Geheimnisse des Waldes - Jürgen-Thomas Ernst - E-Book

Geheimnisse des Waldes E-Book

Jürgen-Thomas Ernst

0,0
22,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Jürgen-Thomas Ernst ist seit über 25 Jahren Förster und Waldpädagoge. In diesem Buch gibt er Einblicke in die Geheimnisse des Waldes und erklärt, wo es in unseren heimischen Wäldern nach Mandarinen duftet, wo man im Wald ein sehr wirksames Mittel gegen Kopfschmerzen finden kann, oder was ein Kienspan ist und wofür man ihn in früheren Zeiten verwendet hat. Zudem zeigt er Möglichkeiten auf, wie wir den Kontakt zur Natur und zum Wald nicht verlieren. Denn diese Gefahr besteht. Der amerikanische Autor Richard Louv spricht von einer "Nature deficit disorder". Mit diesem Buch lernen wir den Wald auf gänzlich neue Art kennen. Er ist der nachhaltigste und klimaneutralste Ort der Welt, der unbedingt geschützt werden muss.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 220

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jürgen-Thomas Ernst

Geheimnisse desWaldes

Von Mandarinenduft, Zaubermitteln gegen Kopfschmerzen, natürlichen Lichtquellen und dem wohl gesündesten Ort der Welt

Einleitung

Die Welt des Waldes

Geheimnisvolle Waldnacht

Die geheimnisvolle Aura des Waldes – Waldbaden und Achtsamkeitsübungen

Das Geheimnis von Feuer und Holz

Das Geheimnis des Feuermachens

Das Geheimnis des Kienspans

Das Geheimnis des Schwedenfeuers

Das Geheimnis des Bäumefällens und des Holzhackens

Das Geheimnis der Waldpflanzen

Das Geheimnis der Nadelbäume

Das Geheimnis der Laubbäume

Das Geheimnis der Blätter und Früchte von Sträuchern

Das Geheimnis des kostbaren Waldkräuterschatzes

Küchengeheimnisse des Waldgartens

Der erstaunliche Nährwert eines einzigen Walnussbaums

Das Geheimnis der Waldtees

Geheimnisse der Waldapotheke

Die geheime Notnahrung aus dem Wald

Das Geheimnis der Waldschuhcreme

Der Waldspielplatz

Waldmemory XXL

Ein Waldbild erschaffen

Der Igelbau

Die Waldkugelbahn

Geheimnisse der Natur als Modell nachbauen

Flussläufe bauen

Die Holztrift

Das Phänomen der Schutzwälder, Rottenwälder und Lawinenverbauungen

Ein kleiner Epilog

Einleitung

Wie das so ist mit den Geheimnissen

Man kann nur das schätzen und beschützen, was man kennt. So verhält es sich auch mit den Geheimnissen des Waldes. Und von diesen möchte ich Ihnen in diesem Buch erzählen.

Bevor ich beginne, erzähle ich Ihnen eine kleine Geschichte. Auch die hat im weitesten Sinne mit dem Wald zu tun. Denn diese Geschichte handelt von verarbeitetem Papier. Und ein wesentlicher Bestandteil von Papier ist Holz aus dem Wald.

Ich kenne einen Mann, der alte Ansichtskarten sammelt. Ja, das gibt es noch. Menschen, die Ansichtskarten sammeln. Man nennt diese Sammelleidenschaft Kartophilie. Die ersten Ansichtskarten wurden nach dem Jahr 1850 gedruckt. Einige von ihnen sind sehr selten und deshalb auch sehr kostbar. Und es gibt Ansichtskarten, von denen nur einige Hundert Stück gedruckt wurden. Dabei gibt es Ansichtskartenmotive aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, die ihrer damaligen Zeit so weit voraus waren, dass man sie damals verschmähte und sie dadurch schwer oder sogar unverkäuflich wurden. Heute sind einige dieser Ansichtskarten sehr begehrt. Aber nur bei jenen, die sie kennen. Es gibt Karten, die auf Auktionen sogar für mehrere Tausend Euro versteigert werden.

