Führungsverantwortung - Christoph Brechtel - E-Book

Führungsverantwortung E-Book

Christoph Brechtel

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Beschreibung

Christoph Brechtel ist Diplompsychologe, Psychotherapeut, Managementtrainer und Coach. In seinem neuen Buch stellt er seine Erfahrungen und Erkenntnisse zusammen, die er bei tpm (Team für Psychologisches Management, Beratungsgesellschaft mbH) gesammelt hat. Er setzt das Thema "Führungsverantwortung" in Zusammenhang mit Unternehmenszielen und Unternehmenskultur. Dabei ergibt sich ein sehr konkretes strategisches Konzept von Führung und Personalentwicklung global agierender Unternehmen. Seine Ausführungen sind nicht theorieorientiert sondern vielmehr eine pragmatische Darstellung sinnvoller Personalentwicklungsmaßnahmen. Dabei beschreibt er auch seine persönlichen Erfahrungen und bezieht Stellung zu den jeweiligen Themen. Für Führungskräfte (und solche, die es werden wollen) bietet das Buch einen Einblick, welche Prozesse Unternehmen zur Verfügung stellen, um die eigene Karriereplanung zu unterstützen. Für Personalentwickler und Berater ist es eine Zusammenstellung der Personalentwicklungsinstrumente, welche sich nicht nur in den vergangenen Jahrzehnten bewährt haben, sondern auch die künftige Unternehmenskultur nachhaltig positiv beeinflussen. Für Unternehmer ist es nicht nur ein Überblick über das "talent management", sondern zeigt auch auf, wie die jeweiligen Auswahl- und Förderungsprozesse auf das eigene Unternehmen "maßgeschneidert" angepasst werden können.

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… für tpm …

Christoph Brechtel

Führungsverantwortung

Psychologie und Unternehmenskultur

www.tredition.de

© 2015 Christoph Brechtel

Lektorat: Eva Vornberger, Bernd Schätzle

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

978-3-7323-3680-7

(Paperback)

978-3-7323-3681-4

(Hardcover)

978-3-7323-3682-1

(e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Alle beispielhaft in diesem Buch vorgestellten Personalentwicklungsinstrumente sind das Ergebnis jahrzehntelanger Erfahrung und Entwicklungsarbeit des Teams für Psychologisches Management, Beratungsgesellschaft mbH. Die geschilderten Konzepte wurden und werden in bekannten Unternehmen und Organisationen in Teilen oder als Gesamtkonzept (auch international) umgesetzt. Sie dienen dazu, die jeweilige Führungsphilosophie und Unternehmenskultur unter der Perspektive der Organisationspsychologie zu optimieren.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Worum geht es?

Der Unterschied zwischen Manager und Führungskraft

Der Wert der Arbeit

Die Führungspersönlichkeit

Führung und Führungsstile

Führerzentriert

Gruppenzentriert

Dezentriert

Flexible Führung

Empathische Führung

Typische Führungsfehler

Motivierende Führung

Führung von Teams

Führung bei Veränderung

Das KVP-Prinzip

Beurteilung

Sympathie-Effekt

Äußere Erscheinung

Stereotype

Hof-Effekt

Feedback-Regeln

Das Beurteilungsgespräch

Die Vorgesetzten-Beurteilung

Individuelle Potenzialeinschätzung

Das Bewerbergespräch

IPEV

Pers onalentwicklungs-Instrumente

Schlüsselqualifikationen

Die „Big Five“

Und was erwarten Mitarbeiter?

Und was wird in Zukunft von Führungskräften erwartet und gefordert?

Kompetenzmodelle

Fachkompetenz und Führungskompetenz

Faktoren und Dimensionen

Interkulturelle Kompetenz

Identifizierung von Führungspotenzial

Fachliche, methodische, soziale und persönliche Kompetenzen

Gruppenauswahlverfahren

Methodische Prinzipien

Assessment-Center

Development-Center

Orientierungs-Center

Audit

Mitarbeiter fördern

Seminare, Trainings, Workshops

Förderkreis und Führungskolleg

Coaching und Mentoring

„On-the-Job“ & Projekte

Führungskultur als Projekt

Zukunft der Berater

Schlussbemerkung

Stichwort-Verzeichnis

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Über tpm

Über den Autor

Vorwort

Zurzeit quellen die „Newsletters“ von Management- Netzwerken (wie z.B. Harvard Business oder Xing), Blogs, Websites (Zeit Online, Welt, Forbes etc.) geradezu über zum Thema „Neues Führen“ und „Führungsverantwortung“.

