Für immer und noch ein bisschen länger - Barbara Leciejewski - E-Book
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Für immer und noch ein bisschen länger E-Book

Barbara Leciejewski

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Beschreibung

Bewegend und voller Herzenswärme – nach Fritz und Emma der neue Bestseller von Barbara Leciejewski Jeremias ist tot. Dabei wollte Anna mit ihm den Rest ihres Lebens verbringen. Nun lebt sie seit sechs Jahren alleine in der einst gemeinsamen Wohnung und unterhält sich in Gedanken mit ihrem toten Verlobten. Doch dann wird ihr gekündigt und sie braucht dringend eine neue Unterkunft. Sie landet schließlich in einer Senioren-WG. Hier ist zwar keiner unter 70, aber dafür lassen alle einander in Ruhe. Das ist Anna sehr recht, denn sie möchte nur alleine sein und sich in ihrem Schmerz auflösen. Doch irgendwann bemerkt sie, dass ihre Mitbewohner:innen offenbar alle einen Grund hatten, sich von der Welt zurückzuziehen. Und sie beschließt, sie wieder ins Leben zurückzuholen. Auch wenn sie dafür selbst ihre Trauer loslassen muss.

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Für immer und noch ein bisschen länger

BARBARA LECIEJEWSKI wollte schon als Kind Schriftstellerin werden, strebte jedoch zunächst einen »richtigen« Beruf an und zog fürs Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft nach München. Nach verschiedenen Jobs am Theater und einer Magisterarbeit über Kriminalromane arbeitete Barbara Leciejewski als Synchroncutterin. Die Liebe zum Schreiben ließ sie allerdings nie los, inzwischen hat sie sieben Romane veröffentlicht und ist glücklich in ihrem Traumberuf.

Vielleicht klammert sich die Seele an dem Ort fest, wo sie am glücklichsten war. Vielleicht sitzen die Menschen, die wir geliebt und verloren haben, unsichtbar bei uns auf der Bettkante und sehen uns beim Schlafen zu. Vielleicht sind sie immer bei uns. Was wissen wir schon? Anna zog sich von allem zurück, igelte sich ein – in dieser Wohnung, an dem Ort, an dem es Jeremias noch gab. Ihre Freunde gaben es auf, sie aus ihrer Isolation hervorlocken zu wollen. Sie wollte keine Sätze hören wie »Das Leben geht weiter« oder »Jeremias hätte nicht gewollt, dass du dich so hängen lässt«. Sie wollte nicht mit diesen Leuten über ihre »Situation« reden. Sie redete mit Jeremias.

Barbara Leciejewski

Für immer und noch ein bisschen länger

Ullstein

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Originalausgabe im Ullstein Paperback© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: www.buerosued.deTitelabbildung: © Alina Zhidovinova / Trevillion ImageAutorenfoto: © GonzálesE-Book powered by pepyrus.com

ISBN: 978-3-8437-2732-7

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

28. Juni 1988

1.Mayer, Meier und Lewandowski

2.Altbau

3.All Nations Welcome

22. November 2019

4.Mitbewohner gesucht

5.Wir haben geschlossen

6.Die Wohngemeinschaft

1. Februar 2020

7.Der Tisch

9 Jahre zuvor (März 2011)

8.Willkommen

25. Februar 2020

9.Die ersten Tage

6. März 2020

10.Abgesagt

24 Jahre zuvor (Sommer 1996)

11.Solveigs Lied

12.Alles Anders

21. März 2020

13.Montag

14.Das Gegenteil von ausziehen

24. März 2020

15.Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft

16.Superman und sein Robin

17.Michel oder Die Sache mit dem Pferd

7 Jahre zuvor (28. Juni 2013)

18.O sole mio

11. April 2020

19.Gunillas Geschichte

11. April 2020

20.Fragen und Felsbrocken

21.Salbeitee mit Rose

Ende April 2020

22.Victor Hugo

23.Tabus

26 Jahre zuvor (September 1994)

24.Freunde

25.Luise

26.Kein Glück

27.Nachwehen

8 Jahre zuvor (2012)

28.Verschlossen

29.Heinrich

26. Mai 2020

30.Der richtige Zeitpunkt

31.Die komplette Anna

32.Kater

33.Trost

34.Sun

35.Happy End

36.Außer Haus

37.Ohne Wand

38.Gunilla zwinkert

28. Juni 2020

28. Juni 2021

Danksagung

Leseprobe: In Liebe, deine Lina

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

28. Juni 1988

Widmung

Für meinen Bruder,dem ich im Grunde jeden meiner Romane widme.Für immer …

28. Juni 1988

Eben noch hatte er die Nabelschnur durchtrennt. Eben noch hatte sie ihre neugeborene kleine Tochter im Arm gehalten, hatte gestrahlt. »Ist sie nicht schön? Pitti, schau, ist sie nicht schön?«, hatte sie zu ihm gesagt.

»Bildschön«, hatte er geantwortet. »Aber sie müsste dringend zum Friseur.«

Sie hatten gelacht. Sie hatten doch gerade noch gelacht.

Jetzt rannten sie alle herbei, Ärzte, Schwestern, er wurde weggeschoben, nach draußen.

Es war so schnell gegangen. Aus dem Lachen war ein Keuchen geworden, ganz plötzlich.

Jetzt stand er mit Panik draußen vor der Tür, und drinnen war es laut und piepte und das Kind schrie.

»Wenn es ein Mädchen wird, nennen wir es nach deiner Mutter, dann wird sie so gerührt sein, dass sie gar nicht böse sein kann.«

»Da wäre ich nicht so sicher.«

Es war ein Mädchen. Ein bildhübsches winziges Mädchen mit schwarzen Haaren und einer kräftigen Stimme. Sie musste doch erleben, wie dieses Mädchen aufwuchs, wie es zum ersten Mal Mama sagen, seinen ersten Trotzanfall bekommen, mit der Schultüte aufgeregt vor dem fremden Gebäude stehen würde, die Pubertät, den ersten Freund, schlimme Tattoos, ein Nabelpiercing, das man ihr ausreden musste. Vielleicht würde sie heiraten, Kinder haben, all das sollte ihre Mutter doch erleben. Aber dort im Flur, vor dieser Tür zum Kreißsaal, ereilte ihn die Gewissheit, dass es nicht dazu kommen würde, dass just in diesem Moment, hinter dieser Tür, alles enden würde. Vergebens suchte er in sich selbst einen letzten Rest Hoffnung, ein Kämpferherz. Er begann sogar zu beten.

»Lieber Gott! Bitte!«

»Pitti, du denkst immer so negativ.«

Sie hatte recht, er war viel zu verzagt. Sie war das Gegenteil von ihm, war immer positiv, immer fröhlich. Sie machte ihrem Namen alle Ehre, wo Sun war, tauchte sie alles in Licht. Nur seine Eltern hatte ihr Licht nicht erreicht. Warum denn eine Chinesin? Warum denn keine Deutsche?

»Ein Mädchen nennen wir nach deiner Mutter, und wenn es ein Junge wird, nennen wir ihn nach deinem Vater.«

»Dann hoffe ich, es wird ein Mädchen. Der Name August wäre echt tragisch …«

Und wieder hatte sie gelacht, dieses wundervolle offene Lachen. So wie vorhin.

Die Tür ging auf. Ein Arzt kam heraus. Er musste nicht erst den Mund aufmachen. So sahen Ärzte aus, bevor sie einem das Schlimmste mitteilten.

»Es tut mir leid«, sagte der Arzt und sprach leise weiter. Fruchtwasserembolie … selten … erst nach der Obduktion … alles getan …

Die Worte rauschten an ihm vorbei, ohne dass er sie begriff.

Er durfte noch einmal zu ihr. Noch einmal? Sie wollten doch zusammen alt werden. Herrgott, das war doch mehr als »noch einmal«. Das war doch ein ganzes Leben.

Da lag sie und schlief. Sie schlief. Ganz bestimmt. Kein Mensch, der so lebendig war wie Sun, konnte tot sein. Jemals. Und wenn, dann wollte er auch tot sein. Was sollte er noch hier? Ohne sie.

Das Kind schrie. Eine Schwester hielt sie auf dem Arm.

Ihre süße Kleine. Ist sie nicht schön?

Ein Blick von ihm genügte, da reichte ihm die Schwester das Kind. In seinen Armen hörte es auf zu schreien.

»Sie ist so hübsch, Sun«, flüsterte er immer wieder und streichelte ihre toten Hände. »Sie ist so hübsch.«

Die Welt draußen hörte auf zu sein.

Irgendwann, er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, öffnete sich die Tür und eine andere Schwester kam herein. »Ihre Eltern sind hier, Herr Trost«, sagte sie leise.

Seine Eltern. Er hatte sie als Kontaktpersonen angegeben, für den Notfall und weil dieser Notfall ohnehin nicht eintreten würde. Hatte er gedacht. Jetzt waren sie da.

Die Schwester legte das schlafende Kind in ein kleines Bettchen auf Rollen und begleitete ihn ins Besucherzimmer.

