Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln - Werner Gruber - E-Book

Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln E-Book

Werner Gruber

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Beschreibung

Seit 2007 begeistern sie das Publikum mit ihrer einzigartigen Kombination aus Wissenschaft und schwarzem Humor: die Science Busters oder auch "die schärfste Science-Boygroup der Milchstraße". In "Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln" begeben sich die beiden Physiker Prof. Heinz Oberhummer und Werner Gruber sowie der preisgekrönte Satiriker Martin Puntigam auf eine Reise ins Tierreich. Dabei stoßen sie auf verblüffende und faszinierende wissenschaftliche Phänomene. Wussten Sie, dass Krebse Karate können, Schweine im Dunkeln leuchten und Kakerlaken mit abgetrenntem Kopf Sex haben? Die Science Busters erklären, wie es funktioniert: wie Meeresschnecken fürs Abitur lernen, warum sich Bärtierchen zuweilen wie Boris Becker fortpflanzen und weshalb Juwelenkäfer beim Flaschendrehen immer verlieren. Wissenschaft für alle. Spektakulär, lehrreich und unterhaltsam.

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Puntigam · Gruber · Oberhummer

GedankenlesendurchSchneckenstreicheln

Was wir von Tieren über Physik lernen können

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches oder von Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – mit Ausnahme der in den §§ 53, 54 URG genannten Sonderfälle –, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2012 Carl Hanser Verlag München

Internet: http://www.hanser-literaturverlage.de

Herstellung: Thomas Gerhardy

Covergestaltung, Illustrationen und Layout: Büro Alba

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (Buch) 978-3-446-43215-4

ISBN (E-Book) 978-3-446-43302-1

Die Mitglieder der schärfsten Science Boygroup der Milchstraße:

Werner Gruber ist Experimental- und Neurophysiker an der Uni Wien. Zudem bombenbauender Nacktscanner-Experte und Erfinder der kulinarischen Physik, auf deren Gebiet er weltweit führender Experte ist. Er ist Head of the Jury of the Red Bull Paperwings Championship – der Weltmeisterschaft für Papierflieger – und schrieb die Bestseller „Unglaublich einfach. Einfach unglaublich“, „Die Genussformel“ und natürlich den Crowd Pleaser „Wer nichts weiß, muss alles glauben“ (zusammen mit den zwei letztgenannten Herrschaften).

Heinz Oberhummer ist emeritierter Professor für Kern- und Astrophysik an der TU Wien, zudem als Vorsitzender der Konfessionslosen Österreichs und Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung, Chef-Atheist und Skeptiker. Seine Arbeiten über die Feinabstimmung des Universums sorgten für internationales Aufsehen. Neben dem gemeinsamen Science-Busters-Prachtband ist er Autor des Buchs „Kann das alles Zufall sein?“, das 2009 Wissenschaftsbuch des Jahres wurde. Heinz Oberhummer lebt umgeben von Alpakas (die eines der widerstandsfähigsten Lebewesen, das Conan-Bakterium, in sich tragen) im Dunkelsteinerwald in der Nähe von Wien.

Martin Puntigam ist ehemaliger Medizinstudent und Studienabbrecher. Er wurde als Solokabarettist mehrfach für seine Satire ausgezeichnet (unter anderem mit dem Salzburger Stier, dem Prix Pantheon und dem Österreichischen Kleinkunstpreis). Er arbeitet in Wien unter anderem für die ORF-Radiosender Ö1 und FM4. Puntigam ist der Master of Ceremony der Science Busters, mit denen er den bereits erwähnten Blockbuster „Wer nichts weiß, muss alles glauben“ schrieb und für das ORF-Fernsehen seit Dezember 2011 eine nicht minder erfolgreiche TV-Show herstellt.

Inhalt

Die Mitglieder der schärfsten Science Boygroup der Milchstraße:

Vorwort

KAPITEL I | Menschen

Hier bin ich Mensch

Rinks und Lechts

Was denkt sich der Mensch eigentlich?

Im Banne des Seehasen

Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Kapitel II | Tiere

1, 2, 3, drei Felder sind frei

Mein Partner mit der kalten Schnauze

Doppelblindes Vertrauen

Törööööö!

The People of Lausanne vs. Melolontha

Das kalte Herz der Schildkröten

Kapitel III | Attraktionen

Tod, wo ist dein Stachel?

Der Hering furzt, die Forscher lachen, so kann man billig Freude machen

Bombä, Alder

Pingu macht Druck

Ein Quantum Frosch

Kapitel IV | Sex, Drugs and Rock 'n' roll

G-force

Liebe Schwestern und Schwestern

Lass uns schmutzig Liebe machen

Ice, Ice, Baby

Salz auf unserer Haut

Lucy in the Sky with Diamonds

Fly, Robin, Fly

Binge-Drinking auf Malaiisch

Mouse Clubbing

Letzte Runde

Kapitel V | Himmel und Hölle

We have liftoff

Die Gummibärenbande

Health & Safety

Superjoghurt rettet die Welt

Fisches Blitz

Der Blitz im Silbersee

Zum Goldenen Hirschen

You Can’t Leave Your Head on

Die Bestie Mensch

Kapitel VI | Unsterblichkeit

Neues von der Klatschmohnwiese

The End of the World as We Know It

1) I-Robot – Als wär’s ein Teil von mir

Können vor lachen

2) The Beast within – Feuersalamander, Beine auseinander

Ich hab dich zum Fressen gern

Schwein ist mein ganzes Herz

Es war einmal … der Mensch

Gib mir acht

Anhang

Dank

Nachweise

Vorwort

Wissenschaft in der Öffentlichkeit zu verankern ist eine eigene Wissenschaft. Wissen in die Köpfe und Herzen von Menschen abseits des gebildeten Bürgertums zu pflanzen ist eine Herausforderung, die nur ganz wenige Wissenschaftler meistern. Selbst Wissenschaftsjournalisten haben Mühe, die richtige Sprache und die passende Form zu finden. (Viele) Menschen wollen unterhalten werden, lieben die Sensation und die Überraschung. Die Lernforschung (nicht nur bei Nacktschnecken) hat ergeben, dass nur das gelernt und für längere Zeit gemerkt wird, was unerwartet ein- oder auftritt. Das gilt nicht nur für Ereignisse, sondern auch für Einsichten. Ein weiteres Mittel, um die Neugier zu heben und die Spannung zu steigern, ist das Herstellen von überraschenden Zusammenhängen. Daraus ergeben sich manchmal auch neue Einsichten, aber vor allem regt es an, sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen.

