Gebrauchsanweisung für Umbrien - Patricia Clough - E-Book

Gebrauchsanweisung für Umbrien E-Book

Patricia Clough

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Beschreibung

Wilder Spargel, Kapern, Trüffel – vieles, worauf Ita­liens Köche stolz sein können, wächst in Umbrien im Überfluss. Und überhaupt ist Umbrien keineswegs die arme kleine Stiefschwester der Toskana, sondern eine der schönsten Regionen des Landes, eine der wenigen ohne Zugang zum Meer, geprägt durch den Apennin. Dünner besiedelt und weniger überlaufen. Gekrönt von Orvieto mit seinem weltberühmten Dom und von der heiteren Studentenstadt Perugia. Geprägt von traumhafter Landschaft, von Todi, Spoleto mit seinem Musik- und Theaterfestival, der Basilika des heiligen Franz von Assisi und Gubbio mit seinem historischen Kerzenrennen. Vom kulinarischen Zentrum Norcia, wo das schwarze Gold zur Hausmannskost gehört. Und von der wohltuenden Langsamkeit und dem endlich erwachenden Selbstbewusstsein seiner Bewohner.

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www.piper.de

Aus dem Englischen von Peter Torberg

Für Petra, in Dankbarkeit

ISBN 978-3-492-97200-0 Juni 2015 © Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2007 Coverkonzeption: Büro Hamburg Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaas-buchgestaltung.de Covermotiv: Peter Adams/Getty Images Karte: cartomedia, Karlsruhe Litho: Lorenz & Zeller, Inning a. A. Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck  

Der Mittelpunkt der Welt

Der Mittelpunkt der Welt ist ein spitzer grünweißer Stein, der in den Fußboden einer Bank an der Hauptstraße von Foligno eingelassen ist.

In der guten alten Zeit, so erzählen mir die Einheimischen, ging es am Mittelpunkt der Welt erheblich lustiger zu. Damals markierte kein Stein diese Stelle, sondern ein Billardkegel, das rote Kegelchen, das bei der italienischen Variante des 5-Kegel-Billards genau in der Mitte des grünen Filzes steht. Alle drängten sich um den Tisch, tratschten, tranken Wein und schauten beim Spiel zu.

Zu jener Zeit, der noch immer alle nachtrauern, beherbergten die Räume, in denen sich nun die Bank befindet, das viel geliebte Sassovivo, eine liebenswürdige alte Café-Bar im Jugendstil, mit Holzpaneelen an den Wänden und einladender Atmosphäre, wo man sich auf einen Kaffee oder einen aperitivo und ein Schwätzchen traf. Der Billardtisch stand exakt in der Mitte des Hinterzimmers zum Sassovivo, das nach den Berechnungen der Einheimischen genau in der Mitte der Stadt lag, die wiederum die geografische Mitte Italiens bildet – und Italien ist, wie jedes Kind weiß, der Mittelpunkt der Welt.

Doch leider musste das Sassovivo eines Tages einem Schnellimbiss weichen und dieser dann einer Bank. Heute erinnern nurmehr die verzierten schmiedeeisernen Lampen des Cafés, die an der terrakottafarbenen Fassade des Gebäudes hängen, an jene gute alte Zeit. Die Lampen und der Stein, der unter einer runden Glasscheibe genau an jener Stelle in den Boden eingelassen ist, wo früher der zentrale Billardkegel auf dem Tisch stand. Der Stein ist umgeben von gleich zwei Inschriften, die im örtlichen Dialekt verkünden, dass dies hier »lu centru de lu munnu« ist.

Andere wiederum erzählen, dass der Mittelpunkt der Welt – bescheidener ausgedrückt, Italiens – anderswo liegt. Die Römer, darunter auch so berühmte Dichter wie Plinius der Ältere, erklärten, der »umbilicus italiae«, der Nabel Italiens, läge weiter südlich in oder um Rieti, das eine Weile zu Umbrien gehörte. Und der Einfluss der Römer reichte so weit, dass noch viele Jahrhunderte später die Menschen Rieti für den Mittelpunkt der Halbinsel hielten. Und auch dort wird die Stelle von einem Stein markiert, der auf einem Platz mit dem illustren Namen »Piazza San Rufo Centro d’Italia« liegt und die Inschrift »Medium Totius Italiae« trägt, die »Mitte ganz Italiens«. Zumindest lag der Stein dort, bis ihn eines Tages jemand entwendete, 1950, als das Pflaster der Piazza erneuert wurde. Ein Plan, den Stein durch einen Zylinder zu ersetzen, der einen Lichtstrahl in den Himmel werfen sollte, wurde rasch wieder fallen gelassen, aus Angst, der Flugverkehr könne gestört werden; stattdessen brachte man an der Wand eine Steinplatte an, in die die Botschaft von der Mitte in zwanzig verschiedenen Sprachen eingemeißelt ist.

