Ritt ins Verderben - G.F. Barner - E-Book

Ritt ins Verderben E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. James Morgan steigt ab, bindet das Pferd in der Dunkelheit an den verfallenen Zaun und sieht sich sichernd um. Einen Moment hat er das Gefühl, nicht allein in dieser Gasse zu sein. Das Gefühl ist da, seitdem er sich dem Teil der Stadt genähert hat, in dem der Mann wohnt, den er aufsuchen soll. Die Beschreibung der Straße, die Lage des Hauses, die Anzahl der Fenster, sogar der Sitz des Türklopfers sind Morgan bekannt. Örtlichkeiten, Personen, es gibt hier nichts, was er nicht kennt. Nur eines weiß er nicht, wer seine Gegenspieler auf der Nordstaatenseite sind. Praktisch kann jener Mann, der da hinten durch die Gasse geht und vor sich hin pfeift, ein Agent der Gegenspionage sein. Anderson, denkt Morgan und steht reglos, die Hand am Revolver, in der Nische neben dem Stall, Truborg, Slater, Burgess und Lean – fünf Agenten, fünf gute Männer, erfahren, umsichtig, mit allen Schlichen der Spionage vertraut. Und doch gefangen, erschossen. Wie gefangen, weshalb erwischt, das muß ich wissen. Irgendwo ist ein Loch in unserem Apparat. Man kann von Pech reden, wenn ein Mann erwischt wird, man kann von Zufall sprechen, wenn zwei Männer entdeckt, festgenommen und erschossen werden. Aber man kann das nicht mehr bei fünf Männern sagen. Fünf Männer innerhalb von acht Wochen. Und alle fünf sind tot. Verrat, denkt Morgan, und muß schlucken. Irgendjemand in unseren eigenen Reihen ist ein Verräter, aber wer? Er lauscht zwei, drei Minuten. Nur warten, denkt er, immer ruhig sein. Ich habe Zeit, dreißig Minuten noch.

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G.F. Barner – 317 –

Ritt ins Verderben

G.F. Barner

James Morgan steigt ab, bindet das Pferd in der Dunkelheit an den verfallenen Zaun und sieht sich sichernd um.

Einen Moment hat er das Gefühl, nicht allein in dieser Gasse zu sein. Das Gefühl ist da, seitdem er sich dem Teil der Stadt genähert hat, in dem der Mann wohnt, den er aufsuchen soll.

Die Beschreibung der Straße, die Lage des Hauses, die Anzahl der Fenster, sogar der Sitz des Türklopfers sind Morgan bekannt. Örtlichkeiten, Personen, es gibt hier nichts, was er nicht kennt. Nur eines weiß er nicht, wer seine Gegenspieler auf der Nordstaatenseite sind. Praktisch kann jener Mann, der da hinten durch die Gasse geht und vor sich hin pfeift, ein Agent der Gegenspionage sein.

Anderson, denkt Morgan und steht reglos, die Hand am Revolver, in der Nische neben dem Stall, Truborg, Slater, Burgess und Lean – fünf Agenten, fünf gute Männer, erfahren, umsichtig, mit allen Schlichen der Spionage vertraut. Und doch gefangen, erschossen. Wie gefangen, weshalb erwischt, das muß ich wissen. Irgendwo ist ein Loch in unserem Apparat. Man kann von Pech reden, wenn ein Mann erwischt wird, man kann von Zufall sprechen, wenn zwei Männer entdeckt, festgenommen und erschossen werden. Aber man kann das nicht mehr bei fünf Männern sagen.

Fünf Männer innerhalb von acht Wochen. Und alle fünf sind tot.

Verrat, denkt Morgan, und muß schlucken. Irgendjemand in unseren eigenen Reihen ist ein Verräter, aber wer?

Er lauscht zwei, drei Minuten. Nur warten, denkt er, immer ruhig sein. Ich habe Zeit, dreißig Minuten noch. Der Mann, den ich aufsuchen soll, kennt genau den Zeitpunkt, es ist in jeder Woche ein anderer. Vorige Woche klopfte es bei ihm genau um zehn Uhr.

In dieser Woche muß es um zehn Uhr fünfzig klopfen. Wer nicht genau zu dieser Zeit das bestimmte Signal mit dem Klopfer gibt, der wird nicht eingelassen.

Eingelassen?

