Galater - Kommentar - Timothy Keller - E-Book

Galater - Kommentar E-Book

Timothy Keller

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Beschreibung

Das Evangelium verändert unser ganzes Leben, zeigt Timothy Keller in dieser Auslegung des Galaterbriefes.Der Kommentar ist als Teil der Auslegungsreihe Die Bibel erklärt nicht akademisch ausgerichtet. Er macht den Galaterbrief zugänglich und bietet relevante Anwendungen für unser Leben. Er kann wie jedes andere Buch von vorne bis hinten gelesen werden, für die Stille Zeit verwendet werden, zur Predigtvorbereitung genutzt werden oder um Hauskreise anzuleiten.Neben dem Kommentar liegt ein Arbeitsheft für Gruppen und Leiter vor, um das Buch in einer Kleingruppe zu studieren.

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Die Bibel erklärt

Galater – Kommentar

Timothy Keller

INHALT

Vorwort zur Reihe

Einleitung

1. Die Einzigartigkeit des Evangeliums (1, 1–9)

2. Gottes unerhörte Gnade (1, 10–24)

3. Eins im Evangelium (2, 1–10)

4. Im Einklang mit dem Evangelium leben (2, 11–21)

5. Wir kommen nie vom Evangelium los (3, 1–14)

6. Das Gesetz im Leben des Christen (3, 15–25)

7. Söhne Gottes (3, 26–4, 7)

8. Zwei Arten von Religion, zwei Arten von Dienst (4, 8–20)

9. Gnade für die Unfruchtbare (4, 21–31)

10. Das Evangelium und die Freiheit (5, 1–15)

11. Das Evangelium und mein inneres Wachstum (5, 16–25)

12. Das Evangelium und unsere Beziehungen (5, 26–6, 5)

13. Säen und ernten (6, 6–18)

Anhang: Der Galaterbrief und die »Neue Paulusperspektive«

Literaturverzeichnis

VORWORT ZUR REIHE

Jeder Band dieser Reihe bietet dir einen Zugang zu einem Buch der Bibel. Jeder Band verfolgt dabei vier Ziele:

• Die Bibel ins Zentrum stellen

• Christus verherrlichen

• Relevante Anwendungen auf das Leben bieten

• Leicht lesbar sein

Wie kannst du dieses Buch verwenden?

Für deine Lektüre. Du kannst das Buch einfach von vorne bis hinten lesen. Dieser Band beschäftigt sich mit den Aussagen eines bestimmten biblischen Buches und will dich dadurch ermutigen und herausfordern.

Für deine Stille Zeit. Du kannst dieses Buch in deiner persönlichen Stillen Zeit durcharbeiten oder zur Vorbereitung auf eine Predigt oder Predigtserie in deiner Gemeinde verwenden. Jedes Kapitel ist in zwei Abschnitte unterteilt und enthält am Ende Fragen zum Nachdenken.

Für deinen Hauskreis. Du kannst dieses Buch als Hilfsmittel verwenden, um Gottes Wort in einer Kleingruppe oder in der Gemeinde zu lehren. Schwierige Verse oder theologische Konzepte werden hier einfach erklärt. Du findest in dem Buch außerdem hilfreiche Illustrationen und Vorschläge für die Anwendung auf unser Leben.

Die Bücher dieser Reihe sind keine wissenschaftlichen Kommentare. Sie setzen weder ein Verständnis der Originalsprachen der Bibel oder ein hohes Maß an biblischem Wissen voraus.

Wir beten, dass du letztlich nicht vom Inhalt dieses Buches, sondern vom Inhalt der Bibel beeindruckt sein wirst. Unser Lob gebührt nicht dem Autor dieses Buches, sondern dem Autor der Bibel.

EINLEITUNG

Der Brief des Paulus an die Galater ist Dynamit – eine Explosion der Freude und der Freiheit, die uns jenes erfüllte Leben der Heilsgewissheit, der Geborgenheit und des Segens eröffnet, zu dem Gott sein Volk berufen hat.

Warum ist das so? Weil dieser Brief uns hautnah das Evangelium bringt. Für viele Christen ist »das Evangelium« in erster Linie etwas für Nichtchristen – eine Art religiöses ABC, das uns zeigt, wie man in das Reich Gottes hineinkommt. Sobald man bekehrt ist, braucht man sich nicht mehr mit dem Evangelium zu befassen, sondern braucht etwas für »Fortgeschrittene«. Meinen wir.

Aber in diesem kurzen Brief lässt Paulus die Bombe platzen, dass das Evangelium das A und O für das Leben der Christen ist. Es zeigt uns nicht nur den Weg in das Reich Gottes, sondern auch das Leben in diesem Reich. Das Evangelium – das ist die Art, wie Christus Menschen, Kirchen und soziale Gruppen verwandelt.

Wir werden sehen, wie Paulus den jungen Christen in Galatien zeigt, dass ihr geistliches Problem nicht so sehr der mangelnde Gehorsam gegenüber Gott ist, sondern dass sie in diesem Gehorsam ihr Heil suchen. Er sagt ihnen, dass alles, was sie brauchen, das Evangelium von Gottes unverdienter Gnade durch das Leben, den Tod und die Auferstehung Christi ist. Er fordert sie nicht auf, »bessere Christen zu werden«, sondern das, was das Evangelium ausmacht, auszuleben.