Gegen Ende des vorigen Jahrtausends entschieden die Stadträte von Rieti allerdings, dass der Mittelpunkt auf würdigere Weise gekennzeichnet werden sollte, und nun bildet eine große, gedrungene runde Plattform aus Travertin, in die die Form Italiens eingelassen ist, die Mitte. Diese Plattform ist zu groß für die kleine alte Piazza; die Mehrheit der Einwohner findet diese Plattform offengestanden grauenhaft, und ich schließe mich dieser Meinung an.

In der Zwischenzeit hat das Italienische Militärische Geografische Institut, das die offiziellen Karten des Landes herausgibt, erklärt, dass der wahre geografische Mittelpunkt Italiens weiter südwestlich liegt. Diese neue Mitte, die von einem spiralförmig behauenen Stein markiert wird, der in eine schmale Stahlnadel mündet, steht in der Nähe des Ponte Cardena, eines pittoresken römischen Aquädukts, das eine Schlucht in der Nähe der Stadt Narni überbrückt. Man erreicht diesen Stein nach einem gemütlichen Spaziergang entlang des Aquädukts; der Ganze wirkt durchaus wissenschaftlich fundiert. Doch viele in Foligno und Rieti bezweifeln stark, dass die Wissenschaft richtiger liegen kann als der Lokalpatriotismus, wenn es darum geht, den Mittelpunkt eines Landes zu bestimmen, das so unregelmäßig geformt ist wie Italien.

Dies sind nicht die einzigen Ansprüche, den Mittelpunkt Italiens bilden zu wollen. Alle zusammen jedoch verraten einem, dass hier, weit weg vom Meer und von Bergen umgeben, das Herz des Landes liegt. Das allein sagt, neben der Rivalität um die Mitte, schon viel über Umbrien aus.

Das Herz des Landes oder gar der Mittelpunkt der Welt zu sein bedeutet nicht, dass man dessen Kraftwerk oder Nervenzentrum ist oder im Brennpunkt allen Geschehens steht. Ganz im Gegenteil: Umbriens Position ist vielmehr mit dem Auge eines Wirbelsturms zu vergleichen, mit der ruhigen Stelle im Zentrum des Strudels. Die Welt dreht sich um Umbrien, doch in der Mitte herrscht Ruhe, und man hat den Eindruck, fern von allem Trubel zu sein.

Das rührt nicht nur daher, weil die alten Umbrer, die auf ihren abseits gelegenen, nur von Land umgebenen Bergen hockten, sich anscheinend nur um ihren eigenen Kram gekümmert haben und sich für nicht viel mehr als ihr eigenes Überleben interessierten. Und wohl auch nicht daher, weil Umbriens berühmteste Männer und Frauen, also jene, die den größten Einfluss auf ihre Zeitgenossen und die Geschichte hatten, zu den berühmtesten Aussteigern zählen, die der Welt und all ihrem törichten Rummel entsagten. Nein, es gab durchaus Zeiten, in denen die Geschichte durch diese Täler stürmte und großen Tumult brachte, aber auch enorme Kreativität auslöste. Doch dann folgten mehrere Jahrhunderte unter der berüchtigten »toten Hand« der Päpste, in denen das Erbe der Vergangenheit und die altherkömmliche Lebensweise zwar nicht gerade konserviert wurden, sich aber doch nur sehr, sehr langsam weiterentwickelten.

Der »Fortschritt« der letzten fünf Jahrzehnte, der bessere Straßen ins Land brachte, dazu einen winzigen Flughafen, Fernsehen, Handys und Internet, hat es bisher noch nicht völlig geschafft, Umbrien aus dieser Käseglocke herauszuholen. Die Schönheit der (weitgehend) unberührten Natur und der uralten Gemeinden, die Lebensqualität und die ruhige Lebensart, beides ironischerweise Ergebnis von Rückständigkeit und Armut, entpuppten sich für Umbrien in letzter Zeit als Vorteil. Leid und Entbehrung ihrer Vorfahren haben sich in das Glück der heutigen Bewohner Umbriens verkehrt, auch wenn es manchen von ihnen sehr schwerfällt, das so zu sehen.

