GALAXIS SCIENCE FICTION, Band 5: DER ZEIT-EFFEKT - Douglas R. Mason - E-Book

GALAXIS SCIENCE FICTION, Band 5: DER ZEIT-EFFEKT E-Book

Douglas R. Mason

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Beschreibung

Unzählige Vorstöße waren in die Unendlichkeit des Raumes unternommen worden. Raumschiffe hatten die Galaxis durchmessen und vielfältige Daten zur Erde gefunkt. Dann begann der große Rückmarsch. Die Schiffe kehrten nach und nach zur Erde zurück, und nur die CENTAUR blieb als letzter Vorposten im Raum. Sie hatte die Aufgabe, den Heimatplaneten vor den gewalttätigen Vertretern außerirdischer Rassen zu beschützen. Doch die Besatzung, Ava Mallan und Bob Dogood, sah sich plötzlich einem ganz neuen Problem gegenüber. Ihr Raum-Zeit-Empfinden wurde gestört. Zur ihrem Entsetzen stellten sie fest, dass sie in zwei Bewusstseinsebenen lebten. Verzweifelt versuchten sie, in die Realität zurückzufinden. Sie mussten sich beeilen, die Zeit wurde knapp. Denn in der einen Ebene waren sie in ein entsetzliches Geschehen verstrickt, und der Tod ballte bereits seine knöcherne Faust, um unbarmherzig zuzuschlagen...   DER ZEIT-EFFEKT von Douglas R. Mason erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.

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DOUGLAS R. MASON

 

 

DER ZEIT-EFFEKT

- Galaxis Science Fiction, Band 5 -

 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

DER ZEIT-EFFEKT 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

 

Das Buch

 

Unzählige Vorstöße waren in die Unendlichkeit des Raumes unternommen worden. Raumschiffe hatten die Galaxis durchmessen und vielfältige Daten zur Erde gefunkt.

Dann begann der große Rückmarsch. Die Schiffe kehrten nach und nach zur Erde zurück, und nur die CENTAUR blieb als letzter Vorposten im Raum.

Sie hatte die Aufgabe, den Heimatplaneten vor den gewalttätigen Vertretern außerirdischer Rassen zu beschützen.

Doch die Besatzung, Ava Mallan und Bob Dogood, sah sich plötzlich einem ganz neuen Problem gegenüber.

Ihr Raum-Zeit-Empfinden wurde gestört. Zur ihrem Entsetzen stellten sie fest, dass sie in zwei Bewusstseinsebenen lebten. Verzweifelt versuchten sie, in die Realität zurückzufinden. Sie mussten sich beeilen, die Zeit wurde knapp.

Denn in der einen Ebene waren sie in ein entsetzliches Geschehen verstrickt, und der Tod ballte bereits seine knöcherne Faust, um unbarmherzig zuzuschlagen...

 

DER ZEIT-EFFEKT von DOUGLAS R. MASON erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden. 

DER ZEIT-EFFEKT

 

 

  

  Erstes Kapitel

 

 

Dogood trommelte ein Solo auf den Rand der Sichtscheibe und schaute über eine flache, schmutzfarbene Landschaft zur glatten, leeren Kurve des Horizonts. Dreimal in drei Minuten hatte er den Sucher verlassen, und das war ein Zeichen seiner Nervosität.

Auf Copreus war es immer gleichmäßig zwielichtig. Im schattenlosen Licht der Kommandokabine spiegelte sich sein Bild in der Plexiglasscheibe. Sein Gesicht wirkte wie das eines missmutigen Engels. Er war groß und breitschultrig und hatte auf der linken Brusttasche seines weißen, gegürteten Overalls eine blaugoldene stilisierte Erdkarte. Die Schulterstücke wiesen ihn als Controller aus.

Weitgesetzte graue Augen starrten ihn an. Der Haarschopf über der hohen Stirn war braun, und die Brauen waren dicke, gerade Stricke. Er hatte ein schmales Gesicht mit einer langen, wissensdurstigen Nase. Es war ein noch vertrautes Gesicht, und das hieß schon etwas, wenn man nahezu am Ende des allmählich auslaufenden Kontinuums war.

Nachdem er sich über diesen Punkt beruhigt hatte, kehrte er zu seiner Konsole zurück, um weiterzutrommeln. Dieses Trommeln beschleunigte keineswegs die Annäherung des langweiligen Beibootes, auf das er so dringend wartete, doch es bewahrte ihn vor dem Zähneknirschen.

Schließlich schob er den elfenbeinfarbenen Schreibstift in seinen Schlitz und fand etwas anderes für seine müßigen Hände. Er wusste, dass dies alles nur Ersatzbeschäftigungen waren, denn er verspürte den dringenden Wunsch, seine abwesende Kollegin mit einem Splisseisen zu verprügeln.

