Gefahr aus der Zukunft - Clifford D. Simak - E-Book

Gefahr aus der Zukunft E-Book

Clifford D. Simak

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Beschreibung

Zwei Tage, die die Welt erschüttern

Sie kamen plötzlich und scheinbar aus dem Nichts: zwei Milliarden Menschen aus der Zukunft strömen durch Zeittunnel in ihre Vergangenheit. Sie sind auf der Flucht, denn in fünfhundert Jahren fallen fleischfressende Aliens über die Erde her und drohen, die Menschheit zu vernichten. Die Flüchtlinge bringen die ohnehin schon überbevölkerte Welt an den Rand des sozialen und ökonomischen Zusammenbruchs, denn obwohl sie nur auf der Durchreise sind, müssen sie versorgt, ernährt und untergebracht werden. Während ein Teil der Erdbevölkerung ihre Kindeskinder so schnell wie möglich loswerden will, sehen andere die Möglichkeit, aus der Zeitreisetechnik Profit zu schlagen. Doch dann geschieht eine Katastrophe: eines der Aliens ist durch einen der Zeittunnel geschlüpft – und hat sich vermehrt …

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Seitenzahl: 214

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CLIFFORD D. SIMAK

GEFAHR

AUS DER ZUKUNFT

Roman

Das Buch

Sie kamen plötzlich und scheinbar aus dem Nichts: zwei Milliarden Menschen aus der Zukunft strömen durch Zeittunnel in ihre Vergangenheit. Sie sind auf der Flucht, denn in fünfhundert Jahren fallen fleischfressende Aliens über die Erde her und drohen, die Menschheit zu vernichten. Die Flüchtlinge bringen die ohnehin schon überbevölkerte Welt an den Rand des sozialen und ökonomischen Zusammenbruchs, denn obwohl sie nur auf der Durchreise sind, müssen sie versorgt, ernährt und untergebracht werden. Während ein Teil der Erdbevölkerung ihre Kindeskinder so schnell wie möglich loswerden will, sehen andere die Möglichkeit, aus der Zeitreisetechnik Profit zu schlagen. Doch dann geschieht eine Katastrophe: eines der Aliens ist durch einen der Zeittunnel geschlüpft – und hat sich vermehrt …

Der Autor

Clifford D. Simak, geboren 1904 in Millville, Wisconsin, arbeitete nach dem Studium bis zu seiner Rente 1976 als Zeitungsjournalist. Seit er als Kind die Romane von H. G. Wells gelesen hatte, interessierte Simak sich für die Science-Fiction. Er begann Anfang der Dreißigerjahre, seine ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten in den Magazinen von Hugo Gernsback, vor allem in Wonder Stories und später in Astounding

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Titel der Originalausgabe

OUR CHILDREN'S CHILDREN

Aus dem Amerikanischen von Dolf Strasser

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1974 by UPD

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Das Illustrat, München

1

Bentley Price, Fotograf des Global News Service, hatte eben das Steak auf den Grill gelegt und sich im Liegestuhl niedergelassen, als neben der alten Eiche eine Tür aufging und Leute daraus auf ihn zukamen.

Price hatte sich seit Jahren schon über nichts mehr gewundert. Aus leidvoller Erfahrung heraus erwartete er das Unerwartete, ohne es je besonders tragisch zu nehmen. Das, was er fotografierte, war stets ungewöhnlich und häufig schockierend oder gar schrecklich. Aber der Konkurrenzkampf war hart, und er konnte es sich nicht erlauben, allzu viele Gedanken daran zu verschwenden.

Doch jetzt war Bentley verdutzt. Denn was hier geschah, konnte sich selbst eine lebhafte Phantasie kaum erträumen. Steif und mit glasigem Blick klammerte er sich an die Armlehnen des Liegestuhls und beobachtete die Leute, die aus der Tür kamen. Wenngleich er jetzt sah, dass es gar keine Tür war, sondern eine schwarze, an den Rändern eigentümlich vibrierende Öffnung. Sie war etwas breiter als eine gewöhnliche Tür; jeweils vier oder fünf Leute kamen nebeneinander heraus.