»Konrad!«, rief seine Mutter aus, als er eintrat. Mehr musste sie nicht sagen. Dazu ihr bohrender Blick, die gestrafften Schultern, die rechteckige, schwarze Handtasche, die akkurat über ihrem Unterarm hing. Sein Vater ignorierte ihn, lief im Zimmer hin und her wie aufgezogen. Die Sitzgelegenheiten blieben verwaist.

Sie wussten nun, was er ihnen verschwiegen hatte, und das war ihre Reaktion. Er hatte nichts anderes erwartet.

Aus der Ferne warf seine Mutter einen Blick auf das schlafende Kind, ihre Enkelin. Dann fing sie an zu reden. Worte prasselten auf ihn ein und glitten an ihm ab, in keinem davon kam seine soeben verstorbene Frau vor. Es ging um Verantwortung und Anstand und darum, was nun zu tun sei. Während sein Vater stumm und voll mühsam unterdrückter Wut seine Kreise zog, stand seine Mutter wie ein Fels auf einer Stelle. Auf die Idee, ihren Sohn, der gerade das Liebste auf der Welt verloren hatte, in den Arm zu nehmen, kam sie nicht. Konrad starrte zu Boden, er konnte sie nicht ansehen, konnte ihre Gefühllosigkeit und ihren Pragmatismus nicht ertragen. Zu jung sei er für ein Kind. »Wir nehmen es!«, beschloss seine Mutter. Es!

Er hatte keine Kraft, sich zu wehren. Er bezweifelte, dass er je wieder Kraft für irgendetwas haben würde.

Wir nehmen es.

»Ich würde das Kind dann ins Kinderzimmer bringen«, sagte die Schwester, die die ganze Zeit betreten dabeigestanden hatte, zu Konrad. Er nickte und streichelte mit dem Rücken seines Zeigefingers sanft über das winzige Bäckchen seiner Tochter.

»Es ist übrigens ein Mädchen«, sagte er mit rauer Stimme und schluckte, als er an Suns Idee dachte. »Und ihr Name ist … Anna.«

1.Mayer, Meier und Lewandowski

Der schlimmste Tag in Annas Leben war der 3. Februar 2014. Ein Montag. Sie hatte Montage noch nie leiden können, wer mochte schon Montage? Aber von da an ignorierte sie diesen unseligen Wochentag gänzlich und strich ihn aus ihrem Kalender. Sie vereinbarte keine Termine, verließ nicht das Haus und schlief so lange wie möglich, damit der Montag schneller vorüberging. Für Anna begann die Woche immer erst am Dienstag. Zusammengerechnet würde sie auf diese Weise fast ein Jahr ihres Lebens vergeuden, doch diese Erkenntnis änderte nicht auch nur das Geringste an ihrem Leben ohne Montage. Unglücklicherweise scherte sich der Rest der Welt herzlich wenig um ihre persönliche Sechs-Tage-Woche, und so kam es, dass auch der zweitschlimmste Tag ihres Lebens wieder ein Montag war.

Am 18. November 2019 klingelte es gegen 10 Uhr morgens an der Wohnungstür. Anna fuhr aus dem Schlaf, und die wenigen Sekunden in diesem halb wachen Zustand katapultierten sie zurück in die Vergangenheit.

Sind Sie Anna Trost?

Augenblicklich begann ihr Herz zu rasen. Als sie einen Moment später vollständig wach war, hielt sie das Klingeln an der Tür für einen bösen Traum, doch da klingelte es erneut. Zweimal hintereinander diesmal. Beim ersten Mal zuckte sie zusammen, beim zweiten Mal zog sie empört die Luft ein und schwang die Beine aus dem Bett. Mit wütenden Schritten trampelte sie durch den Flur und hoffte, dass es sich nicht um die beiden netten Zeugen Jehovas handelte, diese ältere Frau mit ihrem Sohn, die manchmal von Tür zu Tür wanderten und höflich fragten, ob sie sich wohl mal mit einem über den lieben Gott unterhalten dürften. Einmal durften sie. Normalerweise lehnte Anna freundlich ab, sagte »Nein, danke, das ist nicht so mein Thema.« Oder etwas in der Art. Aber dieses eine Mal überkam sie eine unerklärliche Anwandlung, eine plötzliche Empfänglichkeit für das warme Lächeln, das ihr die Frau schenkte. Sie bat die beiden herein und bot ihnen sogar eine Tasse Kaffee an. Ob sie auch Kamillentee habe, fragte die Frau. Sie bekam ihren Tee, ihr Sohn bat um ein Glas Wasser aus dem Hahn. Anna setzte sich mit ihnen im Wohnzimmer an den wunderschönen, großen Esstisch, den sie sich damals zum Einzug geleistet hatten, ein edles lang gestrecktes Möbelstück aus dunklem Holz, an dem früher viele Freunde zum Essen zu Gast gewesen waren. Die Frau redete, ihr Sohn nickte, und Anna driftete ab und überlegte, wann das letzte Mal jemand an diesem Tisch gesessen hatte. Und wer. Und bei welcher Gelegenheit. Sie konnte sich nicht erinnern. Nach einer halben Stunde verabschiedeten sich die zwei – und Anna brach in Tränen aus. Danach hatte sie ihnen nie mehr die Tür geöffnet.

Es klingelte ein drittes Mal. So hartnäckig waren die beiden nicht. Beim Blick durch den Spion entdeckte Anna einen Mann in blau-gelber Postbotenuniform und wunderte sich. Sie pflegte ihre spärliche Korrespondenz bis auf wenige Ausnahmen per E-Mail zu erledigen, auch Verträge und Rechnungen, und soweit sie wusste, hatte sie sich nichts zuschulden kommen lassen. Mit dem Klavierspielen hielt sie sich an die Hausordnung, und es hatte sich in acht Jahren noch nie einer über die Musik aus ihrer Wohnung beschwert. Wäre ja auch noch schöner gewesen.

Der Postbote musste ihre Schritte gehört haben und klopfte. Anna öffnete einen Spalt und blinzelte an der vorgelegten Kette vorbei nach draußen. Es war ihr bewusst, welches Bild sie abgab: barfuß, mit nackten Beinen unter einem überdimensionalen, alten T-Shirt, das einmal Jeremias gehört hatte, darüber der morgendliche Supergau: ihr verquollenes, mürrisches Montagsgesicht umrahmt von zerzausten, ungewaschenen schwarzen Haaren. Die Zähne waren auch noch nicht geputzt. Der Postbote wich merklich zurück, sein Blick wanderte blitzschnell von oben nach unten und wieder nach oben.

»Ich hätt’ da ein Einschreiben für Anna Trost«, sagte er, behielt das Kuvert jedoch fest in seiner Hand und machte keinerlei Anstalten, es ihr zu überreichen. Oder auch nur den Zettel, auf dem sie den Empfang quittieren musste. So was kannte sie bereits. »Ich passe halt mehr in die Schublade Mai-Ling«, hatte sie früher solche Reaktionen augenrollend kommentiert, woraufhin Jeremias prompt den Gerhard Polt gegeben hatte: »Mai-Ling, hol amal die Zi-ga-ret-ten.«

Leute erkundigten sich interessiert, wo sie herkam, und wenn sie dann sagte »aus München«, wurde nicht selten ein bisschen gelacht, als hätte sie einen grandiosen Scherz gemacht. Wo denn aber ihre Wurzeln lägen, wurde dann gern präzisiert.

»Und Ihre Wurzeln?«, hatte sie entweder zurückgefragt oder einsichtig genickt und erwidert: »Ach so, das meinen Sie. Ja, also mein Vater kommt ursprünglich aus Hessen.«

»Kommt der wirklich aus Hessen?«, hatte Jeremias wissen wollen.

»Nein, aus Bayern, aber Hessen klingt irgendwie deutscher als Bayern«, hatte sie erklärt. »Hessen! Klingt total deutsch, findest du nicht?«

»Hessen«, hatte Jeremias zur Überprüfung wiederholt. »Hessen. Stimmt eigentlich.«

So albern waren sie gewesen, hatten sich kugeln können über ihren Quatsch. Aber diese Zeiten waren lange vorbei.

Der Postbote blickte Anna fragend ins Gesicht.

»Ich bin Anna Trost«, betonte sie überdeutlich und nebelte ihn mit der Knoblauchwolke des vergangenen Abendessens ein. Spaghetti aglio e olio, sie hatte ja nicht vorgehabt, an einem Montag Menschen zu begegnen.

Der Postbote machte lange Arme, als er ihr zuerst Zettel und Stift zum Unterschreiben und danach den Umschlag entgegenstreckte.

»Danke!«, sagte sie und schlug die Tür vor seiner Nase zu.

Der Brief kam von einem Rechtsanwalt, oder vielmehr von mehreren Rechtsanwälten, wenn man der winzigen Absenderzeile im Sichtfenster glauben durfte: Mayer, Meier und Lewandowski.

»Mayer, Meier und Lewandowski«, murmelte Anna vor sich hin, während sie langsam zu ihrem Bett zurücktapste. »Mayer, Meier und Lewandowski.« Sie konnte sich nicht erinnern, die Namen jemals zuvor gehört zu haben. Was konnte denn eine Rechtsanwaltskanzlei von ihr wollen?

Sie ließ sich auf der Kante ihres zerwühlten Bettes nieder und starrte auf den grauen Umschlag. Allein die Farbe sagte ihr, dass er nichts Gutes enthalten konnte.

