Geiger und Zähler ermitteln – Die ersten drei Bände der beliebten Alpenkrimi-Reihe - Sven Kellerhoff - E-Book
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Geiger und Zähler ermitteln – Die ersten drei Bände der beliebten Alpenkrimi-Reihe E-Book

Sven Kellerhoff

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Beschreibung

**Die ersten drei Bände der humorigen Alpenkrimis von Sven Kellerhoff zum attraktiven Sonderpreis. **  Seilbahnmord und Leberkässucht: Ein Fall für Kommissar Geiger Auf der Baustelle der Nebelhornbahn im Allgäu wird die Leiche eines bekannten Seilbahnunternehmers gefunden. Der Kemptner Kommissar Leopold Geiger und seine schicke Kollegin Anna Zähler werden gerufen, um den Mord aufzuklären. Schnell führt eine erste Spur ins Zillertal zum Hintertuxer Gletscher, wo ihnen die Lokalpolizisten Paul und Vitus an die Seite gestellt werden. Bloß interessieren sich die hilfsbereiten Kollegen aus dem Zillertal mehr für Leberkässemmeln und die neuen FKK-Camper als für den Toten aus dem Allgäu. Doch dann tauchen auch im Zillertal die ersten Leichen auf … Der neue Fall für Leopold Geiger und Anna Zähler  Der gemütliche Kommissar Leopold Geiger und seine schicke Kollegin Anna Zähler werden nach Garmisch-Patenkirchen gerufen: Es gab eine aufsehenerregende Explosion an der Skisprungschanze! Zum Glück nur ein Sachschaden, aber eindeutig ein Anschlag. Schnell geraten Umweltaktivisten in Verdacht, die das beliebte Skisprungevent verhindern wollen. Doch dann tauchen die ersten Leichen auf und es ist endgültig vorbei mit dem gemütlichen Glühweingeschlürfe. Mit Leberkässemmeln und reichlich Glühwein im Gepäck folgt das gegensätzliche Ermittler-Duo der tödlichen Spur im Schnee …  Ein malerisches Bergdorf im Zillertal. Ein rätselhafter Überfall. Und ein Mörder im Goldrausch. Eigentlich wollte sich das Allgäuer Ermittlerduo Leopold Geiger und Anna Zähler im schönen Zillertal eine kleine Auszeit gönnen. Während die Kommissarin in einem Yoga-Retreat auf Entspannung setzt, erklimmt Geiger lieber die umliegenden Berge. Doch als in Mayrhofen der Überfall auf einen Goldtransporter für Aufregung sorgt und der Fahrer sowie der ortsansässige Bankdirektor ermordet aufgefunden werden, ist es erst einmal vorbei mit der Urlaubstimmung. Dass sich Anna und Leopold in die Ermittlungen der Dorfpolizei vor Ort einmischen, gefällt nicht allen, und der Sumpf des Verbrechens scheint tiefer als gedacht.

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Band 1 bis 3 im Bundle

Sven Kellerhoff, 1975 in Bad Ems geboren, lebt heute mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Grevenbroich bei Düsseldorf. Seit vielen Jahren bei einer Sparkasse tätig, veröffentlicht er neben seinem Beruf Regionalkrimis. Der Roman »Zirbenholz und Alpenmord«, rund um das Allgäuer Kommissaren-Duo Anna Zähler und Leopold Geiger, ist sein Debut.

**Die ersten drei Bände der humorigen Alpenkrimis von Sven Kellerhoff zum attraktiven Sonderpreis. ** 

Seilbahnmord und Leberkässucht: Ein Fall für Kommissar Geiger

Auf der Baustelle der Nebelhornbahn im Allgäu wird die Leiche eines bekannten Seilbahnunternehmers gefunden. Der Kemptner Kommissar Leopold Geiger und seine schicke Kollegin Anna Zähler werden gerufen, um den Mord aufzuklären. Schnell führt eine erste Spur ins Zillertal zum Hintertuxer Gletscher, wo ihnen die Lokalpolizisten Paul und Vitus an die Seite gestellt werden. Bloß interessieren sich die hilfsbereiten Kollegen aus dem Zillertal mehr für Leberkässemmeln und die neuen FKK-Camper als für den Toten aus dem Allgäu. Doch dann tauchen auch im Zillertal die ersten Leichen auf …

Der neue Fall für Leopold Geiger und Anna Zähler 

Der gemütliche Kommissar Leopold Geiger und seine schicke Kollegin Anna Zähler werden nach Garmisch-Patenkirchen gerufen: Es gab eine aufsehenerregende Explosion an der Skisprungschanze! Zum Glück nur ein Sachschaden, aber eindeutig ein Anschlag. Schnell geraten Umweltaktivisten in Verdacht, die das beliebte Skisprungevent verhindern wollen. Doch dann tauchen die ersten Leichen auf und es ist endgültig vorbei mit dem gemütlichen Glühweingeschlürfe. Mit Leberkässemmeln und reichlich Glühwein im Gepäck folgt das gegensätzliche Ermittler-Duo der tödlichen Spur im Schnee … 

Ein malerisches Bergdorf im Zillertal. Ein rätselhafter Überfall. Und ein Mörder im Goldrausch.

Eigentlich wollte sich das Allgäuer Ermittlerduo Leopold Geiger und Anna Zähler im schönen Zillertal eine kleine Auszeit gönnen. Während die Kommissarin in einem Yoga-Retreat auf Entspannung setzt, erklimmt Geiger lieber die umliegenden Berge. Doch als in Mayrhofen der Überfall auf einen Goldtransporter für Aufregung sorgt und der Fahrer sowie der ortsansässige Bankdirektor ermordet aufgefunden werden, ist es erst einmal vorbei mit der Urlaubstimmung. Dass sich Anna und Leopold in die Ermittlungen der Dorfpolizei vor Ort einmischen, gefällt nicht allen, und der Sumpf des Verbrechens scheint tiefer als gedacht.

Sven Kellerhoff

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Alpenkrimi

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Sonderausgabe im Ullstein E-BookFebruar 2024© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2024

Zirbenholz und Alpenmord

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: FinePic®, München

Glühweinrausch und Schanzenmord

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: FinePic®, München

Goldtransport und Stauseemord

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Autorenfoto: © privat E-Book powered by pepyrusAlle Rechte vorbehalten.Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.ISBN 978-3-8437-3217-8

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Inhalt

Titelei

Das Buch

Titelseite

Impressum

Zirbenholz und Alpenmord

Zirbenholz und Alpenmord

Glühweinrausch und Schanzenmord

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Goldtransport und Stauseemord

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Anhang

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Titelseite

Inhalt

Zirbenholz und Alpenmord

Zirbenholz und Alpenmord

Zirbenholz und Alpenmord

»Heute reißt es nicht mehr auf«, meinte der Gondelführer zu Thomas und seinem Kollegen Markus, als er die Tür der altehrwürdigen Kabine Eins der Nebelhornbahn verschloss. Langsam fuhr er mit seinen zwei Fahrgästen aus der Talstation heraus.