Es schienen ganz gewöhnliche Leute zu sein, obgleich sie ein wenig eigenartig gekleidet waren – als kämen sie von einer Maskerade. Indessen waren sie nicht maskiert. Wären sie alle jung gewesen, dann hätte man aufgrund ihrer Kleidung vermutet, dass sie von der Universität oder irgendeiner Art Jugendzentrum gekommen sein mussten. In der Tat war ein Teil dieser Leute jung. Die Mehrzahl allerdings war es nicht.

Einer der ersten, die durch die Tür auf die Wiese getreten waren, war ein ziemlich schmaler, hagerer Mann mit wirrem grauem Haarschopf. Er trug ein graues Hemd, das ihm gerade bis zu den Knien reichte. Über die rechte Schulter hatte er einen roten Schal drapiert, der wie das Hemd an der Taille von einem Gürtel zusammengehalten wurde.

Neben ihm ging eine junge Frau in einem weißen, fließenden, bodenlangen Kleid. Ihr von hüftlangem schwarzem Haar eingerahmtes, auffallend hübsches Gesicht war so weiß und klar wie das Kleid, das sie trug.

Die beiden blieben vor Bentley stehen.

»Sie«, sagte der Mann, »sind hier der Eigentümer, nehme ich an.«

Seine Laute waren eigenartig verschliffen, dennoch aber völlig verständlich.

»Sie meinen wohl«, sagte Bentley, »ich bin der, dem der Kram hier gehört.«

»Wahrscheinlich«, sagte der andere. »Die Art, wie ich rede, ist vielleicht heute nicht aktuell. Aber ich glaube, Sie haben verstanden.«

»Natürlich«, sagte Bentley. »Aber was meinen Sie mit ›heute nicht aktuell‹? Soll das heißen, dass Sie jeden Tag anders reden?«

»Keineswegs«, sagte der Mann. »Sie müssen unser Eindringen hier verzeihen. Zweifellos ist es sehr unangemessen. Wir werden uns bemühen, Ihr Eigentum nicht zu beschädigen.«

»Gehört mir gar nicht«, erwiderte Bentley. »Ich hüte nur das Haus, während der Besitzer weg ist. Würden Sie diesen Leuten sagen, sie sollen nicht durch die Beete marschieren? Die Dame des Hauses wird sehr ungnädig sein, wenn sie feststellt, dass die Blumen ruiniert sind. Sie hält ziemlich große Stücke darauf.«

In der Zwischenzeit waren immer mehr Leute durch die Tür getreten und drängten sich auf dem Grundstück und in umliegenden Gärten. Nachbarn kamen heraus, um zu sehen, was los war.

Das Mädchen lächelte Bentley zu. »Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Blumen«, sagte sie. »Das sind alles gute Leute, die nichts Böses im Sinn haben und sich auch zu benehmen wissen.«

»Sie zählen auf Ihr Verständnis«, sagte der Mann. »Es sind Flüchtlinge.«

Bentley sah sie sich an. Wie Flüchtlinge wirkten sie nicht. Schon oft hatte er Flüchtlinge fotografiert. Flüchtlinge waren verhärmte, gehetzte Leute, vollgepackt mit dem, was von ihrer Habe übriggeblieben war. Nichts davon war diesen Leuten anzusehen. Auch trugen sie nicht viel mit sich – ein kleines Gepäckstück vielleicht oder ein Köfferchen, so wie der Mann, der mit ihm sprach, eins unter dem Arm hatte.

