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Beobachtungen und persönliche Überlegungen zur Thematik der Talentförderung im Fussball in der Schweiz aus der Sicht eines Vaters von drei Fussball spielenden Jungs und Sportlehrers.
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Seitenzahl: 62
Veröffentlichungsjahr: 2020
Neue Methoden im Verband
Talentselektion und Talentförderung im Schweizer Fussball
2.1. Blick auf die Resultate
2.2. Identifikation von Talenten
2.3. Studie ‚Talentselektion und Talentförderung im Schweizer Fussball’
2.4. Der Jongliertest
2.5. Weiterführende Gedanken
2.6. Psychologischer Einfluss beim Trainerurteil
2.7. Replik des SFV
Was kann gemacht werden?
3.1. Ideen für die Forschung
3.2. Wie werden Talente entdeckt: Das Trainerurteil und Trainerausbildung
3.3. Förderung der Trainer im Breitensport: Projekt Sportlehrer
3.4. Spezielle Aspekte: Schnelligkeit
Spätentwickler - Frühentwickler
Entwicklung der Psyche
Die Theorie der Wahrscheinlichkeit
Spezialisten in die Talentförderung
Private Fußballschulen
Löwenschule
Datenblog Tagesanzeiger
Kinderfussball - Konzept SFV
Körperspiel
Empathie der Trainer: Kommunikationskultur
Der Meisterschaftsmodus im Schweizer Profifussball
Beispiele aus der Praxis
Fazit
‚Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll.’
(Georg Christoph Lichtenberg, 1742 – 1799)
Wer ein Buch schreibt, begibt sich auf eine Reise, deren Verlauf und Ausgang unbestimmt ist. Für mich begann die Reise mit einem Bündel an Ideen, die mir zwar nicht den Weg, jedoch die ungefähre Richtung wiesen.
In diesem Buch geht es mir nicht um eine empirische Untersuchung der Talentförderung in der Schweiz. Vielmehr handelt es sich um Beobachtungen und persönliche Überlegungen zur Thematik der Talentförderung im Fussball in der Schweiz aus der Sicht eines Vaters von drei Fussball spielenden Jungs und Sportlehrers. Ich schreibe als aktiver Beobachter, der dabei von seiner Ausbildung sowie Erfahrung in Didaktik und Pädagogik Gebrauch machen kann. Ich schaue, lese und höre Fernsehsendungen, Zeitungsartikel, Fachartikel, Studien, Internetseiten, Blogs und vieles mehr. Dazu kommen meine Erfahrungen als begeisterter Sportler, der sich in verschiedensten Bereichen bewegt. Das ergibt schliesslich ein Bild der Juniorenförderung im Schweizer Fussball von aussen betrachtet, oder anders gesagt, Aussagen aus der Sicht eines Konsumenten. Auch Gespräche mit anderen Eltern fussballspielender Kinder, Trainern, Fussballern, Psychologen und Sportlehrern flossen in diese Arbeit mit ein. Geprägt ist meine Sicht auf die Dinge von meinem Umfeld, das sich grösstenteils in der Zentralschweiz befindet.
Mein Ziel ist nicht, die Talentförderung in unserem Land als schlecht zu entlarven, oder gar den Eindruck zu erwecken, ich wüsste genau, wie es besser gemacht werden könnte, sondern kritisch zu hinterfragen, zum Nachdenken anzuregen und Inputs zu geben, damit am Ende vielleicht Verbesserungen erzielt werden können. Dass ich nicht dem Fussballmilieu entstamme, sehe ich als Vorteil, da ich den Blick von aussen auf die Geschehnisse werfen kann. Zwar habe ich mich mein Leben lang mit Fussball auseinandergesetzt und Fussball gespielt, beziehungsweise tue dies noch immer, allerdings praktisch ausschliesslich im Hobbybereich.
Um nicht vollkommen an der Realität vorbeizusteuern, habe ich dieses Buch von drei Fachleuten gegenlesen lassen. Die Kritikpunkte dieser drei Personen flossen in das Buch mit ein.
Mein Dank geht an:
Marc Noser, Juniorentrainer FC Küssnacht, Sportlehrer
Dr. med. Susanne Meier, Fachärztin Kinder- und Jugendpsychatrie und –psychoherapie
Dusan Jarotta, Trainerausbildner auf allen Stufen im internationalen Volleyballverband, Sportlehrer, ehemaliger professioneller Volleyballtrainer in der Tschechoslowakei und der Schweiz
Plus eine weitere Person, die nicht namentlich aufgeführt sein will.
Das Kapitel ‚Entwicklung der Psyche’ entstand im Austausch mit dem Psychologen und Psychotherapeuten Dr. phil. Roland Müller. Auch ihm gebührt ein grosses Dankeschön meinerseits.
Der Einfachheit halber habe ich nur die männliche Form verwendet. Selbstverständlich ist das weibliche Geschlecht genauso gemeint.