Ansichtskarte der Wiener Werkstätte mit Waldmotiv: Vor über 100 Jahren von vielen verschmäht – heute ein Vermögen wert

Einmal wurde der leidenschaftliche Ansichtskartensammler von einem Mann gefragt, ob er auch Briefmarken sammle. Und ja, das tat er auch. „Dann habe ich vielleicht etwas sehr Interessantes für Sie“, entgegnete ihm der Mann. „Denn ich habe am Dachboden meiner Großmutter einige Marken gefunden, die Sie vielleicht interessieren könnten.“ Einige Tage später trafen sie sich in einem Kaffeehaus. Der Mann hatte die Briefmarken mitgebracht und sie sorgfältig in ein kleines Briefmarkenalbum gesteckt. „Ich habe sie nicht abgelöst, sondern nur vom Papier abgerissen“, teilte der Mann dem Ansichtskartensammler mit. „Aber die Briefmarken sind alle ganz. Darauf habe ich besonders geachtet.“ Als der leidenschaftliche Ansichtskartensammler sah, worauf die Briefmarken aufgeklebt waren, erschrak er. „Was haben Sie?“, fragte der Mann. „Sind die Briefmarken etwas wert?“ Der Ansichtskartensammler schüttelte immer wieder den Kopf. Er zählte die Marken. Es waren über hundert Stück. Gewöhnliche 5-Heller-Marken, die während der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie zu Millionen auf Ansichtskarten oder Briefe geklebt worden waren. Dann seufzte der Ansichtskartensammler. Er hatte schon anhand der kleinen Fragmente, auf denen die Marken aufgeklebt waren, erkannt, worum es sich bei den Ansichtskarten gehandelt hatte, von denen sie abgetrennt worden waren. „Die Briefmarken“, erklärte er, „haben für Sammler so gut wie keinen Wert. Aber die Ansichtskarten, von denen Sie die Briefmarken heruntergerissen haben, wären ein Vermögen wert gewesen. Jetzt sind sie allerdings wertlos.“ Es handelte sich um kostbare Ansichtskarten der Wiener Werkstätte. Einige dieser Karten haben einen Marktwert von bis zu 10.000 Euro. Aber nur, wenn sie keine Beschädigungen wie Risse, Knicke oder Fehlstellen aufweisen …

So geht es mit vielen Geheimnissen. Wir wissen nichts von ihnen, oder wir wissen nichts mehr von ihnen. Und aus diesem Grund beachten wir sie nicht, gehen achtlos an ihnen vorüber, werfen sie weg oder zerstören sie, weil wir kein Gefühl für ihren Wert haben. Eigentlich sind sie für unsere Achtsamkeit gar nicht vorhanden. So ist es auch mit vielen Geheimnissen, die sich im Wald befinden. Ich möchte Ihnen in diesem Buch Geheimnisse aus dem Wald verraten und Ihren Blick für sie schärfen. Geheimnisse, die bis vor einigen Jahrzehnten noch gar keine waren, da sie zum Allgemeinwissen zählten, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Aber irgendwann einmal schlich sich etwas in uns ein, das diese Kenntnisse verdrängte und sie uns vergessen ließ. Das ist schade. Aber das Wissen um diese Waldgeheimnisse, die früher die meisten kannten, ist nicht verloren gegangen. Es ist höchstens verschüttet. Es ist da und man muss es lediglich wieder wachküssen.

Wenn wir durch einen Wald spazieren, gehen wir an seinen Geheimnissen leicht vorüber, wenn unser Blick und unsere Achtsamkeit nicht dafür geschärft sind. Wissen Sie, dass es Orte in einem Nadelwald gibt, die nach Mandarinen duften? Oder haben Sie schon einmal davon gehört, dass es Pflanzen und Bestandteile von Bäumen gibt, die gegen Kopfschmerzen helfen? Oder wissen Sie, dass die Wundheilung vieler Bäume ähnlich funktioniert wie bei uns Menschen, und dass sich unsere Vorfahren das zunutze gemacht haben? Kennen Sie die Bestandteile von Bäumen, die sich hervorragend eignen, um einen Schlafplatz damit zu errichten, in dem man selbst bei Minusgraden noch kuschelig warm nächtigen kann? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass der Wald mit seinen Bäumen, die oft Jahrhunderte alt sind, zu den unberührtesten Orten der Welt zählt? Und wussten Sie, dass es in unseren Wäldern Pflanzen gibt, die wahre Vitaminbomben sind? Pflanzen, die einigen Tieren, die keinen Winterschlaf halten, auch in den Frostmonaten zur Verfügung stehen, die auch während dieser kalten Zeit noch immer grün sind und es bis in den folgenden Frühling bleiben? Über solche und ähnliche Geheimnisse möchte ich Ihnen erzählen. Begleiten Sie mich doch ein wenig auf den stillen Pfaden, die durch unsere Wälder führen. Vielleicht kommen Sie auch so ins Staunen, wie ich dereinst ins Staunen gekommen war, was man dort entdecken kann.