»Das macht nichts, wir haben Arbeit satt und können die Aussicht heute sowieso nicht genießen«, sagte Thomas, der mit Seilen und Karabinern umhangen aus dem Fenster schaute.

Es war früh am Morgen, als die erste Bahn des Tages durch den diesigen Morgennebel bergwärts fuhr. Sie glitt fast lautlos vom Tal in Oberstdorf zur 1280 m hoch gelegenen Seealpe, der ersten Sektion der Nebelhornbahn. Dies war das Ziel von Thomas und Markus, die hier schon einige Zeit für die Firma Luggi an der neuen Nebelhornbahn arbeiteten. Der Zeitplan für den Bau der neuen Bahn war ambitioniert. Gearbeitet wurde bei jedem Wetter, um den ersten Bauabschnitt von der Station Seealpe zur Station Höfatsblick auf 1900 m pünktlich fertigzustellen.

»Wie lange fährst du schon aufs Nebelhorn?«, wollte Thomas vom Bergbahnführer wissen.

»Ich fahre die Gäste schon über zwanzig Jahre, und die Bahn fährt schon seit 1930 zum Nebelhorn, bisher immer ohne Unfälle oder größere Reparaturen. Mit der neuen Bahn braucht es mich demnächst hier nicht mehr. Da fahren die Gäste in kleinen 10er-Gondeln allein.« Der Gondelführer wirkte auf Thomas etwas wehmütig.

»Aber du hast dann andere Aufgaben hier, oder?«, fragte Markus.

»Ja, schon. Hier am Berg gibt’s immer genug zu tun. Ich war allerdings immer gerne mit den Gästen zusammen in der Kabine unterwegs.«

Die Nebelhornbahn war in die Jahre gekommen und wich nun einer modernen Zweiseilumlaufbahn, die ihre Gäste in die alpine Bergregion der Allgäuer Alpen brachte.

»Mir liegt die Schmankerlplatte von gestern Abend im Magen«, sagte Thomas und fuhr mit der Hand über seinen nicht ganz so schlanken Bauch.

»Du hast sie einfach mit zu wenig Bier runtergespült«, antwortete Markus, der an die frisch gezapften Halben in der Dampfbierbrauerei zurückdachte. Beide wohnten und arbeiteten unter der Woche in Oberstdorf und genossen die heimischen Allgäuer Spezialitäten nach getaner Arbeit in den Gasthäusern der Marktgemeinde Oberstdorf.

Sie passierten die dritte Stütze und fuhren langsam in die Station ein. Die Seealpe lag auf einem Talboden, der im weiteren Verlauf sehr steil anstieg. Hier wurden bis zur Station Höfatsblick noch mal rund 700 Höhenmeter überwunden. Der Nebel legte sich wie eine dünne Decke über die saftigen Wiesen. Morgentau bedeckte die Grashalme, Zäune und Bäume. Feinste Wassertropfen überzogen die Stützen und Seile des Schleppliftes, der im Winter für die Anfänger und Familien mit kleinem Skinachwuchs in Betrieb war. Kuhglocken läuteten dumpf in der Ferne und ließen ein Gefühl von »Heimat« und »Hier ist die Welt noch in Ordnung« entstehen. Thomas beobachtete aus der Gondel, wie die Wirtin der Berggaststätte Seealpe ihre Bierzeltgarnituren mit einem Abzieher trocknete und sie mit karierten Tischdecken bedeckte. Darauf platzierte sie einen Aschenbecher und einen mit Messern, Gabeln und Löffeln bestückten Steinkrug sowie die Speisekarte. Die großen roten Sonnenschirme wurden bei dem Wetter nicht gebraucht. Durch das aufgeschobene Kabinenfenster konnte Thomas die stille, würzige und nach Heu und Kuhscheiße duftende Morgenluft genießen. Die Ruhe würde bald vorbei sein, wenn die ersten Touristen ihren Frühstückstisch im Hotel verließen und wie die Kühe vor dem abendlichen Melken an der Talstation anstanden. Dann bevölkerten sie wie jeden Tag und trotz des schlechten Wetters das Nebelhorn mit Kinderwagen, Trekkingstöcken, Bergstiefeln und leider auch Flipflops und fielen wie die Heuschrecken in die Gastronomie am Berg ein.

Nach einem kleinen Fußmarsch entlang des neu erbauten Speicherteichs, der für die künstliche Beschneiung hier an der Seealpe angelegt war, erreichten die Monteure ihren Arbeitsplatz. Neben den bereits betonierten und verschraubten unteren beiden Teilen der neuen Stütze Drei lagen das letzte Stützenrohr und die Rollenbatterien.

»Das sollten wir heute trotz des Wetters schaffen. Den Heli brauchen wir nicht, da reicht unser Kran«, meinte Thomas und goss sich aus seiner neu erworbenen Überlebens-Thermoskanne einen dampfenden Kaffee ein.

»Da kommen die anderen, dann können wir ja endlich loslegen.« Markus identifizierte die schemenhaft aus dem Nebel heraustretenden Gestalten als ihre vier Kollegen, die von ihrer Unterkunft oben am Höfatsblick mit dem Geländewagen runter zur Baustelle gefahren kamen. Nach einer kurzen Morgenbesprechung, die sie neuerdings »Daily« nannten, stiegen Thomas und Markus die Stützenleiter hinauf. Ihr Projektleiter Andreas Gruber war ganz versessen auf diese neuen agilen Projektmethoden wie das »Daily«. Thomas und Markus waren eher der Meinung, dass man die Zeit nach dem Projektabschluss nicht mit umfangreichen Retrospektiven verbringen musste. Statt sich mit dem x-ten Feedback zu beschäftigen, sollte man ohne Umschweife wieder zur Tat schreiten. Ihr Motto war: »Einfach machen«. Thomas kletterte die Leiter hinauf und bemerkte, dass die Sprossen des unteren Teils sich beim Besteigen anders anhörten als sonst.

»Wir sollten gleich noch mal nach der Verschraubung schauen«, sagte er und schaute zu Markus, der zustimmend nickte. Nach weiteren zwanzig Sprossen kamen beide am oberen Ende der Stütze an.

