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Schokoladenhügel, Himmelstreppen und Kobolde Schnorcheln mit Walhaien, Segeln auf traditionellen Auslegerbooten und Wandern am Fuße von Vulkanen: So vielfältig wie die philippinische Landschaft sind auch ihre Bewohner, die als überaus gastfreundlich gelten. »Remus erzählt herrliche Geschichten.« NDR Kultur Der Geschichtensammler Joscha Remus schreibt mit packender Neugier über das nahezu unberührte Naturparadies. Er besucht Schokoladenmacher, possierliche Koboldmakis, Traumweberinnen und das bunte Treiben einheimischer Maskenfeste. Er trifft Naturschützer, Schriftsteller und Meereskünstler. Und verrät, warum Basketball hier Nationalsport ist und die Filipinos so glücklich sind. Wunderinsel der Tropen Ob pulsierende Metropolen oder alte Kulturstätten, Traumstrände oder majestätische Vulkanberge – Joscha Remus fängt in seinem Band die unzähligen Facetten dieses spannenden Reiselands ein. Und erklärt zudem, warum es das perfekte Einsteigerland für alle ist, die schon immer mal nach Südostasien reisen wollten. Fernsucht inklusive!
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Impressum ePUB
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© Piper Verlag GmbH, München 2025
Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaas-buchgestaltung.de
Coverabbildung: Vulkan Mayon auf Luzon (mauritius images/Michele Falzone/Alamy/Alamy Stock Photos)
Karte: Peter Palm
Litho: Lorenz & Zeller, Inning am Ammersee
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((Text bei Büchern mit inhaltsrelevanten Abbildungen und Alternativtexten))
Cover & Impressum
Widmung
Karte der Philippinen
Mabuhay, willkommen!
36 000 Kilometer Küste und 7641 Inseln
Die Entdeckung der Philippinen
Die Geburtsstunde der Globalisierung
Das säugende Schiff
Die Gegensätze umarmen
Lapu-Lapu
Magellan und das Kreuz
Island Stories: Sternensegeln vor Palawan
Das Boot ist meine Seele
Schnabelhütten und Sterneküche
Typisch Filipino, typisch Filipina
Carepakete aus dem Ausland
Lip-pointing – Kussmündchen als Richtungsangabe
Sprachtraining im Browhouse
Basketball
Sich die Seele aus dem Leib singen
Filipino Time, die höfliche Verspätung
Die Sprachen der Philippinen
Englisch ist offizielle Landessprache
Tagalog und English wird zu Taglish
Das philippinische Spanisch
Hilfreiche Höflichkeit
Island Stories: Camiguin – wo Vulkane Schluckauf haben
White Island
Abends ins Dschungel-Thermalwasser
Sonnenuntergang im Treibholz-Café
Smile-rich Country
Die Maskenmacher von Bacolod, der »City of Smiles«
Das goldene Lächeln
Bambusfahrrad, Jeepney, »Raumstation«
Zirkusreife Auftritte
Filipino Food
Reis ist Leben
Delikatessen aus dem Wörterbuch
Walkman, Adidas und Eier mit Beinen
Krokodil-Eiscreme zum Dessert
Island Stories: Bohol – Schokolade und Dinosauriereier
Die Schokoladenfarm
Die Dinosauriereier
Fiestas – eine Lovestory
Let it snow, let it snow, let it snow!