Das vorliegende Buch ist ein Meisterwerk in dieser Beziehung. Es bedient sich all dieser Mittel und bereitet durchaus beträchtliche Mengen naturwissenschaftlicher Einsichten auf interessante und leicht verdauliche Weise zu. Gewürzt mit köstlichen Rezepten (geschrieben von Kochperfektionisten und Genießern) und voll von ausufernden Assoziationen und Querverbindungen regt es Fantasie und Neugier gleichermaßen an. Doch bei all den Pointen und Doppeldeutigkeiten kommt die Wissenschaft nicht zu kurz. Dabei geht es weniger um neue Erkenntnisse als um Aufklärung im besten Sinn. Auf charmante und heitere Weise helfen die Autoren, Bekanntes in neuem Licht zu sehen und – hoffentlich – zu verstehen. Ist doch unser Wissen stark von Halbwahrheiten, Anekdoten, Mythen und Esoterik geprägt (getrübt). Überall tummeln sich Rattenfänger, Wunderheiler, Märchenerzähler, Geisterbeschwörer und Seelenklempner.

Nicht nur die Philosophie, auch die empirische Wissenschaft ist weniger damit beschäftigt, neues Wissen herbeizuschaffen, als altes, überholtes und falsches Wissen wegzuschaffen. Dafür wurden eigene Techniken der Müllentsorgung entwickelt. Karl Popper hätte sich den Nobelpreis für das effizienteste Wissensabfallwirtschaftssystem verdient. Im Laufe der Jahrhunderte haben Menschen alle möglichen Formen von Unsinn produziert und damit den wissenschaftlichen Fortschritt gehemmt. Zwar haben die Müllentsorger (auch in der Wissenschaft) keine hohe Reputation, sind aber (auch dort) äußerst nützlich. Der größte Feind bleibt die Spekulation. Die Fantasie des Menschen ist grenzenlos. Reinen Unsinn zu glauben ist ein Privileg des Menschen. Damit auch noch Geld zu verdienen ist ein Privileg unserer „Hochkultur“.

Wie Naturwissenschaftler den Spekulanten und Leichtgläubigen begegnen, zeigt das Beispiel vom klugen Hans. Nicht nur der Besitzer dieses berühmten Pferdes glaubte an seine Rechenkünste, sondern auch viele Zeugen seiner Demonstrationen, vor allem Tierliebhaber und Sensationslustige. Sogar eine eigene kaiserliche Kommission wurde beauftragt, dem Pferd (oder dem Besitzer) auf die Schliche zu kommen, wurde aber auch nicht fündig. Erst ein schlauer Student (Oskar Pfungst) fand heraus, wie dieses Pferd die Aufgaben ganz ohne Magie lösen konnte. Sein (Oskars) Mittel zum Erfolg waren nüchternes Nachdenken und ein rigoroses experimentelles Vorgehen. Mit einer Reihe von ausgeklügelten Kontrollexperimenten konnte er zeigen, dass das Pferd zwar nicht über die ihm zugeschriebenen kognitiven Fähigkeiten verfügte (Lesen, Buchstabieren, Zählen, Rechnen etc.), aber dennoch in einem bestimmten Sinn außerordentlich klug war: Es hatte gelernt, subtile, unwillkürlich ausgesendete Verhaltenssignale der umstehenden Personen, welche die Lösung der Aufgaben kannten, zu nützen.

Der Erfolg der Naturwissenschaften mag in diesem Beispiel harmlos erscheinen, wenn es aber um uns Menschen geht, wird es ernst. Seit Kopernikus, Galilei und Darwin rufen sie beträchtliche Erschütterungen an unserem Menschenbild hervor. Am Pranger steht dabei die permanente Selbstüberhöhung. Wir Menschen bezeichnen uns gerne als die „Krone der Schöpfung“ und schmücken uns mit dem Attribut weise (Homo sapiens). Kein Wunder also, dass unser Verhältnis zu allen anderen Tieren über Jahrtausende von unüberbrückbarer Differenz und kategorialer Überlegenheit bestimmt wurde. Nur wir Menschen haben Verstand und Moral, Tiere leben instinktgetrieben und amoralisch. Um die mit dem Wörtchen „nur“ gekennzeichnete Sonderstellung oder Einzigartigkeit aufrechtzuerhalten, wurden Tiere entweder gar nicht oder zumindest nicht adäquat untersucht.

Heute gerät dieses gigantische Selbsttäuschungsprogramm immer stärker ins Wanken. Das poppersche Entsorgungssystem kommt in die Gänge, Glaube und Wissen stehen zunehmend in Konkurrenz. Neue Spieler stehen in den Reihen der Naturwissenschaftler. Eine ganz neue Mannschaft ist das Team der Kognitionsforscher. Hier laufen nicht nur Biologen und Psychologen, sondern auch Physiker, Informatiker und Linguisten auf das Feld. Allen gemeinsam ist die Erkundung dessen, was im Englischen als mind bezeichnet wird. Sie sind besonders an den Grundlagen und Mechanismen des Denkens interessiert. Während sich die Physiker mit den Gesetzmäßigkeiten der Arbeitsweise des Gehirns zuwenden, testen die Zoologen die Denkleistungen von Tieren bei den verschiedensten Aufgaben. Die dabei zutage geförderten Fähigkeiten sind für manchen Zeitgenossen nicht nur unerwartet, sondern im höchsten Maß irritierend. Bestimmte Tierarten bilden Traditionen und pflegen Kulturen, unterhalten sich auf äußerst subtile Weise, ziehen Analogieschlüsse und meistern Rechenaufgaben, erkennen sich im Spiegel, erinnern sich an Episoden oder planen in die Zukunft. Geradezu provokant sind die jüngsten Einsichten in die Evolution von Empathie und prosozialem Verhalten, Kooperation und selbstlosem Handeln bei Tieren. Sollten wir nicht langsam unsere geistige und moralische Sonderstellung gegen eine evolutionäre Entwicklung und graduelle Abstufung tauschen?