Ein Blick auf die Energiekonsole ergab, dass alle Systeme liefen. Die Centaur war zum Abheben bereit, und sein Finger schwebte zum letzten Countdown über dem Verzögerungsknopf. Zwei Minuten nachdem das Beiboot angedockt hatte, konnten sie diesen Aschenhaufen mit Kurs Zeta-Leuchtfeuer verlassen, um auf dem ersten kurzen Bein rationalisierter Zeit zu stehen.

Er ließ sich zum Funktisch treiben und fuhr die Antenne aus. Der Erkennungston des Beibootes kam klar in Stärke neun herein, und er ließ die Antenne kreisen wie seit ihrer Landung.

Der einzige organisierte Laut, den er je gehört hatte, war der Peilton des Robotstrahls gewesen; er schaute verdutzt drein, als plötzlich ein völlig fremdes Geräusch hereinkam. Doch der Autorecorder hatte ihn schon aufgenommen. Ein schmales Band schob sich aus seinem Ausgabeschlitz.

Unvermittelt blieb das Band wieder stehen, und dann kam aus irgendeiner ungeheuren Feme eine Antwort, die nicht einmal der auf Hochtouren laufende Verstärker verständlich machen konnte.

Zwei Schiffe bewegten sich also in dieses riesige, leere Niemandsland zwischen Rand und innerem Ring des IGO-Raumes hinein. Vor Jahren noch wären es höchstens ein paar Patrouillenboote gewesen, doch die Tage der Kanonenbootdiplomatie waren längst vorüber. Die überwältigende Überlegenheit der Inter Galactic Organization war schon vor langer Zeit so weit reduziert worden, dass sie gerade noch ein fragwürdiges Gleichgewicht erhalten konnte; im Übrigen hatte sie sich auf jene Gebiete zurückgezogen, die sie noch halbwegs zu beherrschen vermochte.

Die Kräfte der Outer Galactic Alliance befanden sich nun auf dem Vormarsch. Ein Jahrtausend lang war sie von den hochentwickelten Kulturen der IGO in Schach gehalten worden, doch jetzt hatte sie außerhalb der Galaxis neue Verbündete gewonnen. Ein hochentwickeltes System stand einem barbarischen Rivalen gegenüber, und die Zeit schenkte ihre Gunst den Barbaren.

Dogood gab die Daten zum Dekodieren ein. Das schmale Textband, das aus dem Fuß des Hauptscanners rockte, stellte fest, dass das Original in scotischer Sprache gehalten war. Das nähere Schiff lag außerhalb der rationalisierten Zeit und war vierzig Minuten von der Gravisphäre von Copreus entfernt.

Obwohl während der ganzen letzten Zeit mit Rücksicht auf die Geheimhaltung der Mission Funkstille geherrscht hatte, musste jemand eine kleine Kopfrechnung gemacht und ein Schiff ausgeschickt haben, das ein wenig herumschnüffeln sollte.

Nun, Copreus konnten sie haben. Eine Woche sorgfältigster Überprüfung hatte keinen Beweis für nützliche oder wertvolle Minerale erbracht, die eine Geste der Stärke gegenüber der OGA gerechtfertigt hätten. Jetzt musste man nur lebend wieder zurückkehren, wenn auch mit leeren Händen.

Er nahm seinen Raumanzug aus dem Schrank und begann sich mit raschen, geschickten Bewegungen anzuziehen. Mit einem Auge überwachte er den Text.

Es war ein Routinebericht an einen Vorgesetzten über Position und Kurs. Aus dieser Entfernung mussten sie schon Größe und Status des Schiffes auf Copreus kennen. Die Bestätigung dafür kam auch sofort: Achtung, ziviles Schiff zerstören. Mindestens zwei Crewmitglieder für Vernehmung am Leben lassen. Ende.

Ende des Funkspruchs und öffnen der Einstiegsluke fielen zusammen. Ausgefüllte Zeit erscheint einem viel kürzer als Wartezeit. Das Beiboot hatte angedockt und den Passagier in die Kommandokapsel entlassen. Dr. Ava Mallam schob ihren Helm zurück und schüttelte ihre rotgoldene Mähne aus. Auf ihrem Handschuh lag ein faustgroßer Klumpen eines silberadrigen Minerals, und sie lachte über das ganze Gesicht.

»Die Spektralanalyse war recht ordentlich«, berichtete sie mit ihrer tiefen, warmen Stimme. »Es gibt genug Infrangom. Jedes Baby in der ganzen Galaxis kann seinen Nachttopf daraus bekommen. Auf dem Rückweg habe ich es ausgerechnet.«

Sie war die Statistikexpertin und musste wohl recht haben. Da er sie kannte, wusste er, dass sie wahrscheinlich die Kalkulation in den Bericht auf nehmen würde.

