Wächter der Weide - G.F. Barner - E-Book

Wächter der Weide E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Er stellt die Geldkassette in das linke Fach des Schreibtisches und wirft die kleine Tür mit einem jähen Ruck zu. Und dann sehen seine Augen zur Tür, und seine leicht knarrende Stimme sagt heiser: »Komm rein, Joe!« Er sitzt groß und massig hinter seinem Schreibtisch und hat die Hand in der Tasche seines Rockes. Joe Cayfish braucht nicht unbedingt zu sehen, wieviel harte Dollars in der Kassette von Mike Russel liegen. Mike Russel nimmt seinen scharfen Blick von der Tür fort, als sie sich öffnet und Joe sichtbar wird. »Was ist?« fragt Russel kühl und abweisend. »Du weißt, daß ich nicht gestört werden will. Wenn ich dir wieder einen Befehl gebe, dann…« Und weiter kommt er nicht. Er sieht jetzt wieder hoch, denn da kommt nicht nur ein Mann ins Zimmer. Durch den Mata-Moro-Saloon in sein Hinterzimmer, von dem aus der Weg über eine Treppe nach oben in die Schlafräume Russels führt, kommen drei Männer. Russels stechender Blick geht unter den schweren Lidern wieder nach der Tür und bleibt auf dem größten dieser Männer liegen. Er sieht ein scharfkantiges und staubbedecktes Gesicht, zwei flintsteingraue Augen und einen festen und unnachgiebigen Mund. Dieses Gesicht gehört zu Larry Stone­wall, und dieses Gesicht verrät nichts von dem, was Stonewall denkt. Russel, ein wuchtiger Mann, in der etwas protzenhaften Kleidung des Grenzcaballeros, sieht erschreckt auf Stonewall. Und dann wandert sein Blick langsam abwärts, bis er auf dem Revolver liegenbleibt, den Stonewall in der Hand hält. Und der Revolver zeigt auf Joe Cayfishs Rücken. Und im Halfter von Cayfish steckt kein Colt mehr. Der Colt wirbelt um den Zeigefinger des zweiten Mannes, den Stonewall mitgebracht hat und dessen flinke und harte Augen blitzschnell durch das Zimmer huschen.

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G.F. Barner – 315 –

Wächter der Weide

G.F. Barner

Er stellt die Geldkassette in das linke Fach des Schreibtisches und wirft die kleine Tür mit einem jähen Ruck zu. Und dann sehen seine Augen zur Tür, und seine leicht knarrende Stimme sagt heiser: »Komm rein, Joe!«

Er sitzt groß und massig hinter seinem Schreibtisch und hat die Hand in der Tasche seines Rockes. Joe Cayfish braucht nicht unbedingt zu sehen, wieviel harte Dollars in der Kassette von Mike Russel liegen.

Mike Russel nimmt seinen scharfen Blick von der Tür fort, als sie sich öffnet und Joe sichtbar wird.

»Was ist?« fragt Russel kühl und abweisend. »Du weißt, daß ich nicht gestört werden will. Wenn ich dir wieder einen Befehl gebe, dann…«

Und weiter kommt er nicht. Er sieht jetzt wieder hoch, denn da kommt nicht nur ein Mann ins Zimmer.

Durch den Mata-Moro-Saloon in sein Hinterzimmer, von dem aus der Weg über eine Treppe nach oben in die Schlafräume Russels führt, kommen drei Männer.

Russels stechender Blick geht unter den schweren Lidern wieder nach der Tür und bleibt auf dem größten dieser Männer liegen.

Er sieht ein scharfkantiges und staubbedecktes Gesicht, zwei flintsteingraue Augen und einen festen und unnachgiebigen Mund.

Dieses Gesicht gehört zu Larry Stone­wall, und dieses Gesicht verrät nichts von dem, was Stonewall denkt.

Russel, ein wuchtiger Mann, in der etwas protzenhaften Kleidung des Grenzcaballeros, sieht erschreckt auf Stonewall. Und dann wandert sein Blick langsam abwärts, bis er auf dem Revolver liegenbleibt, den Stonewall in der Hand hält.