Manchen Menschen ist die evolutionäre Betrachtung (typisch) menschlicher Fähigkeiten – meist aus ideologischen Gründen – unangenehm. Aber auch Primatologen zeigten sich irritiert, als ich bei der 150-Jahr-Feier der britischen Royal Society die neuesten Ergebnisse unserer Reptilienforschung (in unserem Laborjargon „Cold Blooded Cognition“) vortrug. Köhlerschildkröten können voneinander lernen und folgen den Blicken ihrer Artgenossen. Das ist bemerkenswert, nicht nur wegen ihrer weiten stammesgeschichtlichen Distanz zu uns, sondern auch wegen ihrer solitären Lebensweise. Andererseits lassen sie sich nicht zum Gähnen durch einen Artgenossen verführen. Das stützt die Theorie, dass dieses für uns Menschen so typische Verhalten auf Empathie und Perspektivenübernahme beruht und dass es eine eher junge „Errungenschaft“ der Evolution ist.

Ich war nicht verwundert, dass Menschen die Suche nach Bausteinen menschlichen Verhaltens bei Reptilien belächeln. Es wäre aber schön, wenn sie dem Motto des (dafür verliehenen) Ig Nobel Prize folgend zuerst schmunzeln und dann nachzudenken beginnen. Genau diese Vorgehensweise ist bei der Lektüre dieses Buches zu empfehlen. Wie bei einem guten Kabarett stecken hinter der heiteren Fassade ernste und wichtige Sachverhalte. Die spaßige Hülle sollte das Produkt leichter verdaulich machen und für größere Verbreitung sorgen. Vielleicht könnten damit aber auch bei einigen Lesern ideologische Barrieren überwunden und Aberglauben beseitigt werden. Ich würde es den Autoren sehr wünschen.

Univ.-Prof. Dr. Ludwig Huber

Leiter Vergleichende Kognitionsforschung

Messerli Forschungsinstitut

Veterinärmedizinische Universität Wien

Was wären Sie lieber: ein Seehase, ein Wasserbär oder ein Wurmgrunzer? Sie müssen nicht sofort antworten. Aber entscheiden müssen Sie sich, und „keines von den dreien“ gilt nicht.

Wie die meisten Menschen bewundern vermutlich auch Sie edle, starke, erhabene Tiere mehr als ekelhafte, schleimige, kriechende Kreaturen. Häuptlinge, Eishockeymannschaften und schnelle Autos heißen in der Regel Hawks, Buffalos oder Lions, und wenn Schamanen die Hilfe ihrer Schutzgeister benötigen, dann rufen sie normalerweise nicht Ameise, Schildkröte oder Fadenwurm an, sondern Wolf, Adler und Bär. Instinktiv würde man also zu Wasserbär tendieren. Bären sind groß und stark, beliebte Wappentiere. Und sie können Winterruhe. Das würde die Energiesorgen der Menschheit rasant lindern, wenn ein Gutteil der Menschen jeden Winter für ein paar Monate schlafen würde, zusammengerollt im eigenen Fettmantel, die Zeitung vorher abbestellt und bei abgesenkter Raumtemperatur. Natürlich würde das ein gewisses Commitment voraussetzen. Zum Beispiel müssten wirklich alle schlafen. Denn wenn man nach vielen Wochen im Frühling aufwacht und aufs Klo gehen möchte, aber es ist kein Klo mehr da und überhaupt die gesamte Wohnung ausgeräumt, weil sich nicht alle an die Schlafregel gehalten haben, dann wäre Winterruhe oder Winterschlaf für uns auch kein Gewinn. Es können übrigens gar nicht alle Bären Winterruhe halten. Selbst wenn sie wollten. Manche haben dazu einfach keine Zeit.

Große Pandas etwa, die beliebtesten Bären des Globus. Wenn sie sich paaren, gibt es Liveübertragungen im Fernsehen. Wenn sie Junge bekommen, werden sie von Paparazzi belagert. Selbst ihre Nachgeburten gelten als Crowd Pleaser. Warum sind Pandas so beliebt? Man weiß es nicht genau. Ein Teil der Beliebtheit von Pandabären liegt sicher an ihrer Fellfarbe, die durch ihr konsequentes Schwarz-Weiß einen gewissen Retrocharme versprüht. Vielleicht fühlen sich Menschen in ihrer Gegenwart auch unbewusst sicher, weil Pandas ein bisschen aussehen wie ein Zebrastreifen.

Ansonsten ist der Große Panda aber eine unglaubliche Fehlkonstruktion. Er ernährt sich hauptsächlich von Bambus. Kein Mensch weiß, warum. Schließlich ist er ein Bär und besitzt die Grundausstattung eines Raubtieres. Zum Vegetarier wurde er erst auf dem zweiten Bildungsweg. Als ehemaliges Raubtier kann er Bambus mit seinem Verdauungsapparat nur zu etwa 20 Prozent verwerten, deshalb muss er Unmengen davon verzehren und hat sonst für fast gar nichts Zeit. Bis zu 20 Kilo am Tag, 16 Stunden lang. Das meiste davon muss er nach der Wanderung durch den Verdauungstrakt natürlich wieder loswerden. Knapp 100-mal am Tag defäziert ein ausgewachsener Panda. Viermal in der Stunde mithin. Da können wir froh sein, dass sich uns Menschen der Hund als Kulturfolger angeschlossen hat und nicht der Panda. Man möchte nicht wissen, wie es sonst in unseren Städten aussähe. Die Beliebtheit des Pandas rührt unter Umständen gar nicht daher, dass er bestimmte Dinge macht, sondern dass er bestimmte Dinge nicht macht: nämlich uns 24/7 auf den Gehsteig scheißen. Bei dieser Agenda ist natürlich an Winterruhe nicht zu denken.