»Fein, Ava«, sagte er. »Großartig. Du hast noch zwanzig Sekunden Zeit, dich in deine Hängematte zu schwingen. Wir haben nämlich Besuch. Scoten.«

Das war der Tod ihrer Freude, und er hätte es ihr vielleicht doch ein wenig taktvoller beibringen können. Man sollte nicht so tollpatschig sein, wenn gerade der Expeditionszweck erfüllt wurde. Sie schnallte sich schweigend an, und erst als sie damit fertig war, drohte ihre Honigstimme jede Düse zu verstopfen. »Und was könnte die Scoten in diese Gegend bringen, Bob?«

»Vielleicht nur eine schlaue Vermutung«, meinte er. »OGA- Agenten könnten sich den Kurs der Centaur ausgerechnet haben. Ein Glück, dass wir reisefertig sind. Hoffentlich können wir das Glück auch noch ausnützen und Zeta erreichen. Danach müssten sie Wahrsager sein, wenn sie uns über Radio noch ausmachen wollten.«

»Das kommt mir aber merkwürdig vor.«

»Was denn?«

»Dass OGA so weit im neutralen Raum das Leuchtfeuer in Betrieb hält. Die IGO-Patrouillen haben sich doch zurückgezogen.« Sie bemühte sich sehr um einen ruhigen, normalen Unterhaltungston, und er spielte mit, obwohl er ihr nichts entgegenhalten konnte, was sie nicht selbst wusste.

»Ist doch ganz einfach. Der Funkweg ist nicht der einzige Weg hinaus, nur der einzige hinein. Wenn sie ihn zerstören, dann schlagen sie ihre Tür vor ihrer eigenen Nase zu. Und sie brauchen Jahrhunderte, um diesen Leitstrahl wieder aufzubauen. Übrigens, das Zeta-Leuchtfeuer hat einen eingebauten Zerstörungsfaktor. IGO muss vielleicht zu machen.«

»Rückzug der Legionen. Ist früher auch schon vorgekommen.«

»Diesmal haben sie aber jede Chance, die Barbaren auszusperren.«

Die Centaur setzte sich in Bewegung, und darauf mussten sie sich nun konzentrieren. Dogood navigierte genau nach dem Handbuch und aktivierte jedes Instrument, bis alles blinkte, was blinken sollte. Selbst bei normaler Geschwindigkeit konnte die Centaur jedem Militärschiff im Raum davonlaufen. Sie war als schnelles Überwachungsschiff gebaut, hatte nur Platz für eine Crew von zweien, dafür aber eine ungebärdige Kraft. Dogood ließ sie rennen. Wie ein Komet stieg sie aus dem Zwielicht von Copreus auf.

 

Der Kommandant der Scoten beobachtete den Start auf seinem Scanner. Mit einem Zorn, dem das trockene Geklapper und atonale Geklicke seiner Sprache nichts von seiner Wucht nahm, wandte sich Entemena an seinen Navigator. Noch fünf Minuten, dann wäre das fremde Schiff auf Copreus eine hockende Ente ohne Fluchtmöglichkeit gewesen. Jetzt würde es eine wilde Jagd zwischen den Sternen werden, die noch dazu wenige Aussichten bot. Die Argon konnte, wenn sie auch ein eben erst zugelassener brandneuer Kreuzer war, keine solchen Geschwindigkeiten erreichen.

Entemena versuchte es erst gar nicht. Er befahl eine Kursänderung, die selbst seine Reptiliencrew an den Rand der G-Toleranz brachte, und machte sich am Schenkel eines Dreiecks entlang auf zum fernen Funkfeuer.

Gleichzeitig signalisierte er der sich sammelnden Squadron, dass die Beute ausgemacht sei. Weit solle sie nicht kommen. Er gab den Befehl aus, ihr die Lebenslinie, den Funkleitstrahl, nicht abzuschneiden, aber sonst ließ er alles offen. Irgendwann einmal musste ja das Erdenschiff Zeit verlieren, wenn es beim

Einschwenken auf die Station die Geschwindigkeit reduzieren musste. Dann bekam man es zu fassen. Sein bitterer Geist delektierte sich an dieser Möglichkeit.

 

Ava Mallam unterbrach ihre Routinearbeit am Navigationstisch, um die ganze Funkskala abzutasten. Eine sehr einfühlsame Suche brachte die Argon auf den Scanner wie einen Lachs ins Netz. Fünfunddreißig Sekunden Arbeit an ihrer narrensicheren TK-1/500 erbrachten einen gestochen scharfen Hochglanzabzug, den sie am Scanner befestigte.

»Ist schon in Ordnung. Die schaffen es nie. Wir erreichen Zeta zwei Stunden früher als die Eidechsen. Wir werden schon Lichtjahre voraus sein, wenn sie sich zeigen.«

Dogood machte sich nicht die Mühe, das nachzuprüfen. Wenn sie das sagte, so genügte es ihm. Sie sah hinreißend aus und hatte gelegentlich eine etwas verrückte Art, aber sie war die beste Mathematikerin, die er kannte. Einen gewissen Vorbehalt behielt er für sich. Es hatte keinen Sinn, sich vorzeitig Gedanken zu machen.