Und der Revolver zeigt auf Joe Cayfishs Rücken.

Und im Halfter von Cayfish steckt kein Colt mehr. Der Colt wirbelt um den Zeigefinger des zweiten Mannes, den Stonewall mitgebracht hat und dessen flinke und harte Augen blitzschnell durch das Zimmer huschen.

Und da ist schließlich noch der dritte Mann, den man nicht anders nennt als Alverdes. Seinen Vornamen weiß man nicht oder hat ihn vergessen.

Niemand wird sagen können, daß er weniger gefährlich ist als jener kleine Mann mit den flinken Augen, den man Jim Fanders nennt.

»Eine kleine Überraschung«, sagt Russel und versucht zu lächeln.

Er weiß in derselben Sekunde schon, daß es nichts zu lächeln geben wird und er erst gar nicht zu versuchen braucht, Stonewall und den beiden Männern der Comstock-Ranch etwas vorzumachen.

»Eine kleine Überraschung«, wiederholt er heiser, und sein Gesicht nimmt den Schatten der Besorgnis an. »Was soll das heißen, Larry? Warum kommst du hier einfach herein und…«

»Nimm die Hand besser aus der Jacke«, sagt Stonewall mit seiner kalten und unpersönlichen Stimme, die nicht nur Russel erschrecken kann.

»Nimm sie aus der Tasche und lege beide Hände flach auf die Platte.«

Russel bewegt die Finger, und die Zigarre unter den Fingern beginnt langsam zu blättern und drückt sich entzwei. Er zieht die Hand mit der Zigarre heraus, und Stonewalls kalter Blick bleibt bei jeder Bewegung dieser Hand liegen, die sich schließlich auf der Platte ausstreckt.

Eine zerdrückte Zigarre, einige Krümel und eine behaarte Hand, die still auf der Platte ruhen.

Das ist alles, und Joe Cayfish sagt jetzt keuchend: »Ich war am Viehschuppen. Und da kamen sie von hinten und schnappten Joker und mich. Sie schlugen uns einfach zu Boden und…«

Damit hat er für einen Mann wie Stonewall schon genug gesagt.

Für Larry Stonewall reicht das völlig.

Er sagt knapp und zischend: »Alverdes.«

Alverdes hebt nur den Colt an und läßt ihn fallen.

Russels Revolvermann und Aufpasser Joe Cayfish fällt mit einem mißtönenden Gepolter auf den Boden, und die zweite Beule an seinem Kopf sagt eindeutig, was ihn dahin brachte.

»Was?« fragt Russel, und sein Gesicht, der breite Mund mit den etwas wulstigen und seine Genußsucht verratenden Lippen, zittert leicht. »Was soll das heißen? Warum schlagt ihr ihn um? Ihr seid hier nicht in den Staaten, ihr seid hier in Mexiko. Und ein Wink von mir, dann…«

»Jim«, sagt Stonewall flach und gleichmütig, als wenn er den ganzen Tag Rinder gezählt hat und dabei ­monoton zu leiern gewohnt ist. »Jim…«

Es ist wie eine leise Aufforderung an einen Mann, etwas zu tun, und der kleine und flinke Jim Fanders bewegt sich kaum merklich.

Russel starrt auf Fanders linke Hand, die einen kaum tellergroßen Fetzen Fell hält.

Er sieht deutlich, daß Fanders mit seinem sicher haarscharfen Messer die Haare abgeschabt haben muß, bis der Brand sichtbar wurde, den das Rind einmal trug.

Dieser Brand ist nichts anderes als ein großes C, in dessen Rundung ein aufrechtes V steht. Und es besagt nicht mehr und nicht weniger, daß dieses Fell, aus dem das Stück herausgeschnitten wurde, einmal Vic Comstock gehörte.

Russel sieht die Bullpeitsche in der Hand des kleinen Mannes und erinnert sich an einige Dinge.

»Ist etwas nicht klar?« fragt Jim Fanders sanft und blickt Russel eulenhaft träge an.

Er hat plötzlich einen kleinen Ruck mit der Hand gemacht, und die Schnur der Bullpeitsche entringelt sich wie der Leib einer faulen Schlange, die in der Sonne gelegen hat.