Der Menschenozean
Die große Liebe finden
»Pinay Power« und Mutterland
Traumberuf: Nars
Tausendsassa José Rizal
Das Universalgenie
Rizal in Deutschland
Mi último adiós – Rizals Lebewohl
Der Flatulenzkünstler
Gottgleiche Verehrung
Island Stories: Siquijor – Insel der Heiler und Schamanen
Die magischen Hände
Der heiße Stuhl
Das Folk-Healing-Festival
Würgefeigen und Geisterhände
Manila
Auf dem Bambusrad durch Intramuros
Verruchtes Grand Opera Hotel
Kulinarische Höhenflüge in Makati
Der goldene Keuschheitsgürtel
Gondelfahren und Schlittschuhlaufen
Gondelfahren in Manila
Eislaufen in den Tropen
Wunderwelt der kleinen Wünsche
Ein wenig Zeit kaufen
Auf dem Wasser anschreiben lassen
Ein Ort, der glücklich macht
Island Stories: Negros – Sabong, das Milliardengeschäft
Die Zuckerbarone von Negros
Der frivole Sprössling
Das größte Hahnenhotel der Welt
Die neue Geldmaschine
Sich durchs Leben schlagen
Der Herr der Fliegen
Die größte philippinische Erfolgsgeschichte
Die einzige Chance: Showkämpfe im Rotlichtviertel
Eine Gruft mit Aircondition
Seit dreißig Jahren in der Gruft
Tanz auf dem Vulkan
Der Pazifische Feuerring
Der kleinste Vulkan der Welt
Noch eine kurze Liebesgeschichte
Der Vater der Koboldmakis
Vom Tierpräparator zum Naturschützer
Tier mit eingebauter Sprungfeder
Island Stories: Traumweberinnen und Himmelsstufen
Garden in the Sky
Das Volk der T’boli auf Mindanao
Die Traum- und Klangweberinnen
Amerika, China und die geostrategische Lage
Das erste Bad und der Protest des Mark Twain
The Fake War – die inszenierte Schlacht
Chinesische Provokationen
Chinesische Kontrolle
Liebeskugeln und Trostfrauen
Die Liebeskugeln der Seefahrer
Trostfrauen und »Pretty Woman«-Träume
Die malerischsten Strände oder Touristen wie Sand am Meer
Virgin Island
Siargao
Ticao
Kalanggaman
Romblon
Tinaga
Boracay
Alona Beach
Literatur
Last Call Manila
Ein ziemlich böses Mädchen
Monster, Taifune und andere Katastrophen
Epilog: Die Liebe eines Weltensammlers
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Für Arno, Jana, Nico, Gerrit – die nächste Generation
Lavaschwarz, Rosa, Karamell, Schneeweiß, Rot, Kastanienbraun, Orange, Violett, Silber, Honiggelb – die Strände der Philippinen kommen in allen erdenklichen Farben daher. Selbst eine kleine Insel wie Camiguin hat neben ihren sieben Vulkanen auch eine ganze Palette intensiver Strandfarben zu bieten. Von Gold bis Gelb, von Vulkanschwarz bis Perlweiß.
Um meine persönliche Strandfarbensammlung zu komplettieren, habe ich mich am Green Beach nahe Cabadbaran City einquartiert. Ganz im Süden auf Mindanao, der zweitgrößten Insel der Philippinen. Ein rein symbolischer Akt, denn leider findet sich am grünen Strand keinerlei Jadestaub. Also no green beach! Nicht die Farbe des Sandes ist hier Namensgeber, sondern das fast außerirdisch schöne Ensemble aus smaragdschimmerndem Meer und dem satten tropischen Grün der nahen Regenwälder.
Ich schwelge während der Bootsfahrt auf dem malerischen Cabadbaran River in all diesen Farben, erkunde die Mangrovenwälder, besteige den Berg Hilong Hilong und genieße den Panoramablick über das Dach des Regenwaldes. Obwohl die vor allem bei Globetrottern und digitalen Nomaden so beliebte Surferinsel Siargao – das neue Bali – nur drei Fahrstunden entfernt ist, finden die dortigen Touristen selten den Weg in die Provinz Agusan del Norte.
Wer in die Regenwälder der Insel Mindanao kommt, ist entweder Ornithologe oder Naturschützer. Denn der Green Beach ist als Nistplatz für Meeresschildkröten bekannt. Von November bis Februar kann man die majestätischen Tiere dabei beobachten, wie sie ihre Eier ablegen, und dann bestaunen, wie beharrlich die winzigen Babyschildkröten ihren Weg zum Meer finden.
Auf die Gegend im nördlichen Mindanao bin ich durch das »Trillion Trees«-Projekt gekommen, in dem es darum geht, durch Rainforest Farming und massive Wiederaufforstung überlebenswichtigen Regenwald zu schützen. Vor allem den auf den Philippinen endemisch vorkommenden, besonders bedrohten Eisenholzbaum. Der von den indigenen Stämmen mangkono genannte Baum soll das härteste Holz der Welt besitzen. Das weckt immer wieder Begehrlichkeiten. Vor allem im nahen China.
