürlich die Einhörner. Die sind ja so süß.“ Ich stecke mir den Finger in den Hals und tue so, als ob ich mich übergeben müsste.
„Ganz recht“, stimmt sie mir zu, obwohl das dem widerspricht, was sie mir so vollmundig versprochen hat. „Die Geschichten sind voller edelmütiger Heldentaten von den Guten, die über das Böse triumphieren.“
Ich schaue sie erwartungsvoll an, warte auf die Pointe. Doch anstatt weiterzureden, lächelt sie mich begeistert an. „Verstehst du, was ich dir sagen will?“
Öhm, nein, denke ich. Aber vor dieser überheblichen Frau möchte ich nicht zugeben, dass ich völlig im Dunklen tappe, worauf sie hinauswill. Also nicke ich vorsichtig und hoffe, sie verrät mir endlich ihren genialen Plan.
Doch sie scheint eine ähnliche Neigung zur Grausamkeit zu haben wie mein Volk. Sie grinst mich nämlich rotzfrech an und fordert mich auf: „Dann sag es mir!“
„Na ja, ich … du … äh … Ich weiß es nicht“, gebe ich zu. Mist, jetzt hält sie mich nicht nur für einen Nichtsnutz, sondern für einen dummen Nichtsnutz. Warum es mir wichtig ist, was sie von mir denkt, ist mir schleierhaft. Normalerweise ist mir das bei Menschen schnuppe. Das Einzige, was ich von diesen nervigen Wesen will, ist, dass sie mich fürchten. Aber bei dieser Frau würde ich am liebsten Rad schlagen wie ein Pfau, damit sie meine Qualitäten erkennt.
Jetzt lächelt sie wieder, tätschelt sogar meinen Kopf – und ich lasse es geschehen; grinse vielmehr wie ein Idiot zurück.
„Die Macht der Manipulation“, murmelt sie. Als ich sie fragend anschaue, holt sie zu einer Erklärung aus: „Hier im Märchenland geht es nur um eins: ums Image. Jeder hat seine Rolle und erfüllt sie perfekt. Dafür gibt es Lob, dafür gibt es Gold. Zumindest für die Guten. Richtig?“ Ich nicke. „Aber was wären all die edlen Helden denn ohne die Bösen? Ohne die Monster, Dämonen und Goblins?“ Sie schaut mich bedeutungsvoll an. „Was ist mit euch?“
So langsam verstehe ich, was sie meint. Verdammt, sie hat so recht! Immer bekommen nur die Guten eine Belohnung und den Ruhm. Wir dagegen erhalten einen Tritt in den Hintern, und die Menschen rennen vor uns weg, wenn sie uns sehen. „Ja, das tue ich. Das ist nicht fair, dass ich immer verlieren muss! Ich will auch einmal siegen. Zu Ruhm und Gold gelangen. Vor allem zu Gold.“
„Sehr gut. Jetzt verstehen wir uns.“ Dabei blitzen ihre Augen zufrieden auf.
Ich grinse sie an, erfreut, das Rätsel endlich gelöst zu haben. Dann gefriert mir das Lächeln auf den Mundwinkeln. „Aber … aber wie soll ich das denn erreichen? Schau mich an! Niemand will, dass jemand wie ich gewinnt. Ich bin der geborene Verlierer! Dazu hat man mich erschaffen.“
Sie hebt den Zeigefinger und fuchtelt damit vor meiner Nase herum. „Nicht doch“, sagt sie. „Es kommt nicht auf das Aussehen an, sondern auf das Image.“
Zweifelnd schaue ich sie an. „Das mag in anderen Welten vielleicht stimmen, aber hier im Märchenland sind die Guten immer schön. Immer!“
„Dann ist es wohl an der Zeit, das zu ändern.“ Tatendrang funkelt auf in ihren Augen. „Gib mir sechs Monate; danach sehen die Leute dich in einem anderen Licht.“
Diesen Optimismus und dieses Selbstvertrauen hätte ich auch gerne. Ich schnaube. „Und wieso?“
„Weil ich dich anleite, wie du dein Image aufpolierst. Ich werde dir sagen, was du anziehst, was du sagst, was du tust und was du denkst. Dann ist der Ruhm dein.“
Noch immer kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand mir erlauben würde, auch einmal zu gewinnen. Aber ihre Überzeugungskraft beginnt allmählich Wirkung zu zeigen. Es wäre schön, meine wenigen Talente zu vergolden. Wenn jemandem das gelänge, dann vermutlich dieser Frau.
„Was hast du zu verlieren?“, schiebt sie nach. „Probiere es sechs Monate aus. Wenn es nicht klappt, kannst du immer noch weitermachen wie bisher. Aber wenn du Erfolg hast – und ich sage dir, das wirst du! – ist das der Jackpot.“
Eine Weile schaue ich sie nachdenklich an. Es klingt einleuchtend, was sie da sagt. Was ist schon ein halbes Jahr für jemanden wie mich? Viel schlimmer kann es nicht werden. Also nicke ich begeistert. „Na gut. Ich mache es!“ Dann fällt mir etwas ein. „Warum hilfst du mir eigentlich?“
Sie lacht. „Umsonst ist das natürlich nicht. Ich will die Hälfte deiner Einnahmen.“
„So viel! Das ist Wucher.“
Sie zuckt mit den Schultern. „Das ist der Deal. Nimm ihn an, oder lass es bleiben.“
„Ein Viertel“, versuche ich zu feilschen.
Aber da bin ich bei ihr schief gewickelt. Sie faucht mich an: „Wir sind hier nicht auf einem indischen Basar! Ich verlange so viel, weil ich gut bin. Also überleg dir, was du willst: weiter Menschen erschrecken, im Dreck leben und wie ein Dieb über einen Markt geistern, oder Ruhm und Gold.“ Sie hält mir die Hand hin; fordernd, nicht bittend. „Tick, tack – die Zeit läuft. Es gibt genügend andere, die mehr sein möchten als eine Randnotiz in einer Geschichte.“
Ich starre sie an, suche fieberhaft nach einer Möglichkeit, ihren Anteil zu senken. Andererseits: Ein halber Reichtum ist besser als nichts. Den Ruhm, den würde ich schließlich alleine bekommen. Kurz entschlossen schlage ich ein.
Sie grinst zufrieden. „Du wirst es nicht bereuen. Denn, Baby, ich bin jetzt deine Agentin!“
Von den Ästen des toten Baumes, auf den Lucy geklettert war, starrte sie auf die ausgetrocknete und rissige Erde, die sich bis zum Horizont erstreckte, und war froh über ihre Schutzbrille.
„Was glaubst du, wie weit es noch bis zum Nordpol ist?“, rief sie ihrem jüngeren Bruder zu. Sie hatte Seth im Beiwagen des Motorrads zurückgelassen, wo er vor dem Sand geschützt war, den der Wind mit sich führte.
„Santa Close schafft es über Nacht, also kann es nicht mehr weit sein“, sagte der Siebenjährige mit so kräftiger Stimme wie schon lange nicht mehr. Sein herzförmiges Gesicht war ein Hoffnungsschimmer in der düsteren Umgebung.