Das Ende der Peitschenschnur mit ihrem eingeflochtenen Drahtstück hält Fanders in der Hand.

»Nein«, sagt Russel, und seine Augen flackern wild. »Larry, laß dir das erklären. Ich habe damit gar nichts zu tun. Ich habe nur ein Rindergeschäft hier. Ich kaufe und verkaufe Rinder. Und ich kann nicht nach jedem Brand sehen. Ich habe da ein Rind zwischen den anderen gehabt, das euren Brand trug. Und…«

Stonewalls kühle und harte Augen funkeln etwas.

»Tatsächlich, nur ein Rind? Russel, mit deiner Erinnerung ist es einfach nicht weit her. Ein Rind? Hast du wirklich – ein Rind – gesagt?«

Mike Russels bartloses Gesicht zuckt heftig.

»Ich sehe nur ein Stück Fell«, sagt er keuchend. »Ihr könnt das nicht auf dieser Seite machen. Ihr habt kein Recht. Ich mache nur manchmal ein Geschäft. Man wird euch einsperren. Die Jails in Mexiko sind besonders schön. Ich weiß von keinem Rind.«

»Nicht?« fragt Jim Fanders so erstaunt, als wenn er ein neues Weltwunder gerade entdeckt hat. »Er erinnert sich an gar nichts, dieser ehrenwerte Halunke. Er erinnert sich nicht einmal an Miguel Pardona.«

»Pardona?« fragt Russel heiser und schielt entsetzt hoch. »Ich – ich mache manchmal ein Geschäft mit ihm. Ich mache nur manchmal ein Geschäft, und ich weiß nicht, was er mit euch hat. Sicher bringt er mir keine Rinder, die von euch…«

Er wird unterbrochen. Stonewall sagt jetzt mit einer Stimme, die wie der Hauch des Winterblizzards klingt: »Buck, bring ihn herein.«

Russels dunkle Augen richten sich auf die Tür. Er sieht das Stück des Ganges und hört die Tritte kommen. Dann sieht er zuerst Buck Fronside und hinter ihm James Harmond. Er kennt die Männer der Comstock-Ranch fast alle. Und dann kommt auch schon Buck Fronside in den Raum hinein und bewegt scharf und heftig den linken Arm. An Fronside vorbei fliegt Miguel Pardona über den am Boden liegenden Joe hinweg und prallt hart an die Vorderwand des Schreibtisches. Dort bleibt er eine Weile wie ein stumpfes und unwissendes Tier hocken.

Russels Augen starren auf Miguels Rücken und auf das Hemd. Er sieht ein Hemd, das kein Hemd mehr ist, und einen Mann, der kaum noch stehen kann.

Miguel Pardona ist fertig und wird eine Weile auf dem Bauch liegen müssen. Er kann nur noch kauern und sagt mit einem Laut, der sich wie das Kratzen einer Stahlbürste auf einem rostigen Blech anhört: »Sie werden mich töten, wenn ich nicht die Wahrheit sage. Ich habe alles gesagt, was…«

»Bist du wahnsinnig?« entfährt es Russel entsetzt.

Und dann sieht er seinen Fehler ein und schließt den wulstlippigen Mund fest.

Er fällt wieder in seinen Sessel, und einen Augenblick schließen sich auch seine Augen. Dann starrt er auf die drei Männer und die beiden anderen, die in der Tür stehengeblieben sind und sich jetzt langsam umdrehen. Sie verschwinden wieder in den Gang, und Russel hört sie mit den anderen reden. Es müssen also noch mehr Leute der Comstock-Ranch dort sein.

Und sicher weiß im Saloon niemand etwas davon, daß die halbe Mannschaft der Comstock-Ranch hier ist und den Besitzer des Saloons und des größten Viehhandelskontors in der Stadt gerade besucht.