»Sie sehen nicht wie Flüchtlinge aus«, sagte er. »Aus welchem Land sind Sie denn geflohen?«

»Aus der Zukunft«, sagte der Mann. »Wir müssen Sie inständig um Vergebung bitten. Ich versichere Ihnen: Bei dem, was wir tun, geht es um Leben und Tod.«

Bentley starrte ihn ungläubig an. Er erhob sich aus seinem Stuhl. »Eines möchte ich klarstellen«, sagte er. »Wenn das ein Publicity-Gag ist, dann rühre ich keine Kamera an. Wenn's um Reklame geht, dann ohne mich, ganz gleich, was es ist.«

»Publicity-Gag?«, fragte der Mann, offensichtlich verwirrt. »Es tut mir leid, Sir, aber ich glaube, ich verstehe nicht ganz.«

Bentley warf einen Blick zu der Tür. Immer noch kamen in Vierer- und Fünferreihen Leute heraus. Immer noch hing die Tür da, wie er sie zuerst gesehen hatte – ein an den Rändern vibrierendes, flackerndes, dunkles Loch, hinter dem jedoch schwach die Büsche und Bäume des Nachbargartens zu erkennen waren.

Wenn das ein Publicity-Gag war, dachte Bentley, dann war er blendend gemacht. Wie hatten die Reklamefritzen dieses flackernde Loch zusammengebracht, und wo kamen all diese Leute her?

»Wir kommen«, sagte der Mann, »fünfhundert Jahre aus der Zukunft. Wir flohen vor dem Ende der menschlichen Rasse. Wir bitten Sie um Verständnis und Hilfe.«

Bentley starrte ihn an. »Sie wollen mich doch nicht auf den Arm nehmen, oder? Wenn ich auf irgend 'nen Witz reinfalle, verliere ich meinen Job.«

»Wir erwarteten natürlich«, sagte der Mann, »auf Unglauben zu stoßen. Mir ist klar, dass wir keine Möglichkeit haben, unsere Herkunft zu beweisen. Wir können Sie nur inständig bitten, uns Glauben zu schenken.«

»Na gut, meinetwegen«, sagte Bentley. »Ich mach ein paar Aufnahmen. Aber wenn sich rausstellt, dass es um Publicity geht …«

»Es geht uns nicht um Fotografien. Wenn Sie in dieser Hinsicht Bedenken haben, dann fühlen Sie sich nicht im geringsten bedrängt.«

»Sie wollen also nicht, dass ich Fotos mache«, sagte Bentley ergrimmt. »Das kenne ich. Jemand baut Mist, und dann jammert er, wenn Fotos gemacht werden sollen.«

»Wir haben nichts dagegen«, sagte der Mann. »Machen Sie so viele Aufnahmen, wie Sie wollen.«

»Sie haben nichts dagegen?«, fragte Bentley einigermaßen erstaunt.

»Nicht das Geringste.«

Bentley eilte zur Küche. Auf dem Tisch lagen drei Kameras, die er überprüft hatte, eher er sich daranmachte, sein Steak zu grillen. Er nahm eine davon und wollte wieder in den Garten hinaus, als ihm Molly einfiel. Vielleicht sollte er Molly Bescheid sagen. Sie kamen aus der Zukunft, hatte der Mann gesagt. Wenn das stimmte, dann wollte Molly sicher alles von Anfang an miterleben. Nicht, dass er ein Wort von der ganzen Geschichte glaubte. Amüsant jedoch schien sie zu sein.

Er ging zum Telefon und wählte die Nummer. »Molly, hier ist Bentley. Du weißt, wo ich bin?«

»Ja, in Virginia. Du wohnst mietfrei bei John, während er weg ist.«

»Na was denn, ich hüte das Haus. Was ich sagen wollte – würdest du rüberkommen?«

»Nein«, antwortete Molly. »Wenn du was Besonderes vorhast, musst du mich ausführen.«

»Ich hab nichts Besonderes vor«, protestierte Bentley. »Aber hier sind Leute, die kommen aus einer dunklen Tür draußen im Garten. Sie kommen aus der Zukunft, sagen sie – fünfhundert Jahre aus der Zukunft.«

»Das ist doch Blödsinn«, antwortete Molly.