Das Geheimnis des Baumsamens

Manche sieht man mit freiem Auge schon aus der Ferne. Bei manchen muss man sich jedoch schon niederknien und genauer hinsehen. Manchmal schweben sie, eingepackt in zarten weichen Wolken, durch die Luft. Samen von Bäumen können manchmal winzig klein sein. Einige von diesen Samen sind nicht größer als wenige Millimeter. Ein bisschen sind sie mit einem Mikrochip vergleichbar, in dem viele Informationen abgespeichert sind. Aber der Samen eines Baumes ist um ein Vielfaches komplexer aufgebaut als ein Mikrochip. Im Samen befinden sich sämtliche Informationen, die der spätere Baum für sein weiteres Dasein benötigt. Für sämtliche Eventualitäten, die die Natur für die Pflanze bereithalten kann, sind die erforderlichen Informationen in diesem Samen gespeichert. Etwa wann er zu keimen beginnen darf, ohne schon nach kurzer Zeit wegen Wassermangels auszutrocknen oder während eines späten Frostes im Frühling zu erfrieren. Wann er schließlich keimen soll. Ist der Zeitpunkt in einem Frühjahr nicht ideal, ist das für einige Baumsamen noch keine Tragödie. Dann keimen sie eben im nächsten Jahr. Einige Samen sind sogar mehrere Jahre keimfähig. In ihnen sind auch noch andere überlebenswichtige Eigenschaften enthalten. Wie er auf den Boden reagieren soll, auf dem er keimt. Wie er reagieren soll, wenn er später einmal beschädigt werden sollte. Wie er auf Umwelteinflüsse, frühe Fröste, späte Fröste reagieren soll. Wie sich die Wurzeln im jeweiligen Untergrund verhalten sollen. Wie sie einen Felsen überwinden können, an dem es kein Wasser gibt. Zu welchem Zeitpunkt der Baum in einem Jahr aufhören muss in die Höhe zu wachsen, damit das Gleichgewicht des Baumsystems nicht aus den Fugen gerät. Wie er reagieren muss, wenn er in einem steilen Hang gedeiht und die Erdanziehungskraft bergseitig und talseitig ungleichmäßig auf ihn einwirkt. Es ist wie ein Wunder, dass all diese Informationen in so einem Samen enthalten sind. Aber das ist nur ein kleines Geheimnis, das wir zwangsläufig übersehen, wenn unser Blick nicht dafür geschärft ist.

Fichtensamen mit Flügel – ein geniales Flugobjekt

Das Geheimnis der Hoffnung

Ein Wald und seine Pflanzen sind voll von Geheimnissen. Die Überlebensstrategien von Bäumen sind manchmal so unbeirrbar und raffiniert, man möchte schon beinahe sagen so durchdacht, dass sie sogar uns Menschen als Gleichnis dienen können. Bäume haben eine sehr lange Entwicklungsgeschichte hinter sich. Sie mussten sich im Laufe der Jahrtausende mit den sich immer wieder ändernden klimatischen Bedingungen auseinandersetzen und sich an sie anpassen, wenn sie nicht untergehen wollten. War eine direkte Anpassung nicht möglich, mussten sie in wärmere oder kühlere Regionen ausweichen. Bäume sind von ihrem Wesen her voller Hoffnung. Sie lassen sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht kleinkriegen. Sie kämpfen gegen Niederlagen an, die ihnen die Umwelt unter Umständen zufügt und geben nicht auf. In Wäldern kann man junge Bäume sehen, die noch keinen Meter hoch sind. Manchmal werden diese Bäume an den Spitzen vom Wild angeknabbert. Das Wild nimmt ihnen also jenen Trieb, der den Baum groß und stark machen soll. Aber die Natur hat es so intelligent eingerichtet, dass dieser Verlust noch nicht das Ende des Baumes bedeuten muss. Wenn die Spitze eines kleinen Bäumchens von einem Reh abgeknabbert wird, verzweifelt der Baum nicht. Sein Innerstes reagiert und antwortet, indem es einen Ersatz für diese verlorene Baumspitze wachsen lässt, die diese Funktion übernimmt. Der Ersatz ist meistens ein Seitenast, der kurzerhand zur zukünftigen Baumspitze umfunktioniert wird. Wird auch dieser Ersatz abgeknabbert, bildet der Baum später abermals eine Spitze aus, in der Hoffnung, dass der Baum eines Tages so groß sein wird, dass kein Äser eines Wildes seine Triebspitze mehr erreichen kann. Ein Baum lässt sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen, wenn sein Lebenslauf einmal ein bisschen aus dem Ruder läuft. Er setzt seinen Weg, den ihm die Natur vorgegeben hat, unbeirrt und beharrlich fort und ist so ein Gleichnis für unbeirrbare Hoffnung.