Der Schutz des Regenwaldes zahlt sich auch für die einzigartige philippinische Tierwelt aus. Ihre Majestät selbst ist hier in den Baumkronen zu Hause. Der für mich schönste Vogel der Welt: der Philippinenadler. Leider ist auch er vom Aussterben bedroht. Schätzungen zufolge soll es in freier Wildbahn nur noch etwa 400 Paare geben. In einem Zentrum nahe Davao City versucht man, den Nationalvogel der Philippinen durch ein Zuchtprogramm zu retten. Doch die Philippinenadler brauchen die Wildnis, vor allem den dichten Regenwald. Schützt man den Wald, schützt man auch die Vögel.
Die Philippinen landeten 2024 im Klimaschutz-Index völlig überraschend hinter Dänemark und Estland als drittbestes Land auf den Ranking-Listen. Mit herausragender Umweltbilanz als drittbester Klimaschützer des Planeten gelistet zu werden geht mit regelmäßigen jährlichen Platzierungen als innovativste Nation und als Land der Erfinder einher. Als eine der weltweit schönsten Reisedestinationen liegen die Philippinen mit ihren unzähligen Traumstränden in den Rankings ebenfalls weit vorne und gehören damit auch touristisch zu den Gewinnern.
Last, but not least darf sich das Land zu Recht auch im Warmherzigkeits- und Fröhlichkeits-Index ganz vorne einreihen. Zugegeben, diesen habe ich nach dem Besuch von über achtzig Ländern allein erstellt. Aber ich habe selten ein Land besucht, in dem so viel gelächelt, gefeiert und gelacht wird. Ein Land, in dem man die Herzlichkeit und Liebenswürdigkeit der Menschen so spüren kann wie auf den Philippinen. Das Schönste daran: Man ist, so man denn will, auch als Fremder immer mittendrin, immer dabei.
Filipinos lieben Gäste, lieben es, zu bewirten und gemeinsam zu singen, zu tanzen, zu feiern. Wohl nirgendwo ist es so einfach, Kontakte zu knüpfen, wie auf dem philippinischen Archipel. Englisch ist hier eine der Amtssprachen.
Zuerst einmal könnte einem aber auch schwindelig werden. Ein Land mit 7641 Inseln, über 300 Vulkanen und mehr als 170 Sprachen. Ein Land mit unzähligen Stränden und über 115 Millionen Einwohnern. Ein Archipel, dessen Küstenlänge fast fünfmal länger ist als die Thailands. Wo sollte man hier beginnen? Wo zuerst hinreisen? Green Beach auf Mindanao ist nur eins von unzähligen Paradiesen. Die Philippinen sind das fünftgrößte Inselland der Welt und entpuppen sich für all diejenigen, die länger bleiben, nicht mehr als bloßes Land, sondern als Kontinent.
Nach jedem meiner Besuche kehrte ich vollgepackt mit Geschichten von dem Archipel zurück. Immer wieder kam es auch zu dramatischen Ereignissen. Es ist ja nicht so, dass dieses schöne, freundliche Land einem nichts abverlangen würde. Kurz vor meinem letzten Besuch rollten sechs Taifune auf die Philippinischen Kordilleren zu. Sechs Taifune, schön in Reih und Glied, um über die Hauptinsel Luzon herzufallen – das ist in dieser Häufung schon seit fünfzig Jahren nicht mehr geschehen.
Während meiner Reise brach der Vulkan Kanlaon auf der Insel Negros aus. Eine heiße Glut- und Aschewolke ragte kilometerhoch als Säule in den Himmel. Die Bevölkerung einiger Dörfer wurde evakuiert. Erdbeben hatte ich auf meinen Reisen bereits erlebt, aber leibhaftige Vulkanausbrüche niemals zuvor.