Wir werden sehen, wie Paulus den Galatern und uns die einfache Wahrheit vorhält, dass das Evangelium nicht nur das ABC des Christseins ist, sondern das A und O, und dass Christen das Evangelium gerade so brauchen wie Nichtchristen.

Paulus wird uns zeigen, dass die Wahrheiten des Evangeliums unser Herz, Denken und Leben von innen heraus verwandeln, und das in allen Lebensbereichen. Das Evangelium – also die Botschaft, dass wir viel schlimmer sind, als wir denken, aber in Christus viel mehr geliebt und angenommen, als wir je gehofft haben – schafft eine radikale neue Dynamik des inneren Wachstums, des Gehorsams und der Liebe.

Im Galaterbrief geht es vom ersten bis zum letzten Satz um das Evangelium, das wir alle brauchen, um leben zu können. Es ist Dynamit, und ich bete, dass es beim Lesen dieses Buches in deinem Herzen explodiert und den Wunsch entfacht, diese Explosion auch in anderen Herzen zu erleben.

Ich beginne mit einer kurzen Einführung in den historischen Kontext des Briefes; am Ende des Buches findest du einen Anhang über den neuesten Stand der theologischen Diskussion über den Galaterbrief.

Timothy Keller

DER HISTORISCHE KONTEXT

Der Apostel Paulus war ein Missionar, der Gemeinden gründete. Wenn er eine Gemeinde gegründet hatte und weitergereist war, betreute er die neu entstandene Gemeinde durch seine Briefe. Einer dieser Briefe ist der Galaterbrief – ein Rundschreiben an die neuen christlichen Gemeinden in der Region Galatien in Kleinasien. Die meisten Theologen nehmen an, dass Paulus diesen Brief um 50 n. Chr. schrieb, also ganze 15 bis 20 Jahre nach Tod und Auferstehung Christi. Um den Brief richtig verstehen zu können, müssen wir um die folgenden drei historischen Umstände wissen:

• Der Brief reagiert auf einen sozialen und ethnischen Konflikt in den Gemeinden in Galatien. Die ersten Christen in Jerusalem waren Judenchristen, aber als sich das Evangelium von diesem Zentrum ausbreitete, nahm eine wachsende Zahl von Heiden Christus an. Nun waren jedoch in Galatien Prediger aufgetreten, die die Heidenchristen aufforderten, alle traditionellen zeremoniellen Bräuche des mosaischen Gesetzes einzuhalten, wie es die Judenchristen nach wie vor taten. Um wirklich von Gott angenommen zu werden, so hieß es, mussten sie z. B. die jüdischen Speisegebote einhalten, und die Männer mussten sich beschneiden lassen.

• Auch wenn uns diese spezielle Kontroverse heute weit weg erscheinen mag, ist die Wahrheit, mit der Paulus in seinem Brief argumentiert, absolut und zeitlos. Die Quintessenz des Briefes ist, dass die Spaltungen in den Gemeinden in Galatien aus einem mangelhaften Verständnis des Evangeliums rühren. Mit ihrer Behauptung, dass man, um ein richtiger Christ zu sein, Christus und noch etwas Zusätzliches brauche, formulierten diese Irrlehrer eine völlig andere Art der Beziehung zu Gott (ein »anderes Evangelium«, Gal 1, 6) als die, die Paulus lehrte (»als wir es euch gepredigt haben«, V. 8). Es war dieses »andere Evangelium«, das zu den kulturellen Konflikten führte. Paulus bekämpfte es energisch und unnachgiebig, denn das wahre Evangelium aus den Augen zu verlieren, bedeutet, Christus selbst zu verlieren (V. 6). Deshalb stand in dieser Debatte alles auf dem Spiel.

• Das, was an der damaligen historischen Situation am augenscheinlichsten ist, wird oft am leichtesten übersehen. Paulus zeigt im Galaterbrief auf, was das Evangelium ist und wie es wirkt. Aber die Briefadressaten sind alle bekennende Christen! Merke: Auch Christen müssen immer wieder neu das Evangelium begreifen und auf ihr Leben anwenden.

GALATER 1, 1–9

1. DIE EINZIGARTIGKEIT DES EVANGELIUMS

Was an der Einleitung das Galaterbriefes vielleicht am meisten auffällt, ist Paulus’ Ton sowie die innere Verfassung, die dahintersteht. Er klingt überrascht, ja wütend. Seine Worte sind bemerkenswert deutlich. Während er in anderen Briefen auf den Eingangsgruß erst einmal einen Dank an die Adressaten folgen lässt (vgl. z. B. Phil 1, 3–8; Kol 1, 3–8; 1 Kor 1, 4–9), schreibt er hier einfach (V. 6a): »Mich wundert …« (EU: »Ich bin erstaunt«; NLB: »Ich kann es nicht fassen«). Was hat Paulus nur?

