Scout auf einer Geisterfährte - G.F. Barner - E-Book

Scout auf einer Geisterfährte E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Der Pima schwieg, wenn es nichts mehr zu sagen und niemanden mehr gab, den man rufen konnte. Der Indianer verfolgte unbewegten Gesichtes, wie die vierzehn Männer und der Lieutenant stehenblieben und einige sehr blaß wurden. Zwei Mann hatten die Seilwinde betätigt, zwei weitere am Seil gezogen, denn ein menschlicher Körper ist schwer in die Höhe zu ziehen, wenn er keine Möglichkeit hat, sich an der Mauer abzustützen und anderen Männern die Arbeit des Heraufziehens leichter zu machen. Zuerst war Corporal Harry Quinton in den Brunnen gestiegen. Man hatte ihn hinabgelassen, und er hatte das Seil um den Mann ganz unten im Brunnen geschlungen. Es war wenig Wasser im Brunnen – ein karges Land, das gerade ausreichte, um hundertzwanzig Rinder, sieben Pferde und vier Menschen zu ernähren. Doch bei diesen konnte keine Rede davon sein. Sie waren eher ziemlich erschöpft und arbeiteten doch stumm und verbissen. Nachdem Quinton das Seil um den Mann im Brunnen geschlungen hatte und heraufgeklettert war, hatten sie gezogen. Und nun hing der Mann eine Handbreit über dem gemauerten Brunnenrand in der Schwebe – Ein Toter, den jeder gekannt hatte. Einmal hatten sie ihn Tom genannt – oder auch Lansing, Tom Lansing. Er war sechsundvierzig Jahre alt geworden und wäre vielleicht sechzig geworden, wenn er nicht in den Cababi Mountains gelebt hätte. Er war tot und steif und keine sechs Stunden auf dem Weg ins Nichts, in den Himmel oder die Hölle. Der Pima – einer der Indianerscouts aus Camp Lowell bei Tucson – richtete seine dunklen Augen auf die fern im Süden gelegenen Santa Rosa-Berge. Dann glitt sein Blick weiter zu dem Chief-Scout. Joe Lattimer kauerte in der Uniform ohne Rangabzeichen an den rauchenden Balken und atmete den süßlichen Leichengeruch ein. Dann wuchtete er den Balken hoch. Das Holz polterte, als es auf die Reste der geborstenen Mauer schlug. Der Pima beobachtete aus zusammengekniffenen Augen, wie Lattimer das Kind herauszog. Es hatte unter dem Balken gelegen, das Feuer hatte sein Kleid und die Haare verbrannt.

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G.F. Barner – 244 –

Scout auf einer Geisterfährte

G.F. Barner

Der Pima schwieg, wenn es nichts mehr zu sagen und niemanden mehr gab, den man rufen konnte. Der Indianer verfolgte unbewegten Gesichtes, wie die vierzehn Männer und der Lieutenant stehenblieben und einige sehr blaß wurden.

Zwei Mann hatten die Seilwinde betätigt, zwei weitere am Seil gezogen, denn ein menschlicher Körper ist schwer in die Höhe zu ziehen, wenn er keine Möglichkeit hat, sich an der Mauer abzustützen und anderen Männern die Arbeit des Heraufziehens leichter zu machen.

Zuerst war Corporal Harry Quinton in den Brunnen gestiegen. Man hatte ihn hinabgelassen, und er hatte das Seil um den Mann ganz unten im Brunnen geschlungen.

Es war wenig Wasser im Brunnen – ein karges Land, das gerade ausreichte, um hundertzwanzig Rinder, sieben Pferde und vier Menschen zu ernähren. Es gab wirklich nicht viel Gras in dieser Gegend, zumeist nur Sand, Kakteen und Staub, der in Mund und Nase drang, die Augen brennen ließ und die Menschen mürrisch und gereizt machte…

Doch bei diesen konnte keine Rede davon sein. Sie waren eher ziemlich erschöpft und arbeiteten doch stumm und verbissen.

Nachdem Quinton das Seil um den Mann im Brunnen geschlungen hatte und heraufgeklettert war, hatten sie gezogen. Und nun hing der Mann eine Handbreit über dem gemauerten Brunnenrand in der Schwebe – Ein Toter, den jeder gekannt hatte. Einmal hatten sie ihn Tom genannt – oder auch Lansing, Tom Lansing. Er war sechsundvierzig Jahre alt geworden und wäre vielleicht sechzig geworden, wenn er nicht in den Cababi Mountains gelebt hätte.