»Willst du noch immer lügen, du verdammter Halunke?« fragt Stonewall jetzt grimmig. »Ich sage dir, ich werde dich lehren, dich an unsere Rinder zu machen. Miguel, er will nicht. Wie ist es, willst du ihm nicht sagen, was er dir für ein Rind bezahlt hat? Ausgerechnet für unsere Rinder?«

»No«, sagt Miguel keuchend. »No, ich habe genug. Ich werde alles sagen. Señor Larry, ihr könnt mich nicht bestrafen. Er hat gerade eure Rinder haben wollen. Es sind die besten Rinder auf der anderen Seite des Rio, und er bezahlte mir für jedes Rind zehn Dollar. Ich bin nur ein armer Mann, und meine Leute sind es auch. Ich werde nichts verschweigen, wenn ihr mich laufen laßt.«

»Nur weiter«, sagt der schweigsame Alverdes scharf. »Seit wann stiehlst du in seinem Auftrag unsere Rinder?«

Miguel Pardona hockt am Boden und starrt die Männer ängstlich an. Er ist ein kleiner und gedrungener Mann, der eine kleine Hazienda im Salado-Gebiet hat und eine ziemlich große Familie. Jetzt starrt er erst Alverdes an und dann Stonewall.

»Seit einem Jahr«, sagt er stöhnend. »Damals fing ich ein paar verlaufene Rinder von euch ein und brachte sie zu ihm. Er gab mir Geld und sagte mir, ich würde noch mehr bekommen, wenn ich mehr Rinder brächte. Da habe ich es gemacht. Ich wünschte, ich hätte es nie getan.«

»Schon gut«, erwidert Stonewall knapp. »Es ist alles in Ordnung. Du hast gestohlen, und er hat dich geschickt. Die Sache ist erledigt. Russel, komm hoch, oder gibst du es immer noch nicht zu?«

»Ihr verdammten Kuhhirten«, sagt Russel fauchend und wirft sich mit einem Ruck hinter dem Schreibtisch zu Boden. »Ich werde euch den Alcalden auf den Hals schicken. In Mexiko habt ihr…«

Er rollt sich herum und reißt an dem Bullcolt, den er im Schulterhalfter trägt. Aber der Rock hat sich bei der wilden Bewegung Russels verschoben, und der Hammer des Bullcolts sperrt.

Russel flucht greulich, rollt auf den Vorhang zu, der den Raum zur Treppe hin abschließt, und sieht plötzlich die Hand des kleinen und zähen Jim Fanders. Er sieht die Peitsche, und die Peitschenschnur ringelt sich mit einem satten und schmatzenden Geräusch um seinen Unterarm.

In der nächsten Sekunde kommt der Ruck. Jim Fanders reißt die Peitsche an sich, und Russels Arm fliegt nach hinten. Der Bullcolt trennt das Futter der Jacke knirschend auf und fliegt dann in einem kleinen Bogen bis unter den Schreibtisch.

Dort steht schon Alverdes, bückt sich ruhig und wirft den Colt dann in den Papierkorb.

»Hilfe!« brüllt Russel gellend los. »Hilfe! Juan – Ortez – Hilfe!«

Er sieht die Schnur wieder von seinem Arm gleiten und krümmt sich zusammen, als sie hochfliegt.

Und dann trifft ihn die Schnur schon über dem Gesäß, und sein Geschrei erstickt in einem wilden Gurgeln. Er kauert am Boden, Alverdes ist auf einmal neben ihm und zieht ihn am Kragen hoch.

Anscheinend schlaff und voller Furcht steckend, macht sich Russel schwer und holt im nächsten Augenblick mit dem rechten Fuß aus.

Er tritt blitzschnell zu, aber Alverdes ist noch schneller zur Seite weg und lacht nur einmal scharf und grimmig.

Im nächsten Augenblick fliegt Russel hoch, stolpert auf Jim Fanders zu und holt zu einem wütenden und gewaltigen Hieb aus, der Fanders treffen soll.

Der kleine Fanders macht nur einen kurzen Sprung nach rechts, schießt die linke Faust ab, und Russel dreht sich wie ein Kreisel.

Er ringt keuchend nach Luft, denn der Hieb des kleinen Mannes hatte eine nicht geahnte Gewalt. Keuchend dreht er sich, sieht auf einmal das harte und scharfkantige Gesicht von Stonewall auftauchen und starrt den Bruchteil einer Sekunde auf die Faust.

