Gefahr für Mutter und Kind - Marie Francoise - E-Book

Gefahr für Mutter und Kind E-Book

Marie Francoise

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Beschreibung

Dr. Daniel ist eine echte Erfolgsserie. Sie vereint medizinisch hochaktuelle Fälle und menschliche Schicksale, die uns zutiefst bewegen – und einen Arzt, den man sich in seiner Güte und Herzlichkeit zum Freund wünscht.   »Ein bißchen klein geraten«, erklärte die Gynäkologin Frau Dr. Steiger knapp, als sie die Abmessungen betrachtete, die sie per Ultraschall an dem Ungeborenen vorgenommen hatte, dann musterte sie ihre Patientin mit einem abschätzenden Blick. »Na ja, woher soll es das Kleine auch haben. Sie sind schließlich auch nicht gerade groß.«   Sabine Meister schluckte. Natürlich wußte sie, daß sie mit ihren einssechzig keine Riesin war, und normalerweise hatte sie damit auch keine Probleme, doch der abwertende Ton, der in der Stimme ihrer Ärztin mitgeschwungen hatte, traf sie tiefer, als sie es wohl zugegeben hätte.   »Ist das… schlimm?« fragte sie fast ein wenig verschüchtert. »Ich meine… daß das Baby so klein ist.«   »Ach, Unsinn«, wehrte Frau Dr. Steiger in ihrem üblichen unfreundlichen Ton ab, dann reichte sie Sabine die Hand. »Wir sehen uns in vier Wochen wieder.«   Sabine hätte noch einige Fragen gehabt, doch sie kannte die Eigenschaften ihrer Ärztin mittlerweile ausgesprochen gut. Wenn sich Frau Dr. Steiger nämlich von einer Patientin bereits verabschiedet hatte, dann schätzte sie es nicht besonders, von dieser noch einmal mit Fragen belästigt zu werden. Allerdings war die Gynäkologin mit dem Abschied immer schnell bei der Hand, so daß Sabine bisher nur selten Gelegenheit gehabt hatte, irgendeine Frage loszuwerden, die ihr am Herzen gelegen hatte.   Ein wenig bedrückt verließ sie das Sprechzimmer und schließlich auch die Praxis, dann atmete sie erst einmal tief durch.   »Was ist los, Liebling?« fragte ihr Mann Bernd besorgt. Er hatte draußen auf dem Parkplatz gewartet, weil Frau Dr. Steiner Männer in ihrer Praxis nur ungern duldete.   Sabine seufzte

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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Dr. Daniel – 36 –Gefahr für Mutter und Kind

Marie Francoise

  »Ein bißchen klein geraten«, erklärte die Gynäkologin Frau Dr. Steiger knapp, als sie die Abmessungen betrachtete, die sie per Ultraschall an dem Ungeborenen vorgenommen hatte, dann musterte sie ihre Patientin mit einem abschätzenden Blick. »Na ja, woher soll es das Kleine auch haben. Sie sind schließlich auch nicht gerade groß.«

  Sabine Meister schluckte. Natürlich wußte sie, daß sie mit ihren einssechzig keine Riesin war, und normalerweise hatte sie damit auch keine Probleme, doch der abwertende Ton, der in der Stimme ihrer Ärztin mitgeschwungen hatte, traf sie tiefer, als sie es wohl zugegeben hätte.

  »Ist das… schlimm?« fragte sie fast ein wenig verschüchtert. »Ich meine… daß das Baby so klein ist.«

  »Ach, Unsinn«, wehrte Frau Dr. Steiger in ihrem üblichen unfreundlichen Ton ab, dann reichte sie Sabine die Hand. »Wir sehen uns in vier Wochen wieder.«

  Sabine hätte noch einige Fragen gehabt, doch sie kannte die Eigenschaften ihrer Ärztin mittlerweile ausgesprochen gut. Wenn sich Frau Dr. Steiger nämlich von einer Patientin bereits verabschiedet hatte, dann schätzte sie es nicht besonders, von dieser noch einmal mit Fragen belästigt zu werden. Allerdings war die Gynäkologin mit dem Abschied immer schnell bei der Hand, so daß Sabine bisher nur selten Gelegenheit gehabt hatte, irgendeine Frage loszuwerden, die ihr am Herzen gelegen hatte.

  Ein wenig bedrückt verließ sie das Sprechzimmer und schließlich auch die Praxis, dann atmete sie erst einmal tief durch.

  »Was ist los, Liebling?« fragte ihr Mann Bernd besorgt. Er hatte draußen auf dem Parkplatz gewartet, weil Frau Dr. Steiner Männer in ihrer Praxis nur ungern duldete.