Er war tot und steif und keine sechs Stunden auf dem Weg ins Nichts, in den Himmel oder die Hölle.

Der Pima – einer der Indianerscouts aus Camp Lowell bei Tucson – richtete seine dunklen Augen auf die fern im Süden gelegenen Santa Rosa-Berge. Dann glitt sein Blick weiter zu dem Chief-Scout.

Joe Lattimer kauerte in der Uniform ohne Rangabzeichen an den rauchenden Balken und atmete den süßlichen Leichengeruch ein. Dann wuchtete er den Balken hoch. Das Holz polterte, als es auf die Reste der geborstenen Mauer schlug.

Der Pima beobachtete aus zusammengekniffenen Augen, wie Lattimer das Kind herauszog. Es hatte unter dem Balken gelegen, das Feuer hatte sein Kleid und die Haare verbrannt. Man sah die schreckliche Kopfwunde.

Es ist mit einem Tomahawk erschlagen worden, dachte der Pima und krauste seine Stirn. Ein Kinderschädel hält nichts aus.

Aber das Gesicht des Pimas blieb wie versteinert.

Der Wind wehte über Tote und Lebende auf dem Boden der Lansing Ranch in den Cababi-Bergen hinweg.

»Hebt ihn an!« sagte Amos Raiden, und es war, als fände seine Stimme keinen Widerhall, denn es gab keine aufrecht stehende Mauer mehr, an der sie hätte zurückprallen können. »Legt ihn ab!«

Zwanzig Yards weiter, wo das kleine Maisfeld lag und jetzt nur noch eine verbrannte öde Fläche gähnte, kniete John Mattingly.

Er war immer ein Schweiger gewesen, ein Mann mit einem mürrischen, verschlossenen Gesicht, dessen Trägheit zahllose Vorgesetzte zur Raserei gebracht hatte. Seine Bewegungen waren ihnen zu lahmarschig gewesen.

Mattingly war kalkweiß geworden, denn vor ihm lag Esther Lansing, und jeder wußte, daß er sie geheiratet hätte, sobald er zum Sergeant befördert worden wäre.

Er würde sie nie mehr heiraten. Sie war sehr schön gewesen, ein großes, kräftiges Mädchen mit blondem Haar und vollen Brüsten. Wie oft hatte Esther seine Hand gehalten und ihn angelächelt.

Vorbei!

Es gab nichts mehr, was irgend jemand hätte schön nennen können.

»Joe«, stöhnte Mattingly. »Joe!«

Es war kein lautes Stöhnen, und doch klang es, als schrie Mattingly um Hilfe. Immer wieder hatten sie alle nach Joe Lattimer geschrien oder gebetet, daß er kommen möge, wenn sie in der Klemme gesteckt hatten. Lattimer war der Rettungsanker der Armee in Arizona, ein ruhiger Mann mit breiten Schultern, einem harten, kantigen Gesicht, sehr hellen Augen und dunklen, an den Schläfen bereits ergrauten Haaren. Aber er war so jung wie sie, keine dreißig Jahre alt. Und doch behaupteten manche Leute, er wäre hundert Jahre alt und hätte zwei Leben hinter sich.

In Arizona gab es junge Burschen, die kaum sechzehn Lenze erlebt hatten, im Wesen und nach der Erfahrung dennoch sechzig Jahre alt sein mußten. Lattimer war uralt, wenn man diesen Maßstab anlegte.

*

Der Chief-Scout warf einen Blick zu seinem Lieutenant, dessen brauner Wallach den Geruch nach verbranntem Fleisch nicht vertrug und nervös tänzelnd zurückdrängte. Dann ging Chief-Scout Lattimer los. Das dünne Ärmchen des Kindes fiel in Asche, die aufwirbelte und vom Wind davongetrieben wurde.

»Mach schnell, Joe!«

Mehr wollte Lieutenant Harris nicht sagen. Es lag ihm fern, Lattimer anzutreiben, denn der wußte besser als Harris, was er und wie schnell er es zu tun hatte. Den Lieutenant drängte es lediglich, diesen Platz so schnell wie möglich zu verlassen. Die Dämmerung mußte in einer halben Stunde einsetzen. Und nachts war es kaum möglich, die Fährte jener Indianerhorde zu verfolgen, die sie aufspüren, gefangennehmen oder vernichten sollten, wenn es sonst keinen anderen Weg gab.