Der Wasserbär hingegen kann nicht nur den ganzen Winter schlafen, nicht nur das ganze Jahr, sondern ganze Jahrhunderte. Zudem zählen Wasserbären zu den widerstandsfähigsten Lebewesen ever. Sie sind Großmeister im Überleben. Wenn Sie meinen, im Aufwachraum nach der Mandeloperation war es nicht besonders gechillt, dann fragen Sie einmal einen Wasserbären, wie er sich fühlt, wenn er wieder zum Leben erweckt wird. Aber glauben Sie mir, Sie wollen trotzdem kein Wasserbär sein. Warum, erfahren Sie auf Seite 196. (Aber nicht gleich jetzt vorblättern, sonst versäumen Sie die Reisewarnung ins Reich des Hasen.)

Sie meinen, dass Sie als Hase besser dran wären? Hier hat der Volksmund, vor dem man sich in der Regel hüten soll, ausnahmsweise einmal recht: glauben heißt nicht wissen. Nur weil Hasen als eierlegendes Beiwerk zum Osterfest von den meisten Menschen nicht ernst genommen werden, würde ich sie an Ihrer Stelle nicht unterschätzen. Bloß weil Sie Ihr eigenes Kaninchen niedlich finden, heißt das nicht, dass nicht die dunkle Seite der Macht in ihm schlummert. Wie das? Aufgepasst! Hasen haben zwar grundsätzlich keine Street Credibility als Raufbolde, bei deren Anblick man sich bekreuzigt und lieber die Straßenseite wechselt. Aber sie können für Menschen lebensgefährlich sein, wenn man es drauf anlegt. Nicht so wie das Killer-Kaninchen in Monty Python and the Holy Grail, das ist übertrieben. Auch Kaninchen sind an die Gesetze der Schwerkraft gebunden. Aber Kaninchen können als Mordwaffe verwendet werden.

Wie machen sie das? Suchen sie sich ein Maschinengewehr, legen sich auf den Abzug und mähen im Sperrfeuer alles nieder, was ihnen zu nahe kommt? Nein. Kaninchen, die töten, machen sich im Sinne des Gesetzgebers nicht strafbar. Denn sie töten, indem sie verzehrt werden. Und da können sie nachweislich gar nichts mehr aus eigenem Antrieb machen. Allerdings nimmt sich das Kaninchen, anders als der weltberühmte Kugelfisch Fugu, Zeit zum Töten. Der Kugelfisch hat es diesbezüglich eilig, und wenn man die falschen Teile von ihm isst, nämlich Darm, Rogen, Leber und gegebenenfalls auch die Haut, bekommt man kein Freispiel gratis dazu, sondern das hochwirksame Gift Tetrodotoxin, das in der passenden Dosierung innerhalb weniger Minuten zu Atemlähmung führt. Das schaut sicher sehr eindrucksvoll aus, aber wenn man in ein japanisches Restaurant zum Fugu-Essen fünf Minuten zu spät kommt, etwa wegen unregelmäßiger Zugfolgen bei der U-Bahn, dann hat man das Beste vielleicht schon versäumt, und der Gastgeber ist bereits nicht mehr steuerpflichtig. Das kann einem beim Kaninchen nicht passieren. Gefährlich ist nämlich nicht das Kaninchenfleisch an sich, sondern der einseitige Verzehr von magerem Fleisch. Wenn man sich ausschließlich von magerem Fleisch ernährt, dann bleibt man trotzdem stets hungrig, obwohl man von Tag zu Tag sogar immer mehr isst. Kurz bevor das Kaninchen final zuschlägt, isst man bis zu viermal mehr als zuvor. Dann treten Hungersymptome wie Anzeichen von Proteinvergiftung auf, und schließlich stirbt man. Man verhungert quasi allein vor der Grillplatte für zwei Personen, weil man nur das Fleisch isst und das Beilagengemüse verschmäht.

Tod durch Kaninchenbraten ist aber keineswegs ein Massenphänomen, da brauchen Sie keine Angst zu haben. Und auch als Selbstmordmethode ist es nur etwas für Menschen, die auch im Ableben unbedingt das Besondere suchen. Aber unter welchen Umständen können Kaninchen tödlich sein für Menschen? Woher weiß man das? Gilt das für alle? Ist das ansteckend? Wie kann ich mich davor schützen? Und zahlt das die Krankenkasse? Eins nach dem anderen, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, andererseits aber gut zuhören, der Pfarrer predigt auch nicht zweimal, zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Sind wir quitt, können wir Stoff machen, oder hätten Sie gerne Sie noch ein paar Plattitüden? Also. Forschungsreisende im 19. Jahrhundert, Inuit und auch amerikanische Ureinwohner, die, vor allem nach dem Winter, nur abgemagertes Wild erlegen konnten, waren mit diesem heimtückischen Phänomen konfrontiert. Ahnungslos setzten sie Meister Lampe an die Spitze ihrer Nahrungsmittel-Charts, und eh sie sich’s versahen, waren sie auch schon Ex-Forschungsreisende im 19. Jahrhundert, Ex-Inuit und auch Ex-Ureinwohner. Kaninchenauszehrung oder besser Kaninchenhunger (rabbit starvation) nennt man die Krankheit. Grundsätzlich geht es aber um zu viel mageres Fleisch, das Fleisch kann genauso von mageren Vögeln stammen, wenn es morden soll.

Der menschliche Körper schätzt diese einseitige Diät überhaupt nicht und weist seinen Besitzer mit Durchfall, Schwäche, Kopfschmerzen, Müdigkeit, niedrigem Blutdruck, schwachem Puls und Ableben darauf hin. Warum wir Menschen vom Essen sterben können, wenn es kein Fett enthält, ist allerdings nicht bekannt. Angefangen bei Vitaminmangel und Übersäuerung bis hin zur Überfrachtung des Blutes mit Abbauprodukten des Eiweißstoffwechsels gibt es viele Theorien, aber kaum Beweise. Was man immerhin weiß: Fett hilft als Arznei. Als vorbeugende Maßnahme gegen Kaninchenauszehrung also Kaninchen vorsichtshalber immer im Speckmantel verzehren. Oder gleich falschen Hasen bestellen. Da ist man dann überhaupt auf der sicheren Seite. Ähnlich gefährlich wie die Kaninchenauszehrung ist übrigens die Ananasdiät. Die kennen Sie vielleicht als Witz, den ein Bürokollege gnadenlos kredenzt, wenn man nicht rechtzeitig hochkonzentriertes Arbeiten vortäuscht. Er geht so, festhalten: „Ich mache gerade die Ananasdiät. Da darf man alles essen (dramatische Pause), außer Ananas.“ Wer dann nicht mitlacht, bekommt nie mehr eine PowerPoint-Präsentation per E-Mail geschickt oder einen Link zu einem lustigen YouTube-Video.