Dies geschieht in regelmäßigen Abständen. So etwa alle fünf bis zehn Jahre.

Schon bei der Gründung von tpm (Team für Psychologisches Management Beratungsgesellschaft mbH) bauten wir auf eine Eigenkonzeption von Führung auf, mit der psychologischen Perspektive eines flexiblen und mitarbeiterorientierten Führungsstils, der gleichzeitig aber auch einen eindeutigen Gestaltungs- und Steuerungsanspruch beinhaltet. Schön, dass dieser heute wieder als „nötiger denn je“ gefordert wird. Mit der aufschäumenden Welle der „Emotionalen Intelligenz“ der 1990er und 2000er Jahre sprach man von „empathischer Führung“, die von manchen Beratern auch als „Psychofalle“ missverstanden wurde. Die „moderne“ Führungskraft von heute ist ein Partner der Mitarbeiter, aber - trotz „Fürsorgepflicht“ - nicht ihr Therapeut. Ich glaube nicht einmal, dass jemals ein Vorgesetzter ernsthaft daran gedacht hat, den Psychotherapeuten zu spielen. Viele haben ja nicht einmal Zeit zum Führen!

Das Thema „Führungsverantwortung“ ist in meinen Ausführungen unter zwei Perspektiven beschrieben:

Die erste Perspektive ist das individuelle Führungsverhalten einer Führungskraft in ihrer Position. Die zweite Perspektive ist das Führungsverständnis (die „Führungsleitlinien“ und Unternehmenskultur) des Unternehmens.

Somit setzt sich das Buch mit den täglichen Anforderungen an einen Vorgesetzten (oder einen, der es werden will) auseinander, also: Führung, Führungsverhalten, Personenwahrnehmung, Potenzialeinschätzung, der Umgang mit Mitarbeitern etc. Und ebenso wird die Führungskultur und die Personalentwicklung von Unternehmen beschrieben, also: Schlüsselqualifikationen oder Kompetenzen, die von einer Führungskraft erwartet werden. Und wie Führungskräfte diese diagnostizieren und fördern.

Natürlich gibt es bei diesen Perspektiven eine Schnittmenge. Zumindest wäre das eine berechtigte Hoffnung! Denn wenn die Ziele einer Organisation weder etwas mit den Zielen von Vorgesetzten noch mit denen von Mitarbeitern zu tun haben, dann haben alle eine völlig unterschiedliche Motivation und es wird in diesem Unternehmen kein einvernehmliches Arbeitsklima herzustellen sein, geschweige denn eine Identifikation mit dem Produkt oder dem Unternehmen.

Abbildung 1: Spannungsfeld der Ziele

Somit gehört es unter anderen auch zu den Merkmalen eines erfolgreichen Vorgesetzten, dass er den „Spagat“ schafft, die eigenen Ziele (dazu gehören neben den beruflichen auch die privaten und familiären Ziele) mit denen der Kollegen, der Mitarbeiter und des Unternehmens unter einen Hut zu bekommen. Und in diesem Spannungsfeld die Beziehungen gestaltet und Ziele umsetzt, also Ergebnisse auf einer klaren Wertebasis erzeugt.

Also nicht die Übersicht verlieren und Gelassenheit bewahren!

Worum geht es?

„Leadership is not about ability, it‘s about responsibility!“

Den Spruch habe ich in dieser oder ähnlicher Form schon so oft gehört, dass es nicht mehr zu recherchieren ist, wer diesen Satz ursprünglich geprägt hat; aber dieses Zitat trifft den Nagel auf den Kopf!