  Sabine seufzte tief auf. »Ach, nichts von Bedeutung. Mir ist nur mal wieder klargeworden, was für eine unmögliche Frau diese Dr. Steiger ist.«

  »Warum gehst du dann immer noch hin?« wollte Bernd wissen, während er ihr beim Einsteigen behilflich war.

  »Das frage ich mich auch manchmal«, entgegnete Sabine, dann winkte sie ab. »Jetzt während der Schwangerschaft könnte ich sowieso zu keinem anderen Frauenarzt gehen… das heißt, ich könnte natürlich schon, aber ich glaube, sehr gern sehen die so etwas nicht. Und überhaupt… es ist ja ohnehin ein blödes Gefühl, wenn man da oben liegt und sich im intimsten Bereich rumfummeln lassen muß. Wenn ich mir vorstelle, ich müßte wieder zu einem fremden Arzt gehen…« Sie seufzte erneut. »Die Steiger ist grob und unfreundlich, aber irgendwie habe ich mich an sie gewöhnt.«

  »Na, das scheint mir nicht so«, entgegnete Bernd, setzte sich hinters Steuer und ließ den Motor an, dann warf er Sabine einen kurzen Blick zu. »Also ehrlich, Biene, ich möchte keine Frau sein.«

  Seine Worte und vor allem der Ton, in dem sie gesprochen waren, ließen Sabine ihren Ärger über Frau Dr. Steiger vergessen. Sie mußte herzhaft lachen.

  »Gott sei Dank!« meinte sie. »Da würde ich ja ganz schön dumm aussehen, wenn du plötzlich eine Frau sein möchtest.« Sie wurde ernst. »Kürzlich habe ich so etwas übrigens gelesen. Ein Mann, verheiratet und Vater von zwei Kindern, hat auf einmal eine Geschlechtsumwandlung durchführen lassen. Stell dir vor, plötzlich haben diese armen Kinder keinen Vater mehr, sondern eine Tante.«

  Obwohl Sabine das alles sehr ernst vorgebracht hatte, reizten ihre Worte Bernd zum Lachen.

  »In dieser Hinsicht mußt du bei mir keine Angst haben«, beruhigte er sie, dann berührte er mit einer Hand ihr sanft gerundetes Bäuch-lein. »Wie geht’s denn umserem Nachwuchs?«

  »Gut«, versicherte Sabine. »Frau Dr. Steiger meint zwar, daß das Baby ein bißchen zu klein ist für sein Alter, aber das ist angeblich nicht so schlimm.«

  Bernd zuckte die Schultern. »Na ja, Riesen sind wir ja beide nicht.«

  Unwillkürlich verzog Sabine das Gesicht. »So etwas in dieser Art hat die Steiger auch gesagt, allerdings klang das aus ihrem Mund fast wie eine Beleidigung.«

  »Das scheint ja wirklich eine ziemlich taktlose Frau zu sein«, urteilte Bernd kopfschüttelnd. »Also, ob Schwangerschaft oder nicht – ich an deiner Stelle würde mir einen anderen Arzt suchen.«

  »Mal sehen«, wich Sabine aus, doch die Aussicht, sich an einen neuen Arzt gewöhnen zu müssen, reizte sie nicht besonders.

*

  Als Dr. Robert Daniel die Steinhausener Waldsee-Klinik betrat, wäre er von der Anästhesistin Dr. Gabriela Teirich beinahe umgerannt worden.

  »Entschuldigen Sie, Robert, aber ich muß…«

  Den Rest des Satzes verstand Dr. Daniel nicht mehr, weil Gabriela schon hinter den Glastüren verschwunden war, die zur Chirurgie führten. Ein wenig ratlos sah er ihr nach, dann wandte er sich der Sekretärin Martha Bergmeier zu, die wie immer in ihrem Glashäuschen mit der Aufschrift Information saß und mit Argusaugen darüber wachte, wer die Klinik betrat oder verließ.

  »Guten Morgen, Herr Direktor«, rief sie mit einem glücklichen Strahlen, als Dr. Daniel nun auf sie zusteuerte.

  Wie jedesmal zuckte er unter dieser Anrede förmlich zusammen, denn obwohl er bereits seit geraumer Zeit Direktor der Waldsee-Klinik war, hatte er sich an den hochtrabenden Titel noch immer nicht gewöhnt. Er war eben einfach zu bescheiden, um sich auf diesen Posten etwas einzubilden.