»Das glaube ich auch. Aber woher kommen sie dann? Bestimmt tausend sind es da draußen. Das müsste 'ne Story geben, selbst wenn sie nicht aus der Zukunft sind. Also mach dich auf die Socken und komm her. Das kannst du an alle Zeitungen verkaufen.«

»Ist das wirklich dein Ernst?«

»Mein völliger Ernst«, sagte Bentley. »Ich bin nicht besoffen und ich versuche auch nicht, dich hier rauszulocken und …«

»Also gut«, sagte sie. »Ich komme. Ruf bitte inzwischen im Büro an. Manning muss heute selber Sonntagsdienst machen; also sei vorsichtig – er ist nicht sehr guter Laune. Aber er wird sicher noch ein paar Leute hinschicken wollen, wenn das nicht bloß ein fauler Witz ist …«

»Kein Witz«, sagte Bentley. »Ich bin doch nicht so blöd, mich um meinen Job zu bringen.«

»Ich komme«, sagte Molly und legte auf.

Bentley wollte eben die Nummer seines Büros wählen, als hinter ihm die Tür ging. Er wandte sich um. Der große, hagere Mann stand in der Küche.

»Entschuldigen Sie«, sagte der Mann, »aber es handelt sich um eine Sache von einiger Dringlichkeit. Einige von den Kindern müssen auf die Toilette. Würde es Ihnen etwas ausmachen …«

»Nein, nein«, sagte Bentley und deutete mit dem Daumen in die Richtung. »Oben ist auch noch eine, falls Sie sie brauchen.«

»Ich habe eine Story«, sagte Bentley, als er Manning am Apparat hatte.

»Wo denn?«

»Bei Joe. Wo ich im Augenblick wohne.«

»Okay. Was ist?«

»Ich bin kein Reporter«, sagte Bentley. »Ich mache nur Bilder. Das hier ist ein Knüller, und vielleicht krieg ich das nicht richtig hin und …«

»Schon gut«, wehrte Manning ab. »Ich schicke jemanden. Ich hoffe nur, die Geschichte ist gut; ich muss dem Mann Sonntagszuschlag bezahlen.«

»Hinten im Garten sind tausend Leute, und sie kamen durch eine ganz komische Tür. Sie sagen, sie sind aus der Zukunft …«

»Was sagen die?«

»Sie sind aus der Zukunft. Fünfhundert Jahre aus der Zukunft.«

»Bentley, Sie sind besoffen …«

»Bitte, wie Sie wollen«, sagte Bentley. »Mir soll es recht sein. Tun Sie, was Sie für richtig halten. Ich hab's gemeldet.«

2

In Gedanken schon bei dem bevorstehenden Nachmittag mit Judy Gray, seiner Sekretärin, war Steve Wilson, Pressesprecher des Weißen Hauses, auf dem Weg zur Tür seiner Wohnung, als das Telefon läutete.

»Manning«, sagte die Stimme.

»Was kann ich für dich tun, Tom?«

»Hast du das Radio an?«

»Nein. Warum sollte ich?«

»Es ist irgend was Komisches los«, sagte Manning. »Ich hielt es für besser, dich anzurufen. Es sieht aus, als gäbe es eine Invasion.«

»Invasion!«

»Nein, nicht das, was du meinst. Leute, die aus dem Nichts kommen. Sie sagen, sie sind aus der Zukunft.«

»Hör mal … wenn das ein Scherz sein soll …«

»Das glaubte ich auch«, sagte Manning. »Als Bentley mich anrief …«

»Du meinst Bentley Price, diesen Saufbruder von Fotografen?«

»Ja, den«, sagte Manning. »Aber Bentley ist heute ganz nüchtern. Ist doch noch zu früh am Tag. Molly ist jetzt dort, und ich habe noch andere losgeschickt. AP ist ebenfalls drauf und …«

»Wo soll denn das überhaupt sein?«

»Einer der Orte liegt überm Fluss, nicht weit von Falls Church.«

»Einer der Orte, sagst du …?«

»Es gibt noch andere. Boston, Chicago, Minneapolis. AP hat eben eine Meldung aus Denver gebracht.«

»Vielen Dank, Tom. Ich werde mich revanchieren.«

Er legte auf, ging zum Radio und schaltete es ein.

