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Selim Özdogan bringt das Leben auf den Punkt: Nur schmal ist der Grat zwischen Sonnen- und Schattenseite, zwischen denen, die alles erreichen wollen, und denen, die nichts mehr zu verlieren haben. Özdogan begleitet sie auf ihren Wegen: den Vater, der statt seiner Liebe auf den ersten Blick die Frau seines Lebens heiratet. Den Lehrer, der freitagmittags doch eigentlich nur nach Hause will. Und die Jungen unter der Laterne, die den ersten Schluck jeder Flasche immer auf den Boden gießen, obwohl eigentlich keiner weiß warum. Was dabei entsteht, sind Geschichten, deren Rhythmus und Klang den Leser tragen wie eine Melodie. Es sind Geschichten von Menschen, die nach festem Grund unter ihren Füßen suchen, von Liebenden, die der Wahrheit hinter der Poesie nachspüren, von der Angst vor dem Tod und der Sehnsucht nach ihm, vom Leben im Takt der Musik und von Tagen im Paradies.
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Seitenzahl: 15
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Selim Özdogan
Garten ohne Gesetz
Geschichte
Es ist nicht der müßige Träumer, der der Realität entflieht, sondern es sind die Emsigen, die in einem Leben voller Taten Zuflucht vor der Bedeutungslosigkeit suchen.
John Gray
Ich habe nicht genug Kollegen John Grays getroffen, um wirklich überzeugt von dieser Theorie zu sein, aber möglicherweise sind Philosophen Rappern ähnlicher als gemeinhin angenommen wird. Wenn es ebenfalls ihr Job ist, eine Rolle zu spielen und all ihre Eloquenz zu nutzen, damit möglichst viele Leute ihnen diese Rolle abkaufen, würde sie das im Grunde genommen zu MCs machen, nur ohne den Schmuck.
Mike Skinner
– Das hier, sagte meine Mutter, das ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Also eine der ersten, die Menschen angebaut haben. Sie stammt aus Amerika und es gibt keine andere Pflanze, die sich nach ihrer Entdeckung so schnell in der ganzen Welt ausgebreitet hat.
Sie kniete auf dem Boden, ihre Hände waren voller Erde, ihr schmales Gesicht wirkte fast rund, so sehr strahlte sie, ihre Stirn und ihre Schläfen glänzten vor Schweiß, ein paar Haarsträhnen hatten sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst und klebten an ihrem Nacken.
– Komm her, sagte sie. Komm her, setz dich. Einfach auf die Erde. Weißt du, was das ist?
Ich schüttelte den Kopf.
– Du musst vorsichtig sein, Ouasim, hatte Oma gesagt, deine Mutter ist wie ein Kind, sie kann nicht gut auf sich selbst aufpassen.
Aber jetzt wirkte sie mehr wie eine Lehrerin. Sie hielt ein Blatt zwischen Daumen und Zeigefinger und ich wusste, dass es kein Salat war, kein Löwenzahn, keine Bohnen, ich wusste, dass es etwas war, das wir nicht in der Schule gelernt hatten, das es nicht im Wald gab und das Oma auch nicht im Garten hatte.
– Nicotiana, sagte Mutter. Tabak. Weißt du, was man aus Tabak macht?
– Zigaretten, sagte ich.