Nach mehrminütigem Starren knibbelte Anna die linke obere Ecke des Umschlags so weit auf, dass ihr Zeigefinger hineinpasste. Mit brachialer Gewalt riss sie das Papier auseinander, es hätte geschrien, wenn es gekonnt hätte. Ihr Herz klopfte alarmiert, als sie den Inhalt überflog.

Das erste Nein kam als Flüstern aus ihrem Mund, das nächste war lauter und danach gab es kein Halten mehr. »Nein! Nein! Nein! Nein! Nein!«

Man kündigte ihr die Wohnung. Ihre Wohnung. Die Wohnung, in der sie mit Jeremias glücklich gewesen war und noch viele Jahre glücklich bleiben wollte, bis ans Ende ihres Lebens. Nur war dieses Ende für einen von ihnen viel, viel früher gekommen, als sie es sich vorgestellt hatten.

Der 3. Februar 2014. Am Abend zuvor hatten sie in den Nachrichten vom plötzlichen Tod des Schauspielers Philip Seymour Hoffman erfahren. Sie waren schockiert gewesen. So jung, ein Jahr jünger als Annas Vater. Und so begnadet. Erst kurz zuvor noch hatten sie ihn in Saiten des Lebens gesehen, einem berührenden Film über ein Streichquartett. Dort hatte er eine der Hauptrollen gespielt, einen Geiger. Jetzt war er tot. Einfach weg. Anna und Jeremias hatten auf dem Sofa gesessen und fassungslos die Köpfe geschüttelt.

Am frühen Abend des folgenden Tages stand dann dieser Polizist vor der Tür.

»Sind Sie Anna Trost?«, fragte er. Sie nickte. Argwöhnisch und mit dieser augenblicklichen Enge in der Brust. Noch während der Polizist sprach, dachte sie an Philip Seymour Hoffman – es war verrückt –, noch während er von Jeremias sprach. Leise und sanft sprach er, aber man konnte gar nicht so leise und so sanft sprechen, dass die Brutalität des Todes abgeschwächt wurde. Es konnte nicht wahr sein, was er sagte. Das passierte nur anderen. Nicht ihnen. Nicht Jeremias.

»Es tut mir sehr leid«, sagte der Polizist. »Er war auf der Stelle tot.«

Annas Welt wurde aus ihren Angeln gehoben und zerbrach. Sie wollte zurück, zurück zum 2. Februar, zum vergangenen Tag, alles noch mal von vorn. Aber die Zeit konnte man nicht zurückdrehen, die Zeit war unerbittlich.

Sie begann zu schreien, so laut und so unablässig, als könnte sie durch ihre Schreie alles ungeschehen machen und Jeremias zurückholen von dort, wo niemand je zurückkam.

»Nein! Nein! Nein! Nein! Nein …«

Fast sechs Jahre waren seitdem vergangen, doch die Kündigung der Wohnung fühlte sich für Anna so an, als würde man ihr Jeremias noch einmal wegnehmen. Hier, in diesen Räumen, hatte er sie nach der Schlüsselübergabe herumgewirbelt und gerufen: »Ich glaub’s nicht, wir haben die Wohnung. Wir. Haben. Die. Wohnuuuuuung!« Lauthals hatte er seine Freude hinausgerufen.

»Und spätestens jetzt kennen uns sämtliche Nachbarn. Benimm dich bitte, damit wir die Wohnung auch behalten dürfen«, hatte sie ihn lachend ermahnt.

Es war ihr gemeinsamer wahr gewordener 120 Quadratmeter großer Drei-Zimmer-Altbau-Traum, und es sollte der Beginn ihres Traumlebens sein. Für immer wollten sie dort bleiben, oder wie Jeremias sagte: »Für immer und noch ein bisschen länger.« Es waren ihnen lediglich zwei Jahre vergönnt.

Obwohl die Wohnung für Anna allein im Grunde zu groß und auch zu teuer war, hatte sie sie behalten, denn sie redete sich ein, dass hier, an diesem Ort, an dem sie zusammen so glücklich waren, noch ein kleines bisschen von Jeremias lebte. Was wissen wir schon vom Tod?, dachte sie. Vielleicht klammert sich die Seele an dem Ort fest, wo sie am glücklichsten war. Vielleicht sitzen die Menschen, die wir geliebt und verloren haben, unsichtbar bei uns auf der Bettkante und sehen uns beim Schlafen zu. Vielleicht sind sie immer bei uns. Was wissen wir schon?

Es waren diese Gedanken, die sie selbst am Leben hielten. In ihrer Wohnung, so kam es ihr vor, war ihr Jeremias noch immer nah.

Seit dieser Zeit ging sie nur noch aus dem Haus, wenn es sich nicht vermeiden ließ: zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Müllcontainer. Sie zog sich von allem zurück, wollte keine Gesellschaft mehr, igelte sich ein – in dieser Wohnung, an dem Ort, an dem es Jeremias noch gab.

Ihre Freunde gaben es über die Jahre hinweg auf, sie aus ihrer selbst gewählten Isolation hervorlocken zu wollen.

Sie wollte keine Sätze hören wie »Das Leben geht weiter« oder »Jeremias hätte nicht gewollt, dass du dich so hängen lässt.« Sie wollte nicht mit diesen Leuten über ihre »Situation« reden. Sie redete mit Jeremias.

Eines Nachts hatte sie damit angefangen, als sie nicht schlafen konnte und ihn so fürchterlich vermisste, dass ihr alles wehtat, und sie nicht wusste, wie sie mit diesem Schmerz weiterleben sollte. Da stellte sie sich vor, er wäre bei ihr und könnte sie sehen und könnte sie hören. Sie redete sich alles von der Seele, ihren ganzen Kummer, all ihre Sehnsucht. Als sie einschlief, träumte sie von ihm, und als sie am nächsten Morgen aufwachte, empfand sie einen Trost, den ihr kein Mensch je hatte geben können. Auf einmal war Jeremias wieder bei ihr. Es war nur sie, die redete, und nein, sie hörte keine Antwort, keine Stimme, nicht wirklich. Sie wurde nicht verrückt. Sie fühlte sich nur nicht mehr so … ohne ihn. Von da an sprach sie regelmäßig mit ihm, und ein bisschen, ein ganz kleines bisschen, war es so wie früher, Anna und Jeremias in ihrem gemeinsamen Zuhause. Mehr brauchte sie nicht.

Doch jetzt sollte das alles vorbei sein. Man kündigte ihr wegen Eigenbedarfs. Bis März kommenden Jahres, so hieß es, möge sie bitte die Wohnung räumen, weil dann der Vermieter selbst einziehen wolle.

Dunkel erinnerte sie sich an ein Schreiben aus dem vergangenen Jahr, in dem man sie darüber informiert hatte, dass ihre früheren Vermieter, Herr und Frau Lasker, ein nettes, älteres Ehepaar, die Wohnung ihrem Sohn überschrieben hatten. Anna hatte sich weiter keine Gedanken gemacht, denn darüber hinaus würde sich nichts ändern und die gerade noch erschwingliche Miete blieb dieselbe, das war die Hauptsache. Doch nun konnte jener Sohn Eigenbedarf anmelden, weil er die Wohnung für sich und seine im Werden begriffene Familie benötigte, und damit Anna gar nicht erst wagen würde, irgendwelche Widerworte zu finden, hatte er die Sache direkt seinem Anwalt übergeben.

Bis März. War das rechtens? War die Kündigungsfrist nicht länger? Anna kannte sich da nicht aus. Früher hätte Jeremias gesagt: »Warte mal, ich kenne da …« Diesen oder jenen, irgendeinen Anwalt oder einen, der einen Anwalt kannte. Früher hätte sich im Bekanntenkreis sicher jemand gefunden, der hätte helfen können, der gesagt hätte: »Augenblick mal, so einfach geht das aber nicht.« Doch früher war früher. Heute konnte Anna zwar mit Jeremias’ Geist reden, aber anrufen konnte der keinen, und einen Bekanntenkreis gab es nicht mehr. Nicht einmal jemanden zum Ausheulen hatte sie. Sie saß auf ihrer Bettkannte, schrie ihre Neins in die Welt und keiner war für sie da.

Als ihr Schreien, wie zu erwarten war, nichts, aber auch gar nichts an ihrer Misere änderte, zerknüllte sie den Wisch vom Anwalt, ließ sich auf ihr Bett zurückfallen und zog sich die Decke über den Kopf.

Montag mal wieder.

2.Altbau

Nachdem sich Anna zwei Tage lang verzweifelt unter ihrer Decke verkrochen hatte und sie am dritten Tag – oh Wunder! – immer noch mit demselben Problem dastand, wurde ihr klar, dass Verdrängen die denkbar schlechteste Methode war. Wenn sie ab März nicht auf der Straße landen wollte, musste sie etwas tun. Drei Monate, um eine Wohnung in München zu finden, das war ein Witz. Sie verdrängte jeglichen Gedanken daran, dass sie sich sowohl den Beitrag für den Mieterverein als auch die Kosten für eine Rechtsschutzversicherung gespart hatte. Um sich wieder einigermaßen zu fangen, tat sie das, was sie schon seit Jahren tat: Sie besprach die Sache mit Jeremias.