»… bis jetzt bekannt«, kam die Stimme, »nur, dass Personen aus etwas kommen sollen, was ein Augenzeuge ein Loch in der Landschaft nannte. Sie sollen daraus in Fünfer- und Sechserreihen hervormarschieren wie eine Armee. Neben diesem Bericht aus Virginia haben wir ähnliche Meldungen aus Boston, New York, Minneapolis, Chicago, Denver, New Orleans, Los Angeles. In der Regel handelt es sich nicht um die Städte selbst, sondern um angrenzende ländliche Gebiete. Und hier kommt eine weitere Meldung – dieses Mal aus Atlanta.«

Die auf Neutralität gedrillte Stimme des Sprechers verriet jetzt Erregung.

»Niemand weiß, wer sie sind oder woher sie kommen oder wie sie hierher gekommen sind. Sie sind einfach da – Tausende und Abertausende in von Minute zu Minute wachsender Zahl. Etwas wie eine Invasion, könnte man sagen. Aber es ist keine kriegerische Invasion. Sie sind friedlich und unbewaffnet. Sie tun niemandem etwas zuleide. Nach einer unbestätigten Meldung sollen sie angeben, aus der Zukunft zu sein, aber das ist natürlich kaum denkbar …«

Wilson stellte das Radio leise, ging zum Telefon zurück und wählte.

Die Fernsprechzentrale des Weißen Hauses meldete sich.

»Sind Sie das, Della? Hier ist Steve. Wo ist der Präsident?«

»Gerade beim Mittagsschlaf.«

»Könnten Sie ihn wecken lassen? Er soll das Radio anstellen. Ich komme sofort.«

»Aber Steve … Was ist denn los? Was ist …«

Er legte auf, wählte eine andere Nummer. Nach einer kurzen Weile meldete sich Judy.

»Ist was, Steve? Ich hab gerade den Picknick-Korb fertig gepackt. Sag jetzt bloß nicht …«

»Heute gibt es kein Picknick, Liebling. Wir müssen arbeiten.«

»Am Sonntag!«

»Ja, leider. Wir haben Probleme. Ich komm gleich rüber. Warte draußen auf mich.«

»Also gut, Steve«, sagte sie. »Ich warte draußen.«

Er schaltete das Radio ein. »… vor der Zukunft fliehen. Vor etwas, was in ihrer Zukunft geschah. Fliehen zu uns zurück, in diesem geschichtlichen Augenblick. Natürlich gibt es keine Möglichkeit, sich in eine andere Zeit zu versetzen. Aber die Leute sind da und müssen von irgendwo herkommen …«

3

Samuel J. Henderson stand am Fenster und sah auf den Rosengarten hinaus.

Warum, zum Teufel, musste alles am Sonntag passieren, wo die Leute so schwer zu erreichen waren? Die Revolution in China hatte sich an einem Sonntag ereignet, und Chile war an einem Sonntag zusammengebrochen. Und jetzt dies – was immer es war.

Ein Summton rief ihn an die Sprechanlage. »Der Verteidigungsminister«, meldete seine Sekretärin.

»Danke, Kim«, sagte er.

Er nahm den Hörer. »Jim, hier ist Sam. Sie haben es schon gehört?«

»Ja, Mr. President. Eben im Radio – gerade noch das Ende einer Meldung.«

»Mehr weiß ich auch nicht. Aber es scheint keinen Zweifel zu geben. Wir müssen etwas tun, und zwar schnell. Wir müssen die Lage unter Kontrolle bekommen.«

»Ich weiß. Wir müssen Unterkunft und Verpflegung bereitstellen.«

»Jim, das wird Aufgabe der Armee sein. Nur die Armee kann in dieser Situation rasch genug handeln. Es gilt zu verhindern, dass sich diese Leute überallhin verstreuen, sonst können wir sie nicht unter Kontrolle halten. Und das muss sein, bis wir wissen, was los ist.«

»Vielleicht müssen wir die Nationalgarde mobilisieren.«

»Ja«, sagte der Präsident, »das sollten wir wohl. Schöpfen Sie alle Ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aus. Sie haben aufblasbare Nothütten. Wie steht es mit Transportmitteln und Nahrung?«