»Ja«, sagte Joe Lattimer mit sanfter Stimme, die so typisch für sein Wesen war. Er verlor nie die Ruhe und kämpfte ohne jegliche Gefühlsregung. Er gehorchte eben den Befehlen und ließ weder Haß noch Wut erkennen, wenn er zum Beispiel einen Mann niederschlagen mußte. Lattimer war die Beherrschung selbst.

Als er neben John Mattingly stand und ihm die Hand auf die Schulter legte, senkte der den Kopf.

»Yellow Hand, Joe?« fragte er nach einigen Sekunden mit lauerndem Blick. »Wie viele dieser ›Ausgestoßenen‹ sind es gewesen?«

»Etwa zwanzig, John.«

»Warum hier? Warum denn ausgerechnet hier, verdammt?«

»Pferde und Mais«, sagte der ChiefScout. »Er will durch die Halbwüste nach Süden. Dort findet er kaum Wasser, und er hat auch zu wenig Pferde. Hier fand er alles.«

Nun hatten sie alle die Erklärung, die er ihnen bisher nicht gegeben hatte. Ein Trupp ausgestoßener, streunender Indianer, vom eigenen Volk verjagt, brauchte für den langen Marsch Ersatzpferde und Futter.

Sie waren nicht im Morgengrauen gekommen, wie es ihren Gepflogenheiten entsprach, sie hatten sich die Mittagszeit ausgesucht und dann angegriffen, als alles ruhte und kaum arbeitete, weil die sengende Hitze irgendeine Arbeit im Freien unerträglich gemacht hätte.

»Hm«, sagte der Pima-Indianer. Die Pimas waren wirklich nie Apachenfreunde gewesen und dienten der Armee als Scouts. »Sie sind nach Süden geritten.«

Der sehnige Sergeant Jim Keefer kam mit Corporal Ashley heran. Beide trugen Klappspaten. Keefer blieb stehen, um abzuwarten, ob Mattingly sich fassen würde.

»John, hast du dich gefangen?« fragte der Chief-Scout leise. »Wenn du es selbst tun willst…«

»Ja«, sagte Mattingly. Seine Stimme klang so heiser, als wäre ihm die Kehle zu eng. »Ich mache es selbst. – Keefer, hilfst du mir?«

Der Sergeant nickte. Ashley hielt Mattingly den Schanzspaten hin, den der faule Mattingly nahm, aufklappte und in den Boden stieß. Danach zog er sich am Spaten hoch, blieb sekundenlang so stehen, starrte auf das nackte, verstümmelte Mädchen, das einmal seine Braut gewesen war, und ging dann mit schleppenden Schritten zu seinem Pferd, um die Decke zu holen.

»Joe«, fragte Lieutenant Howard Harris, indem er seinen Braunen herumzog, »holen wir die Horde ein?«

»Kann sein, vielleicht morgen früh«, antwortete der Chief-Scout. Er wechselte einen Blick mit dem Pima, der wieder nach Süden auf die Santa Rosa-Berge deutete. »Du meinst, sie sind bereits durch die Berge auf dem Weg in die Halbwüste, Sha?«

Der Pima hieß eigentlich Shanopack, aber der Name war zu lang, und sie nannten ihn darum einfach Sha.

»Viel Sand, viel Wind, schlechte Spur«, sagte der Pima kehlig. »Gehen Süden, immer Süden.«

»Du glaubst, er will zur nächsten Wasserstelle, Sha?«

»Ja, gut Wasser. Gehen immer Süden.«

»Nein!«

Lieutenant Harris hob erstaunt den Kopf, als Lattimers bestimmtes Nein kurz und trocken kam.

»Nein?« fragte der Pima und schüttelte den Kopf. »Gehen Süden – viel, gut Wasser, ja.«

Lattimer beugte sich herab, ergriff einen herumliegenden Stock und strich den von vielen Huftritten und Füßen zertretenen Sand glatt. Der Stock zeichnete einen Kreis, dann eine gezackte Linie und weiter im Südwesten die nächste Linie, vor der zwei weitere Kreise entstanden.

Lieutenant Harris sah von oben auf die Zeichnung herab, und er begriff mühelos, was der Chief-Scout, dessen Vater schon Armee-Scout gewesen war, in den Sand gemalt hatte.

Der erste Kreis bezeichnete diese Ranch inmitten der Cababi Mountains, im Südwesten lagen die Santa Rosa-Berge, und dort stellte der eine Kreis die von Bürgern zumeist mexikanische Abstammung bewohnte Stadt Santa Rosa dar. Der zweite Kreis mußte die Blue Water Stagecoach Station, ein von Lehmmauern umgebener Gebäudekomplex andeuten.