Die kalten Reptil-Scoten waren Söldner der OGA, hominoid, aber blasse Zerrbilder von El-Greco-Verzerrungen menschlicher Körperlichkeit ohne erkennbare menschliche Regungen. Ihnen lebend in die Hände zu fallen wäre der sichere Tod für ihn, für die Statistikerin jedoch ein langes, qualvolles Sterben. Wenn sie sich schon die Mühe machten, der Centaur den Weg abschneiden zu wollen, dann würden sie auch nicht aufgeben. Die Centaur war also immer in Gefahr, bis sie die Gravisphäre der Erde erreichte.

Ava Mallams Verständigungsgeschick war nicht auf die kosmische Skala beschränkt. Sie hatte die Harmonie in Dogoods Verhaltensmuster erfasst und die Quelle begriffen. »Mach dir keine Sorgen, Controller«, sagte sie in der förmlichen, protokollarischen Art, der sie seit der ersten Stunde ihrer Mission gefolgt war. »Ich weiß Bescheid. Die kriegen mich nicht. Ich habe hier meine Pille.« Mit einem schlanken Finger deutete sie auf die Schulter. »Ich behaupte nicht, es sei an der Zeit, den menschlichen Leib abzustreifen, denn eine solche Einstellung würde auf meine Gesellschaft abfärben, und wo blieben dann die gesellschaftlichen Imperative? Ich lese jedoch das Kleingedruckte, wenn ich Verträge unterschreibe, und deshalb verspreche ich dir, dass ich dann keine gefühlsschwangere Szene hinlegen werde.«

Dogood nahm diesen Ton auf. »Damit rechnete ich auch nicht, Dr. Mallam. Da du schon davon sprichst, muss ich wohl erwähnen, dass es vielleicht nötig wird. Ich glaube nicht, dass sie uns so einfach durch wischen lassen. Sie sind weit von ihrem Territorium entfernt, und der Zufall ist kein Auslöser. Ich möchte deinen Erfolg wirklich nicht herunterspielen, aber Copreus nützt uns nichts. Innerhalb einer Woche wird eine Invasionseinheit der OGA dort sein mit einer Squadron, die scharf schießt. Ohne heißen Krieg könnten wir nicht ein Gramm Erz dort wegholen.«

»Aber den Fund werden wir doch berichten?«

»Klar. In Zeta haben wir dafür genug Zeit. Selbstverständlich werde ich deinen außerordentlichen Beitrag zum Erfolg unserer Mission gebührend herausstreichen. Ich bin überzeugt, dass du den Bollinger-Preis bekommst.«

Posthum natürlich, hätte sie am liebsten geantwortet, doch sie ging auf seinen Ton ein. »Das wären fünfzigtausend Credits, und ich kann mir einen Studienurlaub von fünf Jahren gönnen. Einen prähistorischen Kurs. Diese Periode fasziniert mich, besonders die letzten Abschnitte, als der Mensch begann, nach draußen zu schauen. Kannst du dir den Rummel vorstellen, als sie endlich eine winzige Kapsel von Konservendosengröße zum Mond schossen? Ich möchte wissen, wie es war, damals gelebt zu haben.«

»Was man so hört, war es für die meisten Menschen ziemlich ungemütlich.«

»Das ist es für einige heute auch noch.«

Ava Mallam schwieg dann und verkapselte ihre Libido, um sich einer neuen Feineinstellung zu widmen. Diesmal war es das Zeta-Leuchtfeuer, das sie aus der großen Leere fischte und auf den Hauptscanner bannte.

Das war nach Copreus geradezu eine Erfrischung. In Farbe glühte es wie eine keltische Schulterspange auf schwarzem Samt. Dieses Leuchtfeuer war das letzte einer ganzen Reihe, ging vom Sonnensystem mit dem Heimatplaneten Erde aus und war das leistungsfähigste und raffinierteste der ganzen Serie. Es war wie eine riesige geodätische Kuppel, und jede Facette trug Wappen und Devise eines Planeten der Inter Galactic Organization.

Bei Ava Mallam löste es Pessimismus aus. Es war von unvorstellbarer Energie, aber sie rechnete nicht mit einer ähnlich großen Stabilität. Sie sah die Motten im Gewebe.

Vielleicht fiel bald der Vorhang für die humanoiden Kulturen. Sie waren so weit gekommen, wie man es sich nicht vorzustellen gewagt hatte, nachdem das Glück in der Vergangenheit eher einem Ein- und Ausatmen geglichen hatte. Oder wie einem Schritt rückwärts, um Anlauf zu nehmen für einen Sprung vorwärts. Aber diesmal würde es ein Rückzug vom weitest entfernten Punkt sein, der je erreicht werden konnte. Vielleicht war dann der Kreis geschlossen. Jetzt begann der lange Abstieg, bis die letzte Landkreatur wieder durch Nebel und Sumpf in die See watschelte. Der Exit des homo sapiens, der von einem Quastenflosser verfolgt wurde.

