Gabriel Schillings Flucht: Drama - Gerhart Hauptmann - E-Book
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Gabriel Schillings Flucht: Drama E-Book

Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

Das Drama "Gabriel Schillings Flucht" des renommierten Autors Gerhart Hauptmann bietet Lesern eine fesselnde und tiefgründige Auseinandersetzung mit den sozialen und psychologischen Konflikten des späten 19. Jahrhunderts. Hauptmanns literarischer Stil ist geprägt von realistischer Darstellung und psychologischer Tiefe, die es dem Leser ermöglicht, tief in die Gedankenwelt der Charaktere einzutauchen. Das Stück spielt in einer kleinen, ländlichen Gemeinde und beleuchtet die Auswirkungen von Eifersucht, Schuld und Vergebung auf das menschliche Leben. Hauptmanns Werk steht im Kontext des Naturalismus, einer literarischen Bewegung, die die gesellschaftlichen Realitäten und menschlichen Abgründe ungeschönt darstellt. Gerhart Hauptmann, als führender Vertreter des Naturalismus, erschuf mit "Gabriel Schillings Flucht" ein Werk, das seine kritische Haltung gegenüber den sozialen Zuständen seiner Zeit widerspiegelt. Hauptmanns eigene Erfahrungen als Sohn eines Hotelbesitzers in Schlesien und seine Auseinandersetzung mit Armut und Ungerechtigkeit prägten sein Schaffen. Er erhielt 1912 den Nobelpreis für Literatur und gilt als eine der bedeutendsten literarischen Stimmen Deutschlands. Lesern, die an psychologisch-dichten Dramen mit sozialkritischer Note interessiert sind, wird "Gabriel Schillings Flucht" von Gerhart Hauptmann wärmstens empfohlen. Tauchen Sie ein in die Welt des späten 19. Jahrhunderts und lassen Sie sich von Hauptmanns meisterhafter Inszenierung von menschlichen Konflikten und Emotionen fesseln.

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Gerhart Hauptmann

Gabriel Schillings Flucht: Drama

 
EAN 8596547077879
DigiCat, 2022 Contact: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Dramatis Personae
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Fünfter Akt
Gerhart Hauptmanns Werke in Einzelausgaben
Gerhart Hauptmanns Gesammelte Werke in sechs Bänden

S. Fischer Verlag / Berlin

Dritte Auflage. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. Den Bühnen und Vereinen gegenüber Manuskript. Copyright 1912 S. Fischer, Verlag, Berlin. 60 Exemplare sind auf handgeschöpftes Büttenpapier abgezogen und numeriert, davon 50 zum Verkauf.

»Einige ... versichern, Eunostus sei ihnen begegnet, ans Meer eilend, um sich zu baden, weil ein Weib sein Heiligtum betreten habe.«

Plutarch, Moralische Schriften.

Dramatis Personae

Inhaltsverzeichnis

Gabriel Schilling, Maler.Eveline, seine Frau.Professor Mäurer, Bildhauer und Radierer.Lucie Heil, Violinistin.Hanna Elias.Fräulein Majakin.Doktor Rasmussen.Klas Olfers, Wirt im Krug auf Fischmeisters Oye.Kühn, Tischlermeister.Der Lehrjunge.Schuckert.Mathias, Fischer.Magd bei Olfers.Fischer, Frauen und Kinder der Fischer.

Das Drama spielt auf Fischmeisters Oye, einer Insel der Ostsee. Zeit: um 1900.

»Gabriel Schillings Flucht« wurde geschrieben im Jahre 1906.

Erster Akt

Inhaltsverzeichnis

Strand. Im Hintergrund das Meer im Spätnachmittagslichte eines klaren Tages Ende August. Rechts der Schuppen einer Rettungsstation, an dessen Mauer die Gallionfigur eines gestrandeten Schiffes angebracht ist. Sie ist aus bemaltem Holz und stellt eine Frau mit bauschigen Röcken dar, deren Kopf zurückgeworfen ist, so daß ihr bleiches Gesicht mit nachtwandlerischem Ausdruck dem Himmel sich darzubieten scheint. Ihr langes schwarzes Haar fließt offen über die Schulter. — Am Strande, im Trockenen, steht ein Fischerboot. Links vorn auf der Düne, dem Schuppen gegenüber, ein Signalmast mit Strickleitern usw.