»Hey, was hast du da?«, rief Thomas seinem Kollegen zu und zeigte auf die roten Abdrücke auf seinen ansonsten strahlend weißen Handschuhen. »Hast du dich verletzt?«

Markus zog die Handschuhe aus, um sich seine Hände genauer anzusehen.

»Organisiert schon mal den Verbandskasten aus dem Jeep, hier oben besteht gerade Gefahr für Leib und Leben«, rief Thomas grinsend seinen Kollegen zu, die unten den Kran und die zu montierenden Teile vorbereiteten.

Markus betrachtete seine Handschuhe: »Das könnte Blut sein, aber an meinen Händen ist alles o. k. Hat da jemand Blut auf die Sprossen geschmiert?«

»Hier, da kommt es her!«, meinte Thomas und zeigte auf den Rand der kreisrunden hohlen Stahlstützen. »Rundherum eingetrocknetes Blut, der komplette Rand ist voll damit.«

»Was ist denn los?«, rief ein Kollege von unten und wedelte mit dem Verbandskasten.

»Markus ist nicht verletzt! War ein Spaß! Wir schauen uns das hier genauer an«, rief Thomas zu seinen Kollegen hinunter. Das eingetrocknete Blut zog sich wie ein Schmierfilm ins Innere der Röhre, bis die Dunkelheit es verschluckte. Thomas zog eine Taschenlampe aus seiner Multifunktions-Handwerkerhose und leuchtete in das Innere der Röhre. Tief unten war nur etwas Fellartiges zu sehen. Schnell war den beiden klar, dass sich ein Tier an der Röhre verletzt haben und hineingefallen sein musste. Doch wie sollten Sie da nun herankommen? Der Haken ihres Krans konnte dabei nicht helfen. Wenn sie das Tier bergen wollten, musste die obere der beiden Stahlröhren noch mal abmontiert werden.

»Da wird Andreas nicht begeistert sein«, rief einer der Kollegen von unten. Er hatte den Projektleiter schon vor seinem inneren Auge, wie er hektisch zur Baustelle kam, um sich zu erkundigen, wie es zu einer solchen Verzögerung kam. »Es hilft ja nix, wir können so nicht weitermachen. Vielleicht lebt das Tier ja noch«, rief Thomas hinunter, stieg einige Sprossen hinab und begann die Muttern zwischen der ersten und zweiten Röhre zu lösen. Die zweite Röhre wurde an den Haken des Krans gehängt. Nachdem die Muttern gelöst waren, löste sich die stabile Verbindung zwischen den beiden Stützen. Langsam wurde die obere Röhre von der unteren entkoppelt und nach oben gezogen. Plötzlich wurde es still. Selbst die Kuhglocken hörten die beiden nicht mehr. Markus und Thomas standen regungslos auf den Sprossen der unteren Stütze und blickten auf das, was die meterhohe hohle obere Stütze freigegeben hatte. Es war kein Fell. Es war kein Tier. Es war …

»Verdammt, das ist ein Kopf. Das ist der Kopf eines Menschen«, flüsterte Markus kaum hörbar in den Morgennebel.

»Das war ein Kopf«, antwortete Thomas, der sich wieder fasste und die Entdeckung genauer betrachtete. Es war nicht nur ein Kopf, der in der Röhre steckte, es war eine ganze Leiche. Sie blickten in ein blasses blutleeres Gesicht eines Mannes, dessen Augen ins Nirgendwo schauten. Mit dem getrockneten Blut im Gesicht des Toten bot sich ein grausiger Anblick, der schlimmer zu ertragen war als die Klausenmasken, die jedes Jahr zum Klausentreiben auf den Straßen des Allgäus zu sehen waren.

Mittlerweile hatte die Nebelhornbahn einige Ladungen Touristen an der Station Seealpe ausgespuckt. Die Ströme verteilten sich nach dem Stationsausgang wie folgt: Ein Viertel stieg von der Seealpe ab ins Tal, um sich beim örtlichen Metzger die Leberkäsesemmel zur Mittagsjause zu sichern. Ein weiteres Viertel machte einen kurzen Spaziergang über die Wiesen. Einige wenige wagten sich an den Aufstieg in Richtung Höfatsblick und zum Gipfel, und fast die Hälfte aller Bergauffahrer bevölkerte sofort die Gaststube der Seealpe, um sich nach der anstrengenden Auffahrt mit der Seilbahn zu erholen und sich mit dem ersten Hopfengetränk des Tages zu erfrischen.

Die ersten Wiesenspaziergänger erreichten die Baustelle mit den schockierten Monteuren der Firma Luggi. Notdürftig hatten sie den Kopf der Leiche mit einer Plane bedeckt und den Bereich mit Flatterband mit der Aufschrift »Mit uns geht es bergauf, wir bauen für Sie« abgesperrt. Ein beigefarben angezogener Tourist mit seiner beigefarben angezogenen Frau und mit umgehängter in Plastik eingepackter Wanderkarte und ebenso beigefarben-karierter Flatcap erkundigte sich, was denn hier los sei. Bevor die Monteure dem Ehepaar eine Antwort geben konnten, legte jemand von hinten eine Hand auf die beigefarbene Überlebensweste des Touristen. »Hier gibt es nichts zu sehen. Bitte gehen Sie einfach weiter«, sagte der Mann, der mit dem Geländewagen der Polizeiinspektion Oberstdorf am Tatort angekommen war. Mürrisch setzten die beigefarbenen Touristen ihren Weg fort, und bald waren die Geräusche ihrer klickenden Trekkingstöcke hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden. Der Polizist wandte sich an die Monteure: »Grüß Gott, mein Name ist Leopold Geiger, Kripo Kempten. Ich warte auf meine Kollegin Anna Zähler und auf die Spurensicherung, und dann legen wir los. Vielen Dank, dass Sie den Tatort, so gut es ging, abgesperrt haben.«

Plötzlich hörte er ein reibendes, quietschendes Geräusch, verbunden mit einem vulgären Wortausbruch. Kurz darauf hielt ein Mini-Cabrio im schicken Braun-Metallic hinter ihnen.

»Dass so eine hübsche junge Dame solche bösen Worte kennt!« Leopold ging auf Anna zu, die aus ihrem Cabrio ausstieg und wütend die Türe zuschlug.

»Kreuzkruzifix, diese elenden Wanderwege«, schimpfte Anna und warf ihre blonden langen Haare nach hinten.

» … die nicht für deinen Mini gemacht sind«, entgegnete Leopold und grinste.