Sie fand, dies sei sehr schade, da sie dem sensitiven Typ angehörte; wenn man das so wie ein Gott von außen sah... Es war gut, dass Dogoods Stimme sie aus ihren Überlegungen riss, ehe sie sich in Selbstmitleid verlor.

Er hatte sie schon zweimal angesprochen und legte nun etwas an Lautstärke zu, um ihre Versonnenheit zu durchbrechen. »Ava?«

»Ja, hier.«

»Nur eine Nanosekunde deiner Zeit. Kannst du den Scoten zu direkter Rede veranlassen?«

»Hältst du das für klug?«

»Er weiß, wo wir sind, und er weiß, dass wir wissen, wo er ist. Ich möchte gern wissen, was er zu sagen hat.«

»Das sind alles nur Lügen.«

»Selbst Lügen und Irrtümer sind primitive Verständigungsmittel.«

»In Ordnung.«

Erst bekamen sie keine Antwort, doch sie ließ nicht locker.

Die Argon saß wie ein Käferchen oben links im Hauptscanner.

»Erdenschiff Centaur mit IGO-Lizenz«, rief Dogood mit monotoner Stimme. »Wir bitten vom Konvergenzkurs abzugehen. Bitte bestätigen.«

Nach der dritten Wiederholung ruckte das Band aus dem Aufnahmegerät. »Scotisches Schiff Argon, Reduziert Geschwindigkeit und ändert Kurs meine Richtung. Sonst zerstöre ich das Funkfeuer. Nach Besprechung wird euch Weiterreise gestattet.«

»Ihr habt kein Recht, ein Zivilschiff anzuhalten. Dies ist laut Interstellarvertrag neutraler Raum. Ich werde IGO von der Anwesenheit einer militärischen Einheit unterrichten.«

»Das ist naiv. IGO hat keine Schiffe in diesem Gebiet. Denkt doch realistisch. Wenn ihr unserem Befehl nicht gehorcht, wird euer Schiff vernichtet.«

»Würden sie wirklich das Funkfeuer vernichten?«, fragte Ava.

»Niemals! Es ist viel zu nützlich.«

»Also nur ein Bluff?«

»Richtig.«

»Dann würde ich es ihm sagen.«

Ehe Dogood noch darauf reagieren konnte, ergoss sich die süße Honigstimme schon in den leeren interstellaren Raum. »Ihr werdet gebeten, euren Kurs zu ändern. Die wahnsinnige Drohung, das Funkfeuer zu zerstören, wird voll Verachtung zur Kenntnis genommen. Ende.«

»Schade.«

»Wieso? Wir haben doch sonst nichts zu sagen.«

»Schade, weil sie jetzt wissen, dass dieses Schiff ein sehr weibliches Besatzungsmitglied hat. Jetzt werden sie's noch nachdrücklicher versuchen.«

»Das spielt doch keine Rolle. Wenn sie uns fangen, ist mein Sitz frei.«

 

Ava Mallams Kalkulation differierte nur um eine halbe Minute. Die Centaur dockte am Zeta-Funkfeuer an, und der heraneilende Scote näherte sich mit zwei Stunden Abstand in einem sich ständig verkleinernden Winkel. Aber Dogood verlor keine Zeit. Ehe das Schiff noch zur Ruhe gekommen war, befand er sich mit einem vorbereiteten Bericht und einem Auszug aus dem Log in der Druckkammer.

»Mach die Tür nicht auf und lass keine Fremden ein«, sagte er.

In der Kuppel eilte er einen schwankenden Steg entlang, der zum Zentrum führte, wo wie ein ungeheurer Kern der Generator hing. Darüber lagen die Versorgungsbuchten; es gab auch ein Dock, in dem die Schiffe Meteoritenschäden ausbessern oder Energievorräte auffüllen konnten.

Früher, als die IGO-Patrouillen noch regelmäßig unterwegs waren, konnte man die Station fast als gemütliches Heim und sichtbaren Vorposten der Zivilisation betrachten. Jetzt war sie düster, ein zum Untergang bestimmter Außenposten, ein von der Legion aufgegebenes Fort.

Im Kontrollraum war davon nichts zu bemerken. Die Androiden-Operateure ließen an Tüchtigkeit nichts zu wünschen übrig. Dogood sah zu, wie seine Mitteilung kodiert und über einen Prioritätenkanal weitergeleitet wurde. Er hielt die Daten ja auch für, ungeheuer wichtig. Sobald sie durchgegeben waren, wurden die Originale im Reaktor vernichtet. Nur Luzifer persönlich konnte sie dort wieder herausholen.