  »Guten Morgen, Frau Bergmeier«, grüßte er freundlich zurück. »Mir scheint, als wäre in der Klinik schon wieder Hochbetrieb.«

  Martha nickte eifrig. »Ja, die arme Frau Dr. Teirich muß sich beinahe zerreißen. Gerade hat sie in der Gynäkologie mit Frau Dr. Reintaler eine Operation hinter sich gebracht, und nun hat sie der Herr Chefarzt in die Chirurgie hinübergerufen. Ein Notfall, der sofort operiert werden muß.«

  Dr. Daniel runzelte nachdenklich die Stirn. »Ein Anästhesist ist für die Klinik einfach zu wenig.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Wenn Dr. Metzler jetzt einen Notfall operiert, dann hat es sicher keinen Sinn, auf ihn zu warten. Vielleicht können Sie ihm ausrichten, daß ich heute mittag gern mit ihm sprechen möchte.«

  Wieder nickte Martha. »Wird gemacht, Herr Direktor.«

  Nur mit Mühe unterdrückte Dr. Daniel einen Seufzer. Er hatte schon einige Male versucht, Martha dazu zu überreden, daß sie ihn nicht mehr mit diesem hochtrabenden Titel ansprechen würde, doch bisher hatte das nichts gefruchtet, und so ließ er es diesmal gleich bleiben. Er verabschiedete sich auf die ihm eigene, herzliche Art, dann verließ er die Waldsee-Klinik und kehrte in seine Praxis zurück, die er seit kurzem mit der Steinhausener Allgemeinmedizinerin Dr. Manon Carisi teilte.

  Dr. Daniel war mitten in der Sprechstunde, als seine Empfangsdame den Chefarzt der Waldsee-Klinik Dr. Wolfgang Metzler anmeldete.

  »Wolfgang, du?« fragte Dr. Daniel erstaunt. »Hat Frau Bergmeier dir denn nicht gesagt, daß ich heute mittag in die Klinik hinüberkommen würde.«

  »Doch, und genau deshalb bin ich auch hier. Ich muß nämlich noch am Vormittag nach München und weiß nicht, wann ich wieder zurücksein werde.« Er nahm Dr. Daniel gegenüber Platz. »Also, Robert, was wolltest du von mir?«

  »Heute früh bin ich Gabriela begegnet«, kam Dr. Daniel gleich zur Sache. »Sie schien mir sehr arg im Streß zu stehen.«

  Dr. Metzler seufzte. »Das kann man wohl sagen, und ich muß gestehen, ich bin ganz froh, daß du dieses Thema einmal anschneidest. Ich wollte nämlich schon längst mit dir darüber sprechen, aber in letzter Zeit waren wir beide so sehr angespannt, daß sich keine Gelegenheit ergab. Es geht einfach nicht länger an, daß die Waldsee-Klinik nur mit einem Anästhesisten auskommen muß. Gabriela kann vor lauter Arbeit kaum noch aus den Augen sehen, aber das ist ja nicht das einzige. Wir befinden uns ständig auf einer Art Gratwanderung, denn wenn Gabriela im Operationssaal ist, dann darf in der anderen Abteilung kein Notfall dazwischenkommen. Einmal ist das schon passiert, aber da konnte glücklicherweise Erika einspringen. Allerdings will ich das meiner Frau auch nicht ständig zumuten. Unser kleiner Andy hält sie nämlich ganz schön auf Trab, außerdem waren Schwangerschaft und Geburt schwierig genug. Erika braucht jetzt erst mal Erholung.«

  »Da hast du natürlich vollkommen recht«, stimmte Dr. Daniel ohne Zögern zu. »Aber auch ohne

Erikas Erholungsbedürfnis wäre

so etwas auf Dauer kein Zustand. Wenn die Waldsee-Klinik einen zweiten Anästhesisten braucht, dann gibt es darüber keine weiteren Diskussionen. Sie dich um, Wolfgang, und…«

  Dr. Metzler seufzte. »Das habe ich schon, aber ich fürchte, es ist gar nicht so einfach, einen wirklich gu-ten Narkosearzt zu finden.«

  Dr. Daniel schmunzelte. »Und du willst natürlich wieder den besten überhaupt.«

  »Ja, ja, zieh mich nur auf«, meinte Dr. Metzler, dann zuckte er die Schultern. »Ich versuche ja schon, meinen Ehrgeiz zu zügeln, aber gerade was das Personal für die Klinik betrifft, darf ich keine Abstriche machen. Und wenn ich für meine Patienten nur das Beste will, dann ist das in meinen Augen bestimmt kein Fehler.«