DIE GROSSE VERFÜHRUNG

Erstens wundert sich Paulus, weil diese jungen Christen sich ein Evangelium aufschwatzen lassen, das gar keines ist (V. 7) und sie in große Gefahr bringt. Sie lassen sich »verwirren« (V. 7b).

Und zweitens ist er wütend auf die Leute, die diese Frischbekehrten in die Irre führen und »das Evangelium Christi verkehren« wollen. Er verflucht sie regelrecht (V. 9). Doch indirekt richtet sich sein Zorn auch gegen die galatischen Christen selbst. Sie lassen sich »abwenden« von dem, der sie berufen hat (V. 6b) – ein ernster Vorwurf!

Wenn wir uns den Brief genauer anschauen, werden wir sehen, dass der Anlass für Paulus’ Schock eine Gruppe von Leuten war, die den heidenchristlichen Konvertiten einredeten, dass sie, um Gott wohlgefällige Christen zu sein, das ganze jüdische Gesetz des Mose halten müssten – die Speisegebote, die Beschneidung und den ganzen Rest des Zeremonialgesetzes. Den Galatern scheint dies nicht viel anders vorgekommen zu sein als das, was sie bereits gehört hatten. Bei dem ganzen Christsein ging es doch darum, Gott wohlgefällig zu sein, oder? Aber Paulus sagt ihnen sinngemäß: »Das ist das absolute Gegenteil von dem, was ich euch beigebracht habe!«

Er ist nicht gerade zimperlich. Aber wenn wir das Evangelium so betrachten, wie Paulus das tat, werden wir seine Einstellung verstehen. Wenn die Christen in Galatien wirklich drauf und dran sind, Gott den Rücken zu kehren und sich einem Evangelium zuzuwenden, das gar keines ist, dann steht es nicht gut um sie. Die zornige Besorgnis, die Paulus zum Ausdruck bringt, entspricht ganz der Reaktion von Eltern oder guten Freunden, die miterleben, wie ihr Kind oder bester Freund auf Abwege gerät.

MIT WELCHEM RECHT SPRICHT PAULUS?

Aber wer ist denn Paulus, dass er diesen Christen so die Leviten lesen kann?

Zunächst einmal ist er ein »Apostel« (V. 1), also jemand, der mit unmittelbarer göttlicher Autorität zu etwas ausgesandt worden ist. Das griechische Wort apostolos bedeutet »Gesandter«. Die Klarstellung »nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen« betont die Einzigartigkeit der ersten christlichen Apostel. Auch heute sind die Menschen, die vom Heiligen Geist zum Dienst für Gott berufen werden, »nicht von Menschen« berufen. Der tiefste Grund ihres Dienstes ist der Ruf Jesu und die letztliche Autorität für ihren Dienst ist das Wort Jesu in der Bibel. Aber ihre Amtseinsetzung geschieht durch Menschen. Das heißt: Obwohl heute Pastoren und andere Amtsinhaber in den Kirchen ihre Berufung letztlich von Gott bekommen haben, werden sie gleichzeitig durch andere Geistliche oder durch die Ältesten einer Gemeinde offiziell in ihr Amt eingesetzt.

Und hier beansprucht Paulus für sich selbst mehr. Er erklärt, dass er sein Apostelamt nicht durch menschliche Vermittlung bekommen hat. Kein anderer Apostel hat ihn eingesetzt, sondern er ist direkt von dem auferstandenen Jesus selbst eingesetzt und gelehrt worden (siehe Apg 9, 1–19).

Zweitens ist Paulus, wie aus den Versen 8–9 hervorgeht, mit einer ganz besonderen göttlichen Botschaft gesandt worden – dem Evangelium. Das bedeutet, dass seine von Gott inspirierte Lehre die Messlatte dafür ist, ob jemand als rechtgläubig oder als Häretiker zu betrachten ist. In Vers 9 sagt er wörtlich: »Wenn jemand euch ein Evangelium predigt, anders als ihr es empfangen habt, der sei verflucht.« Selbst ein Apostel kann die Botschaft Christi nicht verändern, umarbeiten oder ergänzen. Was er sagt, ist nicht das Ergebnis seines Forschens und Studierens, seines Überlegens und seiner Weisheit. Es kommt direkt von Gott und ist unwandelbar und unveränderbar.

Mancher fragt sich vielleicht jetzt: Gibt es auch heute noch Apostel? Nun, nicht im vollen Sinne von Paulus und den Zwölfen. Doch in der frühen Kirche wurden auch andere »Apostel« genannt (vgl. 1 Kor 12, 28). Barnabas wurde nach Antiochia »gesandt« und war in diesem Sinne ein Apostel (Apg 11, 22; vgl. 14, 14). Doch diese Missionare wurden von den ursprünglichen Aposteln bzw. von den Gemeinden ausgesandt, also »von Menschen«. Barnabas ist dem auferstandenen Christus nie begegnet; er wurde nie von dem leiblich anwesenden Christus gelehrt, wie Paulus und die Zwölf. Eine mögliche Sprachregelung ist, Christen, die ungewöhnliche Lehr- und Leitungsgaben haben, damals wie heute, als »Verkünder« zu bezeichnen, während wir die Bezeichnung »Apostel« für die direkt von Jesus eingesetzten Apostel vorbehalten. Die Apostel hatten damals und haben bis heute absolute Autorität; was sie geschrieben haben, ist Wort Gottes.