Er sah zu, wie die ersten kodierten Gruppen durchgegeben wurden, ehe er sich an den leeren Funktisch setzte. Früher hätte er seine Ankunft ankündigen und dann mit einem halben Dutzend anderer Schiffe warten müssen, bis er an der Reihe war, und die Zeit hätte er dazu benutzt, in den zollfreien Läden allerhand Andenkenkram zusammenzukaufen und in der Stationskantine zu essen.

Methodisch trug er sämtliche Daten der Centaur ein, bis zum Körpergewicht der Besatzung. Ein zeitlicher Irrtum von einem Prozent hätte die Erledigung dieser Angelegenheit ohne Belästigung seitens der Scoten gestattet. Er war also gar nicht überrascht, als Ava Mallam ihm über Sprechfunk zurief:

»Bob, beeil dich! Sie ziehen alle Register und kommen schnell heran!«

»Bin gerade fertig. Willst du nicht einen Sprung an den Strand tun und deine Krone gerade zurechtrücken?«

»Die kann ruhig schief hängen. Beeil dich nur. Du machst mich nervös.«

Dogood überlas noch einmal seinen Eintrag. Wenn er jetzt auf den Unterbrecherknopf drückte, hatte er genau tausend Sekunden Zeit, um zur Centaur zurückzukehren und sie auf dem Strahl umzudrehen. Er rannte zur nächsten Boutique und musterte das dort ausgestellte Spielzeug. Die Erde war durch einen großen, weißen Koalabären mit rosa Seidenschleife und Hufeisen vertreten. Er schob seine Kreditkarte in den Schlitz und holte den Bären mit dem Greifhaken von seinem Sitzbaum herab.

Dann war er schon wieder am Tisch, setzte das zusätzliche Gewicht noch ein und drückte auf den Operationshebel.

Ein gedämpftes orchestrales A erfüllte die Kuppel, und eine Außenampel blinkte rot und gelb. Als er die Luftschleuse der Centaur hinter sich hatte, war das A zum As geworden, und der gelbe Blinker ging langsam auf blau-grün über. Zweihunderfünfzig seiner tausend Sekunden waren abgelaufen.

Fünfzehn brauchte er, um den Bären auf Mallams Konsole zu setzen. »Ein kleiner Tribut an eine charmante Partnerin«, sagte er. »Eigentlich hättest du einen stieläugigen Wassergeist aus Corona bekommen sollen, aber ich dachte, im Moment würdest du doch die irdische Fauna vorziehen.«

Sie war verpackt wie das Reklamebild eines Raummannes, so dass dem glücklichen Gewinner keine freudige Demonstration möglich war. Sie tat aber einen entzückten Schrei, der ihn veranlasste, nach seinem Tonstärkeregler zu greifen, und er war recht zufrieden, dass sein Geschenk »auf fruchtbaren Goden gefallen« war.

Ava Mallam war äußerst praktisch veranlagt. »Du hast ihn doch sicher in deinem Protokoll erwähnt?«, fragte sie.

»Natürlich«, versicherte er ihr.

Noch hundert Sekunden. Die Centaur schwebte langsam auf dem ausgehenden Leitstrahl dahin. In der Kontrollkabine war der Summer doppelt so laut zu hören wie in der Kuppel und schon zu einem grellen C geworden. Die pulsenden Farbquadrate am Scanner waren nur noch einen Hauch weit von Grellrot entfernt.

Die Argon sah sehr nahe aus. Dogood wusste natürlich, dass der Kommandant ihn leicht mit seinen Waffen erreicht hätte. Aber an diesem Punkt war der Streuwinkel sehr groß, und ein einziger Treffer genügte zur Zerstörung des Funkfeuers. Für Dogood war das Grund genug, daran zu glauben, dass keine Vernichtung der Funkglieder beabsichtigt war.

Die Centaur tat einen ordentlichen Satz, als sie den Leitstrahl verließen und die Schirme dunkel wurden. Ava Mallam schob ihren Helm zurück, um ihren Glücksbären ein wenig genauer anzusehen; da war das Scotenschiff schon ein halbes Lichtjahr entfernt.

Es war eine Mischung aus Erleichterung und großer Freude, die nun auf ein Relais tippte, das die Psychologen mit einer Sperre versehen hatten. Sie schob sich von ihrem Tisch weg und ließ sich zu ihrem Kommandanten treiben.

Ehe ihm eine ausweichende Reaktion möglich war, hatte sie sich schon über seine Konsole gebeugt und ihm einen Kuss auf seine intelligente Stirn gehaucht.

Mit ihrer Aureole glänzenden, weichen Haares sah sie kühl und anemonenhaft aus, und das war eine große Versuchung für sein konditioniertes Nervensystem. Ein spekulatives Nervchen umging jedoch die Sperre; schade, dass das Signal deshalb zu spät im Zentrum ankam, denn als das Greif- und Festhaltekommando seine Hände erreichte, war sie schon wieder außer Reichweite.