»Die haben uns die Wohnung gekündigt, kannst du dir das vorstellen? Wir müssen umziehen.«

Scheiße, alte verkackte!

Das wäre früher seine Reaktion gewesen. Ob er jetzt, fast sechs Jahre älter und gereifter, anständigere Worte gefunden hätte als mit Mitte zwanzig, konnte Anna nicht wissen. Auf alle Fälle wusste sie, was er als Nächstes gesagt hätte: Aber wir ziehen nur wieder in einen Altbau. Was anderes kommt gar nicht infrage.

»Okay!«, stimmte Anna zu und nickte. Ein Altbau, das war die Bedingung.

Mit neuem Mut setzte sie sich an den Computer und begann auf den einschlägigen Immobilienseiten nach passenden Objekten zu stöbern, doch sehr bald setzte die Ernüchterung ein. Es war schlimmer, als sie befürchtet hatte. Was da angeboten wurde, überstieg ihr Budget bei Weitem. Dazu noch die Kosten für Kaution und Umzug. Es fanden sich lediglich eine Handvoll Wohnungen, deren Miete Anna mit sehr optimistisch berechneten Honoraren würde stemmen können, und auf die würden sich natürlich alle stürzen. Sie hoffte auf ein Wunder und rief die Anbieter der Reihe nach an.

»Kuhnert Immobilien«, war der erste, zu dem sie durchdrang.

»Hallo!«, meldete sich Anna freundlich und betont munter. Es sollte nicht klingen, als hätte sie es nötig. »Anna Trost ist mein Name. Ich interessiere mich für die Zweizimmerwohnung in der Baderstraße. Ist die noch zu haben?«

»Besichtigung nächsten Montag«, erwiderte der Mann, der es auch nicht nötig hatte. Anna sah ihn vor ihrem geistigen Auge, wie er sich bräsig zurückgelehnt und gelangweilt in seinem Bürostuhl hin- und herdrehte, sicher mit Bierwampe und Leberkäs zwischen den Zähnen. Und dann war die Besichtigung auch noch an einem Montag. Sie blieb trotz allem gefasst.

»Wunderbar! Um wie viel Uhr denn?«

»Drei«, war die einsilbige Auskunft.

»Gut«, sagte sie und dachte, damit wäre es getan.

»Gehaltsnachweis oder Bestätigung vom Arbeitgeber nicht vergessen, gell?«, wies der Kuhnert-Immobilien-Mensch Anna im Kommandoton an.

»Ähm, also ich bin freiberuflich. Was brauchen Sie denn da?«

»Wie denn freiberuflich?«, fragte der Mann argwöhnisch.

»Ich bin Pianistin.«

»Oha!«, tönte es aus dem Hörer. Anna hätte schwören können, dass der Drehstuhl augenblicklich aufhörte zu drehen und die Bierwampe nach vorn kippte.

»Ist das ein Problem?«, fragte sie.

Auf einmal wurde der Mann gesprächig. Ja, und wie das ein Problem sei. Erstens mal sei das Einkommen bei so Künstlern, wie er sich ausdrückte, ja immer ein Problem, und so ein Klavier, das mache ja auch einen Lärm.

Anna versicherte ihm sehr entschieden, dass es absolut nichts mit Lärm zu tun hatte, wenn sie Klavier spielte.

»Die einen sagen so und die anderen sagen so«, unterbrach sie der Mann und lachte tumb.

»Nein, die sagen alle das Gleiche«, entgegnete Anna. »Ich spiele ausgezeichnet und bin als Korrepetitorin und Konzertbegleiterin seit Langem etabliert. Ich habe sehr viele Sänger, die regelmäßig mit mir arbeiten. Das Einkommen ist also kein Problem.«

»Sänger?«, hakte der Mann ein.

»Ja. Sänger. Klassische, teils sehr bekannte Sänger und Sängerinnen«, trumpfte Anna auf, auch wenn sie da leicht übertrieb.

»Ja, aber die machen ja erst recht einen Lärm«, polterte der Makler augenblicklich durchs Telefon.

Anna wollte etwas erwidern, doch zu so viel Banausentum fiel ihr nichts mehr ein.

»Also, Frau … äh, ich glaub, das mit dem Besichtigungstermin, das können Sie sich sparen. Das wird eher nix.«

Anna sparte sich auch jede weitere Antwort und wünschte sich eines dieser alten Telefone zurück, bei denen man noch mit Schmackes den Hörer auf die Gabel knallen konnte. Bei einem Smartphone war der verärgerte, grußlose Fingertipp auf das rote Symbol wesentlich unbefriedigender.

Die nächsten Anrufe verliefen kaum erfreulicher. Lediglich einen einzigen Besichtigungstermin konnte sie ergattern. Anfang Dezember machte sie sich auf den Weg nach Neuhausen, wo sie zusammen mit gefühlt hundert anderen Bewerbern eine muffige, winzige Zweizimmer-Wohnung mit Etagenklo besichtigte. Das Etagenklo wurde als Besonderheit angepriesen. Historisch sei das und bei richtigen, sprich original belassenen Altbauten, von denen es leider nur noch viel zu wenige gebe, ein Zeichen der Ehrfurcht vor der Geschichte. Denkmalschutz quasi.

Der Eifer, mit dem der Makler das Objekt schönredete, wäre gar nicht nötig gewesen, denn die meisten Interessenten machten auf Anna den Eindruck, als würden sie sich im Notfall auch darum prügeln, wer in diese Zumutung mit Etagenklo einziehen durfte. Als man dann auch noch von oben eine lautstarke Auseinandersetzung hörte, bei der man jedes einzelne unschöne Wort verstand, drängte sich Anna an ihren Mitbewerbern vorbei nach draußen, doch schon auf dem Nachhauseweg bereute sie es. Es wäre zumindest ein Dach über dem Kopf gewesen. Was, wenn das so weiterging und sie bis Anfang März nichts finden würde?

Die Stadt war voller Menschen, die Vorweihnachtszeit hatte begonnen, überall wuselten Leute herum, bepackt mit Geschenken für ihre Lieben. Früher hatten sie und Jeremias sich über diese Hektik lustig gemacht, diesen Konsumwahn, dieses laute Hetzen durch die »stade Zeit«. Doch jetzt ertappte sich Anna dabei, dass sie selbst gern dazugehört hätte, zu den Leuten, die keine gewaltigeren Probleme hatten, als nicht zu wissen, welche Größe der Schwiegervater bei Oberbekleidung trug, ob die Nichte schon zu alt war für Pferderomane oder ob es zur Not auch ein Gutschein als Geschenk täte.

Als es an der Residenz nach Weihnachten roch, nach Glühwein und gebrannten Mandeln, und die Klänge der Bläserkapelle durchs Tor drangen, trugen sie ihre Füße auf einmal wie von selbst mitten hinein in den Trubel des Weihnachtsmarktes. Einen Glühwein, dachte sie, damit ich mal wieder weiß, wie so etwas schmeckt. Wie so oft begann sie zu rechnen: Wann hatte sie das letzte Mal einen Weihnachtsmarkt besucht? Wahrscheinlich sechs Jahre zuvor, 2013, zusammen mit Jeremias.

»Einen Glühwein bitte«, sagte sie zu dem Mann am Stand.

»Mit Schuss, ohne Schuss?«

Jetzt fiel es ihr ein: Mit Lotte und Friedemann waren sie hier gewesen, ihren engsten Freunden. Die beiden hatten damals jeweils einen Glühwein mit Schuss genommen.

»Ohne, bitte.«

Der Mann schöpfte die heiße dunkelrote Flüssigkeit aus dem Riesenbottich in eine dieser Tassen mit Münchenmotiv, die sie früher immer mitgenommen hatten. Eine ganze Sammlung dieser Tassen füllte den Küchenschrank. Immer noch. Lotte und Friedemann – seit etlichen Jahren hatte sie nichts mehr von denen gehört. Wahrscheinlich waren sie inzwischen verheiratet und hatten Kinder. Anna stellte ihre Tasse an einem kleinen runden Stehtisch ab, der gerade frei wurde.

»Warum so traurig?«, sprach ein Mann sie an. »Darf ich?« Er platzierte seinen dampfenden Becher auf dem Tisch, ohne ihre Antwort abzuwarten, dann schlug er den Kragen seiner Tweedjacke hoch und steckte seine Hände in die Seitentaschen. »Kalt, was?«, meinte er.

Warum so traurig? Darf ich? Kalt, was? Drei Fragen, von denen keine ernst gemeint war. Floskeln. Gesprächsstarter. Doch der Mann hatte Pech, Anna war schon lange nicht mehr geübt im Konversationspingpong. Ihr Leben bestand aus Musik und ihrem Zuhause. Die Unterhaltungen, die sie führte, beschränkten sich auf Fachgespräche mit Sängern, den gelegentlichen telefonischen Austausch mit ihrem Vater und die einseitigen Unterhaltungen mit Jeremias.

Theoretisch wusste sie schon noch, wie das funktionierte, wenn ein Mann eine Frau ansprach, aber in der Praxis fühlte sie sich wie ein Fisch auf dem Trockenen.