Beide Kommissare arbeiteten schon seit einiger Zeit zusammen bei der Kripo in Kempten und waren dienstlich ein gutes Team. Privat gingen die Interessen doch sehr weit auseinander. Während Leopold ständig mit seinem Wohnmobil in der Natur unterwegs war, um mit seinem Mountainbike neue Täler und Gipfel zu entdecken, parkte Anna ihren Mini am Wochenende lieber in der Nähe von angesagten schicken Boutiquen in der bayerischen Landeshauptstadt. Man konnte auch sagen: Schlamm trifft Schick. Jeden Montagmorgen im Präsidium hörten sie sich gegenseitig die Wochenenderlebnisse des anderen mit gerümpfter Nase an.

»Was haben wir hier?«, fragte Lukas Müller von der Spurensicherung in Kempten, der soeben am Tatort eingetroffen war. Er lief mit seinen zwei großen Koffern und seinen Assistenten unter dem Absperrband durch direkt zum Tatort.

»Hallo, Lukas, schön, dass du so schnell gekommen bist. Hatte dein fahrbarer Untersatz auch zu wenig Bodenfreiheit?«

»Ich verstehe nicht, was du meinst.«

»Anna ist mit ihrem Mini hier hoch, das hat nicht so gut geklappt. Keine so optimalen Straßenverhältnisse.«

»Kein Problem damit«, entgegnete Lukas. »Ich geh ja auch nicht in Shorts zum Skifahren. Immer das passende Equipment dabei«, sagte er und zeigte auf seinen neongrünen Geländewagen.

»Aber nun Spaß beiseite«, entgegnete Leopold und wechselte von einem auf den anderen Moment vom Spaßvogel in den Ermittlungsmodus. Eine Fähigkeit, um die er von seinen Kollegen immer bewundert wurde.

»Wann haben Sie die Leiche entdeckt?«

»Vor etwa einer Stunde, wir dachten zuerst, es wäre ein Tier.«

»Dafür sieht es aber sehr menschlich aus«, entgegnete Lukas, der mit Überziehschuhen auf den Sprossen stand und die Plastikplane zur Seite zog.

Thomas und Markus berichteten, wie es zum Leichenfund gekommen war.

»Haben Sie sonst irgendetwas Auffälliges bemerkt?«, wollte Anna wissen, die mit ihren schicken weißen Sneakers direkt neben einem frischen Kuhfladen stand.

»Nein, wir sind in aller Früh hier hoch. Neben den Angestellten der Bergbahn und der Wirtin der Gaststätte dort unten haben wir bis eben keine Menschenseele gesehen.«

Nachdem Lukas Müller und sein Team die ersten Spuren sichergestellt hatten, wurde der leblose Körper des Mannes aus seinem Gefängnis befreit und auf die nasse Wiese gebettet. Der Anblick war schlimmer als vermutet. Die Leiche hatte ein breites, gurtähnliches Band um den Hals. In der Körpermitte klaffte ein Loch in der Größe eines Zweieurostückes. Um diesen Krater war die Kleidung des Mannes blutrot verschmiert.

»Geht diese Stich- oder Schussverletzung durch den ganzen Körper?«, fragte Leopold und fing leicht an zu würgen.

»Jap«, antwortete Lukas, der den Mann mittlerweile in die Bauchlage gedreht hatte.

»Ist das die Todesursache?«, fragte Anna mit abgeklärtem und festem Blick.

»Wenn man daran nicht stirbt, woran dann?«, witzelte Lukas. »Aber Spaß beiseite, ich denke schon. Genau lässt sich das allerdings erst nach der pathologischen Untersuchung sagen.«

»Wie schätzt du den Todeszeitpunkt ein?«, fragte Leopold.

»Ich schätze, vor circa 48 Stunden, Genaueres kann ich auch hier noch nicht sagen. Packen wir ihn ein. Der Tatort bleibt bis auf Weiteres abgesperrt.«

»Der Mann hatte keine Papiere dabei. In den letzten Tagen ist in Deutschland kein Mann in diesem Alter als vermisst gemeldet worden«, stellte Anna fest, nachdem sie mit dem Kommissariat in Kempten über ihre Bluetooth-Verbindung des unterbodenverbeulten Mini telefoniert hatte.

»Lass uns mit der Wirtin der Seealpe und dem Bahnpersonal sprechen, danach fahren wir erst mal zurück ins Büro. Willst du den Mini mit dem Heli abholen lassen, oder wagst du den Ritt zurück ins Tal?«, fragte Leopold und erntete einen bösen Blick. Seine Scherzmunition war wohl für heute verschossen.

Wenig später betraten sie die Gaststube der Seealpe, wo die Wirtin das Allgäuer Hell aus einem großen Messingzapfhahn in die bereitstehenden Gläser füllte.

»Leopold Geiger, Kripo Kempten. Das ist meine Kollegin Anna Zähler. Wir haben ein paar Fragen an Sie.«

»Solange Sie hier keine Strahlenmessung vornehmen wollen.«

»Wie bitte?«, fragten Leopold und Anna im Chor.

»Ja, mit Ihren Nachnamen. Geiger und Zähler, also Geigerzähler«, witzelte die Wirtin und zapfte in Ruhe weiter.

So hatte die Nachnamen der beiden bisher keiner kombiniert, dachte sich Leopold. Eigentlich eine schöne Verbindung.

Die Wirtin rief eine Kollegin zu Hilfe und setzte sich mit ihnen an einen der massiven Tische, wo die lokalen Bauern in früherer Zeit ihr gemeinsames Feierabendbier genossen hatten, sobald das Vieh in den Ställen versorgt war.

»Ist Ihnen in den vergangenen Tagen hier auf der Seealpe etwas Verdächtiges aufgefallen?«, fragte Anna und spielte mit den Bierdeckeln, die in Stapeln auf den Tischen lagen.

»Ja, dass die Touristen in den letzten Tagen immer mehr werden und dass dies für meinen Umsatz sehr gut ist. Nur für die Natur und die Tiere ist das eher schlecht. Die Kühe sind nervös und geben weniger Milch.«

»Das meinte ich jetzt nicht«, entgegnete Anna und präzisierte ihre Frage. »Gab es etwas, was Ihnen verdächtig vorkam? Also: fremde Autos? Fremde Menschen, die nicht nach Touristen aussehen? Besondere Geräusche oder Ähnliches?«

»Ja, die Monteure, die die neue Bahn bauen. Die sind mit fremden Autos da, und Krach machen sie den ganzen Tag.«

Anna wurde etwas ungehalten und formulierte mit scharfem Ton: »Liebe gute Frau. Wir haben hier oben auf der Seealpe eine Leiche gefunden, und es wäre sehr nett, wenn Sie konkret überlegten, ob Sie uns aufgrund dieser neuen Information etwas mitteilen können, was auf Sie verdächtig gewirkt hat.«

Das hatte gesessen. Die Wirtin saß kerzengrade auf ihrem Stuhl, und ihre Augen bewegten sich schnell nach links und rechts.