WAS IST DAS EVANGELIUM?

Und so erinnert dieser von Gott selbst eingesetzte Apostel die Christen in Galatien an seine spezifische göttliche Botschaft – an das Evangelium. In den ersten Sätzen seines Briefes gibt er ihnen einen knappen, aber umfassenden Abriss der Botschaft des Evangeliums.

Erstens, was wir sind: Hilflos und verloren. Das ist in dem Wort »errette« in Vers 4 enthalten. Andere Religionsgründer sind nicht als Retter, sondern als Lehrer gekommen. Auch Jesus war ein großer Lehrer, aber in seiner Zusammenfassung des Wirkens Jesu erwähnt Paulus dies mit keiner Silbe. Der heutige Durchschnittsbürger glaubt, dass ein Christ jemand ist, der der Lehre und dem Beispiel Christi folgt. Aber genau das ist für Paulus unmöglich. Schließlich rettet man nur jemanden, der sich nicht selbst helfen kann. Wenn ich einen Ertrinkenden sehe, helfe ich ihm nicht dadurch, dass ich ihm ein Buch »Wie lerne ich schwimmen?« zuwerfe. Was er braucht, sind keine klugen Lehren, sondern ein Rettungsseil. Jesus ist nicht so sehr ein Lehrer als vielmehr ein Retter. Und wir brauchen einen Retter. Was wir selbst sind oder tun, kann uns nicht retten. Die Theologen sprechen hier von dem »geistlichen Unvermögen« des Menschen.

Zweitens, was Jesus getan hat: Wie hat Jesus uns gerettet? Er hat »sich selbst für unsre Sünden dahingegeben« (V. 4a). Er brachte ein sogenanntes stellvertretendes Opfer dar. Das »für« in Vers 4a bedeutet »zu Gunsten von« bzw. »an Stelle von«. Dieses Element der Stellvertretung ist das, was das Evangelium so revolutionär macht. Der Tod Christi war nicht ein Opfer wie andere auch, sondern ein stellvertretendes Opfer. Er erkaufte uns nicht eine zweite Chance, unser Leben auf die Reihe zu kriegen und mit Gott im Reinen zu bleiben, sondern er tat alles, was wir eigentlich selbst tun müssten, aber nicht tun können. Wenn der Tod Jesu tatsächlich die Strafe für unsere Sünden an unserer Stelle bezahlt hat, können wir nie mehr verurteilt werden. Warum nicht? Weil Gott sonst für dieselbe Sünde zwei Mal die Strafe bezahlt bekäme, was nicht gerecht wäre. Jesus hat alles, was wir hätten tun müssen, an unserer Stelle (stellvertretend) getan; wenn er also unser Erlöser wird, sind wir damit von jeder Strafe oder Verurteilung befreit.

Drittens, was der Vater getan hat: Gott hat das Erlösungswerk Christi für uns angenommen, indem er ihn »auferweckt hat von den Toten« (V. 1) und uns die »Gnade« und den »Frieden« gegeben hat (V. 3), die Christus für uns errungen und erreicht hat.

Viertens, warum Gott das getan hat: Aus lauter Gnade. Nicht als Belohnung für irgendetwas, was wir getan hätten, sondern »nach dem Willen Gottes, unseres Vaters« (V. 4d). Wir hatten nicht darum gebeten, erlöst zu werden, aber Gott hat in seiner Gnade das, was wir nicht erkannten, geplant und Christus ist aufgrund seiner Gnade (V. 6) gekommen, um die Erlösung zu vollbringen, die wir selbst nie hätten vollbringen können.

Es gibt keinerlei Hinweise auf irgendeine andere Motivation oder Ursache des Erlösungswerkes Christi als den Willen Gottes. In uns selbst ist nichts, womit wir diese Erlösung verdient hätten; sie ist reine »Gnade«.

Und deswegen ist der Einzige, dem »Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit« gebührt, Gott (V. 5). Wenn wir etwas zu unserer Errettung beigetragen hätten, wenn wir uns selbst erlöst hätten, wenn Gott in uns etwas gesehen hätte, das Erlösung verdiente oder nützlich für seinen Plan wäre, oder wenn wir auch nur unsere Erlösungsbedürftigkeit eingesehen und Gott um Hilfe angerufen hätten – dann könnten wir uns auf die Schulter klopfen, denn dann hätten wir ja unseren Teil zu unserer Errettung beigetragen.

Aber das Evangelium der Bibel – das Evangelium des Paulus – erklärt klipp und klar, dass unsere Erlösung von Anfang bis Ende Gottes Werk ist. Er ruft, er plant, er handelt. Und deshalb hat er allein alle Ehre verdient, für alle Zeiten.