In der Fernsehsendung ‚Morgen sind wir Champions’ des Schweizer Fernsehens spricht der Trainer der U18 Nachwuchsauswahl, Yves Débonnaire, von neuesten Anpassungen in der Ausbildung der besten Nachwuchsfussballer (Erstausstrahlung 2.10.2017 SRF2). Neu sei, dass dem körperlichen Entwicklungsstand der jungen Männer Rechnung getragen werde. Grosse kräftige Spieler lasse man gegen ebenfalls gross gewachsene Teams spielen, kleinere Spieler dementsprechend gegen Teams mit kleineren Spielern. Dass sich die Erkenntnis durchsetzt, wonach nicht nur die körperlich stärksten Nachwuchsspieler gefördert werden sollen, zeigt den Willen des Schweizerischen Fussballverbands (SFV), sich weiter zu entwickeln und vorwärts zu kommen.
Das Problem dabei ist, dass diese Erkenntnis keineswegs neu ist. Darauf hätte man vor rund zwanzig Jahren im Zusammenhang mit Studien über den ‚Relative Age Effect’ bereits kommen können, ja sogar müssen. Bei Themen wie dem Nachteilsausgleich der spät im Jahr Geborenen (zum Beispiel: Studie von Helsen, Starkes, & Van Winckel, 1999) oder auch bei der Verminderung des Verletzungsrisikos dank wiederholten Gleichgewichtsübungen sah man erst nach vielen Jahren, ja sogar Jahrzehnten, entsprechende Anpassungen in der Talentförderung der Fussballer. Im Jahr 2011 beschreiben Romann und Fuchslocher die Problematik der ungleichen Förderung in der Schweiz aufgrund des Geburtsmonats („Gnade der frühen Geburt“ oder Chancengleichheit?). Die von Romann und Fuchslocher präsentierten Zahlen schmeicheln dem SFV zwölf Jahre nach der Studie von Helsen, Starkes & Van Winckel nicht:
So entsteht der Eindruck, der SFV reagiere träge auf neueste Erkenntnisse, anstatt selber mit Innovationen voran zu gehen und sich so einen Vorsprung gegenüber anderen Ländern zu verschaffen. Dieses Vorgehen mag in den letzten zwei Jahrzehnten genügt haben, um mithalten zu können in der erweiterten Weltspitze, jedoch wird mit dieser Taktik ein kleines Land wie die Schweiz auf Dauer den Anschluss verlieren. Einzelne Anzeichen hierfür sind vorhanden.
Vergangene Erfolge der Nachwuchsmannschaften und gegenwärtige Erfolge der A Teams im Fussball zeigen, wie durch qualitativ hochstehende, konsequente Nachwuchsarbeit kleine Länder in grossen Mannschaftssportarten Erfolg haben können. Wenn man allerdings die Errungenschaften der Schweizer Nachwuchsauswahlen in neuerer Zeit anschaut, entsteht der Verdacht, dass andere Länder in diesem Bereich aufgeholt haben. So liegen die grossen Erfolge der Schweizer Nachwuchsteams im Fussball bereits einige Zeit zurück (WM-Titel U17 Fussball 2009, EM Finale U21 Fussball 2011). Die momentane Stärke des A Nationalteams basiert auf diesen ausserordentlichen Jahrgängen.
Derweil wurde die Schweiz auf oberster Stufe bereits von Belgien überholt. Und ein Blick in die Resultatliste der U21 Auswahl in EM Qualifikationsspielen 2017/2018 zeigt Niederlagen gegen Wales (2x), Rumänien, Portugal (2x) und Bosnien-Herzegowina. Bei der U19 Nationalmannschaft stehen von 2016 bis 2019 Niederlagen in Qualifikationsspielen gegen die Türkei, Italien, Israel (2x), Ungarn, Mazedonien, Belgien, Spanien und Frankreich zu Buche. Da wirkt die Teilnahme an der EM Endrunde der U17 im Jahr 2018 schon als einsamer Ausreisser nach oben.
Natürlich können diese Resultate Teil einer normalen Schwankung sein, die es gerade im Nachwuchsbereich bei praktisch allen Nationen gibt. Der SFV tut auch vieles, um seine gute Position in der Fussballwelt zu verbessern.
Dennoch, oder gerade deshalb, schadet ein kritischer Blick von aussen auf einige Themen sicher nicht.
Im Manual ‚Talentidentifikation und –selektion’ vom Bundesamt für Sport und Swiss Olympic (2016) wird auf die grossen Schwierigkeiten bei der Suche nach Talenten hingewiesen. Obwohl oder gerade weil gemäss den Autoren eine zuverlässige Talentselektion praktisch unmöglich ist, versuchen sie den in der Talentförderung involvierten Personen bei der Talentidentifikation und -selektion mit besagtem Manual zu helfen.
Die Talentförderung im Fussball hält sich jedoch gleich in mehreren Punkten nicht an dieses Manual. So wird zum Beispiel mehrfach betont, dass Prognosen für eine spätere Entwicklung eines Talents vor der Pubertät nur geringe Aussagekraft besitzen, weshalb Selektionen in diesem Alter zu vermeiden sind.
Dennoch baut das ganze System im Schweizer Juniorenfussball vom ersten Tag an auf Selektionen auf:
Teams werden bereits auf F Juniorenstufe in Leistungsklassen geführt
grosse Vereine selektieren und fördern je nach Verein ab dem F oder E Juniorenalter
einige private Fussballschulen selektionieren ebenso bereits bei den jüngsten Fussballern