»Und?«, sagte der Mann, nachdem sie keinen Ton von sich gegeben hatte, weil ihr nichts Passendes einfiel. Ja, es war kalt und ja, er durfte seinen Glühwein abstellen, hatte er doch schon längst getan. Das war doch alles klar, warum also darüber reden?

»Was denn?«, fragte Anna.

»Warum so traurig?«, wiederholte er seine Eingangsfrage und machte dabei den Eindruck, als wäre er aufrichtig daran interessiert.

»Bin ich nicht«, wehrte Anna ab und nippte an ihrem Glühwein, um irgendwie beschäftigt zu sein.

»Dann bin ich ja beruhigt«, sagte der Mann und nahm ebenfalls seinen Becher zur Hand. »Es sah so aus.« Er trank, doch er ließ sie nicht aus den Augen, als wollte er überprüfen, ob sie ihn auch nicht angelogen hatte.

Er wirkte eigentlich ganz nett, fand Anna, trotz der Floskeln und trotz der Tweedjacke. Gut aussehend war er, in einem Alter, in dem viele Männer erst richtig interessant wurden, sofern sie über diese grau melierten Schläfen und eine entsprechend gereifte Persönlichkeit verfügten. Auf ihn traf das offenbar zu, und die Lachfältchen neben seinen graublauen Augen unterstützten diesen Eindruck. Vielleicht waren es diese Lachfältchen oder der erwartungsvolle Blick, der beharrlich auf ihr ruhte. Vielleicht war es aber auch nur Weihnachten. Auf einmal plapperte sie los.

»Ich komme von einer Wohnungsbesichtigung. Das war frustrierend.«

»Sie suchen eine Wohnung?«, fragte der Mann.

»Ja, haben Sie zufällig eine zu vermieten?«

»Leider nein, aber was suchen Sie denn?«

»Altbau. Zwei Zimmer. Erschwinglich.«

»Oh! Schwierig in München.«

»Was Sie nicht sagen.«

Sie berichtete von der Wohnung mit Etagenklo und den eintausend Interessenten. Sie erzählte all das, was sie später in ihrer Wohnung Jeremias erzählt hätte, nur mit dem Unterschied, dass der Mann real war und zuhörte, ab und zu lachte, den Kopf schüttelte, »das ist ja wohl die Höhe« sagte und am Schluss gemeinsam mit ihr die prekäre Wohnungssituation beseufzte. Der Glühwein schmeckte mit jedem Wort besser. So war das, wenn man sich mit Leuten unterhielt, erinnerte sich Anna allmählich. Es war nicht das Schlechteste. Beinahe hätte sie ihm noch gestanden, dass er der erste Mensch seit Jahren war, mit dem sie sich auf diese Weise unterhielt. Sie ließ es bleiben, denn dann hätte er sie womöglich für das gehalten, was sie war: eine verschrobene Eigenbrötlerin.

»Haben Sie mal über eine Wohngemeinschaft nachgedacht?«, fragte er.

»Nein«, antwortete sie entschieden. Darüber musste sie gar nicht erst nachdenken. Anna Trost und Wohngemeinschaft!

»Ich wüsste da nämlich zufällig was«, fuhr er dennoch fort. »Gute Lage, Nähe Prinzregentenplatz. Da ist seit Kurzem ein Zimmer frei.«

»Wohngemeinschaft ist nicht so mein Ding.«

»Tja, dann müssen Sie sich wohl von Ihrem Wunsch nach einem Altbau verabschieden und vielleicht weiter außerhalb suchen. Oberföhring ist zum Beispiel sehr schön, dort wohnen gute Freunde von mir. Überhaupt ist der Münchner Osten nicht schlecht.«

Anna trank ihren inzwischen erkalteten Glühwein aus. Oberföhring! Warum nicht gleich Unterföhring? Oder Schleswig-Holstein.

»Wollen wir noch einen zusammen trinken?«, fragte er.

Sie wollte und wollte auch wieder nicht. Die Unterhaltung war nett gewesen, aber zum Schluss leider ziemlich ernüchternd. Wohngemeinschaft! Oberföhring! Waren das die einzigen Alternativen zur Isarbrücke oder dem Obdachlosenheim?

»Nein, ich denke, ich muss jetzt gehen«, sagte sie.

Er nickte und lächelte freundlich.

»Jetzt sehen Sie aber wieder genauso traurig aus wie am Anfang«, stellte er fest.

»Ach was«, behauptete sie und lächelte zum Beweis zurück.

»Warten Sie!« Er kramte einen kleinen Notizblock und einen Stift aus der Innentasche seiner Jacke hervor. »Manchmal kann man dieses altmodische analoge Zeug noch gebrauchen«, meinte er schmunzelnd und schrieb etwas auf. Hoffentlich nicht seine Telefonnummer, dachte Anna, doch es war eine Adresse.

»Falls Sie es doch einmal mit einer Wohngemeinschaft versuchen wollen«, sagte er und reichte ihr den Zettel. Zögernd nahm sie ihn entgegen. Weil er so nett war und sie nicht unhöflich sein wollte, bedankte sie sich und steckte das wertlose Stück Papier ein. »Also dann, Wiedersehen!«

»Hat mich gefreut«, sagte der Mann. »Auf Wiedersehen!«

3.All Nations Welcome

Margot Bettermann schmetterte Der Hirt auf dem Felsen, obwohl sie es wirklich nicht konnte. Das Lied sollte die Krönung ihres Schubert-Abends Ende April werden. Sie würde dabei ersticken, so viel war sicher.

»Na, das wird doch langsam«, schwindelte Anna gutmütig, nachdem Frau Bettermann am Ende des Liedes keuchend und mit hochrotem Kopf auf einem Stuhl neben dem Klavier zusammengesackt war.

»Wirklich?«, fragte sie hoffnungsvoll. »Ich meine, es muss ja.«

Es musste überhaupt nicht. Sie hätte das Lied aus dem Programm streichen können, keiner hätte es gemerkt, und sie hätte großes Lob für alle anderen Lieder eingeheimst. Margot Bettermann war keine professionelle Sängerin, aber sie war als Amateurin nicht schlecht. Sie hatte eine gute Gesangslehrerin, die das Äußerste aus ihr herausholte. Und sie leistete sich Anna zur Korrepetition. Für ihr Hobby war ihr nichts zu teuer. Anna studierte die Lieder mit ihr ein, ihre Lehrerin feilte an der Technik und am Gesang, doch keine von beiden konnte ihr ausreden, sich Stücke vorzunehmen, an denen sich selbst gestandene Sängerinnen die Zähne ausbissen. Der Hirt auf dem Felsen zum Beispiel.

»Ich freue mich schon, wenn diese Klarinettistin dazukommt«, schnaufte Margot Bettermann. »Dann wird es erst richtig schön.« Sie rappelte sich auf, kramte in ihrer Tasche und zog ein paar Scheine heraus. »Nur Bares ist Wahres«, zitierte sie mit fränkischem Zungenschlag aus Pretty Woman und lachte. »Übrigens, weil Sie letztens gefragt haben wegen einer Wohnung«, fiel ihr ein, während sie sich den Schal um den Hals schlang.

»Ja?«, sagte Anna hoffnungsvoll.

Nach einer weiteren Woche ergebnisloser Suche war sie endlich auf die glorreiche Idee gekommen, sich bei ihren Sängern umzuhören. Margot Bettermanns Ehegatte besaß Geld wie Heu, ein ganzes Haus in der Innenstadt und mehrere Wohnungen. »Gabbidalanlachen«, wie seine Frau Anna erklärt hatte.

»Also, bei meinem Mann ist leider nix frei, ich hab gefragt.« Ihre Rs knallten wie Pistolenschüsse. Sie hob bedauernd die Schultern.

»Trotzdem danke dafür«, erwiderte Anna.

»Gern geschehen!« Frau Bettermann lächelte so zufrieden, als hätte sie ihrer Korrepetitorin allein durch das Fragen die Obdachlosigkeit erspart. »Dann bis Januar. Frohes Fest!«

Frohes Fest! Klar, das hatte Anna jedes Jahr.

»Ihnen auch, Frau Bettermann«, sagte sie. »Aber … also, was Januar betrifft, da muss ich mal sehen. Eventuell kann es sein, dass ich kurzfristig absagen muss, falls ich den einen oder anderen Besichtigungstermin kriege.«

Irritiert hielt Frau Bettermann drei Schritte vor der Tür inne. »Ah! Ach so. Na, hoffentlich finden Sie bald was.«

Damit ich wieder genug Zeit für dich und deinen verunglückten Hirten habe, dachte Anna, nickte jedoch zustimmend und sagte »Auf Wiedersehen«.

Als die Tür hinter Margot Bettermann ins Schloss gefallen war, sank Anna mit einem abgrundtiefen Seufzer auf ihrer Klavierbank zusammen. Keiner, den sie gefragt hatte, konnte ihr helfen. Es kam immer die gleiche Reaktion: »Eine Altbauwohnung in München? Oh! Schwierig!«

Ja, das wusste sie alles längst. Es war mittlerweile kurz vor Weihnachten und keine Wohnung in Sicht. Vielleicht doch Oberföhring?