»Für die ersten paar Tage kommen wir hin – für eine Woche vielleicht. Das hängt natürlich davon ab, wie viele es sind. Aber dann werden wir bald Hilfe brauchen. Von der Landwirtschaft, von den Wohlfahrtsverbänden. Von jeder Seite, die helfen kann.«

»Zunächst müssen Sie Zeit gewinnen«, sagte der Präsident. »Bis wir uns ein klares Bild gemacht haben. Falls irgendwelche Vorschriften tangiert werden, machen Sie sich keine Sorgen. Das kriegen wir hin. Vielleicht kann sich das Kabinett noch heute zusammensetzen. Allerdings sind Sie der erste Minister, der anruft. Von den anderen habe ich noch nichts gehört.«

»Die CIA? Das FBI?«

»Auch von dort ist noch nichts verlautet. Aber ich nehme an, dass bald die ersten Berichte kommen.«

»Mr. President, haben Sie irgendeine Vorstellung …«

»Gar keine, nein. Sobald es etwas Neues gibt, unterrichte ich Sie. Melden Sie sich wieder, nachdem Sie die Dinge ins Rollen gebracht haben.«

»Ich gebe sofort die nötigen Anweisungen«, sagte der Verteidigungsminister.

»Gut. Bis bald.«

Die Sprechanlage summte.

»Steve ist da«, sagte die Sekretärin des Präsidenten.

»Schicken Sie ihn rein.«

Steve Wilson trat ein.

Henderson deutete auf einen Sessel. »Setzen Sie sich, Steve. Wie steht es?«

»Das zieht immer weitere Kreise, Sir. In den Vereinigten Staaten, in Kanada, in Europa, in Südamerika, Russland, Singapur, Manila. Aus China oder Afrika wurde noch nichts gemeldet. Bis jetzt gibt es keine Erklärung. Es ist phantastisch, unglaublich, Sir. Das gibt es gar nicht, möchte man meinen. Aber es ist so.«

Der Präsident nahm seine Brille ab und legte sie vor sich auf den Schreibtisch.

»Ich habe mit Sandburg gesprochen. Die Armee wird sich um sie kümmern müssen. Wie ist das Wetter?«

»Der Wetterbericht war gut bis auf die nördliche Pazifikküste. Dort regnet es.«

»Ich habe schon versucht, den Außenminister zu erreichen«, sagte der Präsident. »Aber Williams ist in Burning Tree. Man hat jemand losgeschickt, um ihn zu holen. Warum muss so was immer am Sonntag passieren? Vermutlich ist die Presse schon da?«

»Für eine Weile kann ich die Jungs noch in Zaum halten. Aber spätestens gegen sechs werden sie ein Statement erwarten.«

»Sagen Sie ihnen, dass wir die Lage prüfen. Die Armee ist beauftragt, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Betonen Sie, dass es sich um Hilfsmaßnahmen handelt. Möglicherweise muss die Nationalgarde mobilisiert werden. Das soll Jim entscheiden.«

»Wahrscheinlich werden Sie auch vor die Fernsehkameras müssen, Sir. Die Bevölkerung erwartet das.«

»Ja, vermutlich. Außerdem sollte ich wohl mit London und Moskau sprechen und mit Peking, Bonn und Paris. Wir sind alle betroffen und müssen gemeinsam handeln. Williams wird das im einzelnen regeln. Darüber hinaus werde ich Hugh in der UNO anrufen und seine Meinung einholen.«

»Was soll davon an die Presse, Sir?«

»Nur, dass ich im Fernsehen eine Erklärung abgeben werde. Den Rest behalten Sie vorerst besser für sich. Sind schon irgendwelche genaueren Zahlen bekannt?«

»Nach einer Schätzung von UPI waren es zwölftausend pro Stunde – an einem einzigen Ort. Wie es aussieht, kann es sich um etwa hundert verschiedene Orte handeln.«

»Gütiger Himmel«, sagte der Präsident. »Eine Million pro Stunde. Wie sollen wir mit solchen Massen fertigwerden? Die Welt ist ohnehin übervölkert. Es mangelt an Wohnungen, an Nahrungsmitteln. Warum kommen die ausgerechnet hierher? Wenn sie aus der Zukunft sind, müssten sie die geschichtlichen Daten kennen. Sie müssten die Probleme kennen, die sie hier schaffen.«