Dann fliegt er schon zurück, landet an der Wand und will sich keuchend abstoßen, als er wieder Alverdes sieht.

»Paß auf«, sagt der harte Alverdes knapp und fauchend. »Du bist ein schmutziger Viehdieb. Und du wirst uns nie wieder ein Rind stehlen, oder wir bringen dich um oder hängen dich vor deinem Saloon auf. Und das ist ein Versprechen.«

Russel bückt sich, aber da trifft ihn Alverdes auch schon, und die beiden Schläge stellen ihn wieder gerade.

Er taumelt mit pendelnden Armen nach rechts, läuft in den Schwinger des kleinen Fanders hinein und stolpert über den am Boden liegenden Cayfish.

Und dann geht das Karussell immer weiter. Er fliegt hin und her und hört, wie Stonewall nach einiger Zeit kalt und spröde sagt: »Gebt ihm den Rest. Und wenn er es dann noch einmal versucht, wird es ganz rauh. Ob hier oder an einem anderen Platz der Welt, Viehdiebe hängt man.«

Er geht zu Boden und stemmt sich zweimal vergeblich an. Dann liegt er still, keucht und schüttelt benommen den Kopf.

»Hast du jetzt genug, Dieb?« fragt Larry Stonewall kalt. »Ich glaube, du hast genug. Komm nie wieder auf die Idee, unsere Rinder stehlen zu lassen. Du würdest dich nicht wiederfinden, mein Freund.«

Das letzte, was er hört, ist das Klappern der Tür und einen erschrockenen Ausruf. Dann kommt die Schwärze der Bewußtlosigkeit und schwemmt ihn weg an ein anderes Ufer.

*

Der Vorhang hinter dem Schreibtisch gerät in Bewegung, und eine erschrockene Stimme stößt einen flachen Ruf aus. In der nächsten Sekunde kommt Elena Sonota hinter dem Vorhang heraus, dessen Bastschnüre einmal auseinanderfallen und wieder zusammenschlagen. Ihre großen und seltsam braunen Augen richten sich langsam auf Russel, wandern dann weiter und bleiben auf Cayfish und Miguel liegen.

»Was ist hier passiert?« fragt sie dann kehlig und wendet sich an Stonewall, der ruhig hinter den Schreibtisch geht, sich am linken Fach zu schaffen macht und die Tür aufbekommt. »Larry, was ist hier passiert? Warum bist du mit deinen Männern hier und hast ihn verprügelt?«

Er sieht sie ruhig an. Und wie jedesmal, wenn er diese Frau sieht, von der eine Menge Geschichten in Umlauf sind, beginnt sein Blut schneller zu fließen.

Ganz ruhig beugt er sich hinunter, nimmt die Kassette aus dem Fach und sieht in ihre braunen Augen hinein, ehe er die Geldkassette auf den Tisch stellt.

»Steck den Colt weg, Alverdes«, sagt er träge.

Alverdes, der beim Klappen der Tür seinen Colt gezogen hat, steckt ihn nachlässig in das Halfter. Er sieht Elena Sonota mit einem kühlen und wachsamen Blick an und tritt dann an den Tisch.

»Er ist ein Viehdieb«, sagt er kühl. »Er ist nichts als ein schmutziger Dieb, der durch Miguel und noch einige Leute meinen Rancher bestehlen ließ. Heute griffen wir Miguel auf. Und das Ende siehst du hier.«

»Das Ende?« fragt die schwarzhaarige und vollschlanke Elena Sonota kehlig. »Larry, wenn er eines Tages wieder Kraft genug hat, dann wird er sich an dir rächen. Er kennt nichts außer seinem Hochmut und seinem Geld. Was willst du mit der Kassette?«

Er sieht sie ruhig an und denkt, daß sie eine Zeit Russels Freundin gewesen sein soll. Jetzt singt sie nur noch in seinem Saloon und achtet auf die Mädchen Russels, die in der Grenzstadt für Unterhaltung der durchkommenden Reiter sorgen.

Und vielleicht würde sie das alles verlassen und mit Larry gehen, wenn er nicht der Vormann der Comstock-Ranch wäre. Als Vormann ist er immer unterwegs und hat kaum Zeit für eine Frau.