Er kalkulierte so: selbst der Sekundenbruchteil des körperlichen Kontakts musste sich tagelang in ihrem Behälter rationalisierter Zeit halten, und so konnte die winzigste Geste zur kosmischen Bedeutung gelangen. Dieser Gedanke verstärkte wenigstens andeutungsweise die allmählich zusammensackenden psychischen Barrieren, welche die Crew als erotische Objekte - und Subjekte - abschirmte. Geistesgegenwärtig verwandelte er die besitzergreifende Bewegung in ein großmütiges Winken. »Ah, ist doch gar nicht der Rede wert. Betrachte das Ding als Ausdruck meines Edelmutes. Und überdies kannst du eine kleine Pause einlegen und ein Jahr oder auch zwei schlafen. Ich rode das Dickicht schon, bevor du von den Spinnweben ganz eingeschlossen bist, aber ich blase vorher eine Warnung in mein Jagdhorn.«

»Oh, du kannst dann alles verwenden, was du in der Hand hast.«

 

Dogood zog den Anzug aus und hängte ihn sorgfältig in seine Nische. Anschließend prüfte er sämtliche Konsolen nach und blieb etwas länger an Ava Mallams Funktisch stehen. Ein ganz schwacher, zarter, kultivierter Duft nach Sandelholz hing noch darüber. Es kostete ihn einige Anstrengung, nicht an sie zu denken.

Es gab eine Theorie, nach der eine entsprechend konditionierte gemischte Crew für eine lange Reise wesentlich vorteilhafter sei als eine eingeschlechtliche, doch die schwankte mm ein wenig.

Plötzlich schien die Centaur einen Schlag versetzt zu bekommen und seitlich wegzurutschen, so dass er automatisch nach einem Halt an der Decke griff. Gleichzeitig ging sein Gehirn in eine langsame Drehbewegung innerhalb des Schädels über.

Als sich die Szene wieder stabilisiert hatte, war alles so wie vorher. Mit zwei Schritten war er an seinem Tisch, bevor das Schiff denselben Hüpfer nach der anderen Seite tat. Er biss die Zähne zusammen, um seinen revoltierenden Magen zu beruhigen und versuchte den Alarmknopf für alle Stationen zu erreichen. Er sah seine Hand langsam über die Instrumentenkonsole kriechen, und dann war es auf einmal nachtschwarz um ihn.

Ein letzter Gedanke, der wie ein Insekt in ein Stück Bernstein eingebettet war, trug ihn in die Bewusstlosigkeit: Er hatte den Scoten also doch unterschätzt. Jemand pfuschte am Funkleitstrahl herum. Sie konnten unendlich lange daran auf gehängt bleiben; Ava schlief in ihrem Gurtbett, und er selbst trieb handlungsfähig in einem Halbschlaf dahin.

 

Dogood machte die Augen auf, denn ein Ton, den er im Raum nie zu hören erwartet hatte, weckte ihn auf. Er war ein schöner Beweis dafür, dass er noch am Leben war.

Er identifizierte ihn als ein Amselsolo, und er wusste, er war zu Hause.

Auf den rechten Ellenbogen gestützt schaute er sich um. Es war ein Raum von viermal sechs Metern, und ihm war, als sehe er ihn zum ersten Mal. Ihm schien, er sei mit einem Lift tief in den Keller hinabgefahren und nun sei er wieder auf dem Weg nach oben. Dieses Gefühl ließ sich nicht abschütteln.

Er wusste aber auch, dass dies sein eigenes Zimmer war, das er eine ganze Weile bewohnt hatte. Er stand von seinem Bett auf und ging zum Ankleidetisch, um sich durch persönlichen Augenschein davon zu überzeugen, dass es ihn tatsächlich und hier gab.

Gewichtslos und von einer schlafenden Oberfläche sanft eingehüllt warf er die Papierbettwäsche in die Abfallklappe, ehe seine verzögerten Reflexe den Unterbrecherknopf drücken konnten.

Ein Teil seines Geistes wusste das alles. Es war früh, doch er musste aufstehen und Energie verströmen. Das war jetzt schon das zweite Mal in dieser Woche, dass er das Bettzeug zu früh wegwarf, und es war doch ausgeschlossen, dass sein Vorrat vor Monatsende aufgefrischt werden konnte. Also würde er bald ohne sein Papiernest sein.

Die Cybernat International Inc. war wirklich nicht geizig, doch die Anforderung einer Extragarnitur musste ja sämtliche Kanäle durchlaufen. Er konnte sich gut vorstellen, wie der Verwalter des Männerschlafblocks H das Formular ausfüllte: Zimmer 216, Dr. Ben Duguid verlangt Auffüllung seines Bettzeugs. Grund: zerstreuter Irrer... Die ganze Firma hatte dann tagelang etwas zu belächeln.

Auf seinem Persönlichkeitsblatt konnte es sich auch niederschlagen als Verhaltensmuster. Nur ein solcher Tropfen täglich in eine Kanne, dann läuft sie auch einmal über und fällt der Conform, dem niemals schlafenden Auge, auf.