Angeknabberte Fichte mit Ersatzleittrieb – oder Ersatzspitze

Der geheime Duft des Waldes

Man spürt und riecht es sofort, wenn man den Wald betritt, vor allem an heißen Sommertagen. Kaum hat man den Waldrand hinter sich gelassen, stellt man fest, dass es hier wesentlich kühler ist als außerhalb des Waldes. Und es duftet nach Wald. Durch die schattenspendenden Baumkronen wird die Temperatur gesenkt und gleichzeitig ein angenehmes Klima geschaffen. Aber Wälder verströmen auch einen ganz besonderen Duft, der die Umgebungsluft mit feinen, reinigenden Stoffen versorgt, die wiederum die Bäume selbst schützen. Wenn wir diese Stoffe einatmen, tun wir auch unserem Körper etwas Gutes. Es hilft ihm sogar, widerstandsfähiger zu werden. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass das Immunsystem des Menschen durch mehrmalige und wiederholte Aufenthalte in Waldgebieten eindeutig verbessert wird. Die heilsame Aura des Waldes bietet uns auch die Gelegenheit, an diesem Ort zur Ruhe zu kommen, zu sich selbst zu finden. In Japan wurde die Kunst des Waldbadens erfunden. Waldbaden bedeutet achtsam zu sein, mit sich selbst, mit seiner Umgebung, mit dem, was uns umgibt. Es gibt wunderbare Achtsamkeitsübungen, die man im Wald erleben kann. Etliche von ihnen habe ich in diesem Buch beschrieben.

Das verblüffende Geheimnis des Waldbodens

In diesen Tagen, in denen vieles nach maximaler Effizienz und Hochleistung ausgerichtet ist und viele beinahe alles tun, um diese Ziele zu erreichen, verliert man manchmal den Blick auf das komplexe Ganze. In der Gier nach immer mehr Profit nimmt man wenig Rücksicht auf Menschen, Tiere und auf jene Flächen, die unsere Basis sind. Den Boden, in dem alles keimt und aus dem alles wächst. In den letzten Jahrzehnten sind leider viele dieser Böden der Profitmaximierung einiger Konzerne und Menschen zum Opfer gefallen.

Wo, habe ich mich gefragt, wo gibt es noch Orte auf dieser Welt, die bis zum heutigen Tag von dieser hemmungslosen Gier verschont geblieben sind? Orte, die die Jahrhunderte und Jahrtausende unversehrt oder beinahe unversehrt überdauert haben? Und die Frage, die man sich in weiterer Folge zwangsläufig stellt: Gibt es solche Flächen überhaupt noch? Ja, es gibt sie. Systeme, die noch nicht von Wachstumsförderern, Düngern, gentechnischen Manipulationen oder Pestiziden verseucht wurden. Systeme, die der Mensch – noch – nicht beschleunigt hat, weil sie sich schlichtweg nicht beschleunigen lassen. Der Wald. Die meisten Waldböden sind über die Jahrhunderte von Misshandlungen verschont geblieben. Ihr Geheimnis besteht darin, dass sie sich noch beinahe vollkommen im Gleichgewicht befinden. Über viele Geheimnisse, die es in unseren Wäldern zu entdecken gibt, erzählt dieses Buch. Über Glücksorte, Meditationsorte, Achtsamkeitsorte, über wunderbare Spielorte, über wirklich hundert Prozent biologisch gewachsene Pflanzen, über Mineral- und Vitaminbomben, über Heil- und Gebrauchsmittel, aber auch über Notnahrung, die sich in unseren unberührten Wäldern finden lässt. Bei den Pflanzen habe ich mich besonders auf jene beschränkt, die die meisten von uns kennen, ohne ein Bestimmungsbuch zur Hand nehmen zu müssen.