Ein junges Mädchen, weiß und sommerlich gekleidet, liegt mit einem Buch zwischen Schuppen und Signalmast auf der niedrigen Düne: Lucie Heil.

Von rechts vorn kommt der etwa 45jährige Tischlermeister Kühn, gefolgt von einem Lehrling. Sie tragen blaue Schürzen, keiner von beiden eine Mütze. Der Meister grüßt Lucie, der Lehrling grinst sie an. An der Rückwand des Rettungsschuppens liegt ein Stapel fichtener Bretter. Zwei davon lädt Kühn dem Lehrling auf, und dieser trägt sie davon.

Kühn:

Na, sind Sie auch wieder da, Freilein?

Lucie:

Das gehört sich doch, Meister!

Kühn:

Sie kommen immer, wenn die Zugvögel abreisen! Wenn die vielen Zugvögel bei uns Station machen, kommen Sie auch.

Lucie:

Das stimmt.

Kühn:

Wir warten immer drauf, daß der Herr Professor Ottfried Mäurer sich am Ende doch noch anbaut auf der Insel.

Lucie:

Im vorigen Herbst war es nahe daran; aber der Windmüller ging mit seinem Preis plötzlich zu hoch hinauf.

Kühn:

Die Leute sind dumm! Sie wissen nicht, was sie von der Hand weisen. Wenn so'n Mann, wie Professor Mäurer, sich hier auf der Insel ein Tuskulum hinsetzt, das würde doch für jeden hier von größtem Vorteil sein.

Lucie:

Es wäre gar nicht gut, wenn die Insel bekannt würde; denn käme erst mal das ganze Großstadtgewimmel darüber hereingebrochen, dann wär's mit ihrer Schönheit wohl aus.

Kühn:

Ist der Herr Professor Ihr Onkel, Freilein?

Lucie

(lacht):

Nein, ich bin seine Großmutter, Meister Kühn.

Ottfried Mäurer erscheint vom Strande her über die Dünen. Er ist ein mittelgroßer, etwa 36jähriger blonder Mann mit rötlich blondem Spitzbart. Sein Kopfhaar ist kugelrund geschoren; die Stirne breit. Ein Ausdruck schmunzelnder Schalkhaftigkeit belebt zuweilen den scharfblickenden Ernst seines Gesichts hinter der goldnen Brille und dem Kneifer. Er ist unauffällig gekleidet, hat einen Mantel um, einen weichen Filzhut auf dem Kopf, einen gewöhnlichen Stock an den Arm gehakt, und ein Buch, Quart, mit weißem Schweinslederdeckel in der Hand.

Mäurer:

Guten Tag, Meister Kühn.

Kühn:

Schön'n Dank, Herr Professor! — Glücklich wieder auf Fischmeisters Oye angelangt?

Mäurer:

Gott sei Dank, Meister. — Aber ich hatte es diesmal verdammt nötig.

Kühn:

Na, ja, wir haben's ja in der Zeitung gelesen.

Mäurer

(schmunzelnd):

Was haben Sie denn in der Zeitung gelesen?

Kühn:

Von die schöne Bildsäule, die in Bremen errichtet worden ist.

Mäurer:

Die hat mir verflucht Arbeit gemacht, können Sie mir glauben, die schöne Bildsäule. Ich bin froh, daß sie mir aus dem Gehege ist.

Kühn:

Nu gehn Sie aber doch gleich schon wieder nach Griechenland?

Mäurer:

Hat das etwa auch schon wieder in der Zeitung gestanden?

Kühn:

Jawohl! Es gibt ja wohl Marmorbrüche dort, und da wollen Sie ja wohl Steine für neue Standbilder aussuchen.