»Die Kassette?« fragt Stonewall spröde. »Er hat zusammen über hundert Rinder der Ranch stehlen lassen. Das sind etwa zweitausend Dollar. Und ich hoffe, er hat so viel in diesem Kasten, sonst müßte ich die Saloonkasse ausräumen. Er bezahlt für alles, oder er bekommt mehr Prügel, als er vertragen kann. Meinst du, er rächt sich? Nun gut, ich kann schon auf mich achten, Elena.«

»Du bist nicht Brad«, sagt sie leise.

Und mehr sagt sie nicht, denn jeder der Männer weiß genau, wen sie meint und wer Brad ist.

Sie redet von Brad Stonewall, seinem Bruder. Dieser Brad wohnt am Sykamore-Creek und hat dort eine kleine Ranch. Man sagt, er sei ein Einsiedler und ein menschenscheuer Mann. Aber Brad Stonewall war das nicht immer.

Es ist etwa ein Dutzend Jahre her, daß der alte Vater von Brad und Larry an einer Kugel starb.

Brad, der bis dahin für die Comstock-Ranch geritten war, überließ Larry seinen Posten und zog sich auf das kleine Stück Land zurück, das den Stonewalls am Sykamore-Creek seit Jahren gehört.

Und man sagt, Brad Stonewall sei ein Mann gewesen, der auch hinten Augen hatte.

»Vielleicht bin ich das nicht«, erwidert Larry knapp. »Aber ein Viehdieb bleibt ein Viehdieb. Und wenn er noch so sehr auf meinen Skalp wild ist, er wird ihn nicht bekommen.«

Er macht die Kassette auf und sieht die vielen Scheine und die goldenen Dollarmünzen. Er beginnt ruhig zu zählen, nimmt seinen Geldbeutel aus der Tasche und stopft die Scheine hinein.

»Du denkst, damit ist es genug?« fragt Elena Sonota leise. »Er wird wieder aufwachen und zu denken beginnen. Larry, mach niemals eine Arbeit halb. Dies ist eine halbe Arbeit. Du wirst sehen, was sie dir einbringt.«

»Wenn er aufwacht, dann kannst du ihm sagen, daß er seinen Kopf verlieren wird, wenn er etwas in dieser Richtung versucht«, erwidert Larry Stonewall kalt und dreht sich um.

»Wenn du nach Del Rio kommst, laß dich sehen, ich habe eine Woche in der Stadt zu tun. Wir wollen nächsten Monat auf den Trail, und das erfordert genug Vorarbeit. Los, gehen wir.«

Er dreht sich um und blickt auf Miguel Pardona herab.

Miguel kauert noch immer am Boden und sieht ihn nicht an. Als die Männer schon fast aus der Tür sind, sagt Pardona heiser: »Du weißt lange nicht alles, Stonewall. Du kennst Russel nicht richtig. Es war ein Fehler. Noch hast du Zeit, aber ich sage dir nicht, was du zu tun hast.«

»Sieh dich vor, daß wir dich nicht wieder erwischen«, sagt Stonewall eiskalt. »Miguel, ich weiß genau, wie arm es bei euch zugeht, aber tue es nicht wieder. Nur darum ließ ich dich leben.«

»Ja«, sagt der Mexikaner heiser. »Nur darum, ich weiß. Dein Boß wird dich nicht mit offenen Armen empfangen.«

Dann klappt die Tür hinter Stonewall zu, und er geht mit seinen Männern durch den Flur hinaus. Draußen stehen acht Männer der Ranch.

Sie stehen an den Wänden des Sa­loons im Schatten. Sie haben alle die Hände an den Eisen, und ihre Augen lassen den Bau drüben auf der anderen Straßenseite nicht los.

Dort wohnt der Alcalde, und jeder Mann weiß, wie wenig die Mexikaner die Gringos von der anderen Seite des Rios lieben. Auch der Alcalde ist kein Freund der Amerikaner und ein guter Bekannter von Russel, in dessen Sa­loon er alles findet, was ein Mann braucht.