Das Geheimnis der offenen Waldflächen

Es verblüffte mich immer wieder, wenn ich ein, zwei Wochen nach einer größeren Holznutzung, meistens waren es Seilbahnnutzungen in abgelegenen Revierteilen, diese Wälder wieder aufsuchte. Denn diese Areale waren dann bereits intensiv vom Wild besetzt. Ich konnte an mehreren Plätzen flache Kuhlen auf dem Waldboden feststellen, was darauf hindeutet, dass an diesen Plätzen Rehe gelagert hatten. Man kann diesen Vorgang in etwa so verstehen: Irgendwo eröffnet ein Fünf-Sterne-all-inclusive-Hotel zu günstigen Nächtigungspreisen, und jeder möchte unbedingt in diesem Hotel übernachten, zumal das Essen dort exzellent sein soll. Im Wald verhält es sich ähnlich. Das Wild spürt auf seinen Streifzügen durch den Wald instinktiv und sehr rasch, wenn plötzlich neue und ideale Rahmenbedingungen für sie geschaffen wurden. Und sie reagieren instinktiv, wenn in einem Waldgebiet Bäume fehlen und so mehr Licht den Boden erreicht. Das bedeutet nämlich zwangsläufig, dass in naher Zukunft neben den Bäumen auch mehr Gräser und Sträucher wachsen werden. Und Gräser und Blätter von Sträuchern sind für das Wild im Wald die erste Wahl. Ein dunkler Wald ist für das Wild kein erstrebenswerter Ort, um Nahrung zu suchen und zu finden. Denn dort wachsen keine Kräuter, Gräser und Stauden. Bleiben solche Wälder zu lange dunkel und bieten in der Folge keine guten Nahrungsquellen mehr, wandert das Wild ab und zieht weiter. Diesen Umstand sollten Sie unbedingt beachten, wenn Sie auf Ihren Streifzügen durch den Wald Wildkräuter oder ähnliches sammeln wollen. Wo im Wald viel Licht ist, gibt es auch viel Nahrung. Mehr dazu aber später.

Lager eines Rehwildes

Sind nach einer solchen Holznutzung die Rahmenbedingungen für den Wald und das Wild geschaffen, errichten auch die Jäger in kürzester Zeit einen Ansitz. Die Bejagung ist auf den offenen Flächen, die geschaffen wurden, ideal. Das Wild findet so viel Nahrung, dass es oft gar kein großes Bedürfnis mehr verspürt, die jungen Tannen, Buchen oder Fichten abzuäsen. Die Bäume können gedeihen und das Wild ebenfalls. Verblüffend ist für mich in diesen Arealen immer das Reproduktionsverhalten des Wildes. Denn hervorragende Nahrungsbedingungen spürt das Wild umgehend. So kann es sein, dass ein weibliches Wild im nächsten Jahr statt einem Kitz zwei oder sogar drei Kitze zur Welt bringt, da das Äsungssangebot so groß ist, dass es sogar für mehrere Tiere reicht.

Rehgeiß mit Rehkitzen

Achtsamkeit zwischen Menschen ist etwas Wichtiges. Auch das sollten Sie bedenken, wenn Sie einen Wald aufsuchen. In Waldgebieten, die oft von Menschen aufgesucht werden, ist das Bejagen manchmal sehr schwierig, da sich das Wild verkriecht. Jäger suchen ihre Ansitze meist am frühen Morgen oder am Abend auf. Wenn Sie für diese Umstände bei Ihren Waldausflügen sensibilisiert sind und achtsam mit diesem Wissen umgehen, ist im Interesse aller Beteiligten schon sehr viel getan.