Danach kam die Woche, in der ein chinesisches »Monsterschiff« philippinische Fischer vor der Küste einschüchterte. Den Ausdruck »Monsterschiff« hat sich nicht etwa nur die Yellow Press, sondern auch die Süddeutsche Zeitung und die Zeit zu eigen gemacht.
Während meiner Recherche auf Palawan standen, mitten in der Trockenzeit, ganze Teile der Insel unter Wasser. Zum ersten Mal seit Menschengedenken. Dann kam Donald Trump an die Macht, und mein geplantes Interview mit der Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa platzte. Sie musste dringend in die USA reisen, um an Colleges und bei CNN zu erklären, wie man Diktatoren überlebt. Schließlich wurde am Ende dieser Reise auf die Philippinen der ehemalige Diktator Rodrigo Duterte festgenommen und nach Den Haag ausgeflogen. Dort muss er sich wegen 43-fachen Mordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten.
Letztlich machte China im März 2025 Ansprüche auf Palawan geltend, immerhin die fünftgrößte Insel der Philippinen. Angeblich, weil die Insel auf chinesischen Karten früher nach einem chinesischen Seefahrer aus dem 14. Jahrhundert benannt worden war und damals Zheng He hieß.
Die Recherche zu diesem Buch hat mir oft mehr abverlangt, als mir lieb war. Immer wieder musste ich über körperliche und mentale Grenzen gehen. So bei meiner Reise zu den Maskenmachern im Slum von Bacolod oder beim Besuch der Grabbewohner auf den Friedhöfen Manilas. Für beide Recherchen brauchte ich Personenschutz und musste langwierige, komplizierte Genehmigungen einholen. Doch es hat sich gelohnt. Wann bekommt man schon Gräber und Grüfte mit Klimaanlagen zu sehen?
Natürlich habe ich mich auch auf die Suche nach dem schönsten Strand des Landes gemacht und werde ihn sogar verraten. Selbst wenn es zum unausgesprochenen Brauch von Reiseautoren gehört, dies nicht zu tun. Schließlich besteht die Gefahr, dass man ein verstecktes Paradies zerstört, indem man es publik macht. Wie sagte Hans Magnus Enzensberger so schön: »Wir zerstören das, was wir suchen, indem wir es finden.« Doch im Fall von Tinaga braucht man diese Befürchtung nicht zu haben.
Während der White Beach auf Boracay und die Strände von El Nido und Coron auf der Insel Palawan seit Jahren in den Rankings zu den weltweit schönsten Stränden zählen und aus diesem Grund auch von Touristen völlig überrannt werden, hat mein Tinaga, mein Klein-Boracay, bislang schlichtweg noch niemand auf der Rechnung. Kein Wunder bei 7641 Inseln.
Kleiner Tipp: Wer auf die Philippinen möchte, muss sich vorab auf der Seite etravel.gov.ph anmelden. Am besten sollte man sich gleich die eTravel-App herunterladen. Damit man nicht auf die zahlreichen ähnlich gestalteten, gebührenpflichtigen Anmeldeseiten reinfällt, heißt es auf der korrekten Seite groß und deutlich: »eTravel is FREE.« Leider ahnen all diejenigen, die auf den anderen Seiten landen, nichts davon.
»Ich glaube, dass sich nie wieder ein Mensch auf eine solche Reise begeben wird.«
Antonio Pigafetta, Chronist und Überlebender der ersten Weltumseglung, 1521
Normalerweise stellt man sich die großen Kapitäne Kolumbus, Magellan und Vasco da Gama als glorreiche Entdecker vor. Doch die Entdeckung des philippinischen Archipels durch Ferdinand Magellan gehört zu den dramatischsten und auch schmachvollsten Reisen der Seefahrtsgeschichte. Sie ist zuerst einmal eine Geschichte der Leiden, der Entbehrungen und des Todes. Leider werden bis heute über diese Reise Magellans viele Falschmeldungen verbreitet.