Die Ananasdiät, vor der man sich noch mehr hüten soll als vor Arbeitskollegen, die gerne Witze über sie erzählen, besteht darin, dass man sich eine Zeit lang im Wesentlichen nur von Ananas ernährt. Man verliert dadurch in kurzer Zeit ein wenig Gewicht, durch Entwässerung, das man aber sofort wieder zugelegt hat, wenn man wieder normal trinkt. Frischer Ananassaft entwässert extrem. Das heißt in erster Linie: Klogehen galore. Die Ananasdiät ist also komplett sinnlos, aber das gehört zu ihrer Job Description, schließlich handelt es sich um eine Diät.

Und warum machen Menschen das dann trotzdem? Aus Sehnsucht nach der sogenannten Idealfigur. Aus sozialem Zwang. Oder aus Lebensüberdruss. Lebensüberdruss deshalb, weil in der frischen, rohen Ananas das Enzym Papain enthalten ist (und Bromelain). Und Papain zerstört das Kollagen im Fleisch. Das heißt, wenn man längere Zeit viel und fast ausschließlich frischen Ananassaft zu sich nimmt, dann werden die Lippen spröde, das Zahnfleisch schwindet, es kommt zur Auflösung der Speiseröhre sowie des gesamten Magen-Darm-Traktes. Als Zeithorizont können sie circa drei Wochen einplanen. Das weiß man woher? Aus Tierversuchen mit Kaninchen? Nein. Verdient hätten sie es, diese Killermaschinen. Auf die Spur kam man diesem heimtückischen Bromeliengewächs durch britische Soldaten, die sich in Indien im Zweiten Weltkrieg vor deutschen Einheiten in einer Plantage verstecken und ein paar Wochen lang ausschließlich von Ananas ernähren mussten. Nach drei Wochen begannen den ersten die Zähne auszufallen, der Rest war dann Routine für die Ananas. Das heißt, wenn man sich entschließt, eisern eine Ananasdiät zu absolvieren, dann sollte man am besten auch gleich beginnen, seine Hinterlassenschaft zu regeln. Und wenn man einmal weiß, wie Substanzen wirken, dann kann man sich das auch zunutze machen.

In Filmen wie Nikita oder Pulp Fiction wird gezeigt, dass man Leichenteile relativ einfach loswerden kann, indem man sie in der Badewanne mit hochkonzentrierter Salzsäure übergießt. Gut, man muss davor aus der ganzen Leiche Teile machen, das ist eher etwas für robuste Mägen, aber die Body Parts schmölzen unter der Säure dann förmlich dahin wie Butter in der Sonne. Ein- bis zweimal ordentlich nachspülen, desinfizieren, und einem Vollbad der Überlebenden steht nichts mehr im Wege. So einfach geht das im Film. Die Realität sieht allerdings, wie so oft, anders aus. Muskelfleisch und Gefäße könnten zwar dem Säureangriff nicht standhalten, aber die Knochen würden nur gummiartig und zäh. Der Ausfluss wäre im Nu verstopft. Warum?

Knochen bestehen aus Kollagen und Kalziumphosphat. Die Partie Salzsäure gegen Kalziumphosphat endet mit 1:0 in der regulären Spielzeit, aber gegen das Kollagen bekommt die Säure auch in der Verlängerung keinen Fuß auf den Boden. Aus den harten Knochen wird eine weiche, flexible Substanz, die jeden Angriff abwehrt. Knapp vor dem Elferschießen wird aber Papain eingewechselt, und damit ist das Spiel gelaufen, das Kollagen hat nichts mehr entgegenzusetzen. Jetzt wissen Sie das auch und haben keine Ausrede, falls Sie einmal in eine solche Situation kommen sollten. Die weiche, flexible Substanz, die in der Badewanne aufs Papain und Bromelain wartet, ist übrigens im Wesentlichen Gelatine, die Grundsubstanz von Gummibärchen. Das heißt, mit ein wenig Geschick kann man aus seinem Partner Gummibärchen machen, die man verzehrt, während man sich darüber freut, dass die Lebensversicherung so rasch überwiesen wurde. Jetzt weiß man endlich, wie Erwachsene ebenso froh gemacht werden können. So, nun sind wir wieder bei den Bären gelandet, dabei waren wir schon über die Kaninchen hinaus bei der Ananas. Und dort machen wir auch weiter.