Beim Führen von Mitarbeitern geht es also nicht darum, ob jemand über eine bestimmte (Management-) Fähigkeit („ability“) verfügt, sondern ob jemand bereit ist, die persönliche Verantwortung („responsibility“) für Mitarbeiter zu übernehmen.

Auch wenn diese Äußerung von Managementtrainern oder Vorständen viel zitiert wird, sieht die Realität in Unternehmen oft anders aus. Zum einen beschäftigen sich die meisten Führungstheorien vor allem mit den Managementtechniken und weniger mit der Beziehungsgestaltung zu den Mitarbeitern. Zum anderen wird bei der Beförderungspraxis immer noch meist derjenige befördert, der über das beste Fachwissen verfügt, weil sein Vorgesetzter ihm damit seine Anerkennung und Wertschätzung ausdrücken möchte, oder weil er selbst auf diese Weise zum Vorgesetzten wurde.

Hohes Fachwissen ist selbstverständlich sehr wertvoll für jedes Unternehmen, prädestiniert aber noch nicht hinreichend zur Übernahme von Führungsverantwortung, sondern eher zur Übernahme von Expertenrollen. Viele Unternehmen, die Wert auf ein professionelles Talent-Management legen, trennen die Qualifizierungsmaßnahmen für Experten und Führungskräfte, da in ihren Positionen unterschiedliche Anforderungen gestellt werden.

Bevor jemand seine erste Führungsaufgabe wahrnimmt, erhält er im besten Fall ein Führungstraining, das ihn auf seine Aufgaben vorbereiten kann. Diese Maßnahmen sind in den jeweiligen Unternehmen von unterschiedlicher Qualität. Sie reichen von einfachen Trainingsmaßnahmen bis hin zu mehrstufigen, an Lernzielen orientierten Förderkreisen („top talent groups“) und Coaching. Je intensiver jemand die Chance hat, sich mit seiner künftigen Rolle und mit sich selbst auseinanderzusetzen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass seine Mitarbeiter gerne und mit Engagement für ihn und das Unternehmen arbeiten.

Bei kurzen – meist 1-3 tägigen – Führungstrainings, werden in der Regel nur Managementtechniken vermittelt. Da werden Führungsaufgaben und dazugehörige Methoden besprochen, manchmal auch Mitarbeitergespräche in Rollenspielen eingeübt oder auch strategische Führungsgrundsätze des Unternehmens und rechtliche Grundlagen diskutiert etc. Das Thema Mitarbeiter-Förderung und Motivierung kommt meist zu kurz. Eine echte Rollenklärung und was es für die einzelne Führungskraft persönlich bedeutet, Verantwortung für Mitarbeiter zu übernehmen, ist in dieser Kürze gar nicht zu vermitteln.

Auffällig ist, dass ausgerechnet Investitionen in die Führungsqualifizierung und Personalentwicklung immer dann, wenn es einem Unternehmen schlechter geht, den Sparmaßnahmen als erstes zum Opfer fällen. Warum ist das ein Fehler?

Betriebswirtschaftler nennen schlagwortartig drei Kriterien, die es einem Unternehmen ermöglichen, erfolgreicher als andere zu sein: Kapital, Technologie und Mitarbeiter.

Tatsache ist, dass Kapital (durch günstige Unternehmenskredite, Kapitalerhöhung etc.) in der Regel zu beschaffen ist. Der technologische Vorsprung, den ein Unternehmen meist mit sehr hohen Entwicklungskosten erreicht, wird (das sieht man sehr anschaulich bei Automobilunternehmen) von der Konkurrenz nach nur wenigen Monaten aufgeholt. Und dieser Technologievorsprung war ja bereits eine Leistung der Mitarbeiter. Was also bleibt, sind engagierte Mitarbeiter, die „dranbleiben“. Deren Fähigkeiten sind letztendlich die Garantie für die Qualität der Arbeitsprozesse und deren Führungsqualifikationen sind die Garantie für ein innovationsförderliches Unternehmensklima. Wer also dafür sorgt, dass Mitarbeiter sich für ihre Aufgabe engagieren und hochqualifizierte Führungs- und Nachwuchsführungskräfte das Unternehmen nicht verlassen, also Identifikation und Bindung erzeugt, der kann seinen Vorsprung langfristig halten und immer wieder nachjustieren.