Macht man sich den Spaß und tippt »Magellan« in die digitalen Suchmaschinen, erhält man zur Verblüffung immer noch sehr oft den Zusatz »der erste Weltumsegler«. Obwohl das nachweislich nicht stimmt. Eine Headline der Deutschen Welle zum Jahrestag der Weltumseglung lautete: »Vor 500 Jahren – Magellans Reise um die Welt«, und die FAZ titelte seinerzeit: »Spanier feiern Weltumsegelung von Magellan«. Leider stimmt das alles nicht.
Denn der Mann, nach dem die Meerenge benannt ist, die bei Feuerland den Atlantik mit dem Pazifik verbindet, und dem zu Ehren zwei Nachbargalaxien unserer Milchstraße bezeichnet wurden, hat die Welt nicht umrundet. Ferdinand Magellan wurde auf der von ihm entdeckten philippinischen Insel Mactan am 27. April 1521 in einer Schlacht getötet. Nur achtzehn Personen der ursprünglichen Besatzung und drei in Asien rekrutierte Seeleute kamen nach zwei Jahren, elf Monaten und zwei Wochen wieder in Sevilla, dem Ausgangspunkt ihrer Reise, an.
Mich persönlich haben die Philippinen und die mit ihrer Entdeckung verbundene erste Weltumseglung bereits als Zehnjähriger fasziniert. Die Bücher über diese erste Reise um die Welt waren für mich eine Offenbarung. Mit Sicherheit gehörte diese ungeheuerliche Seefahrer- und Entdeckungsgeschichte zu meinen Beweggründen, überhaupt Reiseautor zu werden.
Aber eins war mir damals schnell klar: Das Abenteuer Magellans und seiner Crew war eine Reise der Verrückten. Eine Reise der Todgeweihten. Aber eben auch eine Reise, nach der die Welt nie wieder so sein würde, wie sie einmal war. Man hatte den Ausdauerrekord auf hoher See gebrochen. Man hatte die Kugelgestalt des Planeten bestätigt. Man hatte große und kleine Archipele im Pazifik entdeckt, darunter die Philippinen, und herausgefunden, wie alle Meere in einer globalen Welt miteinander verbunden sind. Doch um welchen Preis?
Wer heute aus Europa auf die Philippinen fliegt, braucht dazu gerade einmal fünfzehn Stunden. Vor 500 Jahren, zu Zeiten der Renaissance, benötigten die Schiffe Magellans genau 584 Tage, um von Spanien aus erstmals auf die Philippinen zu gelangen. Für die Weltumseglung war man sogar fast drei Jahre unterwegs, und von fünf Schiffen mit 239 Mann Besatzung sollte letztlich nur die Victoria den spanischen Heimathafen wieder erreichen.
Überlebt haben diese Höllenfahrt, wie gesagt, nur 21 Menschen. Der Venezianer Antonio Pigafetta, der die erste Weltumseglung als Chronist begleitete, schrieb in sein Tagebuch, alle Überlebenden seien bei der Ankunft in Spanien fast nur noch Skelette gewesen. Aber sie waren eben auch die allerersten Menschen, die bezeugen konnten: Die Welt ist rund.
Gewürze wie Nelken, Muskat, Zimt und Pfeffer waren im ausgehenden Mittelalter und der Renaissance sehr begehrt und äußerst kostbar. Manche wurden sogar mit Gold aufgewogen. Die Seemächte Portugal und Spanien hatten aus diesem Grund bereits im Jahr 1494 einen Vertrag geschlossen und die Welt unter sich aufgeteilt. Man zog – mit päpstlichem Segen – mitten durch den Atlantik eine schnurgerade vertikale Linie. Alles, was östlich dieses Längengrads lag, gehörte Portugal, und alles, was westlich lag, war fortan Eigentum der Spanier.
Der verarmte Adlige und Seefahrer Magellan kannte den Osten der Welt bereits. Als gebürtiger Portugiese Fernão de Magalhães war er schon um die Spitze Afrikas gesegelt, hatte Seeschlachten überlebt und war bis nach Indien und zur Malaiischen Halbinsel gelangt. Da die Portugiesen im lukrativen Gewürzhandel auf dem östlichen Seeweg das Monopol besaßen, wollte der nun als Fernando de Magallanes unter spanischer Flagge segelnde Seefahrer auf einer westlichen, noch völlig unbekannten Atlantikroute dorthin, wo der Pfeffer wächst: zur indonesischen Inselgruppe der Molukken.
