Ganz Ohr - Ludwig Steinherr - E-Book

Ganz Ohr E-Book

Ludwig Steinherr

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Beschreibung

"Steinherrs Gedichte strahlen in einer knisternden Transzendental- erotik, die sich im Zusammenklang von Metaphysik und Profaneität, von Göttlichkeit und geblendeter Abgöttlichkeit innerhalb des Gedichtes auflädt und am Ende häufig in einer Pointe entlädt." Walter Fabian Schmid, poetenladen

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Seitenzahl: 34

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LYRIKEDITION 2000

begründet von Heinz Ludwig Arnold †

Allitera Verlag

LUDWIG STEINHERR, geboren 1962 in München, studierte Philosophie und promovierte über Hegel und Quine. Er lebt als freier Schriftsteller in München. Für seine bisher zehn Gedichtbände erhielt Steinherr mehrere Auszeichnungen, so den Leonceund-Lena-Förderpreis, den Evangelischen Buchpreis und den Hermann-Hesse-Förderpreis. Seit 2003 ist er Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Seine Gedichte wurden vielfach übersetzt.

Zuletzt erschien von ihm in der Lyrikedition 2000 »Kometenjagd« (2009) und in England der zweisprachige Auswahlband »Before the Invention of Paradise« (Arc Publications, 2010).

In der Lyrikedition 2000 von Ludwig Steinherr außerdem: »Fresko, vielfach übermalt« (2002), »Hinter den Worten die Brandung« (2003), »Musikstunde bei Vermeer« (2004), »Die Hand im Feuer« (2005) und »Von Stirn zu Gestirn« (2007).

Ludwig Steinherr

Ganz Ohr

Gedichte

Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter:www.allitera.de

Weitere Informationen über die Lyrikedition 2000 unterwww.lyrikedition-2000.de

Mai 2012

Allitera Verlag

Ein Verlag der Buch&media GmbH, München

© 2012 Buch&media GmbH, München

Umschlaggestaltung: Kay Fretwurst, Freienbrink

Printed in Germany · ISBN 978-3-86906-333-1

INHALT

GEHEIME WELT

Geheime Welt

Der Garten nachts, wenn er unbeobachtet ist

Während ich schwarzen Kaffee koche

IM DUNKELN DEIN DRITTES SCHULTERBLATT

Ankunft, zu früh

Im Museum und danach im Regen

Sakrale Dämmerung

Seitenkapelle

Nackt

Römischer Nachtspaziergang

Dein Foto im Flugzeug betrachtet

Spuren

MUSEUM DER SCHÖNEN IDEEN

Schaufenster mit alten Leicas

Museum der schönen Ideen

Schneesturm, nachts

Schwarzmaler

Weißmaler

Im Bamberger Dom

Giorgio de Chirico

Das Sinnliche das Abstrakteste …

Der Bildhauer sagt

GEISTERBAHN MIT LEBENDEN GESPENSTERN

Herbst-Schock

Lokalisierung

Finale

Bibliothek im Abendlicht 1

Jüngstes Gericht

Kassiopeia legt den Finger auf die Lippen

Geisterbahn mit lebenden Gespenstern

Gunfight at the OK Corral

Bibliothek im Abendlicht 2

Dunkler Herbstnachmittag

Vielleicht Gold

Nachtregen

Lied in allen Dingen

Novembernacht

Unberührbar

ORANGEN IM ANROLLEN

Orangen im Anrollen

SCHNEEWENDELTREPPE

Nachmittagsvorstellung

Wohnstatt des Geistes

Chapeau claque

Erscheinung

Mond, dunkle Seite

Der schwarze Bleistift

Geheimlehre

Das große Geheimnis

GANZ OHR

Ganz Ohr

Stimme

Skyline mit Blitzen, fünf Uhr morgens

Menschensohn

Strandspaziergang

Biblische Augustnacht

Altbau

Nero singt

Nacht

GLÜCKSKEKSE & KNALLBONBONS

Glückskekse & Knallbonbons

GEHEIME WELT

GEHEIME WELT

Schalt das Licht aus

und im Finstern beginnt die Mega-Party –

Was sie nun treiben

Sessel Couchtisch Bilder Regale

kreuz und quer –

mystische Besäufnisse

metaphysische Orgien von denen du

keinen Schimmer hast –

Nur wenn du schlaftrunken noch einmal

ins Wohnzimmer taumelst

den Schalter berührst –

Der entgeisterte Blick der Stehlampe

als hätte sie sich eben noch

durch Sonne Mond und Sterne geknutscht

mit einem Erzengel

DER GARTEN NACHTS, WENN ER UNBEOBACHTET IST

Die Stunde da alle Büsche

euphorisch zu duften beginnen

nach dem vergessenen Frauenschal auf der Terrasse

Die Stunde da die Ameisen Funkkontakt suchen

zu dem Stern der sie fernlenkt

Die Stunde da der Herzschlag in den Bäumen aussetzt

–––––

bis sie ein Katzenschrei reanimiert

Die Stunde da von allen Zweigen

Liebeszauber regnet und nur das Gras und die Käfer

verrückt macht

Die Stunde da die ersten Zeitungen eintreffen

noch feucht von schwarzem Blut – und jeder Buchstabe

ein apokalyptischer Reiter

Die Stunde da der Totengott Anubis

seinen Schakalskopf durch die Zaunlatten zwängt

und sein Revier durchstreift

WÄHREND ICH SCHWARZEN KAFFEE KOCHE

Dieser Nachmittag ist eine Fliege

eingesperrt in Caravaggios Kopf –

Ich höre sie brummen

Eine prachtvolle hoffärtige Schmeißfliege

wie nur das Barock sie gebar:

schillernd in allen Facetten der Sünde –

Sie nippt am gemalten Weinkelch

saugt an der blassen Brustwarze

des jungen Bacchus – leider vergeblich

Sie kriecht über den kahlen Schädel Abrahams

jetzt übers Dekolleté der Judith

als folgte sie dem Blutgeruch

von Meuchelszene zu Meuchelszene –

Schon fliegt sie weiter

tiefer ins Dunkel des verwinkelten Ateliers

verirrt sich zwischen all die aufgespannten Leinwände:

rasende Entwürfe

leuchtende Szenen die es noch gar nicht gibt

Bilder die Caravaggio nie malen wird

und die doch da sind –

wie die Fliege die keiner sieht

nur ihr tiefes Brummen ist zu hören

wie sie weitertaumelt

von Licht zu Dunkel

von Dunkel zu Licht

sturzbesoffen

vom betörenden Geruch

der schlachtfrischen Farbe