  »Nein, Wolfgang, wirklich nicht«, beschwichtigte Dr. Daniel ihn rasch. »Ich wollte dir mit meiner Bemerkung auch gar nicht auf die Füße treten, und im übrigen hast du dein Ziel ja bereits erreicht. Die Waldsee-Klinik hat einen erstklassigen Ruf, und den soll sie auch in Zukunft behalten.« Er überlegte kurz. »Aber schon in Gabrielas Interesse sollten wir uns bemühen, möglichst schnell einen guten Anästhesisten zu finden. Ich werde mich selbstverständlich auch deswegen umhören.«

  Dabei wußte Dr. Daniel jetzt schon, daß es nicht einfach sein würde, einen guten Narkosearzt zu finden, der bereit sein würde, in die Abgeschiedenheit Steinhausens zu gehen. Sicher, der kleine Vorgebirgsort lag sehr idyllisch, und die Waldsee-Klinik hatte in der Tat einen ausgezeichneten Ruf, den sie nicht zuletzt auch ihrem Chefarzt verdankte, trotzdem gehörte für einen Arzt wohl eine Portion Idealismus dazu, hier zu arbeiten, denn seine Aufstiegsmöglichkeiten waren an einer so kleinen Klinik natürlich gleich Null.

*

  »Im wievielten Monat bist du denn jetzt?« wollte Cora Benig, eine Arbeitskollegin von Sabine Meister, wissen.

  »In der zwanzigsten Schwangerschaftswoche«, antwortete sie strahlend. Sie freute sich jedesmal, wenn sie über das Baby sprechen konnte, das sie erwartete.

  »Was?« Cora tat entsetzt. »Da müßte man doch schon viel mehr sehen.« Sie warf einen abschätzenden Blick auf Sabines sanft gerundetes Bäuchlein. »Kriegst wohl ein ziemlich kleines Kind.«

  Die lieblos dahergesagten Worte trafen Sabine mitten ins Herz. Das eben noch glückliche Lächeln gefror auf ihren Lippen. Cora war nun schon die zweite, die eine solche Andeutung machte, genauer gesagt sogar die dritte, wenn man Frau Dr. Steiger mitrechnete. Und erst gestern hatte die Buchhalterin über ihren angeblich zu kleinen Bauch gelächelt.

  »Na ja, nicht bei jeder Frau verläuft die Schwangerschaft optimal«, hatte sie wie tröstend gemeint.

  Genau an diese Worte mußte Sabine denken, als sie am nächsten Tag im Sprechzimmer ihrer Gynäkologin saß.

  »Frau Doktor, meine Frage klingt vielleicht dumm, aber… läuft bei meiner Schwangerschaft wirklich alles normal?« fragte sie, und dabei klang offene Besorgnis aus ihrer Stimme.

  »Das ist wirklich eine dumme Frage«, urteilte Frau Dr. Steiger grob. »Was wollen Sie denn eigentlich? Sie haben keine Zwischenblutungen, keine vorzeitigen Wehen, und Ihr Kind entwickelt sich ebenfalls gut.«

  Sabine errötete. »Ich dachte ja nur, weil… alle sagen, mein Baby wäre zu klein. Sie machten ja auch schon mal so eine Andeutung.«

  Mißmutig blätterte die Ärztin in der Krankenakte, überflog ihre Notizen von der letzten Ultraschalluntersuchung und blickte dann wieder auf.

  »Ja, es ist ein bißchen klein, aber das hat überhaupt nichts zu sagen«, erklärte sie, während sie schon aufstand. »Gehen Sie jetzt nach nebenan, und machen Sie sich frei, damit ich Sie untersuchen kann.« Sie zögerte. »Oder haben Sie noch Fragen?«

  Die Worte waren in einem Ton vorgebracht, der Sabine jegliche Lust raubte, sich noch nach irgend etwas zu erkundigen.

  »Nein«, murmelte sie, dabei hätte es noch so vieles gegeben, was sie hätte wissen wollen, und zum ersten Mal beschäftigte sie sich ernsthaft mit dem Gedanken, vielleicht doch den Frauenarzt zu wechseln. Die unsensible Art, mit der Frau Dr. Steiger die anschließende Untersuchung vornahm, bestärkte sie noch darin.

  Unglücklich ging sie nach Hause, und kaum hatte sie ihre Wohnung betreten, da brach sie auch schon in Tränen aus. So fand Bernd sie, als er eine halbe Stunde später von der Arbeit kam. Erschrocken nahm er seine völlig aufgelöste Frau in die Arme.

  »Bienchen, um Himmels willen, was ist denn passiert?« fragte er besorgt.