Morgan beißt sich auf die Unterlippe und denkt jäh daran, daß dieser Einlaß vielleicht das geöffnete Tor zu jener Zelle sein kann, in der er als Todeskandidat auf das Exekutionskommando warten wird. Ich habe Angst, denkt Morgan.

Schlägt es nicht bald? Morgan lauscht und wartet. In diesem Moment hallen drei Schläge und schwingen im Nebel durch diese Nacht.

Er geht los, ein Mann, der durch die Gasse kommt, unter dem Rock den Revolver fest in der Hand und mehr nach hinten blickt als nach vorn. Er lauscht, bleibt stehen, geht wieder zehn Schritte und lauscht erneut.

Keine Tritte hinter ihm, kein Geflüster in den düsteren Nischen, kein Schatten, der auftaucht und wie er einen Revolver in der Hand hält.

Die richtige Nacht, denkt Morgan. Das Haus liegt nun vor ihm. Er stellt sich seitlich an die Tür, er blickt starr auf den ziehenden Dunst und lauscht noch einmal.

Der Klopfer, ein Löwenkopf, kaltes, nebelfeuchtes Eisen.

Morgan klopft, zuckt beim ersten Ton, der durch das Haus hallt, heftig zusammen und beißt sich auf die Lippen. Das muß ja eine halbe Meile weit zu hören sein.

Er wartet. Kein Geräusch im Haus. Doch dann bewegt sich die Tür, er spürt es, weil seine rechte Hand am Drücker liegt.

Die Losung, denkt Morgan.

»Guten Abend, mein Vater schickt mich, er braucht seine Medizin«, sagt er etwas heiser.

Danach ist es still, einen Moment schweigt der Mann, von dem nichts zu sehen ist, dessen Gegenwart man nur ahnt.

»Bromium«, sagt er dann genauso leise. »Kommen Sie rein, ich habe es fertig.«

Bromium, das ist das Wort. Aber man kann das herauspressen, man kann hinter ihm mit einem Messer oder einem Revolver stehen und ihn zwingen, zu reden.

Einen Schritt macht Morgan, steht in der Tür, duckt sich dann und springt mit einem Satz nach links. Er kommt an die Wand und hört den Mann leise lachen.

Er fragt etwas spöttisch und hat die Tür bereits geschlossen: »James, seit wann bist du schreckhaft?«

»Wer kann wissen, wo die Hölle ihn erwartet?« fragt Morgan düster zurück. »Logan, hast du etwas bemerkt, ist dir jemand aufgefallen? Ich habe so ein verdammtes Gefühl in mir.«

Logan geht durch den Flur, betritt ein Zimmer und macht Licht. Morgan, der dieses Haus seit sieben Jahren kennt, ist erleichtert wie selten in seinem Leben, als das Licht angeht und Logan endlich sichtbar wird.

»Komm herein, die Fenster sind von innen durch schwere Holzblenden gesichert, kein Lichtschein dringt nach draußen. Ich habe bis jetzt oben gesessen und die Gasse und die Umgebung beobachtet, James. Es ist niemand in der Nähe.«

»Logan, dein verflixter Klopfer. Hast du dir schon einmal überlegt, daß das Klopfen eine halbe Meile weit zu hören sein muß? Laß dich ansehen, Alter.«

Er kommt in den Raum, bleibt stehen und streckt die Hand aus. Sie schweigen beide für Sekunden, sehen sich an.

»Ich weiß«, sagt Logan endlich, »der Klopfer ist eine Gefahr, und doch wieder keine. Wer wird schon denken, daß jemand Krach macht, um sich damit zu verraten? Kein Mann unserer Arbeit meldet sich durch Lärm an, das tun nur Schwachsinnige, James.«

»Manchmal«, erwidert Morgan finster, »habe ich das Gefühl, schwachsinnig zu sein, du nicht?«

»Ja!«

Logan geht zum Tisch, dreht die Lampe kleiner, so daß der Schein kaum bis in die Ecken des Zimmers reicht und stellt eine Flasche auf die Platte.

»Bourbon«, sagt er mit einer Stimme, in der triefender Sarkasmus liegt. »Wann hast du zuletzt Bourbon getrunken, Morgan?«

»Das weiß der Teufel, ich hab’s vergessen, wie viele Dinge.«

»Dann trink und erinnere dich wieder. Prost, James, auf das, was wir verloren haben.«

»Du bist zu bitter, Logan.«

»Ach, zum Teufel«, sagt Logan finster. »Hast du noch Hoffnung, hast du sie wirklich noch?«

Morgan schweigt, nimmt sein Glas und leert es mit einem Zug. Dann schüttelt er sich leicht, aber er sagt nichts.