Der Pima schüttelte den Kopf, als Lattimer eine Linie genau nach Süden bis in die südlichen Ausläufer der Santa Rosa-Berge zog. Dann jedoch knickte die Linie im scharfen Winkel nach Norden um und führte bis kurz vor die Blue Water Station. Ein paar Striche stießen nun auf einen dritten Kreis inmitten der von keiner Kettenlinie unterbrochenen Fläche im Süden vor, und Harris wußte, was dort war: die Wüste.

»Limpo Waterhole?« fragte Harris gespannt, und er deutete den Kreis richtig. »Das Limpo-Wasserloch in der Wüste? Was soll das bedeuten, Joe?«

Der Chief-Scout sah zu ihm hoch und zuckte die Achseln.

»Wenn ich Apache wäre«, sagte er geduldig wie jemand, der etwas erklären muß und nicht sicher ist, daß man ihn sofort versteht, »würde ich zwei Krieger hinschicken und die Wasserstelle für andere unbrauchbar machen lassen. Ein paar Beutel Alkalistaub genügen. Er kann auch Poison-Chollas zerschneiden und ins Wasser werfen lassen. Diese Giftkakteen saugen sich wie Schwämme voll, und ihr Gift vermischt sich mit dem Wasser. Er ist auf dem Weg nach Norden, unser verdammter Freund Yellow Hand.«

»Nicht genug Wasser, nicht genug«, sagte der Pima.

Joe Lattimer blickte ihn an, stand dann auf und winkte ihm. Pima-Scouts irrten sich selten, und Sha war nicht der schlechteste unter ihnen. Harris ritt hinter Lattimer und dem Pima her zum Brunnen. Lattimer winkte dem Pima wieder. Genauso wortlos beugte er sich über den Brunnenrand und deutete auf die Steine. Da stieg Harris ab, denn er wollte sehen, was es im Brunnen gab. Der Pima beugte sich gleichfalls über den Brunnenrand und zuckte leicht zusammen, ehe er Lattimer durchdringend anblickte.

»Du gesehen, ich nicht«, sagte der Pima danach. »Sie Lansings nicht sofort in Brunnen geworfen, ja?«

»Ja«, erwiderte Lattimer gelassen. »Sie haben zuerst Wasser gefaßt und dazu auch ein paar Wasserschläuche Lansings genommen. Er hatte sie im Schuppen hängen. Es ist kein Schlauch mehr da.«

»Joe, woher willst du das wissen? Der Schuppen ist restlos niedergebrannt«, brummte Harris. »Wie…«

»Lederschläuche zerfallen nie zu Staub, sie bilden klumpenartige Ballen und stinken fürchterlich.«

Harris schwieg, der Pima nickte. Beide hatten eine Lektion gelernt, aber sie waren weit davon entfernt, etwa beleidigt zu sein. Pimas hatten es nicht gern, wenn man ihre Fähigkeiten anzweifelte, aber sie hatten nie gelernt, wie Apachen zu denken. Deshalb waren sie auch fast ausgerottet worden, als die Apachen über sie hergefallen waren.

»Du guten Vater, viel schlau«, sagte der Pima und verzog sein Gesicht, was ein Lächeln andeuten sollte. »Sohn viel lernen, wenn Vater sehr schlau. Yellow Hand viel Wasser. Können erst Süden, dann Norden gehen. Warum gehen nach Norden?«

»Pferde«, antwortete Joe Lattimer lakonisch. »Er will ein Geschäft machen, weil seine Waffen nicht viel taugen. Und in Mexiko kann er Pferde gegen gute Waffen tauschen.«

»Bei wem?« fragte Lieutenant Harris. Er wurde unruhig, denn er wußte, daß sie selbst nach einem Gewaltmarsch unmöglich vor dem Morgen bei der Blue Water Station sein konnten. Und er war sicher, daß Yellow Hand die Station im Morgengrauen überfallen wollte.

»Sam Clinton!«

Harris runzelte die Stirn. Wo immer es Ärger, Schmuggel, gesteuerte Grenzüberfälle oder irgendwelchen anderen Verdruß an der Grenze gab, hatte Sam Clinton die Hand im Spiel.