  »Nichts«, schluchzte Sabine. »Das heißt… nichts Gravierendes. Es sind nur Kleinigkeiten, aber…« Hilflos zuckte sie die Schultern. »Ständig muß ich mir anhören, daß mein Bauch zu klein ist, und die Steiger…« Sie winkte ab. »Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde ich systematisch zugerunde gerichtet. Jeder will alles besser wissen, und die Steiger hat wirklich nicht gerade den Ton drauf, den man sich als Schwangere wünscht und vor allen Dingen auch braucht.« In ihrem Blick lag etwas wie Verzweiflung. »Ich bin so unsicher geworden, Bernd. Diese ganzen Bemerkungen über meinen Bauch… ich habe Angst, daß mit meinem Baby etwas nicht stimmt. Und zur Steiger habe ich allmählich kein Vertrauen mehr.«

  »Dann geh doch zu einem anderen Arzt, Bienchen«, riet Bernd ihr in sanftem Ton. »Du sollst doch eine glückliche werdende Mami sein.«

  Sabine seufzte. »Das war ich auch mal. Aber jetzt… dieses dumme Gerede und dazu mein Chef, der meine Schwangerschaft als persönliche Beleidigung empfindet. Er tut so, als würde ich das Baby nur bekommen, um ihm Schwierigkeiten zu machen.«

  »Nur noch ein paar Wochen«, meinte Bernd tröstend, »dann hast du Urlaub, und anschließend kannst du in Mutterschutz gehen.«

  Doch damit vermochte er Sabine heute nicht mehr aufzuheitern. Sie steckte schon zu tief in dem Streß, den andere ihr aufgezwungen hatten.

  »Wenn das so weitergeht, dann machen sie mich in diesen restlichen paar Wochen noch vollends fertig«, murmelte sie niedergeschlagen.

*

  Karina Daniel war todmüde. Die Vorlesungen an der Uni hatten schon so lange gedauert, und nachher hatte sie noch bis gerade eben mit einer Studienkollegin für die morgige Klausur gebüffelt. Dabei hatte sie das Gefühl, als wisse sie jetzt noch weniger als vor ein paar Stunden. Gewaltsam zwang Karina ihre Gedanken in eine andere Richtung. Es hatte keinen Sinn, sich verrückt zu machen, und zumindest bis jetzt hatte sie noch keine Klausur in den sprichwörtlichen Sand gesetzt.

  In diesem Moment fühlte sich Karina plötzlich mit eisernem Griff am Arm gepackt.

  »Hallo, Süße.«

  Mit diesen Worten zog ein Mann sie in eine nur schwach beleuchtete Gasse. Karina war so erschrocken, daß sie keinen Ton hervorbrachte, und mit Entsetzen erkannte sie, daß sie plötzlich von sechs oder sieben Männern umringt war, von denen sicher keiner älter als zwanzig Jahre war.

  Karina fühlte ihr Herz schmerzhaft klopfen. Natürlich hatte sie schon von jungen Frauen gelesen und gehört, die auf nächtlichen Straßen überfallen und vergewaltigt worden waren, aber irgendwie hatte sie immer gedacht, so etwas könne ihr nicht passieren.

  »Na, schönes Mädchen, ganz allein?« fragte einer der Männer in spöttischem Ton, was die anderen zu hämischem Lachen reizte.

  »Bitte, lassen Sie mich gehen«, brachte Karina mühsam hervor, dabei wußte sie doch ganz genau, daß diese Worte nicht das geringste bewirken würden.

  Die Kerle machten sich auch wirklich nur über sie lustig.

  »Sieh an, die Kleine hat Angst.«

  »Wovor denn bloß?«

  »Vielleicht vor dem großen bösen Wolf.«

  Einer von ihnen kam jetzt ganz nah, und Karina roch seinen alkoholgeschwängerten Atem.

  »Was ist? Glaubst du an den großen bösen Wolf?« wollte er von ihr wissen.

  Die Angst schnürte Karina förmlich die Kehle zu. Wortlos schüttelte sie den Kopf.

  »Das ist fein«, erklärte der Kerl mit einem bösen Grinsen. »Da haben wir ja ein richtig großes Mädchen erwischt, das sicher keinen Aufklärungsunterricht mehr braucht.« Er griff unter Karinas Rock. »Was glaubst du, was du gleich für einen Spaß mit uns haben wirst.«

  »Nein, bitte… bitte, laßt mich doch gehen«, bat Karina noch einmal so eindringlich, wie es ihr möglich war. Ihre Stimme zitterte dabei ein wenig, und unwillkürlich blickte sie sich um, doch die Gasse war menschenleer, und die Fenster der umstehenden Geschäfts- und Bürogebäude waren dunkel. Mit Hilfe konnte sie hier nicht rechnen.