»Was macht mein Bruder?«

»Es ging ihm gut, als ich ihn verließ, Logan.«

»Wo ist er jetzt?«

»Wenn ich das wüßte, dann wäre ich etwas ruhiger. Er ist unterwegs, mit sieben Mann.«

»Auftrag? Die Sache, die ich…«

»Ja«, antwortet Morgan knapp. »Diese Sache, darum bin ich hier, und wegen der Männer. Was hast du erfahren können?«

»Nichts«, antwortet Logan gepreßt. »Morgan, ich liefere eine Menge Medikamente für die Armee der Yankees, ich komme überall hinein, aber entweder stellen sie sich dumm, was ich nicht glaube, oder sie wissen nichts. Sind es tatsächlich fünf?«

»Fünf der besten Männer, Logan. Wer hat sie verraten, wer ist ein so großer Schurke, daß er fünf Männer mit vollem Wissen in den Tod schickt? Logan, hast du nicht den geringsten Anhaltspunkt, nicht einen winzigen?«

»Vielleicht«, murmelt Logan. »Bordman ist verschwunden.«

»Bordman, der mit Lean zusammen war?«

»Ja. Er ist seit zwei Wochen wie vom Erdboden verschluckt, James. Keine Sorge, er kennt mich nicht. Alles, was er wissen kann, ist, daß in dieser Stadt irgendwo jemand sitzt. Er kennt weder meinen Namen, noch weiß er, daß Fisher mein Verbindungsmann ist. Fisher hat mir vorgestern berichtet, daß man Bordman mit einem Captain gesehen haben will. Seitdem ist Bordman verschwunden. Was schließt du daraus?«

»Entweder haben sie ihn geholt«, sagt Morgan nach kurzem Nachdenken, »oder er hat mit ihnen die ganze Zeit zusammengearbeitet. Wir müssen herausbekommen, wer Bordman für unsere Seite gewonnen hat.«

»Soll ich Fisher nach drüben schicken?«

»Fisher? Es ist gefährlich, er ist nicht der Mann, der sich durchschmuggeln kann, fürchte ich. Beeilen wir uns, ich brauche die Pläne, ich muß in der Frühe weiter, die Zeit drängt.«

»Dann bleibst du nicht bei mir?«

»Keine Stunde, ich habe mein Pferd in der Nähe und muß noch sechzig Meilen reiten, wenn ich rechtzeitig am Treffpunkt sein will. Dort soll dein Bruder warten. Also, was hast du herausbekommen?«

Logan wendet sich um, geht mit schnellen Schritten zur Wand und stellt hastig einige Arzneitöpfe beiseite. Dann nimmt er das Regal von den Haken, dreht die Haken und hebt ein Brett aus der Wand. In der Wand ist ein rechteckiges Loch, in das er hineingreift.

»Die Pläne«, sagt er knapp und militärisch. »Die Abfahrtszeiten sind darauf verzeichnet, die Bewachung allerdings kann sich ändern. Was stimmt, sind die Fahrtzeiten. Du findest die Zeichnungen der Brücken hier, sie sind so genau wie nur möglich. Material findest du bei Nummer vier in ausreichender Menge, um ein ganzes Fort in die Luft zu sprengen. Nummer vier kennt nur mich, du kannst also sicher sein, daß du dort keine Überraschungen erlebst. Ich habe ihn gebeten, Kleidung zu beschaffen, einen Vorrat anzulegen und die letzten Informationen zu sammeln. Weißt du, daß du in dieser Nordstaatenuniform eine gute Figur machst?«

»So?« fragt Morgan finster. »Ich mußte mich so durchschlagen, eigentlich hatte ich einen anderen Befehl, ich sollte in Zivilkleidung herkommen. Logan, einige der Pläne habe ich geändert, eigenmächtig.«

Logan sieht ihn bestürzt an und schluckt.

»Und wenn es herauskommt?«

»Acht Männer«, erwidert Morgan eisern. »Ich trage die Verantwortung, ich allein. Logan, ich will ehrlich sein, ich rechnete damit, daß man auch auf mich warten würde. Obwohl der Kreis sehr klein gehalten worden ist, der etwas von meiner – sagen wir – Mission weiß. Niemand kann genau sagen, ob die Gegenseite nichts von meinem Besuch erfahren hat.«

Logans hartes dunkles Gesicht mit den braunen, lebhaften Augen verzieht sich.