»Was soll ich denn machen?«, fragte sie laut und verzweifelt. »Hab du doch auch mal irgendeine Idee!«

Sie machte Jeremias selten Vorwürfe für sein stummes Geisterdasein, aber jetzt wusste sie nicht mehr weiter. Konnte er ihr nicht mal ein Zeichen geben, wenn er sah, dass sie in Schwierigkeiten steckte?

In Momenten wie diesem meldete sich eine schüchterne Stimme in Annas Kopf, die sie leise daran erinnerte, dass er genau das eben nicht konnte, doch davon wollte Anna nichts hören.

Das Telefon klingelte.

Wenn am 20. Dezember am frühen Abend das Telefon klingelte, dann war es Annas Vater, der wie jedes Jahr fragte, ob sie an Weihnachten vorbeikäme. »Danke für die Einladung, aber ich habe leider schon was vor«, sagte sie dann für gewöhnlich, wobei sie wusste, dass er wusste, dass sie natürlich überhaupt nichts vorhatte. Nicht einmal ihrem Vater war entgangen, dass sie keinerlei Sozialleben mehr hatte. Doch darüber wurde nicht geredet. Man beließ es bei dem alljährlichen Ritual, bei dem sich beide sicher fühlten. »Ach so, ja. Schade!«, sagte ihr Vater dann jedes Mal. »Vielleicht Silvester oder Neujahr?« Und Anna daraufhin: »Ja, mal sehen.«

Sie ging ans Telefon und hob ab.

»Trost?«

»Auch Trost!« Er lachte. Er meldete sich immer auf die gleiche Weise und immer lachte er darüber.

»Ach, hallo, du bist das.«

»Ja.« Erneut ein kleines Lachen. »Ich. Sag mal«, er holte Luft, »magst du nicht an Weihnachten mal vorbeikommen? Zum Kaffee oder zum Essen? Oder so?«

Nein, mag ich nicht, hätte Anna ehrlicherweise erwidern müssen. Aber – der Gedanke schoss ihr ganz plötzlich durch den Kopf – er war ihr Vater. Und er kannte Leute. Vielleicht konnte er ihr irgendwie helfen.

»Ähh … ja, warum nicht?«, erwiderte sie mit so viel Überwindung, dass ihr der Schweiß ausbrach.

»E…echt jetzt?«, entfuhr es ihm, doch er fing sich rasch. »Schön!«, lachte er ins Telefon. »Wirklich, ich … ich freu mich.«

»Aber keine Geschenke oder so«, beeilte sich Anna klarzustellen.

»Nein, keine Geschenke«, stimmte er zu. »Also du auch nicht. Nichts mitbringen, ja?! Versprochen?«

»Gut, versprochen. Und sag Sylvia, sie soll sich keine Umstände machen.«

»Macht sie ja trotzdem, du kennst sie doch.« Erneut ein Lachen. Er lachte sich durch das Telefonat, das so anders verlief als sonst. Und das alles nur, weil Anna verzweifelt war. Sie schämte sich und stimmte in sein Lachen ein.

Worüber lachten sie eigentlich, worin lag der Scherz? Darin, dass sie praktisch kein Verhältnis zueinander hatten? Dass Sylvia, seine Frau, für Anna immer eine Fremde geblieben war? Dass ihr Erscheinen dort in ihrem Haus in Oberschleißheim ungefähr so absurd war, als würde die Bundeskanzlerin an Weihnachten mit am Tisch sitzen? Es war kein bisschen witzig, es war eher traurig, aber so war es im Grunde seit Annas Geburt vor einunddreißig Jahren. Sie grämte sich längst nicht mehr deswegen.

»Wann soll ich denn kommen, am ersten oder am zweiten Feiertag?«, fragte Anna.

»Am …« Er hatte nicht einmal darüber nachgedacht, für welchen Tag er sie hatte einladen wollen. »Wann ist es dir denn lieber?«, fragte er zurück.

Sie einigten sich auf den zweiten Feiertag zum Kaffee.

So weit war es also schon gekommen. Anna setzte ihre letzten Hoffnungen auf ihre Familie, oder vielmehr auf das, was andere als ihre Familie bezeichnet hätten, einfach weil Konrad Trost ihr seine Gene und seinen Namen gegeben hatte. Sehr viel mehr war es nicht. Anna unterstellte ihm keinen bösen Willen oder Lieblosigkeit, gar nicht, ihr Vater war ein vergleichsweise netter Mensch. Es waren die Umstände. Unnötig, darüber nachzudenken.

Sie besorgte einen Weihnachtsstern als Mitbringsel für Sylvia und machte sich in ihrem uralten Mini Cooper auf den Weg nach Oberschleißheim.

»Hallo Anna!«, begrüßte Sylvia sie an der Haustür. »Ach du liebe Zeit, das Auto fährt ja noch. Komm rein. Oh, was für ein schöner Stern, das wäre aber nicht nötig gewesen. Konrad! Kommst du? Anna ist hier!«

Auch Jakob und Lena, ihre Halbgeschwister, waren da. Man begrüßte sich, redete, tauschte Höflichkeiten aus, trank Kaffee.

Auf dem Tisch standen drei verschiedene Torten, die aussahen, als stammten sie aus einer Edel-Konditorei.

»Selbst gebacken!«, verkündete ihr Vater stolz und deutete mit dem Daumen auf Sylvia.

»Ach, das ist doch nicht der Rede wert. Nichts Besonderes«, wehrte die Kuchenkünstlerin ab und stellte ihre exquisiten Köstlichkeiten der Reihe nach vor: »Haselnuss-Orangentorte, Zimttorte mit Baiser und Karamell und eine Dreierlei-Schokoladentarte.«

»Wow!«, machte Anna pflichtschuldig.

»Du musst alle probieren, du kannst es ja vertragen«, lachte ihr Vater. Er versuchte, den Nachmittag mit seiner Tochter auf die gleiche Weise hinter sich zu bringen wie das Telefonat.

Anna nahm ein Stück von der Zimttorte, lobte sie nach dem ersten Bissen ausgiebig und war schon nach der Hälfte so satt, dass sie nur noch Mini-Häppchen zu sich nahm.

Man redete und redete und redete, natürlich hauptsächlich die anderen. Sylvia erzählte von der Arbeit und der Nachbarin, Annas Vater von der Arbeit und den Hühnern, die er sich im Frühjahr zulegen wollte, Lena und Jakob von der Uni und ihren Freunden. Noch während Lena von ihrem Studium berichtete, wurde Anna klar, dass sie nicht einmal genau wusste, was ihre Halbschwester studierte. Es klang nach Betriebswirtschaft, ein spezieller Zweig davon, Anna kannte sich da nicht aus. Jakob, der zwei Jahre älter war als seine Schwester, studierte irgendwas mit Lebensmitteln. Ihn fragte Anna wenigstens, in welchem Semester er gerade sei. Im fünften. Aha. Sie nippte an ihrem Kaffee, schob sich Kuchenstückchen in den Mund, lachte an den passenden Stellen, nickte und überlegte krampfhaft, wann und wie sie ihre Wohnungsprobleme zur Sprache bringen könnte, doch sie fand keinen einzigen geeigneten Moment. Sie fühlte sich wie unter Fremden. Selbst bei dem unbekannten Mann am Glühweinstand war es ihr leichter gefallen, über ihre Misere zu reden. Margot Bettermann und die anderen Sänger und sogar ihre stets reservierte Nachbarin Frau Kreis hatte sie gefragt, ob sie nicht irgendetwas wüssten oder gehört hätten, doch hier in Oberschleißheim in der Doktor-Hofmeister-Straße brachte sie kein Wort heraus.

Bis kurz nach fünf hielt sie durch, dann sagte sie, sie müsse jetzt leider aufbrechen, am nächsten Tag habe sie eine wichtige Probe. Sie brauchte nicht zu befürchten, dass man nachfragen oder sie drängen würde, doch noch etwas länger zu bleiben.

»Komm doch bald mal wieder vorbei«, rief ihr Sylvia an der Tür hinterher.

»Mach ich«, log Anna, stieg in den Mini und startete den Motor, der klang, als beklagte er sich darüber, dass er den langen und beschwerlichen Weg vollkommen vergebens auf sich genommen hatte.

Anna winkte, fuhr los und versuchte, sich auf den Verkehr zu konzentrieren, obwohl die Tränen ihr die Sicht nahmen. Sie schaffte es unfallfrei bis München, rannte durchs Treppenhaus hinauf in ihre Wohnung, warf den Computer an und rief die Immobilienseite auf.

In die Suchfelder gab sie ein: Mieten, München und, nach einigem Zögern, WG-Zimmer. Einen einzigen zusätzlichen Filter fügte sie noch hinzu: Altbau. Es blieb dabei.

Siebenundneunzig Suchergebnisse spuckte das System aus. Immerhin, das war ermutigend. Da sollte es bis März kein Problem sein, etwas zu finden. Und von dort aus konnte Anna sich dann in Ruhe nach einer größeren Wohnung für sich ganz allein umsehen. Irgendwann würde sich schon etwas ergeben, mit weniger Zeitdruck und viel Glück.