Das ist die Wahrheit, die den Kern des christlichen Glaubens bildet und uns demütig machen sollte. Unser Herz liebt es, selbst die Ehre und Herrlichkeit einzuheimsen, und so finden wir Selbsterlösungsbotschaften extrem attraktiv, ob sie nun von der religiösen (»Halte dich an diese Regeln, und du kommst in den Himmel«) oder von der säkularen (»Sieh zu, dass du das und das kriegst, und du hast den Himmel auf Erden«) Sorte sind. Das Evangelium stellt unser Denken komplett auf den Kopf. Es sagt uns: »Du bist solch ein hoffnungsloser Fall, dass du eine Erlösung brauchst, die überhaupt nicht von dir abhängt.« Und dann fährt es fort: »In Jesus schenkt Gott dir eine Erlösung, die dir viel mehr gibt als sämtliche falsche Erlösungen, von denen dein Herz träumt.«

Paulus erinnert uns daran, dass das Evangelium uns niedriger und gleichzeitig höher macht, als wir es uns je vorstellen konnten. Und die Ehre dafür gebührt mit vollem Recht unserem Gott und Vater, »von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen« (V. 5).

ZUM NACHDENKEN

1. Der Ton, in welchem Paulus schreibt, erinnert uns daran, dass der christliche Glaube nicht nur Kopfsache, sondern Herzenssache ist. Inwieweit ist dir das eine Ermutigung? Inwieweit ist es eine Herausforderung?

2. Wann findest du es am schwersten, die Autorität der apostolischen Lehre des Neuen Testaments zu akzeptieren? Warum?

3. Nimm an, jemand fragt dich, was du glaubst. Wie erklärst du ihm das Evangelium?

TEIL 2

DAS EVANGELIUM ZU VERÄNDERN, HEISST, ES ZU ZERSTÖREN

Das biblische Evangelium der Gnade ist etwas unendlich Kostbares. Und es ist dieses herrliche Evangelium, das die Leiter der galatischen Gemeinden verdreht und das die galatischen Gemeindemitglieder verlassen haben.

Das ist etwas sehr Ernstes, weil es »kein andres [Evangelium] gibt« (V. 7). Das Evangelium zu verändern, heißt, kein Evangelium mehr zu haben. Warum ist das so? Warum macht jede noch so kleine Abänderung des Evangeliums es null und nichtig?

Weil Gott die Christen »berufen hat in die Gnade Christi« (V. 6). Nicht wir haben Gott berufen, sondern er hat uns berufen. Und Gott hat uns trotz unseres Mangels an Verdiensten sofort angenommen. Das ist die Reihenfolge des Evangeliums: Gott nimmt uns an, und dann folgen wir ihm. In anderen religiösen Systemen ist es gerade andersherum: Wir müssen Gott etwas geben, und dann nimmt er uns an. Die Aussage des Paulus in Vers 7 ist also, dass jede Lehre, die dem Glauben an Christus das Halten des mosaischen Ritualgesetzes hinzufügt, das Evangelium pervertiert (»verkehrt«; wörtlich: »umdreht«).

Das ist sehr aufschlussreich. Wenn ich, um von Gott angenommen zu werden, Christus irgendetwas (egal, was) hinzufüge und sage: »Um erlöst zu werden, brauche ich die Gnade Christi plus das und das«, drehe ich die »Reihenfolge« des Evangeliums komplett um und mache es damit null und nichtig. Darum schreibt Paulus in Vers 6, dass die falschen Lehrer ein »anderes Evangelium« bringen, »obwohl es doch kein andres gibt« (V. 7).

Das sind klare Worte. Ein anderes Evangelium ist kein anderes Evangelium, es ist gar kein Evangelium. Wer das Evangelium auch nur ein kleines bisschen verändert, verliert es so vollständig, dass die neue Lehre kein Recht auf die Bezeichnung »Evangelium« hat. Martin Luther hat es in seinem Kommentar zum Galaterbrief auf den Punkt gebracht: Es gibt kein Mittelding zwischen der Gerechtigkeit durch Christus und der Gerechtigkeit aufgrund unserer Werke. Wenn ich nicht auf Christus vertraue, muss ich auf meine Werke bauen; eine »dritte« Möglichkeit gibt es nicht.

WIE WIR HEUTE DAS EVANGELIUM VERLIEREN

Das, wogegen Paulus und Jahrhunderte später Luther so sehr kämpften, erleben wir heute wieder. Paulus verurteilt jede Lehre, die nicht in den folgenden beiden Tatsachen gründet:

• Wir sind zu sündig, um irgendetwas zu unserer Erlösung beizutragen; wir sind völlig erlösungsbedürftig.

• Wir werden allein und zu hundert Prozent durch das gläubige Vertrauen auf das Erlösungswerk Jesu (die »Gnade Christi«) gerettet.