Wenn man sich zwischen Kaninchenauszehrung und Ananasdiät entscheiden müsste, wäre das keine leichte Wahl. Wer sich nicht gerne bewegt, könnte Ananas bevorzugen, weil die wirklich leicht zu fangen sind. Allerdings sind auch Kaninchen nicht schwer zu erlegen, wenn man weiß, wie es geht. Man braucht dazu lediglich einen Pkw, Nacht und ein Kaninchen. Ort der Handlung: ein Feldweg. Der Scheinwerfer des Autos leuchtet einen bestimmten Bereich aus, und genau diesen Bereich sieht der Hase. Mehr nicht. Dass es außerhalb des Lichtkegels auch noch eine Welt gibt, auf die Idee kommt der kleine Klopfer nicht. Man braucht also nur zu warten, bis er sich im Scheinwerferlicht verfangen hat, Gas zu geben, und kann danach die Strecke legen. Allerdings muss man Glück haben, dass man das Tier nicht platt walzt und man noch etwas anderes als Ragout aus ihm machen kann. Daher ist ein Gewehr vielleicht doch die bessere Wahl. Allerdings rate ich dringend zu Pfefferkörnern und gefrorenem Speck als Munition, und nicht zu Schrotkugeln. Schrotkugeln sind hart und zahlreich in der Patrone vorhanden, und wenn man nicht alle vor dem Garen entfernt, kann der Verzehr des Hasenbratens schnell unangenehme Zahnarzttermine nach sich ziehen. Hält man hingegen mit Pfeffer und Speck auf das Tier, vielleicht noch etwas Salz dazu, so ist der Hase bereits mit dem Blattschuss gewürzt. Wie bekommt man die Munition gefroren? Tagelang ins Gefrierfach legen und dann mit der Campingtasche auf die Jagd gehen? Wäre eine Möglichkeit, aber es geht auch cooler, nämlich mit flüssigem Stickstoff. Die Speck-Pfefferkorn-Mischung damit übergießen aka* abkühlen, in ein Druckluftgewehr laden und dann auf die Pirsch. Das hat folgenden Vorteil: Wenn der Hase getroffen wird, stirbt er – übrigens an Gewebeschock und nicht an durchsiebtem Torso oder Herzdurchschuss – und könnte danach zubereitet werden. Das heißt, abbalgen, ausnehmen und braten, gespickt und gewürzt ist er ja bereits. Geschmacklich ist zwischen Hase und Kaninchen übrigens kein massiver Unterschied, weshalb die beiden im Vorigen synonym verwendet wurden. Damit kommt man aber nicht immer durch. In der Brutpflege differieren die beiden doch beträchtlich, was aber bei der Kaninchenauszehrung nicht ins Gewicht fällt.

Kaninchen im Speckmantel nach Werner Gruber

1 Kaninchen

¼l heißes Wasser

200g durchwachsener Speck

Maismehl zum Binden der Soße

50g Butter

3 EL Preiselbeeren

1 Zwiebel

1 geschälte Karotte

1 halber Sellerie

1 Messerspitze Rosmarin

2 Lorbeerblätter

10 zerstoßene Wacholderbeeren

2 gestrichene EL Salz

1 Messerspitze Pfeffer

150g Sauerrahm (saure Sahne)

5 EL Schlagobers (Schlagsahne)

Den Hasen in größere Stücke zerteilen und noch einmal abwaschen. Fleisch mit Salz kräftig einreiben, rund eine Stunde ruhen lassen, mit Pfeffer würzen. In der Kasserolle die Butter erwärmen und darin das Fleisch kurz bei hoher Temperatur anbraten, danach das Fleisch in den Speck einwickeln und zur Seite legen. Die Zwiebel, die Karotte und den halben Sellerie in mundgerechte Stücke schneiden und in die Kasserolle legen. Darauf die mit Speck umwickelten Hasenstücke legen, das heiße Wasser mit den Wacholderbeeren, den Lorbeerblättern und dem Rosmarin dazugeben und ab ins Rohr für rund eine Stunde bei 180°C Ober- und Unterhitze.

Danach die Kasserolle herausnehmen, die Stücke Fleisch herausnehmen, das Schlagobers und den Sauerrahm mit dem Maismehl einbringen, kräftig verrühren, einmal kurz aufkochen lassen und die Preiselbeeren dazugeben, das Fleisch draufgeben und anrichten. Ich empfehle dazu Semmelknödel.

Kommen wir zurück zur Eingangsfrage. Die zielte nicht auf Kaninchen ab, sondern auf Seehasen (den man übrigens ganz anders zubereiten müsste). Wäre Seehase besser als Kaninchen und vielleicht doch eine lohnende Wahl? Seehasen können immerhin für ihre Gattung gewaltige Ausmaße erreichen, verbringen ihr Leben in Kalifornien oder Florida und haben einen Nobelpreis bekommen. Kein schlechtes Portfolio, das haben die meisten von uns nicht im Köcher. Trotzdem wollen Sie Seehase genauso wenig sein wie Wasserbär. Vertrauen Sie mir. Auch wenn Seehasen im Bedarfsfall ebenfalls tödlich zuschlagen, im Gegensatz zu Feldhasen aber nicht mit Fettarmut, sondern mit Gift. Doch zu den wahren Gründen, warum Sie kein Seehase sein möchten, später mehr, und glauben Sie mir, es handelt sich um gute Gründe.

Wenn Sie zwischen Wasserbär, Seehase und Wurmgrunzer wählen müssten, nähmen Sie Wurmgrunzer. Jede Wette. Wurmgrunzer sind nämlich Menschen, auch wenn der Name das nicht nahelegt. Beim Wurmgrunzen, oder charmanter worm charming, werden mittels eines in den Boden gerammten Holzpflocks und eines Metallstücks Vibrationen erzeugt, die Würmer aus der Erde locken.1

Das Metallstück wird am Ende des Holzpflocks hin und her gerieben. Die entstehenden Schwingungen halten die Würmer für einen herannahenden Maulwurf, ihren Fressfeind Nummer eins.

Sie fliehen an die Oberfläche. Es schaut aus wie ein Würmerwettrennen, allerdings sehr oft ohne Sieger. Aus der Sicht des Wurms stellt sich die Situation nämlich so dar: Er rennt um sein Leben, stellt möglicherweise einen 100-Zentimeter-Weltrekord in seiner Altersklasse auf, kommt völlig außer Atem an der Oberfläche an, möchte sich die Landesflagge um die Schultern wickeln, auf der Ehrenrunde im Blitzlichtgewitter seinen Sieg genießen und in Gedanken die Höhe der Sponsorenverträge ausrechnen. Doch leider: Statt Unsterblichkeit in der Wurm-Hall of Fame wartet oben der Wurmgrunzer, ungewaschen, unrasiert, mit Augenklappe, lacht dreckig und sammelt die quirligen Anglerköder ein – harhar.