Mäurer:

Na, Gott sei Dank bin ich mal erst vorläufig hier! — Ich habe schon manchmal ganz gemütlich in Berlin in einer Weinkneipe gesessen und in der Zeitung gelesen, ich befände mich augenblicklich in Konstantinopel und modellierte die Tochter des Sultans. — Übrigens, wem gehört denn die Gallionfigur?

Kühn:

Die hat der große Nordweststurm vor zwei Jahren an Land gebracht.

Mäurer:

Sie gefällt mir; ich würde sie gerne kaufen.

Kühn:

»Ilsebilse, niemand will se, kam der Koch und nahm se doch.« — Schuckert, glaub' ich, hat sie gefunden.

Mäurer:

Ist das der junge Schuckert?

Kühn:

Jawohl. Bei Schuckerten finden Se immer so was. Der Alte hat mal einen dicken goldnen Armring aus'm Wasser rausgebracht. Soll ich vielleicht mal mit ihm reden?

Mäurer:

Ja, bitte, Meister; tun Sie das!

Kühn:

Übrigens hat's mit dem Dinge, wie mir einfällt, ne kuriose Bewandtnis. Die dänische Brigg, von der's wahrscheinlich stammt und die hier draußen gesunken ist, hat der junge Schuckert zwei oder drei Tage vorher, jenau mit die Figur, bei schönstem Wetter wafeln gesehn.

Mäurer:

Weißt du, was wafeln ist, Lucie?

Lucie:

Nein.

Mäurer:

In Schottland nennt man es second-sight.

Lucie:

Ach so, etwas mit dem zweiten Gesicht sehen.

Mäurer:

Ja, zum Beispiel sein eignes Begräbnis.

Kühn:

Gott sei Dank, ich leide nicht dran, trotzdem ich alle Augenblick mal mit Sargbretter zu tun habe.

Mäurer:

Ist jemand gestorben?

Kühn:

Nee, vorläufig nich; aber Vorrat muß sein.

(Er legt sich zwei Bretter auf die Schulter und geht.)

Adje, Herr Professor!

Mäurer:

Wiedersehn, Meister Kühn. — — —

(Lucie und Mäurer allein.)

Mäurer:

Na, Schusterchen, ich bin ja im höchsten Grade überrascht, dich hier zu sehen.

Lucie:

Ich erst recht. Ich dachte, du bist auf die Südspitze zugegangen: deshalb habe ich mich hier in den Norden geschlängelt; es war wirklich nicht meine Absicht, dir aufzulauern.

Mäurer

(schmunzelnd, klug, stoßweise):

So! So! Wirklich? Na na! Ein Musterkind! — Übrigens hast du gewafelt bei mir; denn ich wollte eben mal über unser grünes Kuhländchen nach dir Auslug halten. — Was liest du denn da?

Lucie:

Rate! —

Mäurer:

Dann ist es nicht schwer zu raten: die Droste. — Wie lange liegst du schon hier, mein Kindchen?

Lucie:

Schon lange Zeit. — Mit wem hat diese Figur dort eine gewisse Ähnlichkeit?

Mäurer

(faßt die Gallionfigur ins Auge):

Ich weiß es nicht! Etwa mit deiner Mutter?

Lucie:

Mit Mutter, gewiß.

Mäurer:

Das finde ich nicht.

Lucie:

Ich würde vielleicht auch nicht darauf gekommen sein; aber ich habe von Mutter geträumt. Ich ging mit ihr unten am Strand spazieren, nachts, und da hatte sie ihre Hand mit dem bloßen Unterarm auch so an der Halskette und auch einen Kranz auf, wie diese Figur ihn hat. Ich hatte wohl also Mutters Bild und dies hier unwillkürlich verschmolzen. — Ich träume hier überhaupt furchtbar lebhaft und schleppe, merkwürdigerweise sogar mitten im hellen Sonnenschein, einen heißen Kopf und den Spuk der Nacht mit mir herum.

