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Eigentlich hätte Patrick gern einen großen Bruder, aber das ist naturgemäß nicht mehr möglich. Außerdem sollen große Brüder nerven. Davon weiß Patricks Freund Valentin ein Lied zu singen. Doch nun ist ein Bruder unterwegs. Patrick hat die Eltern belauscht. Aber es gibt ein Problem: Der Bruder wird vielleicht niemals sprechen können. Denn sein Bruder wird mit Trisomie zur Welt kommen. "Inhaltlich überwältigt "Patricks Trick" durch hinreißend pragmatischen Optimismus und unverkitschte Lebensbejahung. Formal begeistert der Text, indem jede Szene eine Spiel-Fundgrube für ein Virtuosenduo ist, ohne dies zum Selbstzweck zu machen. Und angesichts der vielen Sprechstile, von Danijels ruppigem "Verpiss dich" bis zum Celan-Zitat des Professors gilt für das ganze Stück, dass es den gut Zuhörenden lehrt, "richtig zu sprechen". Wobei es das Zuhören mit seinem lakonischen Witz zum Vergnügen macht." (Andreas Jüttner in seiner Laudatio zum Baden-Württembergischen Jugendtheaterpreis 2014)
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Seitenzahl: 36
Veröffentlichungsjahr: 2014
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© 2014Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH
Schweinfurthstraße 60, 14195 Berlin
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ISBN978-3-7375-0054-8
Patrick, elf Jahre alt Sein Bruder, noch gar nicht geboren
Valentin, sein bester Freund Seine Schwester, lieber nicht Sein Vater Seine Mutter Herr Hansen, streng Danijel, gefährlich Der kroatische Boxer Frau Schlepper, Deutsch Die Gemüsefrau, behindert Professor Milch
Patrick und sein Bruder werden von zwei männlichen Schauspielern gespielt, die auch die zehn anderen Figuren spielen, Männer wie Frauen. Genauer gesagt: Die beiden Schauspieler spielen Patrick und seinen Bruder, die wiederum die anderen Figuren spielen.
Es sind nur die Figurenwechsel notiert, z.B. „(alsValentin)“ oder „(flüstertalsseinVater)“. Steht vor einer Rede von Patrick (oder seinem Bruder) also keine Angabe, wer spricht, wird diese Rede von der zuletzt angegebenen Figur gesprochen, in die Patrick (oder sein Bruder) geschlüpft sind.
Streng genommen treffen wir keine Entscheidungen, es sind die Entscheidungen, die uns treffen.
Patrick steht wie ein Alleinunterhalter.
PATRICK Ich kriege einen Bruder. Ich wollte immer schon einen Bruder. Gut, eigentlich wollte ich immer einen großen Bruder. Valentin hat einen, und er sagt, sein großer Bruder nervt. Aber das glaub ich ihm nicht.
SEIN BRUDERals Valentin Doch, der nervt wirklich.
PATRICK Wie gesagt, glaub ich ihm nicht. Denn sein Mund lächelt, wenn er sich über seinen Bruder aufregt. Sein Bruder leiht sich Valentins Fahrrad ohne zu fragen, weil sein eigenes gerade nen Platten hat und weil der zu faul ist, das zu reparieren. Und Valentin ärgert sich nicht. Das heißt, er tut so, als würde er sich ärgern, aber... Ja, oder sein Bruder nimmt Valentins MP3-Player, weil er seinen eigenen nicht findet. Und Valentin ärgert sich nicht, aber er tut so, als / (würde er sich) –
SEIN BRUDER Hey, der nervt total rum, der / (kann doch nicht) –
PATRICK In Wirklichkeit ist er stolz. Ja. Stolz, daß sein Bruder sein Fahrrad oder seinen MP3-Player nimmt. Das nenn ich n Luxusproblem. Papa nennt sowas ein Luxusproblem.
SEIN BRUDERals sein Vater Patrick, das nenn ich n Luxusproblem.
PATRICK Genau so. Oder:
SEIN BRUDER Patrick, deine Luxusprobleme möcht ich haben!
PATRICK Klingt immer so, als würd er sich grade vorstellen, wie das wär, im Lotto zu gewinnen.
SEIN BRUDERals er selbst, kleiner Streit Aber du kriegst ja gar keinen großen Bruder.
PATRICK Und wenn doch?
SEIN BRUDER Und wie soll das gehen?
PATRICK Keine Ahnung? Adoption vielleicht?
SEIN BRUDER Son Quatsch.
PATRICK Na klar gibts das. Manche Eltern adoptieren ältere Geschwister, sogar aus anderen Ländern.
SEIN BRUDER Ja, manche Eltern.
PATRICK Okay. Okay. – Also, die dachten, ich schlafe, ja? Sitzen in der Küche und reden. Reden ganz leise. Das machen die immer nachts, wenn sie glauben, ich schlafe. Tu ich normalerweise ja auch. Aber manchmal bin ich eben wach. Als ich das rausgekriegt habe, war ich acht. Damals gings um Weihnachtsgeschenke. Ich wollt gar nicht hören, was ich kriege. Das heißt, ich wollte es natürlich doch hören. Und als ich es dann gehört hatte, wußte ich, es wär besser gewesen, ich hätts nicht gehört: Ich wußte vier Wochen im voraus, was ich kriege. Vier Wochen! Und die ganze Zeit habe ich so getan, als wäre ich aufgeregt wie jedes Jahr. Mama wäre sonst traurig gewesen. Sie hatten gespart. Also hab ich denen was vorgespielt. Voll das Elend. Das Schlimmste war das Auspacken unterm Baum. Wie sie mich beobachtet haben, und ich tu nur so als ob. Irgendwie habe ich bis zuletzt gehofft, vielleicht ist ja doch was anderes im Paket.
SEIN BRUDER Zum Beispiel ein Bruder.
PATRICK Haha. Egal. Also, dieses Mal bin ich aufgewacht und mußte aufs Klo. Und die dachten, ich schlafe. Sitzen in der Küche und reden. Reden ganz leise.
SEIN BRUDER