Der war zum Banditen geworden, nachdem die Skalpjagd keinen Gewinn mehr abgeworfen hatte. Früher hatten die Mexikaner auf jeden Apachenskalp eine Prämie ausgesetzt. Es war eine grausame Methode gegen einen grausamen und unerbittlichen Gegner gewesen, und Sam Clinton hatte mit ein paar Männern unter Führung seines Vaters Apachen wie Wild erlegt, um ihnen die Haare abzuschneiden. Vor Jahren war der alte Clinton mit einem Teil der Skalpjäger von Apachen umgebracht worden, und sein Sohn hatte die Jagd aufgegeben. Zudem war sie verboten worden. Es hieß, er hätte seinen Frieden mit den Apachen gemacht und belieferte sie nun mit allem, was sie an Waffen brauchten.

»Das hieße, Clinton lebt im Süden?« fragte Harris. »Jenseits der Grenze. Das meinst du doch, oder? Daß man dem Strolch nie etwas beweisen konnte.«

»Irgendwann wird er sich selbst den Strick um den Hals legen«, gab Joe Lattimer zurück. »Sein Vater hatte zur gleichen Zeit drei Mexikanerfrauen. Dieser Sam besitzt nur eine, aber etliche Freundinnen, hörte ich. Frauen sind nie gut in dem schmutzigen Geschäft. Sein Vater starb, weil eines seiner Weiber ihn unter der Apachenfolter verriet. Sam Clinton hat Logan umgebracht.«

Harris hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. Al Logan war Händler in Tubac gewesen. Er hatte Warentransporte nach Mexiko durchgeführt, aber eines Tages hatte man ihn und seine Männer vergebens in Tubac erwartet. Man hatte nur ihre Skelette gefunden.

Geier machten ihre Arbeit nun mal gründlich.

»Möglich, vielleicht auch nicht, Joe«, murmelte Harris. »Hm, wann könnten wir in der Nähe der Blue Water Station sein?«

»Nicht vor neun Uhr vormittags«, erwiderte der Chief-Scout. »Der Weg durch die Berge drüben kommt nicht infrage. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, wenn man schneller dort sein will: wir müßten einige Männer zurücklassen.«

»Zurücklassen?« wunderte sich Harris. »Wie stellst du dir das vor, Joe?«

»Bis in die Berge könnten sie mitreiten, dann müßten sie zu Fuß gehen, während wir ihre Pferde mitnehmen. So hätten wir eine Chance, ständig die ermatteten Tiere zu wechseln. Wir würden dadurch dreieinhalb Stunden gewinnen.«

»Zu Fuß durch die Berge – zu Fuß?« flüsterte Harris bestürzt. »Das wird die Hölle. Wieviel Mann müßten es sein?«

»Fünf.«

»Verdammt!« knurrte Harris. »Wem soll ich das zumuten? Sie sind alle beinahe am Ende ihrer Kräfte. Joe, das ist zuviel verlangt.«

»Viel gut«, meldete sich der Pima. »Können Yellow Hand fangen, wenn fünf Mann gehen. Viel gut, Joe.«

Lieutenant Harris überlegte einen Augenblick. Der Gedanke, daß sich ein Mann über dreißig Meilen weit in diesem Gelände zu Fuß bewegen sollte, ließ ihn erschauern; dennoch blieb ihm keine Wahl. Lattimer konnte ihm keine Befehle erteilen, und doch wäre Harris froh gewesen, wenn der Chief-Scout die alleinige Entscheidung gehabt hätte.

»Was ist, wenn wir sie hierlassen?«

»Noch besser«, sagte Lattimer und nickte. »Dann könnten wir es bis zum Morgengrauen geschafft haben. Ich glaube, ich kenne Yellow Hands Plan, Howard. Er hat Wasser genug, um sich nach Süden absetzen zu können, sobald er mit der Station fertig ist. Danach ist er auf das Wasserloch nicht mehr angewiesen, im Gegensatz zu seinen Verfolgern. Finden sie nichts oder verdorbenes Wasser, müssen sie umkehren, denn das nächste Wasserloch ist zu weit entfernt. Der Teufel Yellow Hand hat den Weg nach Süden frei. Du mußt entscheiden.«

Harris winkte First Sergeant Rufus Bullock, einen stämmigen blonden und wüstenerfahrenen Mann. Er befahl ihm, mit vier Mann ein Beerdigungskommando zu bilden und dann den Fußmarsch Richtung Santa Rosa-Berge anzutreten. Als der Name Mattingly fiel, schüttelte Lattimer den Kopf, und Lieutenant Harris bestimmte einen anderen Mann.

»Warum willst du Mattingly dabei haben?« fragte Harris, nachdem sie bereits über eine halbe Meile von der Ranch entfernt waren.