Unternehmen, die in die systematische Entwicklung ihrer Führungskräfte investieren, erhalten nicht nur hervorragend ausgebildete Vorgesetzte, sondern verbessern ihre Unternehmenskultur auf allen Ebenen.

Wie das geht, steht in diesem Buch. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Formulare oder „Produkte“, die Trainingsinhalte oder Personalentwicklungsmaßnahmen als „Rezept“ beschreiben, sondern um grundsätzliche Vorstellungen und persönliche Erfahrungen, die ich in über drei Jahrzehnten als Trainer und Coach zusammen mit meinen Kollegen von tpm gesammelt habe.

Hin und wieder weise ich auf einzelne Überschneidungen zu meinem Buch „Wer wir sind und wie andere uns sehen“ (2013) hin. Darin geht es um Menschenkenntnis und die Wahrnehmung von Personen. Für das vorliegende Buch habe ich den einen oder anderen Abschnitt daraus unter der Perspektive des Führungsverhaltens - je nach Bezug kürzer oder ausführlicher - überarbeitet.

PS: Noch eine Bemerkung zum sprachlichen Ausdruck. Es macht den Text schwer lesbar, immer Mitarbeiter/in, etc. zu schreiben. Deshalb bitte ich Sie, zu akzeptieren, dass gegebenenfalls bei der Nennung der maskulinen Form immer auch die feminine mitgedacht ist.

Der Wert der Arbeit

Wozu arbeiten wir überhaupt?

Wolf Lotter zitiert in einem Artikel des Wirtschaftsmagazins „brand eins“ eine Studie der INQA („Initiative Neue Qualität der Arbeit“, eine Organisation, die von Bund, Ländern, Gewerkschaften, Stiftungen, Privatunternehmen und Sozialversicherungsträgern getragen wird) aus dem Jahr 2008. Demnach besteht „Gute Arbeit“ für 92% der Befragten in einem „festen, verlässlichen Einkommen“, 88% halten die „Sicherheit des Arbeitsplatzes“ für wichtig, 85% meinen, dass „Arbeit auch Spaß machen“ soll und 83% wären bereits zufrieden, wenn man von Vorgesetzten eine „Behandlung als Mensch“ erfahren würde. Die Selbstbestimmung oder Selbstwirksamkeit, einer der wichtigsten Motivationsfaktoren (siehe auch Kapitel: „Motivierende Führung“) scheint dagegen nur für 58% eine Rolle zu spielen.

Dieses Ergebnis zeichnet das Bild der traditionellen Erwerbsarbeit der zurückliegenden Jahrzehnte. Wie bei allen Studien erhält man natürlich auch hier nur die Antworten, nach denen gefragt wird. Dass sich Erwerbsarbeit, die sich den Regeln von Unternehmen und Prozessen unterzuordnen hat, der Vergangenheit angehört, sagte die Politphilosophin Hannah Arendt (1906-1975) schon in den 1950er Jahren voraus: Der modernen Gesellschaft gehe die Arbeit aus „und damit die einzigeTätigkeit, auf die sie sich noch versteht.“ Ich habe im vorigen Kapitel schon angedeutet, dass diese Art der Arbeit immer mehr von Robotern übernommen wird. Und zwar, schneller, fehlerfreier und billiger. Somit stimmt es, dass uns „diese Art der Arbeit“ ausgeht. Und dies wird in Zukunft immer mehr auch für intelligente Tätigkeiten („Wissensarbeit“) gelten. Immer schneller und komplexer denkende Maschinen werden das Berufsbild einer Führungskraft nachhaltig verändern. Bisher war es ihre Aufgabe, Situationen zu analysieren, strategische Entscheidungen zu treffen und Mitarbeitern Orientierung zu geben. Bei der rasanten Weiterentwicklung von „intelligenten Robotern“, die allmählich auch immer besser auf Emotionen reagieren können, glauben viele, dass diese neuen Maschinen auch Arbeitsplätze in der „Wissensarbeit” übernehmen könnten.