Am 10. August 1519 startete er seine größte und dramatischste Reise. Es handelte sich um eine internationale Expedition, die von der Monarchie in Madrid finanziert wurde und nur einen Zweck hatte: die Gewürzinseln zu finden. Die beiden Anführer waren ein Portugiese (Magellan) und ein Spanier (Juan Sebastián Elcano), während die Besatzungen der fünf Schiffe aus Männern zehn verschiedener Nationalitäten bestanden, darunter Spanier, Portugiesen, Italiener, Franzosen, Griechen und zwei junge Deutsche, die beide Hans hießen.
Der Proviant war für zwei Jahre ausgelegt. Also hatte man die Schiffe unter anderem mit Waffen, Schießpulver, Wein, Kühen und Schweinen, Knoblauch, Zwieback, Hülsenfrüchten und Rosinen ausgestattet. Zum Tauschen waren Tücher, Mützen, Kämme, Angelhaken, Glöckchen, Glasperlen und rund »vierhundert Dutzend Messer … aus Deutschland von der schlechtesten Sorte« vorgesehen, wie Christian Jostmann in seinem lesenswerten Buch »Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde« schreibt. Ebenfalls mit auf die Reise gingen Rattenfallen, Urinale, Messbücher und Altartücher.
Magellans Flotte durchfuhr die später nach ihm benannte Passage im eisigen Süden Südamerikas Richtung Pazifik am 28. November 1520. In der Überzeugung, Asien sei nicht mehr weit entfernt, entschied sich der Kapitän gegen einen Zwischenstopp, um die Vorräte aufzufüllen. Eine Entscheidung, die sich als tödlich erweisen sollte. Die Lebensmittel wurden knapp. Der Südpol lag wesentlich näher als die Gewürzinseln, die man zu finden hoffte.
Die Kälte wurde immer stärker. Die Stimmung war schlecht und wurde immer schlechter. Viele der Besatzungsmitglieder in Magellans kleiner Armada waren der Reise überdrüssig und beschwerten sich über die Verteilung der Lebensmittel. Es kam zu zwei Meutereien. Magellan ließ einige der Meuterer hinrichten, andere jedoch begnadigen, da er die Seeleute dringend für die weitere Fahrt benötigte.
Den westlichsten Punkt der südamerikanischen Landmasse tauften sie »Kap der Sehnsucht«. Dann setzten sie die Segel und überquerten den riesigen Ozean, den sie »das friedliche Meer« nannten.
Doch das Grauen begann genau in jenen unendlichen Weiten des Pazifiks. Alles, was in diesem riesigen Ozean noch vor ihnen lag, war völlig unbekanntes Gewässer. Zum Mangel an Nahrung kam die Angst der Seeleute, vielleicht doch noch am Rand der Welt über eine Klippe ins Nichts zu stürzen, falls die Welt sich letztlich als Scheibe erweisen sollte. Die wenigen Südseeinseln auf der Pazifikstrecke, die halbwegs auf Kurs lagen, hatte man allesamt verpasst. Was folgte, waren, um einen Romantitel Christoph Ransmayrs abzuwandeln, die Schrecken des Eises und des Hungertods.
Nachdem sie »drei Monate und 20 Tage gesegelt waren, ohne Proviant oder andere Erfrischungen an Bord zu nehmen«, versuchte sich die Besatzung an gedünstetem Leder, kochte Suppe aus Sägespänen oder aß, wie der Chronist Pigafetta berichtet, Zwiebackkrümel mit Mäusekot: »Der Zwieback, den wir aßen, war kein Zwieback mehr, sondern nur noch Staub, der mit Würmern und dem Unrat von Mäusen vermischt war und unerträglich stank. Auch das Wasser, das wir zu trinken gezwungen waren, war faulig und übel riechend.«
Auf der qualvoll langen Passage durch den Stillen Ozean starben zwanzig Männer an Hunger und Skorbut. Weitere lagen schwer krank an Deck.