Natürlich trifft man auch Umbrier, die den Mittelpunkt der Welt langweilig und provinziell finden; tagein, tagaus dieselben alten Gesichter, und nichts ist hier los. Für manche von ihnen ist Umbrien sogar eine Gegend, die man besser hinter sich lässt. Für uns Auswärtige, gleich ob Ausländer oder Italiener, die die Hektik der Zeit hinter uns gelassen haben und in diesen beschaulichen Gefilden gelandet sind, ist Umbrien dem Himmel nahe. Manche Umbrier finden das äußerst seltsam.

1999 bezog ich einen Teil einer uralten Ölmühle am Rande eines auf einem Hügel gelegenen mittelalterlichen Städtchens. Als ich mich eines Abends mit meinen neu gewonnenen Freunden unterhielt, lehnte sich Giuseppe zurück und fragte mich: »Patricia, wie bist du nur auf die Idee gekommen, hier in Umbrien leben zu wollen?« Giuseppe ist Architekt, er ist weit gereist, doch selbst er fand meine Entscheidung gelinde gesagt rätselhaft. Ich weiß nicht mehr, was ich auf seine Frage antwortete; sonderlich klug wird meine Antwort jedenfalls nicht ausgefallen sein, denn eigentlich hatte ich mir selbst nie klargemacht, warum ich mich ausgerechnet in Umbrien niederlassen wollte: Ich hatte einfach gewusst, dass ich es wollte. Zu jenem Zeitpunkt war ich in der selten glücklichen Lage, vollkommen frei entscheiden zu können, wo ich leben wollte, und nach einigem Suchen wusste ich, Umbrien war die richtige Gegend für mich.

Warum schlägt mich Umbrien denn nun so in den Bann? Ich würde es mir zu einfach machen, wollte ich mich in lyrischen Ergüssen über die Symphonie der Grün- und Grautöne ergehen, wenn Zypressen und Olivenbäume aus dem Morgennebel steigen, oder Lobgesänge anstimmen auf die fruchtbaren Täler, die den Fresken Peruginos entsprungen sein könnten, auf die strenge Schönheit einer alten Kirche, deren cremefarbene Steine im Abendlicht fast leuchten, die mittelalterlichen Städte auf den Hügeln, ihre unvergleichlichen Malereien. Das ist nur die, zugegeben atemberaubend schöne Kulisse, die so überaus wichtig ist für alle, die hier zu Besuch sind oder hier leben. Umbrien hat aber viel, viel mehr zu bieten.

Große Schwester, kleine Schwester

Meine Entscheidung, mich hier niederzulassen, war nicht sonderlich originell. Seit Jahrhunderten sind viele Nordeuropäer erst dem sirenenhaften Charme Roms und Florenz’ erlegen, dann jenem des zauberhaften Landes zwischen diesen beiden Städten. Wahrscheinlich hat es etwas mit dem Zeitgeist zu tun. Während Oma sich danach sehnte, mit einem Sonnenschirm in der Hand an der Strandpromenade zu flanieren, und Mama und Papa am liebsten mit der Gitarre über die Berge und durch die Wälder stapften, ähnelt die Vorstellung des Menschen im 21.Jahrhundert vom Paradies wohl eher einem hübschen Plätzchen unter einer Pergola, wo man köstliche regionale Speisen und exzellente Weine verkostet, während der Blick über die zypressengesäumte Szenerie schweift und man in Gedanken noch bei den mittelalterlichen Türmen und Burgen ist, die man gerade auf Gemälden der beseeltesten Künstler der Welt gesehen hat. Das Nirwana ist ein schönes altes Bauernhaus auf einem Hügel, umgeben von Weinbergen oder Olivenhainen, vorzugsweise den eigenen. Und wenn man das nicht haben kann, trösten einen die von Millionen verschlungenen Bücher über Menschen, die solche Häuser aufgemöbelt haben, Kalender, die jeden Monat eine andere Ansicht jener besagten Hügel, Bauernhäuser, Zypressen und Weinberge zeigen, oder wenigstens ein Abend in einem namhaften Restaurant mit dem Namen, dem Essen und den Weinen aus diesem Teil Italiens.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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