»Irgendein zwingender Grund«, sagte der Staatssekretär. »Irgendeine Katastrophe. Sicherlich wissen sie, dass unsere Möglichkeiten begrenzt sind. Es muss für sie eine Frage von Leben und Tod sein.«

»Kinder unserer Kinder«, sagte der Präsident. »Wenn es stimmt, dass sie aus der Zukunft kommen, dann sind sie unsere Nachfahren. Wir dürfen uns nicht weigern, ihnen zu helfen.«

»Hoffentlich teilt die Bevölkerung Ihre Ansicht«, sagte Wilson. »Es kann wirtschaftliche Schwierigkeiten geben, kein Zweifel, wenn sie weiter in solchen Mengen kommen. Und so etwas schafft Animositäten und Antipathien. Man spricht jetzt so viel von Generationenkonflikt. Wenn man bedenkt, dass es sich hier nicht um den Übergang von einer zur nächsten Generation handelt, sondern um einen Sprung über viele Generationen hinweg …«

»Die Kirchen könnten viel helfen«, sagte der Präsident, »wenn sie wollen. Wenn nicht, dann könnte es kritisch werden. Wenn irgend so ein großmäuliger Evangelist auf der Kanzel zu donnern anfängt …«

Wilson grinste. »Sie denken an Billings, Sir. Ich könnte mich mit ihm ins Benehmen setzen, wenn Sie einverstanden sind. Ich kenne ihn noch vom College. Ob es etwas bringt, weiß ich allerdings nicht.«

»Tun Sie, was Sie können«, sagte der Präsident. »Reden Sie ihm ins Gewissen. Wenn er nicht einsichtig ist, dann finden wir schon jemand, der entsprechenden Druck auf ihn ausübt. Wer mir wirklich Kummer macht, sind die Wohlfahrtsempfänger. Die sollen jetzt teilen. Wird nicht leicht sein, ihnen das verständlich zu machen. Und die Gewerkschaften werden über das zusätzliche Angebot an Arbeitskräften nicht sehr erbaut sein. Aber mit denen lässt sich wenigstens reden. Sie verstehen etwas von Wirtschaft, und mit fundierten Argumenten kann man sie vielleicht überzeugen.«

Die Sprechanlage summte. Der Präsident drückte auf den Knopf.

»Außenminister Williams am Apparat, Sir.«

Wilson stand auf, um zu gehen. Der Präsident hob die Linke, während er mit der Rechten den Telefonhörer nahm. »Halten Sie sich in Bereitschaft«, sagte er.

»Ja, Sir«, sagte Wilson.

4

An Judys Telefonapparat blinkten sämtliche Lämpchen. Der Block daneben war mit Notizen vollgekritzelt.

Als Wilson hereinkam, legte sie auf. Die Lämpchen blinkten weiter.

»Die Halle ist gesteckt voll mit Journalisten«, sagte sie. »Eine Nachricht von Tom Manning. Es sei sehr dringend. Soll ich ihn anrufen?«

»Mach du weiter«, sagte Wilson. »Ich tu das selbst.«

Er setzte sich an seinen Schreibtisch und wählte die Nummer.

»Tom, hier ist Steve. Judy sagt, es sei sehr wichtig.«

»Ja«, sagte Manning. »Molly hat jemanden. Scheint der Anführer irgendeiner Gruppe in Virginia zu sein. Seine Legitimation kenne ich nicht, falls er überhaupt eine hat. Die Sache ist, er möchte mit dem Präsidenten sprechen. Es sei sehr wichtig, und er könne erklären, warum. Das heißt, er besteht darauf.«

»Hat er schon mit Molly geredet?«

»Nicht viel. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass er mit dem Präsidenten sprechen kann.«

»Und es muss der Präsident sein?«

»So sagt er. Sein Name ist Maynard Gale. Er hat noch eine Tochter bei sich. Heißt Alice.«

»Warum bitten Sie Molly nicht, die beiden hierher zu bringen. Durch den hinteren Eingang. Ich sage dort Bescheid. Dann sehen wir, was sich tun lässt.«

»Nur eines, Steve.«

»Ja?«

»Molly hat diesen Kerl aufgegabelt. Sie hält ihn versteckt. Er gehört ihr. Exklusiv.«

»Nein«, sagte Wilson.