»Das heißt doch nicht, daß du mich im Verdacht gehabt hast, ein Konspirant zu sein?«

»Natürlich nicht, aber sie haben fünf von uns erwischt. Etwas wissen sie, und es fragt sich nur, wieviel insgesamt? Kennen sie dich, dann bist du keine Stunde mehr sicher, Logan.«

Logan lächelt, greift unter den Rock und zieht einen Revolver heraus.

»Er ist geladen«, sagt er ruhig. »Ich würde kämpfen, James, und denken, daß ich ein regulärer Soldat bin, der sich gegen seine Feinde wehren muß. Lebend würde man mich nie bekommen.«

Logans Augen sind plötzlich dunkel wie ein Bergsee in der Dämmerung.

»Es ist aussichtslos«, murmelt er bitter. »Es ist kein Leben, das noch lebenswert wäre. Du lebst nur noch, weil du den anderen Schaden zufügen willst, so viel und so großen wie nur möglich, aber du weißt, daß die Sache des Südens verloren ist. Es gibt keine Wunder auf dieser Welt. Wunder, daran glaube ich längst nicht mehr. Und damit auch nicht mehr an eine Zukunft. Ich tue es, weil ich sie weder liebe noch hasse, ich tue es, weil ich ein Südstaatler bin und Krieg ist. Aber ich bin ohne jede Hoffnung. Mein Vater ist gefallen, meine Mutter bei dem Bombardement erschlagen worden, mein kleiner Bruder ist ein tapferer Soldat. Nur ich bin ein Quacksalber, ich stelle Medizinen her, ich stampfe Pülverchen und rühre Salben an. Apotheker, ist das der Beruf eines Helden? Ich hatte irgendwann zu Beginn des Krieges den Wunsch, ein Held zu sein, aber mit meiner verkrüppelten Schulter nahmen sie mich nicht. Es geht auch anders, James.«

»Die Namen von Gefallenen werden auf einem Stein stehen, man wird eine Ehrentafel anbringen, wenn alles vorbei ist«, sagt Morgan düster. »Unsere Namen werden auf keiner Grabplatte stehen. Logan, ich bewundere deinen Mut.«

»Mut? Ich bin ein ganz armseliger Feigling, ich bin ein Träumer, der von Frieden, von einer besseren Welt und Frohsinn träumt. Siehst du, mit meiner verkrüppelten Schulter hätte ich niemals Soldat werden können, aber irgendwo in mir ist ein Rest jenes Blutes meiner Vorfahren, die für die Freiheit dieses Landes gekämpft haben, erhalten geblieben. Wenn ich einmal sterben muß, dann werde ich sterben wie ein Soldat. Das mußt du Eddy dann sagen.«

Morgan steckt die Papiere ein und schenkt sich noch ein Glas Whisky ein.

»Sei vorsichtig, sie könnten auch von dir wissen. Kennen sie durch Bordman etwa auch Fisher, dann kann jede Stunde das Verhängnis über ihn und dich hereinbrechen.«

»Bordman«, murmelt Logan leise, »kennt Fisher, weiß aber nicht, wo er zu Hause ist, James. Ich bin so ruhig wie selten zuvor in meinem Leben. Trinken wir auf das, was du tun willst, und auf Eddy, meinen kleinen Bruder. Ist er tapfer? Hat er Mut?«

»Wie ein Löwe, Logan.«

»Ah, es tut gut, das zu hören. Also, trinken wir.«

Er hebt das Glas an und setzt es an die Lippen.

In diesem Augenblick wird die Stille im Haus jäh zerrissen. Jemand schlägt mit aller Macht gegen die Tür, und eine Stimme ruft scharf: »Aufmachen! Morgan, Logan, machen Sie auf! Das Haus ist umstellt, Sie kommen nicht mehr raus. Aufmachen!«

Aus Logans Hand fällt das Glas zu Boden und zerschellt.

Das Gesicht des kleinen, verkrüppelten Mannes wird aschgrau. Dann aber greift Logan unter die Jacke, zieht den Revolver heraus und sagt leise: »Bleib stehen, sie bekommen dich nicht, James.«

»Aufmachen!«

Morgan sieht Logan wie einen gespenstischen Schatten zum Tisch springen, die Lampe auslöschen. Es ist passiert. Meine Ahnung, meine Unruhe, sie sind da.