Magellan entdeckte die heutigen Philippinen am 16. März 1521. Genauer gesagt sichtete man zunächst die Insel Samar. Tags darauf ankerte die Crew und betrat, laut dem Tagebuch Pigafettas, erstmals den Boden der heutigen Insel Homonhon. Wenig später entdeckte man die Insel Cebu. Magellan wies seinen malaiischen Sklaven Enrique an, den Menschen von Cebu zu versichern, dass sie als Freunde und nicht als Feinde gekommen seien.
Der Häuptling von Cebu, Rajah Humabon, hieß die Spanier willkommen. Es wurden Geschenke ausgetauscht, und man besiegelte die Freundschaft mit einem Blutsvertrag. Am 21. April 1521 wurde in Cebu ein großes hölzernes Kreuz samt Dornenkrone errichtet, und etwa 800 Einheimische ließen sich taufen. Dieser Ort in Cebu City ist heute als »Magellan’s Cross« bekannt. Genau sechs Tage nach dieser christlichen Zeremonie wurde der Seefahrer Fernando de Magallanes auf der Insel Mactan in einer Schlacht von einem Giftpfeil im Knie getroffen und starb.
Ein spanisches Schiff hatte die Philippinen entdeckt. Der Reisebericht über die erste Umseglung der Erde, die der venezianische Ordensritter Antonio Pigafetta später verfasste, wurde weltberühmt. Pigafetta erlitt im Gefecht von Mactan nur eine Blessur im Gesicht, den Streifschuss eines Pfeils. Er überlebte die erste Weltumseglung und kehrte, anders als sein Generalkapitän und 280 andere Männer, nach Spanien zurück.
Im Gegensatz zur Schriftstellerin Felicitas Hoppe, die sich stark beeindruckt von den Aufzeichnungen Antonio Pigafettas zeigt und seine »klare und präzise Sprache« lobt, die »zusätzlich zur Glaubwürdigkeit der Beobachtungen« beitrage, kann ich ihre Begeisterung nicht völlig teilen.
Pigafetta, der Hauptchronist von Magellans Expedition, sammelte sehr detaillierte Informationen über die Kulturen und Sprachen, denen die Flotte begegnete. Gelegentlich aber schildert er das Sexualleben, die Gebräuche und Rituale der Inselbewohner viel zu detailliert, um glaubwürdig zu sein. Manches erscheint so, als habe er mehrere Jahre auf den philippinischen Inseln verbracht. Dabei waren es oft nur wenige Tage. Er schmückte einzelne Geschichten sichtbar aus und bereicherte sie nachweislich um Dinge, die er anderswo aufgeschnappt hatte.
Pigafetta war sich von Anfang an darüber bewusst, sollte er die Reise um die Welt überleben, musste er eine gute Story mit nach Spanien bringen, um sie dem König zu berichten. Das merkt man seinem Tagebuch (in deutscher Übersetzung von Christian Jostmann) an, welches er erst nach seiner Reise zu einer Erzählung umdichtete.
So erwähnt er darin die hübsche Geschichte, wie sein einheimischer Übersetzer das Wort »Mutterschiff« in die Visayassprache übertragen habe. Den Begriff gibt es, ähnlich wie im Deutschen, auch im Portugiesischen: nave-mãe. Im Spanischen allerdings sagt man nave nodriza, also wörtlich das »nährende Schiff« oder auch das »Ammenschiff«.
Der Übersetzer habe nun, so Pigafetta, in seiner Sprache ein »säugendes Schiff« daraus gemacht: »Anfangs dachten sie, die Beiboote seien die Kinder der Schiffe und dass diese sie gebaren, wenn sie vom Schiff ins Meer gelassen wurden, und wenn die Boote so wie üblich an der Bordwand lagen, glaubten sie, dass die Schiffe sie säugten.«
Philippinische Historiker sind sich sicher, Pigafetta, der gern fiktive Elemente in seine Erzählungen einbaute, habe sich diese Geschichte nur ausgedacht. Er erzählte sie in erster Linie, um dem spanischen König zu verdeutlichen, wie leichtgläubig und sicherlich auch leicht zu missionieren die entdeckten Eingeborenen seien.