Hier drei Beispiele für moderne kirchliche Positionen, die eine oder alle beide dieser Wahrheiten leugnen:

1. In manchen Gemeinden wird direkt oder indirekt gelehrt, dass wir dadurch gerettet werden, dass wir unser Leben »Jesus übergeben« plus das Richtige glauben und die richtigen Dinge tun bzw. die falschen lassen. Das ist typisch für viele Gemeinden von der »evangelikalen« Sorte. Man ruft die Menschen dazu auf, »sich zu bekehren« bzw. »ihr Leben Jesus zu übergeben«. Das klingt sehr biblisch, führt aber leicht zur Leugnung des Prinzips »allein durch Gnade«. Die Leute bilden sich ein, dass sie einfach einen starken Glauben brauchen, der Gott liebt und sich in ihrem Leben auswirkt. Damit Christus in ihrem Leben gegenwärtig sein kann, müssen sie genügend Reue, inneren Hunger und Liebe zu Gott mobilisieren, und das nicht nur einmal, sondern immer wieder, wenn sie »im Glauben bleiben« wollen. Das bedeutet, dass diese Gemeinden vielleicht nicht in ihrer Theologie, aber sehr wohl in ihrer Praxis die Position vertreten, dass wir durch die Qualität unseres Glaubens erlöst werden. Aber das Evangelium sagt, dass wir durch unser Vertrauen auf das, was Christus für uns getan hat, erlöst sind. In der ersten Position geschieht unsere Erlösung letztlich durch unsere eigene religiöse Leistung, in der zweiten durch Christus. Es ist nicht die Qualität unseres Glaubens, die uns rettet, sondern der Gegenstand unseres Glaubens, also der, auf den er sich richtet.

2. In anderen Gemeinden heißt es: Es ist nicht so wichtig, was du glaubst, solange du ein guter, liebevoller Mensch bist. Das ist ein typischer Fehler in »liberalen« Kirchen. Wer immer strebend sich bemüht, den wird Gott schon irgendwie erlösen, egal welche Religion er hat. Das klingt erfrischend tolerant, ist aber in Wirklichkeit eine intolerante Verneinung der Gnade, und das gleich auf zweierlei Art.

Erstens lehrt diese Position, dass gute Werke ausreichen, um zu Gott zu kommen. Das aber bedeutet, dass der Kreuzestod Jesu nicht nötig war; ein »anständiges Leben« tut’s ja auch. Und daraus wiederum folgt, dass die »nicht Anständigen« keine Chance auf Erlösung haben – ein klarer Widerspruch zum Evangelium, das »Böse und Gute« einlädt (Mt 22, 10). Wenn wir behaupten, dass wir durch gutes Verhalten erlöst werden können, schließen wir die Bösen von Gottes Festmahl aus, und das Evangelium lädt nicht ein, sondern grenzt aus.

Und zweitens verführt diese Position die Menschen zu dem Denken, dass sie dann, wenn sie schön tolerant und offen sind, Gott gefallen. Sie brauchen Gottes Gnade nicht; sie kriegen das ewige Leben auch so. Und so gebührt die »Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit« nicht Gott, sondern ihnen. Doch das Evangelium hält uns den Spiegel unserer radikalen Sündhaftigkeit vor. Wer nicht erkannt hat, wie rundum böse er ist, den kann Gottes Gnade nicht verwandeln, und er begreift nicht, wie sehr es Gott verherrlicht, wenn auch nur ein Mensch in den Himmel kommt.

3. Ein drittes Beispiel sind jene Gemeinden, die eisern auf der strikten Einhaltung bestimmter Äußerlichkeiten bestehen. Die falschen Lehrer in Galatien wollten (wie wir noch sehen werden) viele alte Regeln bezüglich Kleidung, Essen und Trinken und Ritualen verbindlich machen. Ähnlich gibt es auch heute Gruppen und Gemeinden, die ihre Mitglieder sehr streng kontrollieren und ihnen vorschreiben, wie sie »richtig« zu essen, sich zu kleiden, sich zu verabreden, ihre Zeit einzuteilen usw. haben. Oder sie bestehen auf einer detaillierten Einhaltung vieler komplizierter Rituale. Moderne Beispiele finden wir in Kirchen und Gemeinden mit sehr autoritären Führungsstrukturen, die entweder extrem ritualistisch oder extrem »gesetzlich« sind. Meiner Meinung nach sind die Gemeinden dieser dritten Kategorie am leichtesten zu durchschauen und daher weniger gefährlich als die der beiden ersten Kategorien, die zudem wesentlich häufiger vorkommen.

IST UNSER EVANGELIUM DAS WAHRE EVANGELIUM?

Wenn das eine wahre Evangelium so wichtig und gleichzeitig so leicht zu pervertieren ist, müssen wir uns natürlich fragen: Wie können wir sicherstellen, dass das Evangelium, das wir glauben, das wahre ist? Woher können wir wissen, dass wir nicht nur das Gefühl haben, dass es wahr ist, oder es für wahr halten, sondern dass es tatsächlich und objektiv wahr ist und uns somit tatsächlich retten kann, für Zeit und Ewigkeit?

Mit Worten, wie sie deutlicher nicht sein könnten, formuliert Paulus einen Maßstab zur Beurteilung aller Wahrheitsansprüche unabhängig davon, ob diese von außen kommen (also von Lehrern, Autoren, Denkern oder Predigern) oder von innen (aus unseren Gefühlen und Erfahrungen). Dieser Maßstab ist das Evangelium, das er und alle anderen ursprünglichen Apostel von Christus erhalten haben und das wir in diesem Brief und im Rest der Bibel finden.

»Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium predigen würden, … der sei verflucht« (V. 8). Hier haben wir den großen Leitfaden für die Beurteilung von menschlichen Autoritäten wie Lehrern, Professoren oder selbst ordinierten Geistlichen in der Hierarchie einer Kirche.

Man beachte das »wir«. Paulus schließt sich hier selbst mit ein. Er sagt, dass er zurückgewiesen werden muss, wenn er jemals sagt: »Ich habe meine Meinung darüber geändert, was das Evangelium ist.« Wie er uns noch sagen wird, hat er das Evangelium nicht durch genügend Nachdenken entdeckt; er hat es überhaupt nicht entdeckt, sondern es ist ihm geschenkt worden. Das aber heißt, dass er es nicht aufgrund verstandesmäßiger Überlegungen verändern darf. In Galater 2 wird er uns zeigen, dass sein Evangelium von anderen bestätigt worden ist, die die gleiche Botschaft von dem auferstandenen Christus bekommen haben. Dieser apostolische Konsens – dieses von Christus selbst kommende »Evangeliums-Kapital« – ist der Prüfstein zur Beurteilung aller Wahrheitsansprüche, ob sie von außen oder von innen kommen.

Das ist sehr wichtig. Paulus sagt in Vers 8, dass selbst seine apostolische Autorität von der Autorität des Evangeliums abgeleitet ist, und nicht andersherum. Er fordert die Galater auf, sowohl seine Person als Apostel als auch seine Lehre anhand des biblischen Evangeliums zu beurteilen. Nicht die Kirche beurteilt die Bibel, sondern die Bibel beurteilt die Kirche. Die Bibel ist das Fundament und der Schöpfer der Gemeinde, und nicht die Gemeinde das Fundament und der Schöpfer der Bibel. Die Kirche einschließlich ihrer ganzen Hierarchie ist von den einzelnen Gläubigen mit der Messlatte des biblischen Evangeliums, das der Prüfstein für alle Wahrheitsansprüche ist, zu prüfen.

Definitiv nicht der Prüfstein für Wahrheitsansprüche ist unsere persönliche Erfahrung. Wir beurteilen die Bibel nicht anhand unserer Gefühle oder Überzeugungen, sondern wir beurteilen unsere Erfahrungen anhand der Bibel. Selbst wenn ein Engel vor einer Menschenmenge erscheinen und ihr predigen würde, dass wir durch unsere guten Werke erlöst werden (oder durch irgendetwas anderes als allein durch den Glauben an Christus), sollten wir den Engel buchstäblich hinauswerfen (V. 8)! Hinter Paulus’ Satz »Aber selbst wenn wir oder ein Engel …« steckt eine ganze christliche »Epistemologie« (Erkenntnistheorie; woher wir wissen, was wahr ist).

WARUM ES WICHTIG IST

Zu Beginn dieses Kapitels sahen wir, dass Paulus’ Ton, gelinde gesagt, kompromisslos ist. Aber das liegt daran, dass es beim Evangelium um alles oder nichts geht. Ein »anderes« Evangelium bedeutet zunächst einmal, dass ich den verlasse, der mich berufen hat (V. 6). Die Theologie des Evangeliums zu verlassen, heißt, Christus selbst zu verlassen. Was ich in meiner Theologie mache, hat Folgen für mein Erleben. Anders ausgedrückt: Ein anderes Verständnis der christlichen Lehre bedeutet ein verändertes Verständnis davon, wer Jesus ist. Letztlich stellt sich die Frage, ob ich ihn überhaupt kenne.

Zweitens ist ein »anderes« Evangelium gar kein Evangelium (V. 6b–7). Das bedeutet, dass die Botschaft des Evangeliums von ihrem Wesen her nicht einmal geringfügig verändert werden kann, ohne dass sie verloren geht. Es ist wie ein Vakuum. Ich kann nicht ein bisschen Luft in das Vakuum lassen und das Ergebnis ein »90-prozentiges Vakuum« oder »mit Luft angereichertes Vakuum« nennen. Entweder das Vakuum ist total, oder es ist kein Vakuum! Entsprechend lautet die Botschaft des Evangeliums, dass ich allein durch Gnade und das Werk Chrisi erlöst bin und durch nichts sonst. Sobald ich etwas anderes hinzufüge, habe ich das Evangelium verloren. In dem Augenblick, wo ich es verändere, zerstöre ich es.

Und drittens bringt ein anderes Evangelium uns Gottes Verdammungsurteil (V. 8–9). Im weiteren Verlauf des Briefes schreibt Paulus, dass »andere Evangelien« einen Fluch mit sich bringen. Was in letzter Konsequenz bedeutet, dass der, der am Evangelium herumbastelt, mit dem ewigen Leben bzw. Tod spielt. Aber es bedeutet auch ganz praktisch, dass schon in diesem irdischen Leben »andere Evangelien« mit Ängsten, Schuldgefühlen und einem schlechten Gewissen (dem Bewusstsein des Fluches) behaftet sind. Wir werden noch sehen, wie selbst Christen manchmal solch ein Verdammungsurteil spüren. Das liegt dann daran, dass sie in der Praxis auf »andere Evangelien«, andere Wege zum Heil, vertrauen. Die »gegenwärtige, böse Welt« (V. 4) hat immer noch die Macht, auch Christen anzustecken.