Die Schläge draußen lassen das Haus erdröhnen. Irgendwo klirrt ein Fenster, und eine heisere Stimme ruft hallend: »Bohlenladen, die Fenster sind gesichert, Sir!«

»Schlagen Sie die Tür und die Fenster ein! Beeilen Sie sich!«

Logans Hand faßt nach Morgans Rock, tastete weiter und erreicht seine Hand.

»Logan, was jetzt? Wie lange hält die Tür?«

»Drei Minuten«, kommt Logans kühle Stimme durch die Dunkelheit. »Ich habe mit allem gerechnet und Jahre Zeit gehabt, um darauf vorbereitet zu sein. Komm mit, sie bekommen dich nicht.«

Logan zieht ihn mit sich und zischt leise: »Die Stufen, vorsichtig!«

Morgan macht zwei kleine Schritte, fühlt die Stufen und läßt sich mitziehen.

Die Schläge fallen pausenlos, Holz splittert, aber Logan sagt voller Spott: »Eisenriegel, die bekommen sie nicht so schnell entzwei. Komm mit, hier hinein, den Gang entlang. Nimm die linke Hand und stütz dich, es geht in den Keller!«

»Logan – Morgan, kommen Sie freiwillig heraus, wir schießen sonst!«

Logans seltsam spöttisches Gelächter ertönt leise.

»Sie werden dich nicht bekommen. Also doch, sie wissen von mir. Dann müssen sie Fisher haben, Morgan. Geh zu Nummer vier, er hat eine Reihe Freunde. Du kannst dort weitermachen, denn hier ist es aus, James. Schnell, sie schlagen die Fensterläden ein, wir müssen uns beeilen.«

Er zieht Morgan weiter.

»Schnell, schnell«, wiederholt er drängend. »Ich halte sie auf. Da hinten ist ein Gang, hinter Kisten verborgen. Ich habe ihn gegraben, James, er kommt oben im Garten am Zaun wieder heraus. Im Gang liegen in einer Kiste Zivilsachen, zieh sie an oder nimm sie mit, wenn du noch kannst. Auch zwei Revolver und Munition sind da. Weiter, James, es kann nur noch eine Minute dauern, dann haben sie die Tür oder einen der Fensterläden zertrümmert. Woher wissen sie es nur? Durch Fisher?«

»Vielleicht«, keucht Morgan und wird schneller vorwärtsgezogen. »Logan, sie schreien, hörst du? Sie kommen ins Haus.«

»Noch nicht, James. Verschwinde, lauf und versuche, aus der Stadt zu kommen.«

»Und du, Logan?«

»Mach dir um mich keine Sorgen. Du mußt fort, du bist wichtig. Verliere die Pläne nicht, grüße Edward von mir.«

»Logan, du kannst doch mit hinaus, wir schaffen es beide.«

»Nicht mehr, zu spät«, sagt Logan, greift in die Tasche, reißt ein Zündholz an und drückt Morgan einige andere in die Hand.

»Im Gang ist eine Kerze. Du mußt kriechen. Weg mit dir, schnell.«

Aus, denkt Morgan entsetzt, als Logan ihn vorwärtsstößt und der düstere, kaum einen Yard hohe Gang vor ihm liegt. Es ist aus mit ihm, er weiß es und bleibt gelassen und kalt. Ich möchte auch einmal so gelassen sein können, wenn es so weit ist.

Das Streichholz erlischt, Morgan reißt ein neues an und entdeckt vier, fünf Schritte weiter die Kiste. Auf der Kiste eine Kerze.

Er kriecht, hört Schreie, dann ist es totenstill. Logans Stimme hat schrecklich weit entfernt geklungen. Er hat geantwortet, will Zeit gewinnen, Zeit für James Morgan.

Die Kerze flackert, die Kiste ist offen und gibt den Blick auf einen Paletot, zwei, drei Anzüge und zwei Revolver frei.

Morgan zuckt zusammen, als hinter ihm ein Schuß fällt. Gleich darauf scheint die Hölle los zu sein. Bis in den Gang hinein tönt berstend und laut das dumpfe Krachen von Schüssen.

Logan, denkt Morgan bitter, was wird aus dir? Du wirst sterben, sterben für mich.