Rare Enemy Effect wird das genannt. Man denkt, man ist schon aus dem Schneider, doch dann schlägt ein Gegner zu, den man in seine Planungen nicht einkalkuliert hat. So haben eben die Würmer zwar evolutionär eine wirkungsvolle Taktik entwickelt, um Maulwürfen zu entkommen, aber die Rechnung ohne den Grunzer gemacht. „The Wurmgrunzer always rings twice“, wenn Sie so wollen. Ist man sehr geschickt, kann man vom Wurmgrunzen leben, zumindest in manchen Teilen Floridas. Im Nordwesten des Bundesstaates gibt es jedes Jahr ein Worm Gruntin’ Festival in Sopchoppy, auf dem sogar eine Wurmgrunzerkönigin gekürt wird.

FACT BOX | Schwingungen und Wellen

Der Unterschied zwischen Schwingungen und Wellen ist, dass Schwingungen am selben Ort stattfinden, während Wellen sich im Raum ausbreiten. Jede Welle setzt sich aus Schwingungen an verschiedenen Orten zusammen. Zum Beispiel kreist eine „La Ola“, die berühmte Welle im Stadion, deswegen um das Spielfeld, weil dabei Menschen aufstehen und sich wieder hinsetzen, also auf und ab schwingen. Sie verlassen dabei ihren Sitzplatz nicht, trotzdem bewegt sich eine Welle durch die ganze Arena.

Physikalische Schwingungen

Eine Schwingung ist eine regelmäßig wiederkehrende Bewegung. Im Alltag treten solche Schwingungen zum Beispiel bei Musikinstrumenten auf. Die bekanntesten Schwingungen führt ein Pendel aus, welches aus einer Masse am Ende eines Seiles besteht. Lenkt man ein Pendel aus seiner vertikalen Ruhelage aus, schwingt es hin und her. Unter Vibrationen versteht man Schwingungen von Körpern, die auch eine Hörbarkeit oder Fühlbarkeit der Schwingung beinhalten, wie zum Beispiel bei einer Saite oder Glocke.

Physikalische Wellen

Wellen bilden sich aus gekoppelten Schwingungen: Eine Schwingung löst eine benachbarte Schwingung aus, welche wiederum benachbarte Schwingungen auslöst und so weiter. Man kennt Wellen, die solchermaßen an ein schwingendes Medium gebunden sind. Dazu gehören Schallwellen, die sich in der Luft oder auch im Wasser ausbreiten. Dabei schwingen die Luft- beziehungsweise die Wassermoleküle.

Es gibt aber auch Wellen in Festkörpern. Dazu gehören zum Beispiel Metallstäbe, aber auch Erdbebenwellen, die sich durch große Bereiche der Erde hindurchbewegen können. Es gibt aber noch andere Wellen, die kein Medium brauchen, sondern sich auch im Vakuum fortpflanzen. Zu ihnen zählen alle elektromagnetischen Wellen: Lichtwellen, aber auch Radiowellen, Mikrowellen, Infrarot-, Ultraviolett-, Röntgen- und Gammastrahlung.

Die richtige Antwort auf unsere Eingangsfrage lautet also Wurmgrunzer. Ich bin mir sicher, alle haben es gewusst. Von Seehasen lernen heißt zwar denken lernen, wie Sie später noch erfahren werden, und Wasserbären sind sozusagen Popstars der Tierwelt, denen im Laufe dieses Buchs neben einem Kapitel noch ein Bravo-Starschnitt gewidmet wird – aber mit Wurmgrunzer sind Sie trotzdem am besten dran, denn dann sind Sie ein Mensch.

Wir Menschen sind den allermeisten Lebewesen haushoch überlegen, weil wir ein sehr leistungsfähiges Gehirn besitzen, geschickt mit unseren Händen sind und Dinge machen, die sich Tiere nicht einmal ausdenken können. Und glauben Sie mir, in einer Welt, in der der Mensch die dominante Spezies ist, da wollen Sie kein Tier sein. Nicht einmal im Spaß. Denn Menschen, das werden wir gegen Ende des Buches besprechen, sind schlechterdings zu allem fähig. Und was sie sich ausdenken können, das machen sie in der Regel auch, wenn sie es schaffen. Nicht immer zu ihrem eigenen Vorteil oder dem ihrer Umgebung.

Trotzdem können Menschen natürlich auch sehr nett sein. Gerade zu Tieren. Viele Menschen mögen Tiere nicht nur, sie verehren sie richtiggehend. Manche wollen sie sogar heiraten. Sie halten Tiere für höhere Wesen mit geheimem Wissen und Kontakt zum übersinnlichen Universum, ziehen sie ihren Mitmenschen vor, halten sie für schlauer und erhoffen Schutz, Hilfe und Stärkung aus der Tierwelt, wie unzählige Erzählungen in allen Kulturen zeigen.

König Midas etwa, ein Phrygier c/o Kleinasien, der sogenannte Gold-Midas. Nach einem Missgeschick mit den Göttern musste er mit Eselsohren herumlaufen, die er unter einer sogenannten Phrygischen Mütze verbarg. Eine Phrygische Mütze aber besteht aus einem gegerbten Stierhodensack samt der umliegenden Fellpartie. Da fragt man sich, welchen Gewinn bringt das, warum setzt sich jemand das Skrotum eines Nutzviehs auf? Natürlich zuvorderst aus praktischen Überlegungen. Nach einer Stierschlachtung bleibt der Hodensack über. Bevor man ihn wegwirft, kann man ihn auch zu einer Mütze verarbeiten, braucht man keine zu stricken. Die Menschen haben ja früher viel nachhaltiger gelebt, viel näher an der Natur, mit ihr im Einklang. Glauben heute viele, klingt ja auch kuschelig. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Menschen zu allen Zeiten immer am Limit ihrer Möglichkeiten gelebt haben – bloß waren diese Möglichkeiten früher noch beschränkter.

Zurück zu den Stierhoden aka Phrygische Mütze. Nach der mythischen Vorstellung der Phrygier sollten durch das Tragen dieser Kopfbedeckung die besonderen Fähigkeiten des Stieres auf den Träger der Mütze übertragen werden. Man darf getrost annehmen, dass unter „besondere Fähigkeiten“ folgende positive Eigenschaften subsumiert wurden: Kraft, Ungestümheit und Potenz, und nicht Sabbern beim Trinken, beim Fressen im eigenen Kot stehen und Nichtbemerken, dass man statt in eine Kuh in einen Plastikschlauch vom Tierarzt ejakuliert.