»Was, eine Leiche? Auf der Seealpe?«, flüsterte sie. »Lassen Sie mich überlegen. Nein, da war wirklich nichts Außergewöhnliches.«

»Ist nachts jemand hier oben?«

»Nein, sobald die Gäste ins Tal aufbrechen und die Bahn Betriebsschluss hat, ist es auf der Alpe menschenleer. Auch wir fahren dann mit den Autos ins Tal.«

»Man kann sich also nachts unbemerkt hier aufhalten, ohne dass es jemand mitbekommt?«

»Ja, es sei denn, ein Jäger ist unterwegs. Doch in der Hauptwandersaison ist das Wild eher scheu, und der Jäger bekommt sowieso nichts vor die Flinte.«

»Gibt es eine Überwachungskamera, die den Bereich hier oben erfasst?«

»Die Nebelhornbahn hat Kameras an den Stationen und an den Stützen angebracht, ich weiß allerdings nicht, welchen Bereich sie abdecken.«

»In Ordnung, das fragen wir bei der Bahn nach. Vielen Dank für die Auskünfte und einen schönen Tag.«

»Gerne. Servus!«, sagte die Wirtin und verschwand wieder hinter dem Tresen.

Die beiden Strahlenmesser gingen die paar Meter in Richtung Bergbahnstation Seealpe, wo sie am Zugang zur Berg- und Talfahrt auf einen Mitarbeiter trafen, der gerade leere Bierfässer auf einer Palette stapelte.

»Fahrt ihr das ganze Zeug mit der Bahn hin und her?«, fragte Leopold.

»Es ist die einzige Möglichkeit. Die Fahrstraße zum Höfatsblick ist so steil, da kommt ein geländegängiger LKW kaum hoch. Das ist im Winter eine der schwersten Abfahrten hier im Skigebiet. Das sagt schon alles, oder?«, entgegnete der Bergbahnführer und arbeitete unbeirrt weiter.

»Mein Name ist Leopold Geiger, Kripo Kempten, das ist meine Kollegin Anna Zähler. Wir hätten ein paar Fragen an Sie.«

»Aha, ja dann mal los.«

»Hier auf der Seealpe gab es einen Todesfall, und wir möchten wissen, ob Sie in den letzten Tagen etwas Auffälliges beobachten konnten.«

»Das ist ein Scherz, oder? Wissen Sie, wie viele Menschen hier am Tag unterwegs sind? Die laufen hier herum wie wild gewordene Hühner, um den besten Platz in der Bahn zu bekommen. Auf diese Menschen müssen wir aufpassen, da kriegen wir sonst kaum was mit.«

»Und bei denen, auf die Sie ›aufgepasst‹ haben, gab es dort etwas Ungewöhnliches, woran Sie sich erinnern können?«

»Ja, da war so ein depperter Japaner mit einem Gewehr. Das war eine Geschichte. Der hatte tatsächlich in einem Blog über das Nebelhorn gelesen, dass man hier heroben Gämsen jagen kann, und das ohne Erlaubnis und Waffenschein. Ein total durchgeknallter Typ war das. Er hat dann seine Waffe im Tal in einem Spind gelassen und wollte sie später wieder abholen. Hat sich dann für das Wandern entschieden.«

»Haben Sie die Personalien des Mannes registriert?«

»Ja, das machen wir in solchen Fällen immer, falls dann doch mal was passiert.«

»Prima. Bevor Sie uns die Daten geben: Gibt es hier auf der Station Überwachungskameras?«

»Ja, eine hängt am letzten Mast vor dem Stationsgebäude.«

»Was zeigt Sie genau?«

»Kommen Sie mit, ich zeig es Ihnen direkt«, antwortete der Bergbahnführer und führte sie in den Leitstand der Bahn. »Hier, schauen Sie selbst.«

Das Bild zeigte die Station Seealpe vom Tal aus. Auf der linken Seite des Bildausschnitts konnte man den Schlepplift erkennen und am rechten Rand die Seealpe mit ihrer großen Terrasse. Direkt hinter der Terrasse führte der Fahrweg in Richtung Höfatsblick, auf dem Weg dorthin lag die Baustelle mit dem Stützenbewohner.

»Wie lange zeichnet die Cam auf?«, wollte Anna wissen und tippelte mit ihren Schuhen auf dem Riffelblechboden.

»Achtundvierzig Stunden«, entgegnete der Bergbahnführer, »wegen Vandalismus und Diebstahl.«

»So etwas passiert hier oben am Berg? Können Sie uns die Aufnahmen mitgeben?«

»Klar, ich kann sie auf einen USB-Stick ziehen und Ihnen mitgeben, habe zufällig einen dabei. Da sind wohl Bilder von unserem letzten Urlaub drauf, hätte ich also gerne wieder.«

Da bin ich aber gespannt, dachte Anna und lächelte innerlich. Ein wenig Stalking brachte Freude in den Polizeialltag.

Die Befragung rund um die Seealpe brachte zunächst keine weiteren Erkenntnisse, und so fuhren der Polizei-Touareg, der neongrüne Geländewagen und der Mini im Konvoi zurück ins Tal. Anna bemerkte nicht, dass ihr Auto auf der Rückfahrt über den Forstweg Kühlwasser verlor. Der Ausflug ins Gebirge hatte bei dem tief liegenden Mini deutliche Spuren hinterlassen.

»Manfred, meinst du, wir tun das Richtige?«, fragte Bruno seinen Tischnachbarn in der urigen kleinen Bar in Vorderlanersbach, dem ersten Ort des Tuxertals, einem Seitental im hinteren Zillertal. Der Gefragte erwiderte nur ein fast lautloses, in Zillertaler Weizenbier hineingebrummtes »mmh« und nahm einen großen Schluck aus seinem fast vollen Glas.

»Das war die beste Entscheidung, die wir für unser Tal seit langer Zeit getroffen haben«, antwortete er und trank erneut von dem naturtrüben, aus Gebirgsquellwasser gebrauten Hopfengetränk.