Jedenfalls wird man künftig dem Thema Technologie noch mehr Raum geben müssen. Irgendwie wird dadurch jedes Unternehmen zu einem Technologie-Unternehmen. McKinsey rät daher, sich einen CDO (= Chief Digital Officer) zu leisten, der die technologische Entwicklung voranbringt. Für alle Unternehmen wird insbesondere das Thema Cybersicherheit immer wichtiger. Dennoch wird die Entwicklung nicht in Richtung „Cyborg“ oder „Roboter-Weltherrschaft“ gehen. Die Wirtschaft braucht nicht immer mehr Technokraten, sondern vor allem auch immer mehr Führungskräfte.

Denn für Weiterentwicklung, Innovation und originelle Unternehmens-Startups braucht es immer noch Menschen. Diese müssen sich jedoch mehr denn je mit der Digitalisierung auskennen.

Unternehmen wollen ja Gewinne erzielen, aber „gewinnen” heißt nicht, durch Automatisierung immer noch schneller und billiger zu werden! Oft genügt es, alte Verhaltensweisen und Gewohnheiten „spielerisch“ zu beeinflussen. Die großen Erfolge z.B. von Apple, Google oder Facebook liegen darin begründet, dass sie es geschafft haben, unsere Kommunikationsgewohnheiten und die Nutzung von Informationen grundlegend zu verändern.

Allerdings haben Unternehmen auch dreißig Jahre nach der Erfindung des Internets und fünfzehn Jahre nach der Gründung von Google große Probleme, mit deren Dynamik und mit den Veränderungen umzugehen, die diese laufend anstoßen. Die „digitale Umwandlung“ (Digital Transformation) ist zwar in aller Munde, aber die meisten tun sich schwer, diese erfolgreich zu gestalten. Bewährte Prozesse und Strukturen aufzugeben und neue Risiken aus dem digitalen Tagesgeschäft einzugehen, führt zu Unbehagen. Uwe Schuricht (Gründer der Personalberatung „Change Group“) weist darauf hin, dass ein erfolgreiches Unternehmen aus der analogen Welt, das keine eigenen E-Commerce-Mitarbeiter („Digital Natives“) aufbaut und keine eigene Sprache in der digitalen Welt entwickelt, Gefahr läuft, über kurz oder lang den Anschluss an seine Kunden zu verlieren. Ein Unternehmen, das bei der Digitalisierung nicht die Veränderungen beachtet, die durch die rasante Entwicklung des Internets entstehen, wird auf große Schwierigkeiten stoßen. Der Veränderungsprozess steht in vielen traditionsreichen Unternehmen noch am Anfang. In Deutschland sind wenige Unternehmen die Digital Transformation mit so großer Entschiedenheit angegangen wie das 1946 gegründete Unternehmen Axel Springer S.E., über 60 Jahre der größte europäische Zeitungsverlag. (Dort war übrigens Uwe Schuricht beratend zuständig für Personalentwicklung und Unternehmenskommunikation, bevor er sein eigenes Unternehmen gründete.)

Weitere Beispiele, wie solch eine Veränderung bzw. Anpassung an die neuen Marktgegebenheiten gelingen oder misslingen kann, sind die beiden großen Versandhäuser Quelle und Otto. 1951 baute Gustav Schickedanz Quelle wieder auf. Die Innovation war eine elektronische Versandanlage, die damals die erste „Paketfabrik“ der Welt war (100.000 Pakete pro Tag). Der Konkurrent Otto sowie das neue Startup von Amazon (1994) wurden nicht ernst genommen. Die Verbesserung bestand lediglich in der Weiterentwicklung bestehender Prozesse, also keine radikale Innovation. Radikale Erneuerungen sind aber immer auch ein Risiko für große Unternehmen. Daher sind es die jungen (kleinen) Firmen, welche die Etablierten in Bedrängnis bringen. Otto hat - im Gegensatz zu Quelle - die Gefahren und Chancen des Internets früh erkannt. 1995 eröffnete das Unternehmen seinen ersten Online-Shop. Seit 2008 investiert es in junge Firmen, die frische Ideen für den Online Handel mitbringen. Das erspart teure Übernahmen! Quelle existiert nicht mehr, Otto expandiert.