»Wenn wir Yellow Hand stellen, kann ich nur an einem Platz sein«, erwiderte Lattimer. »Wir werden uns wahrscheinlich trennen müssen, um den Kerl in die Zange zu nehmen. Flüchtet er dann nach der Seite, wo ich nicht bin, erwischen wir ihn nicht. Er ist der beste Apachenreiter, den ich jemals gesehen habe. Mattingly schießt ihn auf zweihundert Yards vom Pferd, niemand sonst könnte das.«

Er denkt an alles, ging es Harris durch den Kopf. Er ist jetzt schon dabei, Yellow Hands Horde zu stellen und kalkuliert jede Möglichkeit ein. Und dieser Mann verläßt uns in vier Wochen wegen eines Versprechens, das er seinem sterbenden Vater gab. Was werden wir ohne ihn anfangen?

Joe Lattimer ritt bereits nach vorn, der Pima fiel zurück, und Lieutenant Harris wußte, daß er sich um die Sicherung seines Kommandos keine Sorgen zu machen brauchte. Es gab nichts, was Lattimer übersah oder dem Pima entging.

Jedem in Camp Lowell war seit Monanten bekannt, daß Lattimer die Armee verlassen wollte, und doch hofften sie alle, daß er sich diesen Entschluß noch einmal überlegte. Sein Vater hatte ihm das Versprechen abgenommen, der Armee den Rücken zu kehren, ehe er seinen dreißigsten Geburtstag feierte.

»Du wirst sonst nie zu etwas kommen und niemals dein eigener Herr und ein freier Mensch sein«, hatte der Alte gesagt. »Mit dreißig Jahren bist du ein Greis, wenn du so lange lebst. Versprich mir, daß du aufhörst, Sohn!«

Der Chief-Scout Lattimer hatte es versprochen, und er war der Mann, der zu seinem Wort stand.

Und diesmal hatte er versprochen, daß sie im Morgengrauen an der Blue Water Station sein würden.

*

Murphy fühlte die Unruhe seines Blutes wie ein Brennen unter der Haut, seitdem die Frau in die Station gekommen war. Es war die schönste Frau, die Murphy jemals gesehen hatte, und er hatte viele gekannt. Er schwärmte für alles, was Busen und ein verführerisches Lächeln zur Schau trug. Und diese Frau hatte ihn angelächelt, und er wollte jede Wette darauf eingehen, daß dieses Lächeln nur eines bedeutet haben konnte.

Alan Murphy trat leise aus der Tür des Stationsgebäudes in die warme, schwüle Nacht hinaus, deren Sternenhimmel einen silbrigen Schimmer über die Nebengebäude und Stallungen warf. Es war eine Nacht, wie Murphy sie liebte, seitdem er im tiefen Süden war. Und dann wußte Murphy, daß er sich nicht getäuscht hatte: die Lady hatte das Zimmer des Nebengebäudes verlassen. Sie stand am Corral bei den zwei Eselfohlen und fütterte sie mit dem braunen Zucker aus Stationer Wilkins’ Zuckerdose.

Murphy blickte lauernd in die Runde. Das Licht in Claiborns Zimmer war erloschen, die hölzernen Lamellenblenden waren vorgelegt worden, und wahrscheinlich schlief der reiche Lewis Claiborn längst, obwohl ihm die Hitze genauso wie Murphy zugesetzt haben mußte.

Am Ende dieses Tages gab es für Murphy nichts mehr zu tun. Lewis Claiborn brauchte ihn nicht mehr. Niemand brauchte einen Revolvermann, wenn er schlief.

Alan Murphy ging langsam auf den Corral zu, und er wunderte sich nicht, daß die Lady ihn nicht hörte, denn sie sprach leise auf die beiden den Zucker zermahlenden Eselfohlen ein. Als Murphy drei Schritt hinter der Lady war, trat er fester auf, hüstelte und sah, wie sie erschrocken zusammenzuckte.

Im Sternenlicht schimmerte das Haar der Frau wie ein Kupferdach, auf das gelbliches Mondlicht schien. Und als sie herumfuhr, glänzten ihre grünen Augen wie von tausend Lichtern getroffen.

»Hallo!« sagte der Revolvermann leise. Er hätte lauter sprechen können, denn er war weit genug vom Stationsgebäude entfernt, aber Murphy befand sich in einer Stimmung, zu der ein lautes Wort nicht paßte. »Nun, Madam, ist es zu heiß in den Zimmern?«