Der Wald ist für viele ein geheimnisvoller und besonderer Ort – auch für Jäger*innen

Das Jagen von wilden Tieren ist für einige eine umstrittene Beschäftigung. Für etliche repräsentiert die Jagd herrschaftliches und unter Umständen auch hochmütiges Verhalten, das vor allem der oberen Gesellschaftsschicht vorbehalten ist. In einigen Jagdgebieten mag das auch zutreffen. Aber nicht überall. Denn wenn es in einigen Gebieten keine Jäger gäbe, würden die Schäden an den jungen Waldpflanzen schlimmstenfalls so groß werden, dass man von öffentlicher Stelle Jäger anstellen müsste, um das Wald-Wild-Problem in den Griff zu bekommen. Denn das heimische Wild hat schon seit langer Zeit keine natürlichen Feinde mehr. Die wurden vor langer Zeit ausgerottet und so kann es sich ungehemmt vermehren. Deshalb sollte man in einigen Jagdrevieren dankbar sein, dass es Jäger*innen gibt, die diese Aufgabe – sogar mit Leidenschaft – erfüllen.

Ich gebe es offen zu: Obwohl ich im Rahmen meiner Försterausbildung auch eine Jagdausbildung absolviert habe, konnte ich mich selbst nie für die Jagd begeistern. Aber ich kann Menschen verstehen, die von der Jagdleidenschaft durchdrungen sind. Das Jagen ist menschheitsgeschichtlich sehr tief in uns verwurzelt. Und Menschen, die eine Aufregung dabei empfinden, wenn sie einem Wild nachstellen, es erlegen und die ausgeweidete Beute danach mit Stolz nach Hause bringen, verstehe ich auch.

Jäger und Förster haben oft kein wirklich gutes Verhältnis zueinander. Meistens entstehen Interessenskonflikte. Der Förster will, dass viele Bäume im Wald gedeihen und nicht vom Wild angeknabbert oder ruiniert werden, und manche Jäger*innen gehen in ihrer Hege so weit, dass sie dem Wild möglichst ideale Rahmenbedingungen schaffen wollen. Und leider ist es für einige sehr wichtig, dass es so viel Wild wie möglich in ihrem Revier gibt. Das führt zwangsläufig zu Meinungsverschiedenheiten, denn zu viel Wild in einem Wald bedeutet in der Regel auch zu viel Verbiss an den Bäumen. In den Waldgebieten, die ich betreute, gab es solche Sorgen Gott sei Dank nicht. Vielleicht auch deswegen, weil ich mit den Jäger*innen sehr achtsam umgegangen bin und sie mit mir ebenfalls. Plante ich Baumfällungen in meinem Forstrevier, begleiteten mich die zuständigen Jäger*innen immer auf diesen Begehungen. Ich bezog sie in meine Überlegungen zu den bevorstehenden Holznutzungen mit ein. Und das wussten sie immer sehr zu schätzen. Ich erklärte ihnen, wo ein Bedarf bestehe, Bäume zu fällen, damit die jungen Bäume, die im Schatten der alten standen, wachsen konnten und die Jäger*innen schlugen mir ihrerseits vor, in welchem Gebiet sie in Zukunft gerne intensiver jagen würden. Das hat immer sehr gut funktioniert. Und wenn man sich diese Wälder heute ansieht, weiß man, dass dieses kooperative Miteinander Früchte trägt. In den Revieren, die ich betreute, gedeihen sämtliche Baumarten, die von Natur aus dort vorkommen können. Selbst die Weißtannen, die vom Wild bevorzugt angeknabbert werden, wachsen und entwickeln sich prächtig.