Zunächst erschienen ein paar Annoncen, die man sicher vergessen hatte zu löschen, denn es war sehr unwahrscheinlich, dass sich innerhalb eines ganzen Jahres kein Mieter gefunden hatte. Das erste noch halbwegs aktuelle Angebot war ein Zimmer mit sechzehn Quadratmetern in der Zumpestraße. Es kostete lediglich 500 Euro warm und war seit Ende November frei. »Mitbewohner gesucht« hieß es lapidar im Text, weiter nichts. Eine Telefonnummer stand dabei, aber kein Name, sondern lediglich der Zusatz »von privat«. Extrem günstig, keinerlei Infos, keine Kontaktperson und seit einem Monat frei? Sehr suspekt.

Nach gründlichem Sortieren aller Ergebnisse musste Anna feststellen, dass sich ihre Möglichkeiten erneut drastisch reduziert hatten. Weder war sie bereit, für ein einzelnes Zimmer 1000 Euro und mehr zu zahlen, noch würde sie zu einem Mann in eine Zweier-WG ziehen.

Am Schluss standen auf Annas Liste noch ganze sechs Wohnungen. Aber, machte sie sich Mut, sechs Wohnungen, das war doch besser als nichts. Es ging aufwärts.

Favorit war ein Zimmer in einer Vierer-WG in Schwabing: 19 Quadratmeter, 690 Euro, das ging. Und der Text hörte sich nicht schlecht an, jedenfalls nicht, was den Inhalt betraf:

Hallo, mein Name ist Berit!Wir sind eine gemischte, relaxe WG – relaxt meinte sie wohl –, keine Party-WG. Musiker, die außerhalb der Wohnung üben. Diese Aussage war mit einem Smiley versehen, weshalb auch immer.Wir suchen jemanden der zu uns passt und sich bei uns wohl fühlt. Jeder ist im Job sehr ausgelastet und braucht abends seine Ruhe, dennoch genießen wir das fröhliche miteinander.Wir freuen uns auf dich!Pendler sind sehr willkommen.All Nations Welcome.

Bis auf ein paar Rechtschreibfehler und den mysteriösen Smiley war daran nichts auszusetzen. Musiker noch dazu, das war gut. Das fröhliche Miteinander machte Anna ein wenig Sorge, andererseits wurde auch die Ruhe betont, die jeder brauchte. Es klang okay. Sie schnappte sich kurzerhand das Telefon und rief diese Berit an.

Die Frau hatte eine fabelhaft rauchige Stimme und wirkte genauso relaxt, wie sie es im Text angekündigt hatte.

»Du, komm doch einfach morgen vorbei, wenn du Zeit hast«, meinte sie ganz unkompliziert.

»Klar hab ich Zeit«, freute sich Anna. »Wann denn?«

»Früher Nachmittag? Klingel bei Schulze.«

»Super. Bis dann!«

In dieser Nacht schlief Anna wesentlich besser als in allen vorangegangenen Nächten. Ihre Aussichten, noch vor Jahresende eine neue Bleibe zu finden, waren beträchtlich gestiegen.

Das Gebäude in der Ainmillerstraße sah großartig aus, alt und stilvoll. Auch das Treppenhaus. Anna zählte die Stufen: zweiundzwanzig! Genauso viele wie in ihrem Haus. Wenn das kein gutes Vorzeichen war!

Die Wohnung lag im zweiten Stock, die Tür war nur angelehnt, von innen hörte man buntes Stimmengewirr. Der Name Schulze stand auf dem Türschild neben drei weiteren, also war sie richtig.

Vorsichtig drückte sie die Tür weiter auf und rief: »Hallo?!«

»Nur herein!«, sagte ein junger Mann mit Nickelbrille, der lässig an einem Türrahmen gleich hinterm Eingang lehnte.

»Ich komme wegen des Zimmers«, erklärte Anna.

»Ja, das tun sie alle«, meinte er ungerührt, aber da hatte sie es bereits entdeckt: das Gewusel von Leuten, die sich quer durch die Wohnung bewegten, Türen öffneten, Räume begutachteten und versuchten, den bestmöglichen Eindruck zu hinterlassen. Hatte sie tatsächlich angenommen, sie wäre die Einzige, die sich für das Zimmer interessierte?

»Geh ruhig rein«, sagte der relaxte Typ im Türrahmen. Mit einer Kopfbewegung wies er den Flur entlang. Eine Frau mit raspelkurzen grau melierten Haaren kam aus einem der Zimmer geprescht. Nach Annas Schätzung kratzte sie mindestens an der Fünfzig, kämpfte jedoch um eine deutlich jüngere Erscheinung: energiegeladen, durchtrainiert. Als sie aufblickte und Anna sah, stutzte sie einen Moment lang, doch dann ging in ihrem Gesicht aus unerfindlichen Gründen die Sonne auf. Strahlend und mit ausgestreckter Hand kam sie auf Anna zu.

»Hi, du interessierst dich für die Wohnung? Ich bin Berit. Komm doch rein, ich zeig dir alles«, sagte sie mit ihrer rauchigen Stimme.

»Ja, wir haben gestern telefoniert«, erwiderte Anna und folgte ihr.

»Haben wir?« Berit drehte sich nur flüchtig um, zeigte hierhin und dorthin, erklärte und drängte sich an Leuten vorbei. »Das wäre dann das Zimmer, um das es geht«, sagte sie, schob eine junge, blonde Mitinteressentin beiseite und führte Anna in einen großen, hellen Raum mit zwei riesigen Fenstern und einer hohen stuckverzierten Decke. Nur noch wenige Möbelstücke und ein paar Kisten standen darin und zeugten davon, dass sich der bisherige Bewohner mitten im Umzug befand.

»Sehr schön«, sagte Anna, was im Grunde eine heftige Untertreibung war. Berit freute sich.

»Wie war noch gleich dein Name?«, fragte sie.

»Oh, entschuldige«, duzte Anna zurück, es sollte keiner behaupten, sie könne sich nicht anpassen, »ich hab mich noch gar nicht vorgestellt. Anna. Anna Trost.«

»Hey! Klingt ja total deutsch«, stellte Berit lachend fest.

Natürlich, da war es wieder. Annas Lieblingsthema.

»Ja«, sagte sie schlicht. »Ich bin Deutsche.«

»Oh, na ja, ich dachte, wegen … also du siehst halt sehr asiatisch aus«, erklärte Berit.

Ach tatsächlich? Anna gab sich redlich Mühe, ihre Mundwinkel oben zu behalten, und zuckte nur mit den Schultern. Was hätte sie auch dazu sagen sollen?

»Bist du adoptiert oder so?«, fragte Berit ungeniert weiter.

»Nein«, antwortete Anna knapp. »Ich bin in München geboren.« Sie spazierte ein wenig in das Zimmer hinein, weg von der neugierigen Berit und ihrer verrauchten Stimme.

»Weißt du«, erklärte diese und kam ihr hinterher, »ich frage deshalb, weil wir uns innerhalb der WG darüber einig waren, dass wir … na ja, ein bisschen bunter werden wollen, verstehst du? Wir sind einfach der Meinung, dass man in dieser Zeit auch im kleinen Rahmen ein Zeichen setzen muss.«

Bunter? Hatte sie sich deshalb so über Annas Erscheinen gefreut? Weil sie gut in das bunte Farbspektrum passte, das ihnen so vorschwebte? Im Gegensatz zu all den anderen Wohnungssuchenden hier, die alle sehr viel deutscher aussahen.

Anna trat ans Fenster und tat so, als würde sie sich brennend für die Aussicht interessieren, in Wahrheit schloss sie die Augen und mahnte sich innerlich: Reiß dich zusammen! Allem Anschein nach hatte sie gute Chancen, das Zimmer zu kriegen, und das wollte sie nicht aufs Spiel setzen. Am besten sollte sie sich ganz schnell entscheiden, bevor noch ein weiterer bunter Mitbewerber aufkreuzen würde.

»Ab wann wäre denn das Zimmer frei?«, fragte sie und wandte sich Berit wieder zu, lächelnd, freundlich.

»Ab Februar.«

Klang die Frau etwas abgekühlt? Höchste Zeit für Anna, ihren größten Trumpf auszuspielen.

»Ihr seid Musiker, hieß es da in der Anzeige?«, erkundigte sie sich mit unüberhörbarem Interesse.

Sofort wurde Berit merklich größer. »Richtig«, sagte sie mit einigem Stolz, der kühle Ton war verflogen. »Ich selbst singe und arbeite als Vocalcoach, die beiden Jungs spielen Gitarre und Bass und unterrichten ebenfalls. Wir spielen zusammen in einer Band.«

»Cool! Ich bin nämlich auch Musikerin«, erklärte Anna.

»Eeecht? Alter! Ist ja mega!« Berits Begeisterung kehrte doppelt und dreifach zurück. »Etwa Berufsmusikerin?«, fragte sie.