»Der Gletscher geht immer weiter zurück. Bis zum Tuxer Fernerhaus geht der Gletscher in den nächsten Jahren nicht mehr runter. Das Eis hält nur bis auf 3 000 m. Da spielt sich dann der ganze Skizirkus ab. Mit dieser Investition machen wir das Skigebiet Hintertuxer Gletscher zukunftssicher und bringen eine weitere tolle Attraktion für den Sommertourismus.«

»Das wird vielen aus dem Tal nicht gefallen«, entgegnete Bruno, der sich eine neue Flasche Schwarzbier bestellte. »Die Bergsteiger und Bergführer, die im Sommer auf den Olperer wollen, werden das nicht gut finden.«

»Wegen den paar Wahnsinnigen lassen wir uns doch nicht unsere Visionen kaputt machen. Sollen sie doch meckern. Die werden schon sehr staunen, was sie demnächst mit den Touristen verdienen können, die den Bergführer dann für die letzten Meter bis zum Gipfel buchen«, gestikulierte Manfred.

»Hoffentlich gibt es keinen Stress mit dem Vergabeverfahren. Langsam wird es unglaubwürdig, dass immer die Firma Luggi den Zuschlag bekommt.«

»Nur nicht nervös werden. Deine Frau wird sich freuen, wenn sie endlich die Bäder der Gästezimmer renovieren kann, damit die Buchungen nicht ausbleiben.«

Die beiden tranken ihr Bier aus und verließen die Bar. Sie knöpften ihre Trachtenjacken zu und gingen durch die kalte klare Nacht in Richtung der kleinen Kirche, die direkt an der Hauptstraße lag, die unten vom Zillertal in Mayrhofen bis zum Ende des Hochtales am Hintertuxer Gletscher führte. Die Temperaturen waren für diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich. In diesem Hochtal auf 1400 m Seehöhe wurde es auch nachts sehr kalt, obwohl es Sommer war.

In dieser klaren Vollmondnacht hätten sie eine Gestalt wahrnehmen können, die sich vor der Gaststätte versteckte und ihnen im Schatten der vielen alten Bauernhäuser und Hotels in Richtung des kleinen Bachs folgte, der sich, von Gletscherwasser gespeist, durch das ganze Tuxertal schlängelte.

Anna Zähler trat mit ihren Sneakers gegen die prallen Mini-Reifen. Nahe der Nebelhorn-Talstation schlug das Fahrzeug Alarm, weil es zu heiß wurde. Die zur Kühlung benötigte Flüssigkeit war auf der gesamten Strecke von der Seealpe zurück ins Tal vom Forstweg absorbiert worden. Die Kollegen der Oberstdorfer Polizei schleppten den Mini mit ihrem Geländewagen zu einer Werkstatt, die sich um die Reparatur des Unterbodenschadens kümmern sollte.

»Fährst du nun mit mir zurück?«, fragte Leopold und zeigte auf seinen verrosteten Fiat Panda.

Mit gerümpfter Nase zog Anna an der Tür, die sich quietschend öffnete. Bevor sie einsteigen konnte, flogen ihr einige leere Dosen und Flaschen entgegen. Nachdem der Fiat diese ausgespuckt hatte, war der Beifahrersitz noch immer nicht komplett zu sehen, doch Anna fand mit ihrer schlanken Figur ausreichend Platz in Leopolds Rostlaube.

»Ich habe halt wenig Zeit und Bock, die Karre aufzuräumen. Du solltest mein Wohnmobil sehen, da kann man vom Boden essen.«

»Wer´s glaubt«, entgegnete Anna und zog angewidert an dem Gurt, der eingetrockneten Ketchup vom letzten Besuch bei der Systemgastronomie zu bieten hatte. Das Auto kannte wohl weder Außenwäsche noch Innenreinigung.

Diese Zuwendung bekam nur Leopolds Wohnmobil, welches er über alles liebte. Wenn er an den Wochenenden in den Bergen unterwegs war, genoss er die Freiheit, die Einsamkeit und die Natur. Mit dabei war immer sein Hardtrail-Mountainbike, natürlich ohne E-Antrieb, mit dem er über Stock und Stein die Welt erkundete. Nach dem Ausritt stand es dann meistens matschverschmiert neben dem kleinen Gasgrill, auf dem ein feines Stück Fleisch auf seinen Garpunkt wartete, um dann gemeinsam mit einem guten Allgäuer Bier den Weg in seinen Magen zu finden. Das war seine Leidenschaft. Autoputzen eher nicht. Das Kontrastprogramm brauchte er zum Runterkommen. Die Polizeiarbeit erledigte er sehr gewissenhaft und konzentriert, aber am Wochenende brauchte er einen Ausgleich. Anna Zähler und die Kollegen des K9 in Kempten beneideten ihn oft um seine Aufklärungsquote und um die Geschwindigkeit, mit der er die Fälle löste. Leopold ahnte nicht, dass der gute Lauf mit diesem Fall vorerst beendet war.

Gegen Mittag waren Anna und Leopold zurück im Kommissariat in Kempten. Sie parkten das Auto auf dem Hof.

»Hast du Lust auf eine Leberkäsesemmel und einen kurzen Spaziergang?«, fragte Leopold und schloss das Auto ab.

»Klauen wird dein Auto keiner, Leopold, das Abschließen kannst du dir sparen.« Anna klopfte sich demonstrativ den nicht vorhandenen Dreck von ihren Jeans. »Nee, also Leberkäsesemmel geht gar nicht. Weißt du, wie fettig das ist? Ich komme gerne mit und hole mir einen Salat.«

Sie gingen bei der Metzgerei Ludwig neben dem Kommissariat vorbei, wo sich Leopold eine doppelte Leberkäsesemmel mit Senf einpacken ließ. Danach hielten sie an einem Laden namens »Green Food«, wo Anna sich begeistert einen Salat aus verschiedensten Zutaten aus rein biologischem Anbau bestellte und stolz mit einer Pappschachtel und einer Holzgabel auf die Straße trat. Leopold fragte sich, wie man so einen Salat unfallfrei essen sollte. Diese großen grünen Salatblätter bekam man doch gar nicht gebändigt. Er verkniff sich jedoch jeden Kommentar. Die beiden nahmen eine der letzten Bänke am Ufer der Iller und breiteten ihr Mittagessen auf dem Schoß aus.

»Wer kommt wohl auf die Idee, einen Mann in eine Seilbahnstütze zu verfrachten? Es gibt doch weiß Gott andere Möglichkeiten, um eine Leiche loszuwerden.« Anna zerlegte das erste Riesen-Salatblatt mit ihrer ökologischen Holzgabel.