Jetzt verstehen wir, warum Paulus zu so ernsten, ja starken Worten greift. Es geht um viel – um unsere Erkenntnis Christi, um die Wahrheit des Evangeliums, um das ewige Seelenheil von Menschen. Das sind Dinge, für die es sich lohnt zu kämpfen, seine Stimme zu erheben, sich selbst und andere wieder und wieder zu erinnern. Paulus’ Unverblümtheit ist letztlich ein Ausdruck von Liebe. Er ist ein echter Apostel, der den Herrn, das Evangelium des Herrn und das Volk des Herrn liebt. Wenn auch wir diese Liebe haben, verstehen wir, warum er so schreibt, wie er schreibt – und sind dankbar dafür.

ZUM NACHDENKEN

1. Wie wichtig ist dir die Wahrheit des Evangeliums? Wie zeigt sich das in deinem Leben?

2. Warum erzeugt das Verständnis des wahren Evangeliums Wut auf falsche »Evangelien«?

3. Auf welche der drei modernen Gefahren des falschen Evangeliums könntest du oder deine Gemeinde am leichtesten hereinfallen?

GALATER 1, 10–24

2. GOTTES UNERHÖRTE GNADE

In manchen Gemeinden werden die Mitglieder im Gottesdienst oder im Gebetskreis öfters eingeladen, »ihr Zeugnis zu geben«, also zu berichten, wie sie Christen wurden. Das tut Paulus jetzt auch. Galater 1, 10–2, 21 wird oft als autobiographischer Teil des Galaterbriefs bezeichnet. Paulus hat auch bei anderen Gelegenheiten über seine Bekehrung und seine frühen Jahre als Christ berichtet, so in Apostelgeschichte 22, 2b–21 und 26, 4–23. Er tut dies jeweils nicht, um die Menschen zu erbauen oder sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, sondern um den Behauptungen von Menschen, die seine Botschaft angreifen wollen, entgegenzutreten und Gottes unerhörte Gnade zu rühmen.

BEHAUPTUNGEN

Mit seinem Bericht, wie er ein Jünger Jesu wurde – oder, vielleicht exakter, wie Jesus ihn zu seinem Jünger machte – will Paulus sich gegen »einige« (V. 7; NGÜ: »gewisse Leute«) verteidigen, die ihn und seine Botschaft des Evangeliums angreifen. Es geht im Einzelnen um drei Angriffe.

Erstens tritt Paulus der Behauptung entgegen, dass er durch eigenes Nachdenken und Überlegen zum Evangelium gekommen ist. Er betont, dass er vor seiner Bekehrung »über die Maßen« ein Gegner der Gemeinde und des Glaubens gewesen war (V. 13). Er wollte sie »zerstören«. Es gab keinen allmählichen Prozess des Überlegens, Diskutierens und Umdenkens. Die Botschaft des Paulus war auf keinen Fall das Produkt seiner eigenen Denkweise. Sie war das genaue Gegenteil dessen, was er gedacht und getan hatte.

Der »alte« Paulus war so fanatisch antichristlich, dass selbst der Glaubensmut der christlichen Märtyrer ihn kalt ließ (Apg 7, 54–8, 1). Seine Bekehrung lässt sich nur als Ergebnis einer direkten Christusoffenbarung deuten. In Apostelgeschichte 9, 1–9 lesen wir, wie der auferstandene Jesus Paulus direkt konfrontierte. Es handelte sich nicht um eine Trance oder einen Traum. Christus war in Zeit und Raum präsent, wie selbst die Begleiter des Paulus spürten (Apg 9, 7). Und so wurde Paulus ein Apostel, der in die Reihe der anderen Apostel eintrat (Gal 1, 17).

Zweitens verneint Paulus, dass er die Botschaft des Evangeliums von anderen – den Leitern der Gemeinde in Jerusalem – übernommen hatte. »Da besprach ich mich nicht erst mit Fleisch und Blut, ging auch nicht hinauf nach Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren« (V. 16–17). Erst drei Jahre nach seiner Bekehrung reiste Paulus zum ersten Mal wieder nach Jerusalem (V. 18–19), und auch da erhielt er keinen »kirchlichen Unterricht« von den übrigen Aposteln.

Dass Paulus wiederholt auf die Apostel in Jerusalem Bezug nimmt, lässt darauf schließen, dass »einige« (V. 7) behaupteten, dass er seine Evangeliumsbotschaft von seinen »Chefs« übernommen hatte, was das Argument nahelegte: »Wir sind auch in der Jerusalemer Zentrale ausgebildet worden und wir wissen, dass Paulus euch nicht alles gesagt hat. Es gibt noch mehr Dinge, die ihr tun müsst, um Gott zu gefallen.«

Und drittens stellt Paulus klar, dass das Evangelium, das Gott ihm gegeben hat, das gleiche ist wie das, das die übrigen Apostel von Gott bekommen hatten