Das Geheimnis um das Feuer

In diesem Buch wird einige Male das Element Feuer thematisiert. Feuer ist etwas sehr Archaisches und für viele besonders faszinierend. Feuer kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen sehr gefährlich und unkontrollierbar werden. Waldbrände drohen besonders nach längeren Trocken- oder Hitzephasen, und hier vor allem an Südhängen. Manchmal genügt bereits ein Streichholz oder ein achtlos weggeworfener Zigarettenstummel, um einen Waldbrand auszulösen. Denn trockenes Gras oder trockene Nadelstreu brennt tatsächlich wie Zunder. Das sollten Sie unbedingt berücksichtigen. Machen Sie außerdem nur dort Feuer, wo dies ausdrücklich erlaubt ist. Feuermachen im Wald ist grundsätzlich verboten. Es sei denn, es gibt eigens dafür vorgesehene Feuerstellen. Wenn Sie ein Feuer entfachen, achten Sie unbedingt darauf, dass Sie in der Nähe über geeignetes Löschmaterial verfügen. Um ein Feuer wirksam zu löschen, muss man ihm den Sauerstoff entziehen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: Wasser, Sand, Erde oder eine Löschdecke. Haben Sie schließlich einen Ort gefunden, an dem das Feuermachen erlaubt ist, und alle Vorkehrungsmaßnahmen getroffen, ist ein brennendes, knisterndes Feuer wirklich ein ganz besonderes Erlebnis.

Öffentliche Feuerstelle

Der nachhaltigste Spielplatz der Welt

Nature-deficit disorder. Naturdefizit-Syndrom. So nennt der amerikanische Autor Richard Louv eine Gefahr, die auf uns zurollen könnte. Seine Befürchtung, die von vielen geteilt wird: Wir und unsere Kinder verlieren allmählich den Kontakt zur Natur. Diese Problematik führt zu einem weiteren Problem, denn wie sollen wir unsere Natur, unsere Wälder schützen, wenn wir sie gar nicht (mehr) kennen, wenn wir gar nicht (mehr) mit ihr vertraut sind und sie uns gar nicht mehr richtig bewusst ist? Viele Kinder haben ihren Lebensmittelpunkt vor den Bildschirm ihrer Tablets oder Computer verlegt. Es gibt Kinder, die in ihrem gesamten Leben noch niemals einen Wald betreten haben. Das klingt beinahe unglaublich. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es solche Kinder gibt. Die Natur erleben sie oft nur noch über Sendungen im Fernsehen oder indirekt über Computerspiele. Eigene Naturerfahrungen und Naturerlebnisse werden bei ihnen immer weniger. Spielende Kinder im Wald sind schon beinahe eine Seltenheit geworden. Und dabei gibt es im Wald so viele wunderbare Spielmöglichkeiten. Ganz abgesehen von der Umgebung zwischen Bäumen und dem Zwitschern von Vögeln. Die Materialien, die man für das Spielen im Wald braucht, sind alle schon da. Und nach dem Spielen kann man all die Äste, Blätter und anderen Dinge, die man verwendet hat, an ihrem Ort belassen. Die Natur wird sie früher oder später wieder in sich aufnehmen. Und nach einiger Zeit wird es im Wald wieder so aussehen, als ob nie jemand etwas verändert hätte. Ist das nicht wunderbar? Der Wald ist also ganz zu Recht der nachhaltigste Spielplatz der Welt. Ein Abschnitt des Buches wird sich genauer mit diesen Spielmöglichkeiten im Wald auseinandersetzen und erklären, wie solche Spiele aussehen.

Bevor man die Geheimnisse des Waldes entdecken möchte

… sollte man einige Dinge beachten. Wälder sind besondere Orte. Sie sind ein Teil der Natur und die Natur birgt unter Umständen auch Gefahren. Wenn Sie öffentliche und ausgeschilderte Waldwege und Pfade verlassen, um kreuz und quer durch den Wald zu gehen, begeben sie sich auf ein Terrain, in dem es abgestorbene Bäume gibt, die ohne Windeinwirkung einfach so umstürzen können. Ja, in Österreich, Deutschland, der Schweiz und zahlreichen anderen europäischen Ländern dürfen Sie kreuz und quer durch den Wald spazieren. Keiner schreibt Ihnen vor, strikt auf Wanderwegen zu bleiben. Es sei denn, bestimmte Waldgebiete sind ausdrücklich als Wildruhezonen ausgewiesen oder es handelt sich um Flächen, die gerade mit jungen Baumpflanzen aufgeforstet worden sind und nicht betreten werden sollten.

Aber es gibt auch Situationen, in denen von einem Besuch im Wald abzuraten ist. Unbedingt davon Abstand nehmen sollte man, wenn der Wind stärker bläst oder wenn es stürmt. Dann sollte der Wald eine Tabuzone sein. Bei stärkeren Windstößen oder Stürmen können sich abgestorbene Äste aus den Baumkronen lösen und herabstürzen. Bereits ein kleiner Ast genügt, um lebensbedrohlich für uns zu werden. Ein Ast mit einem oder zwei Kilogramm Gewicht reicht vollkommen aus. Wenn so ein Ast aus 20, 30 Metern Höhe herunterstürzt, beschleunigt er ungemein und kann Schlimmes anrichten.

