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Wie immer hockt Stipe, ein junger Kroate, zur Spätvorstellung allein in seinem Kinosessel, bereit, in die Sneak der Woche abzutauchen. Aber der Film geht nicht los. Denn zwei 15jährige Mädchen, nur scheinbar zufällig im Zuschauersaal, wollen, dass endlich mal was Richtiges passiert. Die "Deutschländer"-Türkin Figen findet ihre heile Familie so uncool wie Kirsten aus dem Osten ihr asoziales Elternhaus mit dem gewalttätigen Bruder abgefuckt. Die aggressive Mischung aus Lebensgier und –angst sucht dringend ein Ventil, und mit einer Wette stacheln sich die beiden Freundinnen gegenseitig an: Schafft man es, einen fremden Jungen zum Heulen zu bringen? Stipe erweist sich als gut gecastetes Versuchsobjekt: Ahnungslos wird er in dem abgekarteten Spiel voller weiblicher Raffinesse zwischen Verführung und Zurückweisung, Provokation und Demütigung hin- und hergeworfen, bis endlich sein wundester Punkt getroffen ist. Ein verdrängtes Kriegstrauma bricht an die Oberfläche, und die beiden Mädchen erleben, dass bei einem hemmungslosen Spiel mit Gefühlen letztlich keiner heil davonkommt. Eingebettet in jugendliche Kommunikationsmuster und Sprachcodes lotet Kristo Šagor eine spannende Dreiecksgeschichte aus - mit psychologischem Gespür, voller Spielwitz und überraschenden Wendungen.
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Veröffentlichungsjahr: 2014
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© 2014Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH
Schweinfurthstraße 60, 14195 Berlin
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ISBN978-3-8442-7818-7
Figen
Stipe
Kirsten
für Katja Mühlbauer, Schwester
Christine Ochsenhofer, Klaus Schumacher, Konradin Kunze
Maureen Havlena und Rebecca Hohmann –
danke für die ergiebigen Improvisationen
im Dezember 2002 und Januar 2003.
Januar 2003
Ein nächtlicher Kinosaal
Kirsten sitzt in ihrer Jacke in der mittleren Reihe genau in der Mitte, auf diffuse Weise aufgeregt, bemüht, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen.
Nichts geschieht.
Stipe kommt herein, setzt sich in die letzte Reihe in die Mitte, selbstverständlich, fachmännisch. Kirsten sieht sich nach ihm um, grinst in sich hinein, unterdrückt das Grinsen.
Nichts geschieht.
Figen kommt herein, unsicher, scheint das erste Mal in diesem Raum zu sein. Sie setzt sich ziemlich weit nach vorne, etwas weiter nach außen. Kirsten beobachtet sie, grinst in sich hinein, unterdrückt das Grinsen. Figen registriert, aber übergeht Kirstens Blick.
Nichts geschieht.
STIPE Der letzte Film war der Untergang.
KIRSTEN Hm?
STIPE Letzte Woche. Ne Liebeskomödie. Magst du Liebeskomödien?
KIRSTEN Ja, sind okay.
STIPE Ich finde sie zum Kotzen. Verlogen und peacig, einfach Dreck.
KIRSTEN Geschmackssache.
STIPE Janein, ich meine. So einfach ist das alles eben nicht, wie die dir einreden wollen, dass es ist. Am Ende kriegt der Held seine Ische, ja, oder? Die Heldin kriegt ihren Kerl. Alles widerlicher Schwachsinn. Oder noch besser: drei Paare auf einmal!
KIRSTEN Ist doch okay.
STIPE Du bist ja naiv. Wie alt bist du?
KIRSTEN Geht dich nichts an.
STIPE Ich frag nur.
Schweigen
STIPE Ist dir schon mal aufgefallen, dass es jedes Jahr wieder den erfolgreichsten Film aller Zeiten gibt? Jedes Jahr? Das ist alles Geldmacherei. Die wollen uns alle machen, wollen uns aussaugen. Die Zahlen sind definitiv manipuliert.
KIRSTEN Schon klar.
STIPE Denkst du über so was nicht nach?
KIRSTEN Ich denk über andere Sachen nach.
STIPE Zum Bleistift?
KIRSTEN Hast du gerade zum Bleistift gesagt?
STIPE Ja, wieso?