Ein Knopfdruck öffnete die Jalousietüren; barfuß ging er hinaus auf den warmen, thermoplastischen Fliesenboden seiner privaten Veranda, deren Winkel ihm einen ungehinderten Ausblick gestattete.

Viel zu sehen war ja nicht. Einige dünne, kadmiumgelbe Stangen wuchsen aus dem Horizont, soweit es einen gab, und die großen Blöcke der Wohnhäuser zeichneten sich als schwarzgraue Vierecke mit sauberen Kanten ab. Es war noch nicht hell genug, um Farben hervortreten zu lassen. Alles war nackt und unnatürlich, etwa so, als habe der Mensch des einundzwanzigsten Jahrhunderts die bunten Flicken noch nicht fest aufgenäht.

Und dann traf es ihn wie ein Schlag zwischen die Augen: Dann war er also Duguid? Ben Duguid? Das schien er zu wissen und gleichzeitig nicht zu wissen.

Er atmete tief die natürliche, unkonditionierte Luft ein und fand sie ein bisschen zu scharf und auch für seinen Geschmack ein bisschen zu feucht. Trotzdem richtete er seinen Geist auf das Hier und Jetzt aus. Nach langer Zeit hatte er also diesen Traum wieder zu träumen begonnen. Vielleicht hatte er damit niemals aufgehört, aber es war schon lange her, dass er mit einer so klaren Erinnerung daran aufgewacht war. Selbst als Kind war er ein bemerkenswerter Träumer gewesen, der sich an das immer gleiche Zukunftsthema gehalten hatte. Allerdings war dies das erste Mal, dass er ein so scharf umrissenes Bild des Mädchens zurückbehalten hatte, praktisch ein Bild von allen Seiten. Da musste er aufpassen! Wenn Conform diese Verwirrung in seine Personalakte brachte, dann bekam er diese Missgeburten niemals mehr von seinem Rücken.

Er ging wieder hinein und spielte auf der Servicekonsole eine Frühstückssonate: Kaffee, Brötchen, gegrillter Hering. Das Warnlicht, das wieder einmal zu spät kommen würde, übersah er großzügig.

Während der gute Servicegeistautomat seine Wünsche erfüllte, duschte er und schlüpfte in seinen weißen, gegürteten Overall mit der großen Aufschrift CYBERNAT quer über den Schultern. Um sie zu sehen, musste er sich vor dem Spiegel den Hals ausrenken. Die Identitätsplakette auf der linken Brusttasche war dafür umso besser zu sehen, und er nahm sie ab, um sie genau zu studieren.

Der Schlafnebel hob sich immer mehr, und edles erschien wahrscheinlicher. Da war er also nun, und er sah sich in Person und in Farbe, als sei er sein eigener Steckbrief. Dr. Ben Duguid, Cybernat. Department K, Sektor Operative Forschung. Alter: einunddreißig. Identifikationsserie TX/M/938/DC/9.

Es war ein Tag wie jeder andere, nur dass es früher war als sonst.

Diese Tatsache ließ sich nicht ableugnen. Er schaute wieder in den Spiegel, hauchte ihn an und entdeckte, dass der Kondensfilm seine untere Gesichtshälfte verdeckte. Ober dem Nebel starrten ihn weitgesetzte grüne Augen mit grauen Flecken an; über der hohen Stirn lag dichtes, braunes Haar; das Gesicht war schmal und hatte eine dünne, lange, gerade Nase. »Du bist ein gutaussehender Teufel«, sagte er zu seinem Spiegelbild und drehte den Kopf so, dass er sich im Profil betrachten konnte. Haarschnitt? Wieso brauchte er einen Haarschnitt?

Der Raumservice machte Ding, weil das Frühstück in der Klappe stand. Aber erst musste er durch sein Tagebuch blättern. Ah, da war es. Gestern, genau um zehn Uhr, war er in Thelmas Tonsory gewesen und hatte sich den überfälligen Haarschnitt verpassen lassen. Schwarz auf weiß - das konnte nicht lügen. Jede zweite Woche war er vorgemerkt.

Der Raumservicewecker machte ungeduldig Ding-ding, denn auch ein Mechanismus hat seinen Stolz, und er setzte sich zum Essen.

Dann trieb er also langsam vom Programm weg? Musste wohl eine unausgewogene Drüsenfunktion sein. Haarschnitt nach dem Rezept Zeitlupe.

Das passte aber zu seinem Doppelleben. Jekyll und Hyde, oder Jekyll eins und Jekyll zwei; schließlich wies sein altes ego keine aus dem Rahmen fallende Züge auf.

Er aß nur die Hälfte und signalisierte, dass abserviert werden könne. Erst als er auf seine Armbanduhr sehen wollte, fiel ihm ein, dass er sie ja abgelegt und auf dem Tisch neben der Wegwerfkaffeekanne vergessen hatte.