Gefährlich sind auch Tage, an denen sich der Schnee schwer auf die Äste von Bäumen legt. Unter dem Gewicht des Schnees können Äste, vor allem dann, wenn sich der Schnee früh einstellt und der Baum noch belaubt ist, zu ächzen beginnen und in Bruchteilen von Sekunden abbrechen und herabstürzen. Ich habe das einmal als Förster erlebt. An mehreren Tagen im Februar war viel Schnee gefallen. Dann begann es zu tauen und zu regnen. Der Regen machte den Schnee nass und noch schwerer. Und dann kam plötzlich wieder der Frost. Ergibt sich so eine Witterungssituation, beginnen die Äste an den Bäumen unter der extremen Schneelast förmlich zu knallen. Innerlich reißen an sehr gewichtsbelasteten Stellen die ersten Holzfasern. Instinktiv habe ich damals sofort gespürt, dass ich jetzt lieber umkehren und den Wald verlassen sollte. In so einem Fall verschieben Sie den Besuch im Wald lieber auf ein anderes Mal.

Eines muss man außerdem unbedingt noch beachten, wenn man sich in der Natur aufhält, nicht nur in einem Wald, sondern auch auf einer Wiese: Es gibt Zecken. Eine Zeckenschutzimpfung sollte für Menschen, die sich regelmäßig im Wald bewegen, unerlässlich sein. Die Gefahren, die durch einen Zeckenbiss drohen, sind einfach zu groß. In meiner Tätigkeit als Förster habe ich beinahe täglich viele Stunden im Wald verbracht. Es konnte vorkommen, dass sich an einem einzigen Tag gleich mehrere Zecken an meinem Körper festhakten. Aber im Laufe der Jahre entwickelt der Körper ein Sensorium für diese unliebsamen Zeitgenossen. Oft spüre ich schon nach kurzer Zeit, dass sich irgendetwas Fremdes an meinem Körper angedockt hat. Meistens stellt sich an diesem Bereich auch schon ein leichter Juckreiz ein. Zudem untersucht man sich vermutlich schon vegetativ auf Zecken, nachdem man im Wald gewesen ist. Etwas muss man jedoch auf alle Fälle dringend beachten: Die Zeckenschutzimpfung schützt vor FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis), nicht aber vor einer Borreliose, die manchmal im Schlepptau von Zeckenbissen auftreten kann. Ich kenne Menschen, die eine Borreliose wochenlang nicht bemerkten. An der Bissstelle kann sich nach einigen Tagen ein rötlicher Fleck bilden, der unter Umständen sogar wandert. Spätestens wenn man diesen rötlichen Fleck bemerkt, sollte man sich umgehend in ärztliche Behandlung oder ins Krankenhaus begeben. Denn eine verschleppte Borreliose kann chronische oder sogar lebensbedrohliche Folgen haben.

Zecken sollte man nicht unterschätzen und sich deshalb nach jedem Waldspaziergang gründlich absuchen.

Aber ich kenne auch noch zusätzlich ein Mittel gegen Zecken, das ich selbst schon unzählige Male sehr erfolgreich ausprobiert habe. Es gibt einen Geruch, den diese Tiere nicht ausstehen können: Den Geruch von Kokosfett. Ich reibe meistens meinen Nacken damit ein, die Hand- und Fußgelenke und vielleicht noch den Bauch. Ich stelle danach immer wieder fest, dass dieser Geruch die Zecken in der Regel vertreibt. Bei Ausflügen in den Wald cremen sich meist alle Teilnehmer*innen mit Kokosfett ein. Wir wandeln dann wie eine lebende Kokosfettwolke durch den Wald.

Kokosfett schreckt übrigens nicht nur Zecken ab. Es ist auch ein sehr wirksames Mittel gegen lästige Stechmücken, die einen im Wald heimsuchen können. Probieren Sie es einfach einmal aus.

Die Welt des Waldes

Geheimnisvolle Waldnacht