»Allerdings. Ich bin Begleiterin und Korrepetitorin.«

»Du spielst Klavier? Perfekt! Dann könntest du ja mit uns Mucke machen. Ein Klavier fehlt uns noch. In dem Zimmer hier hat bisher unsere Schlagzeugerin gewohnt. Jetzt zieht sie mit ihrem Freund zusammen, aber in der Band ist sie weiter dabei.«

Berit kam in Fahrt und erzählte von Mega-Auftritten, von der »Knete«, die sie dafür »absahnten«, von Songs, die sie draufhatten und von der Mega-Stimmung im Club. »Die Leute rasten total aus, mega, sag ich dir.« Über Anna und ihre Musik wollte sie nichts weiter wissen. Sie fand kein Ende und stimmte zu allem Überfluss spontan die ersten Zeilen von Summer­time an. Mit lässig in die Hüfte gestützten Händen, einer guten Portion Rauch in der Kehle, dafür ohne jede Spur von Gefühl schmetterte sie ungefähr getroffene Töne in das leere Zimmer, dass es von den Wänden hallte. Ein paar Leute spitzten durch die Tür, staunten angemessen und applaudierten der Frau mit der Mords-Röhre. Anna dagegen kam Margot Bettermann plötzlich vor wie eine Offenbarung, und während Berit ihrem Publikum ein dankbares Lächeln schenkte, verzog Anna keine Miene. Es ging einfach nicht. Vergebens versuchte sie, dieselbe Bewunderung zu heucheln wie ihre Mitbewerber. Aber sie konnte nicht. Berit hatte eine schreckliche Stimme und eine furchtbare Art zu singen, wem wollte die etwas beibringen? Und Anna sollte sie dabei begleiten? Im Leben nicht.

Erwartungsvoll sah Berit sie an. Als Anna nichts erwiderte und sich ihre Gesichtsmuskulatur nicht so bewegte, wie es für alle Seiten wünschenswert gewesen wäre, machte Berit »Tja!« und schritt nun ihrerseits an Anna vorbei zum Fenster. Womöglich schloss auch sie die Augen, um sich zu sammeln. Anna musste sich ganz schnell etwas einfallen lassen.

»Weißt du, ich kenne mich mit Jazz nicht so aus«, unternahm sie einen lahmen Rettungsversuch. »Ich begleite ja hauptsächlich klassische Sänger.«

»Ach so«, sagte Berit kühl und fuhr herum. »Mit Klassik hab ich leider gar nichts am Hut.« Daraufhin schlenderte sie an Anna vorbei in den Flur, beiläufig und ohne einen Blick fügte sie noch hinzu: »In der Küche liegt die Selbstauskunft, die müsstest du noch ausfüllen.« Das unausgesprochene »Aber die Mühe kannst du dir schenken« war nicht zu überhören.

Anna hätte sich selbst in den Hintern treten können. Hätte sie sich nicht wenigstens zu einem gehauchten »Wow!« herablassen können? Das hätte praktisch keine Muskelanstrengung gekostet und nach Ehrfurcht geklungen. Jetzt nutzten ihr auch die Mandelaugen nichts mehr.

Unbeachtet schlich sie durch den Flur Richtung Ausgang. Der Typ klebte noch immer an seinem Türrahmen. »Tschau!«, sagte er, als Anna wortlos an ihm vorbeiging.

Sie war so nah dran gewesen und hatte sich selbst alles kaputt gemacht. Was war denn nur mit ihr los? Sie brauchte doch ein Dach über dem Kopf. Und zwar bald.

Als sie nach Hause kam, erschien ihr die Wohnung noch leerer als sonst. Sie erzählte Jeremias von der Musiker-WG und von Berit, aber sie erzählte es nicht so, wie sie es früher getan hätte. Früher wäre sie in alle Rollen geschlüpft, hätte den Typen an der Tür nachgeahmt und alle eifrigen, schleimenden Bewerber. Sie hätte mit Berits Raucher-Stimme »Echt Alter! Mega!« gerufen und Summertime gegrölt, inklusive sämtlicher verpatzter Töne. Früher hätte sie an dem einen Ende ihres langen Esstischs gesessen, Jeremias ihr gegenüber am anderen, rechts und links ein halbes Dutzend Freunde, die sich gebogen hätten vor Lachen über ihre Schilderung.

»Du bist böse, Anni«, hätte Jeremias zu ihr gesagt.

»Ja, ich weiß, ich bin böse. Tut mir leid«, hätte sie erwidert, und sie hätten einander über den Tisch hinweg angesehen: sie ihn, gespielt schuldbewusst, er sie, gespielt tadelnd. Und sie hätten darum gekämpft, wer den Blick länger halten könnte, ohne in Lachen auszubrechen. Anna hätte natürlich gewonnen, Jeremias konnte vieles, aber er konnte nie sein Lachen unterdrücken. Sein wunderbares, mitreißendes, liebenswertes Lachen. Dann hätten sie beide gelacht, alle hätten gelacht, und in Jeremias’ Augen hätte seine Liebe zu ihr gefunkelt.

Jetzt saß sie allein am Tisch und sprach mit einem Geist.

22. November 2019

Gunilla

Alle waren auf Oskars Beerdigung, sogar Michel. Nur Gunilla nicht. Sie saß an dem schönen alten Sekretär ihres längst verstorbenen Mannes und rechnete. Und hatte ein schlechtes Gewissen. Sie sollte auch auf der Beerdigung sein, nicht hier. Sie hatte es versucht, hatte ihr schwarzes Kostüm angezogen, die schwarzen Schuhe und den schwarzen Mantel. Die Sachen hatte sie zuletzt vor Jahren auf der Beerdigung von Lisbeth, Oskars Frau, angehabt. Daran hatte sie noch teilgenommen, aber bei Oskar hatte sie es nicht geschafft. Schon an der Haustür war ihr der Schweiß ausgebrochen. Einen Schritt hatte sie über die Schwelle gesetzt, doch dann war ihr Herz davongerast. Sie war davon überzeugt gewesen, es würde in ihrer Brust explodieren, wenn sie weiterginge. Hatte sie angefangen zu weinen? Sie konnte sich nicht erinnern. Wahrscheinlich nicht, denn das hätte Michel aufgeregt, also hatte sie sich wohl zusammengerissen, das vermutete sie wenigstens. Sie wusste nur noch, dass sie sich auf einmal in der Wohnung wiedergefunden hatte, in einem Sessel im Salon. Roses Tochter hatte ihr ein Glas Wasser gebracht und ihr versichert, Oskar würde es schon verstehen, dass sie zu Hause bliebe. Alle hatten Verständnis. Sogar Michel, der zum Glück in einer guten Phase war.

Jetzt saß Gunilla da und rechnete, ob sie auch über die Runden kommen würde, ohne Oskars Zimmer weiterzuvermieten. Über die Runden ja, aber es wären 500 Euro weniger. 500 Euro weniger, die sie jeden Monat auf einem Konto für Michel anlegte, damit er versorgt wäre, wenigstens finanziell.

Gunilla seufzte und setzte den Text für eine Annonce auf. KG würde sie später aufgeben, mit Computern und diesem Internet kannte er sich besser aus als sie.

Was schrieb man in so einer Annonce? Mitbewohner gesucht. Mehr fiel ihr nicht ein. Reichte das nicht? Das war doch das Wesentliche. Dann noch, wie groß das Zimmer war, die Straße und was es kostete. Und ihre Telefonnummer, damit die Leute sich melden konnten.

Mitbewohner gesucht. Das klang natürlich nach einem Mann. Es hätte auch eine Frau sein können, warum nicht? Gunilla hatte nichts dagegen, aber Oskar war nun mal ein Mitbewohner gewesen, mehr als das, ein Freund. Und deshalb ließ sie es bei Mitbewohner, ihm zu Ehren. Sie hätte noch ergänzen können: So einen wie Oskar. Einen Freund.

Ihr Freund, der vor einer Woche gestorben war und dessen Beerdigung gerade stattfand. Ohne sie. Ihre Tränen fielen auf das Blatt Papier und verwischten die Tinte.

4.Mitbewohner gesucht

Anna steckte den Misserfolg weg und setzte ihre Suche im neuen Jahr fort, es blieb ihr auch nichts anderes übrig. Ab und zu wagte sie einen Blick zu den Zweizimmerwohnungen, aber das war aussichtslos, und Einzimmerapartments gab es praktisch keine, also ruhten alle ihre Hoffnungen weiter auf den Wohngemeinschaften.

Im Laufe des Januars ergatterte sie mehrere Besichtigungstermine und stand bei allen möglichen zu vermietenden Dreistigkeiten Schlange: überteuerte, winzige WG-Zimmer, in die wenig mehr als ein Bett und ein Schrank hineinpassten, Hauseingänge in Hinterhöfen, die nachts kaum beleuchtet waren und in denen der Müll die Ratten anlockte, Gemeinschaftsbadezimmer, die man nur im Schutzanzug betreten wollte. Oder das andere Extrem: hippe Studenten-WGs in von Papi finanzierten Luxuswohnungen. Mit ihren einunddreißig Jahren wurde sie gleich zweimal als zu alt eingestuft. Den Mandelaugenbonus erhielt sie auch kein weiteres Mal, im Gegenteil. Als zufällig einmal ihr Blick auf ihre Selbstauskunft fiel, entdeckte sie, dass neben ihrem sehr deutschen Namen mit Bleistift die Anmerkung »Asiatin« gekritzelt war. Sie schnappte sich den Bogen, bastelte einen Flieger daraus und ließ ihn zum Fenster hinausgleiten.