»Irgendeinen Zweck wird es für den Mörder gehabt haben. Vielleicht hängt der Mord irgendwie mit dem Neubau der Bahn zusammen«, antwortete Leopold und biss ein großes Stück seiner lauwarmen Leberkäsesemmel ab. »Wir versuchen gleich erst mal, die Identität des Opfers herauszufinden. Vielleicht kommen aus der Gerichtsmedizin noch ein paar Ansatzpunkte, die uns dabei helfen.«

»Kampft du mir mol hölfen!«

Es war mehr als komisch. Anna hielt die rutschige Salat-Pappschachtel mit beiden Händen fest, und aus ihrem Mund hing ein gewaltiges Salatblatt mit weißer Salatsoße, die nach und nach auf ihr dunkelblaues Shirt tropfte und dort hässliche Flecken hinterließ. Leopold nahm die Holzgabel und schob das Riesen-Salatblatt nach und nach in ihren Mund. Dabei betrachtete er ihre Lippen, zwischen denen das Salatblatt schließlich verschwand. Er nahm eine seiner Servietten und tupfte ihre Lippen damit ab. Anna war eine sehr attraktive Kollegin, die regelmäßig die Blicke der Männer im K9 auf sich zog. Er hatte sich jedoch nie für sie interessiert. Sein Motto war immer: »Bloß nichts mit Kollegen anfangen.«

»Danke für die Rettung«, sagte sie und versuchte, weitere Salatblätter auf ihre Gabel zu bringen.

Der Uferweg an der Iller führte sie zurück zum Polizeipräsidium, wo Kollege Lukas Müller schon auf sie wartete. »Wo wart ihr denn?«, fragte er und deutete auf die Flecken auf Annas Shirt. Ihr Kopf wurde ähnlich rot wie die biologischen Tomaten, die sie eben mit dem Salat verspeist hatte.

»Green Food«, eilte Leopold ihr zu Hilfe und schaute in das verdutzte Gesicht von Lukas Müller.

»Aha«, entgegnete dieser und zog die Augenbrauen hoch. »Ich habe erste Ergebnisse aus der Gerichtsmedizin für euch.«

»Lass hören«, sagte Anna und setzte sich mit den beiden Männern vor den großen E-Flipchart, der gerade vom Leiter des K9 angeschafft worden war. Hierauf konnte man Bilder und Videos zeigen, aber auch darauf malen und zeichnen, um die Verflechtungen und Querverbindungen in einem Kriminalfall nachzuvollziehen. Lukas Müller zeigte Detailaufnahmen der Leiche aus der Seilbahnstütze.

»Der Tod muss vor etwa zwei bis drei Tagen eingetreten sein, der Verwesungsprozess war schon sehr weit fortgeschritten.«

»Ist er so lange auch schon in dieser Stütze gewesen?«, fragte Leopold und betrachtete die Fotos von Nahem.

»Nein, die Druckstellen deuten darauf hin, dass er vermutlich erst vor sechs bis zwölf Stunden dort hineingelegt wurde.«

»Was war die Todesursache?«

»Auf jeden Fall die Stichverletzung. Ein Gegenstand mit roter Farbe hat seinen Brustkorb durchstochen. Ich habe rote Farbpigmente an der Einstichstelle gefunden. Und noch etwas Interessantes.«

»Seinen Personalausweis?«, fragte Leopold und blickte hoffnungsvoll zu Lukas Müller.

»Zirbelkiefernadeln, ein paar wenige Zirbelkiefernadeln in der rechten Hosentasche.«

»Zirbelkiefernadeln? Von der Zirbelkiefer? Die wachsen bei uns gar nicht.«

»Stimmt, schlaues Kerlchen«, entgegnete Lukas Müller, »sie wachsen am liebsten in einer Höhe von 1500 m bis 2500 m. Es gibt sie auch schon ab 1300 m und bis maximal 2850 m Höhe. Aber auf keinen Fall im Allgäu.«

»Na, das ist ja zumindest schon mal ein Hinweis. Allerdings gibt es im Alpenraum viele Gebiete, wo diese Kiefer wächst, und auch in der Hohen Tatra findet man diese Baumart.«

»Was du alles weißt«, entgegnete Anna.

»Wenn man viel in der Natur unterwegs ist und sich nicht nur in asphaltierten Großstädten aufhält …«, stichelte Leopold. »Wir sollten unsere Kollegen in der Schweiz, in Österreich, in Polen und der Slowakei kontaktieren, ob es dort vermisste Personen gibt, die zu unserem Opfer passen.«

»Ich kümmere mich trotz deiner Unverschämtheit«, entgegnete Anna und verschwand hinter einem Monitor.

»Gewitterwolken am Himmel?«, fragte Lukas Müller.

»Nein, alles o. k.«, entgegnete Leopold und informierte Lukas Müller, was sie an der Seealpe herausgefunden hatten. Er übergab ihm die Personalien des Japaners, den der Bergbahnführer in Oberstdorf davon überzeugt hatte, mit seinem Gewehr nicht in die Gondel einzusteigen, und den USB-Stick mit den Aufnahmen der Überwachungskamera.

»Ich mache mich gleich an die Arbeit. Hoffentlich ist etwas Verwertbares dabei. Ohne Identität und ohne den kleinsten Hinweis wird es schwer.« Lukas Müller strich sich mit der Hand über die Stirn und machte sich an die Arbeit.

Wenige Minuten später hatte Anna einen konkreten Hinweis auf eine vermisste Person in den Tuxer Alpen. »Gestern wurde ein Herr Ludwig Klausner als vermisst gemeldet. Seine Ehefrau hat die Vermisstenmeldung bei der Polizeiinspektion in einem Ort namens Mayrhofen angezeigt. Die Personenbeschreibung passt exakt zu unserem Opfer.«

»Treffer! Danke, Anna, gute Arbeit.« Leopold freute sich über diesen ersten brauchbaren Hinweis, der sein Kommissargehirn mit neuer Energie befeuerte. »Wir müssen nach Tux.«

»Wohin? Und wer, wir?«, fragte Anna.

»Na klar, wir beide, wer sonst«, entgegnete Leopold und erklärte, wo sich dieses »Tux« befand. »Wir müssen Richtung Füssen, über den Fernpass nach Innsbruck, dann später vom Illertal abzweigend in das Zillertal und dann ganz bis zum Ende durchfahren bis Mayrhofen. Dann weiter in ein Hochtal nach Tux.«

»Aha, großartig …« Anna Zähler war überhaupt nicht begeistert von der Ausflugsidee ihres Kollegen. In diese abgelegene Bergwelt wollte sie nun wirklich nicht, und vor allem nicht in dem rostigen Panda.