Mäurer

(lächelnd, gehoben):

Aber sonst ist es wieder göttlich hier. Ich habe jetzt wieder Stunden erlebt, die unvergleichlich sind. Diese Klarheit! Dieses stumme und mächtige Strömen des Lichtes! Dazu die Freiheit im Wandern über die pfadlose Grastafel. Dazu der Salzgeschmack auf den Lippen. Das geradezu bis zu Tränen erschütternde Brausen der See, — siehst du, hier hinter der Brille ist noch ein Tropfen! — Dieses satte, strahlende Maestoso, womit sie ihre Brandungen ausrollen läßt. Köstlich!

Lucie:

Da hast du gewiß wieder interessante Ideen gehabt. (Sie nimmt sein Skizzenbuch.)

Mäurer:

Nichts. Auf Ehrenwort, keine Linie. Schreibtafel her, ich muß mir's niederschreiben: Ich werde zwar diese unmoderne Gewohnheit nicht los, — aber vor so etwas heißt es einpacken. — Sag' mal, den Brief von Schilling hattest du doch?

Lucie:

Ich hatte ihn dir heut morgen wiedergegeben.

Mäurer

(sucht in den Taschen und findet den Brief):

Richtig, freilich, da ist ja das Schriftstück. — Es hat sich mit meiner Depesche gekreuzt. — Ich würde mich mächtig freuen, wenn Schilling sich endlich mal aus seiner Misere mit einiger Energie herauslöste. — Hältst du's für möglich, nach diesem Brief? Du bist doch in solchen Sachen sehr schlau, Schusterchen.

Lucie

(zuckt mit den Achseln):

Nach diesem Brief, Ottfried, allerdings. Freilich, sicher kann man es, wie die Sachen mit Schilling liegen, nicht voraussagen. Er scheint ja in einer Krisis zu sein, aber sag' mal selbst, sein Verhältnis zu Hanna Elias ist schon manchmal in einer Krisis gewesen; und doch renkte sich alles immer wieder zu unsrem beiderseitigen Mißfallen ein. — Du weißt ja, was sie für Mittel hat! Wenn sie es absolut will, daß er bei ihr bleibt, na, so geht sie zu Bett und kriegt vier Wochen lang Nasenbluten. —

Mäurer:

Äh, ich mag sie nicht! Ich bin in keiner Beziehung, nicht wahr, ein Weiberfeind; sie brauchen auch, weiß Gott, um mir zu gefallen, nicht alle deutsche Gänse zu sein. Aber diese Hanna macht mich ganz wild. Wenn ich sie ansehe, fast leichenhaft wächsern, wie sie ist, dann begreife ich nicht, wie sie leben kann, und hoffe, sie muß jeden Augenblick abschieben. Keine Ahnung! Sie lebt; sie denkt nicht daran und wird uns alle womöglich noch einbuddeln.

Lucie:

Ja, Ottfried, das kann ganz gut möglich sein.

Mäurer:

Verzeih mir's Gott, wenn keine Aussicht vorhanden ist, daß sie in Bälde das Zeitliche segnet, dann muß mit Schilling erst recht was geschehn; dann muß man erst recht mit ihm einen letzten, rücksichtslosen Versuch machen. Dazu ist er zu gut, um an dieser Schürze zugrunde zu gehn.

Lucie:

Wer weiß, vielleicht ist deine telegraphische Einladung gerade zur rechten Stunde gekommen.

Mäurer:

Merkwürdig, dieser ruhige, schlichte Mensch, der mehr als wir alle in seinem gelassenen Wesen gefestigt schien, ist durch diese Person ganz aus der Bahn gerissen. Als sie auftauchte, dacht' ich das Gegenteil. Seine Heirat mit Eveline war Unsinn. Sie hat ihn sich, weil er immer gegen die Äußerlichkeiten des Lebens gleichgültig war, wenn man ihn nur ungestört malen ließ, einfach angetraut. Und da war er mit einemmal ihr Ernährer. Hanna hat mehr Reiz, mehr Selbständigkeit, und so glaubt ich am Anfang, sie würde für seine Kunst das Rinascimento des vierten Jahrzehntes sein. Statt dessen stellt sie seine Existenz als Künstler und Mann überhaupt in Frage.