Normalerweise kommen die meisten Besucher der Philippinen nicht an Cebu City vorbei. Zugegeben, die Stadt ist ziemlich chaotisch, doch sie trägt den Beinamen »Gateway to a Thousand Journeys«. Der Flughafen und der Hafen von Cebu City sind verkehrstechnische Nabel des Archipels. Von dort erreicht man günstig viele der südlichen Landesteile. Sehr empfehlenswert beispielsweise: von Cebu aus die Inseln Siquijor, Negros, Bohol und Camotes oder auch das südlich gelegene Mindanao mit der Fähre anzufahren.
Der Flughafen liegt auf der Cebu vorgelagerten Insel Mactan. Dort befindet sich auch Newtown, ein modernes Viertel, das gern Trabantenstadt wäre. Ein Singapur, aber vor allem den modernen Hochhausvierteln Manilas nacheifernder architektonischer Streber. Auf einer riesigen Plakatwand steht »Welcome to Megaworld Newtown Mactan«.
Schöne neue Welt. Gepflegte breite Wege für flanierende Fußgänger. Keinerlei Lärm. Vogelgezwitscher aus einem nahe gelegenen Park. Jeepneys, die zu Kleinbussen umfunktionierten Fahrzeuge, Tricycles und andere Beförderungsmittel, die nach Eigenbau aussehen und nicht ins hygienische Straßenbild passen, sind hier verboten.
Junge Maklerinnen, die trotz extremer Hitze in tadellos blauem Kostümrock, blütenweißem Rüschenhemd und in Plateauschuhen vor plätschernden Wasserfontänen Werbung für condos, also leer stehende Wohneinheiten, machen, werden vom Kurierfahrer mit einem günstigen Snack beliefert. Gleich nebenan im Lifestyle-Einkaufszentrum kostet der Cappuccino umgerechnet 3,50 Euro. Für die Frauen fast ein Tagesverdienst. Aber sie lächeln. Es sei ihr Traumjob, wie mir eine der Damen sagte.
Bereits ein paar Schritte außerhalb dieser Hochglanzwelt namens Newtown hängen die dicken schwarzen Elektrokabel noch in wilden Verrenkungen über den kaum vorhandenen Gehsteigen. Der Verkehr ist laut und schmutzig. Durch den Lärm dringen die Vögel mit ihrem Gezwitscher nicht durch. Ein paar Frauen mit zu Sonnenschirmen abgewandelten Regenschirmen schleppen sich durch die Bruthitze zum Markt. Aus einem Wasserautomaten kann man sich ein Plastiktütchen ziehen und für einen Peso (etwa 1,5 Cent) einen Schluck Trinkwasser abfüllen.
Beim Holländer Hein Chrispijn, der seit vierzig Jahren auf Mactan mitten in diesem Chaos lebt, gibt es Heineken, Bratkartoffeln, Sauerkraut, Mandelspekulatius und einen verrückten Mix aus geflochtenen Möbelstücken. Alle von ihm selbst entworfen. Seine ansehnliche Fabrik liegt gleich hinter seinem Restaurantcafé, dem Metamorfose. Die Filipinos assimilieren mühelos Hochglanzwelt und Armenviertel, Chaos und Ordnung. Sie umarmen diese Gegensätze. Auch was ihre beiden Helden betrifft: Lapu-Lapu und Magellan.
Zehn Gehminuten vom piekfeinen Newtown entfernt gibt es einen asphaltierten Platz, der außer einem kleinen Pavillon keinerlei Sonnenschutz bietet. Einige Männer mit schattigen Schirmen bieten sich als Führer an. Wohl wissend, dass die meisten Touristen ihren Schirm wieder einmal im Hotel vergessen haben. Am Mactan-Schrein, der heiligen Pilgerstätte für Schulklassen und historisch interessierte Filipinos, steht eine in der Sonne glänzende Statue. Es ist die jugendliche Version des Helden Lapu-Lapu, dessen Krieger an ebenjener Stelle Magellan getötet sowie dessen spanische Seefahrer besiegt und in die Flucht geschlagen haben.