Dass dieser Tugendtransfer von Stier zu Mensch seinerzeit stattgefunden hat, darf mit Recht bezweifelt werden, denn so etwas funktioniert nicht. Grundsätzlich gibt es einen Austausch von Teilchen schon. Man kann durch Reibung Elektronen aus einem Objekt herausreißen, so entstehen Blitze, wie wir später sehen werden, und es gibt auch sogenannte Austauschteilchen.

Das sind Elementarteilchen, die als Handlanger der Grundkräfte Frondienst leisten. Photonen dienen der elektromagnetischen Kraft, Gluonen roboten bei der starken Kernkraft, und die schwache Kernkraft wird von Z- und W-Bosonen gepowert. Zwölf Austausch- aka Kräfteteilchen gibt es in der Elementarteilchenphysik, und sie machen ein Drittel der Belegschaft des Teilchenzoos in der Hochenergiephysik aus, was die Fantasie der Menschen seit Entdeckung der Elementarteilchen stark beflügelt hat.

Im Roman Aus Dalkeys Archiven des irischen Schriftstellers Flann O’Brien besteigt Sergeant Fortrell sein Fahrrad nur sehr ungern, weil er fürchtet, allmählich selber zum Veloziped zu degenerieren, und zwar durch einen Austausch der Moleküle. Oder, wie er es nennt, Mollyküle. Moleküle sind aber im Vergleich zu Austauschteilchen riesengroß. Deshalb wird man kein Fahrrad durch regelmäßiges Radfahren, bekommt keine Bullenkräfte vom Tragen einer Phrygischen Mütze und wird auch keine Kuh, wenn man viel Milch trinkt. Höchstens man wendet sich dabei unmäßig dem Gras zu.

Trotzdem hat man den Eindruck, vor allem bei Hundebesitzerinnen und -besitzern, sie würden ihren Hunden immer ähnlicher, je länger sie mit ihnen zusammenleben. Das hat jeder schon Dutzende Male erlebt, das lässt sich ganz leicht belegen, da braucht man nur auf die Straße oder in den Park zu gehen und zu schauen. Ist das so, weil a) ähnliche Lebensrhythmen und Umgebungen Mensch und Tier einander annähern, oder weil b) sich Menschen Hunde unbewusst nach ihrem Ebenbild aussuchen oder weil c) in Wirklichkeit das Tier den Menschen findet und nicht umgekehrt? Was schätzen Sie?

Für alle, die nicht mitraten wollen, haben wir die Antwort in Spiegelschrift eingeblendet.

* Abkürzung für „also known as“. Aus popkulturellem Kontext (Prince) fast bekannter: das ebenfalls klangvolle AFKAP.

Rinks und Lechts

Bevor wir zur Auflösung dieser Rätselfrage kommen, nimm das, Fremder: Während sich fast alle bemühen mussten, die Antwort zu entschlüsseln, können viele Linkshänderinnen und Linkshänder auf Anhieb Spiegelschrift nicht nur lesen, sondern auch schreiben. Warum? Weiß kein Mensch. Deshalb gibt es diesmal auch keine drei möglichen Antworten.

Man kann die Menschheit auch nicht einfach in Rechts- und Linkshänder teilen. Viele Linkshänder haben keine Ahnung von ihrer Veranlagung inklusive der geradezu magischen Fähigkeiten, die manche dahinter vermuten. Bei den Rechtshändern liegen die Dinge einfacher, sie machen circa 70 Prozent der Bevölkerung aus und sind Personen, welche mit der rechten Hand, dem rechten Bein und mit der gesamten rechten Körperhälfte besser tasten beziehungsweise besagte Körperteile besser koordinieren können. Bei den Linkshändern schaut das anders aus.

Es gibt vollwertige Linkshänder – das bedeutet, alle Bereiche der linken Körperhemisphäre sind beweglicher, stärker und leichter koordinierbar. Aber es gibt auch Linkshänder, die wissen gar nicht, dass sie Linkshänder sind, sie haben zum Beispiel einen dominanten rechten Arm, aber das linke Bein ist beweglicher. So gesehen gibt es rund 94 Arten von Linkshändern. Wenn noch sechs „Like“ anklicken, dann sind es 100. Das Symbol für „Gefällt mir“ ist übrigens auch eine rechte Hand mit gerecktem Daumen. Reine Linkshänder sind sehr selten. Was kann man dazu sagen, vom Standpunkt der Neurophysik?

Viele Menschen glauben, dass die rechte Hand mit der linken Hirnhälfte verbunden ist, und die linke mit der rechten Hirnhälfte. Dies ist aber falsch. Rund 60 Prozent der Nervenverbindungen der rechten Hand gelangen in die linke Gehirnhemisphäre, die restlichen 40 Prozent gelangen in den ipsilateralen Teil, also den derselben Körperseite. Für die linke Hand gilt das Gleiche, nur spiegelverkehrt. Worin unterscheidet sich nun das Gehirn von Rechts- und Linkshändern?

Bei Rechtshändern schickt die rechte Hand mehr Nerven ins Gehirn als die linke Hand, und die rechte Hand erhält mehr Nerven vom Gehirn als die linke. Das ist alles. Wenn Ihnen also in Zukunft wieder einmal wer weismachen möchte, dass Hirnhälften und Arme diagonal miteinander verschränkt sind, dann wissen Sie, da brauchen Sie nicht weiter zuzuhören, da kennt sich wer nicht aus und macht sich lediglich wichtig.

Übrigens ist das Gehirn von Frauen nicht besser vernetzt als das von Männern, wie oft behauptet wird. Es ist auch nicht schlechter vernetzt, sondern anders. Zumindest meistens, denn natürlich gibt es immer auch Ausnahmen. Grundsätzlich gilt nur, dass wir alle irgendwann sterben müssen. Darüber hinausgehende absolute Aussagen sind immer mit Vorsicht zu genießen! Kleiner Scherz, Pardon.