Manchmal sind es ganz einfache Ideen, die sich enorm verbreiten (siehe Facebook, Twitter oder Hotelportale). Manchmal entstehen erfolgreiche IT-Ideen in Universitätsprojekten oder werden von Studenten erfunden, z.B. „Yahoo“ (Stanford University). Oder es expandieren bestimmte Unternehmensbereiche so stark, dass sie aus einer Organisation ausgegliedert, selbstständig werden oder an die Börse gehen.

Aus der Gründung (1962) der Firma „Maschinenmiete“ (ursprünglich die Idee z.B. Schreibmaschinen zu mieten statt zu kaufen) entwickelte sich ein Unternehmen, das schließlich ganze Büros und Bürohäuser vermietete: Die Deutsche Bank Leasing, die komplette Finanzierungsinstrumente für alle möglichen Firmen anbietet.

1999 wurde die Firma Salesforce gegründet (Vermietung von Software statt Kauf derselben) und ist heute der führende Anbieter von Cloud- Computing-Lösungen.

Selten kommen solche Ideen aus den eigenen Reihen großer Unternehmen, die durch ihr Wachstum oft zu einem riesigen, unflexiblen „Bürokratie-Monstrum“ mutieren (wie die Autorin Katja Scherer es bezeichnet), „in dem es selbst für das Kaffeekochen Verordnungen gibt.“

Es hat sich auch nicht bewahrheitet, dass sich unsere Arbeitswelt grundsätzlich in die Richtung einer größeren Selbstbestimmung ändert, die einige Philosophen immer mal wieder vorhergesagt haben. Den immer noch herumgeisternden Begriff der „Work-Life-Balance” hält der deutsche Zukunftsforscher Matthias Horx für eine Illusion und wir haben diesen Begriff schon immer für irreführend gehalten. Nachvollziehbar: Wie will man das trennen oder ausbalancieren? Arbeit ist Leben und umgekehrt. Er schlägt vor, eher von Integration oder Work-Life-Dynamik (die hoffentlich nicht zur Hektik wird) zu sprechen. Im besten Fall können sich beide befruchten, indem Tätigkeiten und Eigenschaften sowohl die Arbeit als auch das Leben bereichern.

Die aktuelle dramatische Auswirkung auf die heutige Arbeit war von früheren Philosophen nicht vorherzusehen. Laut einem Artikel im „Harvard Business Manager“ (2014) müssen sich heute Manager mit durchschnittlich 30.000 Nachrichten pro Jahr herumschlagen. In den 1970er Jahren waren es nur 1.000. Den Führungskräften läuft die Zeit für effektives, konzentriertes und kreatives Arbeiten davon. Auch die Zahl der „Meetings“ nimmt zu und es lässt sich auch nicht einfach ignorieren, dass diese immer ineffektiver werden. So wird Zeitmanagement und Prioritätensetzung immer wichtiger.

In einer Forsa-Studie (2014) wandelt sich aber auch das Bild der oben zitierten INQUA-Umfrage von 2008: Arbeit ist nicht alles! Für mehr Freizeit und Konzentration auf die Familie finden sich erste Mehrheiten, auch wenn dann weniger verdient wird. Nur „malochen“ ist kein Lebensinhalt! Immer mehr Beschäftigte (und auch Führungskräfte) denken über den Sinn ihres Tuns nach und suchen nach neuen Ideen. Seit einigen Jahren wird von einigen Politikern und Unternehmern das „Grundeinkommen“ diskutiert. Jeder soll so viel Geld erhalten, dass er damit leben kann, ohne dafür arbeiten zu müssen. Damit würden das Arbeitslosengeld und die Sozialhilfe (zusammen mit den dazugehörenden Personalkosten) wegfallen; der Rest wäre finanzierbar. Dann arbeiten nur diejenigen, die das auch selbst bestimmt wollen und Sinn darin sehen.