»Doch«, beharrte Manning. »Es geht nicht anders. Gott noch mal, Steve, das ist wirklich nur fair. Du kannst nicht erwarten, dass wir diese Story mit anderen teilen. Bentley hat den Burschen gefunden, und Molly hat ihn dann gleich beschlagnahmt.«

»Du verlangst Unmögliches, das weißt du ebenso gut wie ich. Die anderen Presseagenturen …«

»Du kannst das ja bekanntgeben«, sagte Manning. »Alle nötigen Informationen bekommst du. Wir wollen nur eines: Ein Exklusivinterview mit Gale. Das bist du uns schuldig, Steve.«

»Ich wäre bereit, bekanntzugeben, dass die Information vom Global News Service kommt«, sagte Wilson.

»Aber kein Exklusivinterview.«

»Aber ihr habt den Mann doch jetzt. Macht euer Interview. Daran kann ich euch doch nicht hindern, ob es mir gefällt oder nicht.«

»Aber er will nicht reden, bevor er mit dem Präsidenten gesprochen hat. Du könntest ihn uns wieder zuführen, sobald er das getan hat.«

»Dafür haben wir keine Handhabe. Jedenfalls nicht im Moment. Woher weißt du überhaupt, dass er der ist, für den er sich ausgibt?«

»Natürlich gibt es da keine hundertprozentige Sicherheit«, sagte Manning. »Aber er weiß, was los ist. Das ist ein Insider. Du brauchst ihm seine Geschichte nicht abzukaufen. Du solltest ihn nur anhören und dann nach bestem Gewissen handeln.«

»Tom, ich kann nichts versprechen, das weißt du doch. Du sollst mich nicht um so etwas angehen.«

»Ruf zurück, wenn du dir's überlegt hast«, sagte Manning.

»Augenblick, Tom.«

»Ja, was ist?«

»Du bist da in einer nicht ganz ungefährlichen Position. Du hältst wichtige Informationen zurück.«

»Wir haben keine Informationen.«

»Dann eben eine wichtige Informationsquelle. Möglicherweise geht es um wichtige Probleme der Politik. Außerdem – du hältst jemanden gegen seinen Willen fest.«

»Wir halten ihn nicht fest. Er klammert sich geradezu an uns. Offenbar glaubt er, dass wir die einzigen sind, die ihm Zugang zum Weißen Haus verschaffen können.«

»Nun, Ihr verweigert ihm eben Hilfe, die er braucht. Und … das weiß ich natürlich nicht, es ist nur eine Vermutung … vielleicht handelt es sich um eine Art Botschafter.«

»Steve, du kannst doch keinen Druck auf mich ausüben. Wir sind schon so lange befreundet …«

»Ich will dir was sagen, Tom. So geht das nicht. Freundschaft hin oder her. Wie ich es sehe, kriege ich innerhalb einer Stunde einen Gerichtsbeschluss.«

»Nie und nimmer.«

»Du solltest mit deinem Anwalt reden. Ich hoffe, bald wieder von dir zu hören.«

Er knallte den Hörer auf die Gabel und stand auf.

»Was ist denn los?«, fragte Judy.

»Tom hat versucht, mich zu bluffen.«

»Du warst aber ziemlich grob zu ihm.«

»Vielleicht, aber es musste sein. Wenn ich mich auf so etwas einlasse – aber das darf man in diesem Job eben nicht.«

»Die Jungs draußen werden ungeduldig.«

»Ja, gut. Lass sie rein.«

In weniger als einer Minute hatten die Presseleute ihre gewohnten Plätze eingenommen. Judy schloss die Türen.

»Haben Sie etwas für uns?«, fragte AP.