In diesem Moment klingelte ihr Handy, und die Autowerkstatt aus Oberstdorf meldete sich bei ihr. Das Ersatzteil wurde schnell geliefert und eingebaut, und ihr geliebter Mini war wieder fahrbereit.

Leopold Geiger hatte in der Zwischenzeit die Kollegen in Mayrhofen informiert und ihren Besuch im Zillertal angekündigt. Er entschied sich dazu, mit seinem Wohnmobil zu fahren. Die Ermittlungsarbeit dürfte einige Tage dauern, und er wollte nicht in einer stickigen Frühstückspension übernachten. Ein Hotel kam auch nicht infrage. Die hohen Übernachtungspreise wurden vom Leiter des K9 eh nicht bewilligt.

»Möchtest du mit mir fahren?«, fragte er seine Kollegin, nachdem sie ihr Telefonat mit der Werkstatt beendet hatte.

»Ja, gerne, aber nur bis nach Oberstdorf. Von da an fahre ich allein weiter in dieses Tux. Ich packe zu Hause ein paar Sachen, und dann können wir los.«

»Wer nicht will, der hat schon«, dachte sich Leopold. Vielleicht war es jedoch gar nicht so schlecht, ein kleines wendiges Auto zusätzlich vor Ort zur Verfügung zu haben. Eine Verfolgungsjagd mit einem Wohnmobil war eher schwierig.

Nachdem er den rostigen Panda gegen sein sauberes Wohnmobil getauscht hatte, wartete er kurz vor Annas Wohnung, bis sie mit zwei Reisetaschen, einem Rucksack und einem Beautycase vor ihm stand.

»Ich wusste gar nicht, dass du einen Anhänger an deinem Mini hast«, meinte Leopold grinsend.

»Ich …«, fing sie an und sprach nicht weiter, sondern lud ihre Reiseutensilien in die Heckgarage des Wohnmobils.

Schweigend saß sie nun neben ihm und blickte zum Seitenfenster raus. Hatte er wieder etwas übertrieben? Sicherheitshalber sagte er nun nichts mehr und fuhr aus der Stadt Kempten hinaus, um heute erneut auf die B19 Richtung Oberstdorf zu fahren.

Anna, die den ganzen Weg kein weiteres Wort mit ihm gesprochen hatte, stieg am Autohaus aus und bezahlte am Serviceschalter ihre Rechnung. Danach trat sie an sein Seitenfenster.

»Ich wusste gar nicht, dass du so ein spießiges Rentner-Opa-Wohnmobil fährst«, warf sie ihm hin und dann ihren Kopf zur Seite, und die blonden langen Haare wehten wie in Zeitlupe um sie herum. Sie stolzierte wie ein Model auf dem Laufsteg zu ihrem Mini, was durchaus nett anzusehen war, stieg ein, schlug die Tür zu und verschränkte die Arme. Diese Bewegungen verrieten die aktuelle Stimmung von Anna Zähler.

»Oha«, dachte Leopold und stieg von seinem Fahrersitz. Er ging zum Mini hinüber und klopfte an die Scheibe, die sich dann genau zwei Zentimeter öffnete. »Es tut mir leid, es war nicht so gemeint. Das kommt nicht wieder vor.«

»Hoffentlich, sonst kannst du allein in dieses ›Tux‹ fahren. Ich suche schon mal eine Unterkunft, wenn ich dort angekommen bin. Bestimmt bin ich etwas eher da als du. Gibst du mir bitte noch die Adresse der Polizeiinspektion, dann können wir uns dort treffen.« Anna schätzte, dass ihr Mini die rund 300 Kilometer schneller hinter sich bringen würde als dieses alte und schwere Wohnmobil.

Leopold lud Annas Koffer um und gab ihr die Adresse.

Beide fuhren nun hintereinander her auf der B19 in Richtung Kempten, um auf die A7 in Richtung Fernpass zu kommen. Als sie die Autobahnauffahrt erreicht hatten, gab Anna Gas. Schnell war sie außerhalb der Sichtweite von Leopold, der gemütlich auf der rechten Spur durch die Allgäuer Landschaft tuckerte. Eine Geschwindigkeit von mehr als 110 Kilometern pro Stunde machte mit dem Mobil keinen Spaß. Man konnte weder den Songs und Moderatoren von Antenne Bayern lauschen noch seine eigene Stimme verstehen, wenn der Tachozeiger die 110 überschritt. Außerdem war es so ein entspannteres Fahren, und man hatte die Möglichkeit, die saftig grünen Wiesen, die alten Bauernhöfe, die bewaldeten dunkelgrünen Berge, die schroffen Felsen und den weiß-blauen Sommerhimmel wahrzunehmen, ohne sich oder andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr zu bringen. Bei leicht geöffnetem Fenster wehte die würzige Allgäuer Bergluft um ihn herum, ein Grund, warum er die Region so liebte. So gerne er auch unterwegs war, um neue Länder kennenzulernen, so richtig zu Hause fühlte er sich nur in seinem Allgäu.

Nach einer Weile steuerte er langsam auf den Tunnel Füssen/Reutte zu, der die Grenze zwischen Bayern und dem Bundesland Tirol in Österreich markierte. Von Annas Mini gab es weit und breit keine Spur. Auf der Hälfte der Strecke am Fernpass wollte er sein Gefährt auftanken und mit einem Kaffee to go seine Fahrt fortsetzen. Als er die Passhöhe erreichte, entdeckte er Anna, die sich mit einem Kaffeebecher an ihren Mini-Cabrio anlehnte, die Beine überkreuzt von sich gestreckt hatte und die Nase mit Sonnenbrille gen Himmel richtete. Als er fertig getankt und bezahlt hatte, fuhr er direkt neben sie, hielt an und öffnete das Beifahrerfenster. »Na, hat alles geklappt bisher?«, fragte er grinsend und schlürfte seinen Kaffee.

»Könntest du diese Klapperkiste bitte ausmachen, ich sterbe sonst an einer Abgasvergiftung«, entgegnete Anna und wedelte mit der freien Hand vor ihrem Gesicht. »Die vielen Serpentinen machen mich wahnsinnig, da wird einem ja ganz schlecht.«

»Alpen pur. Nach München geht es nur langweilig geradeaus. Da erlebt man nicht so eine schöne Strecke wie in dieser wundervollen Natur«, antwortete Leopold und versuchte, es nicht allzu spöttisch klingen zu lassen. Er wusste, dass Anna jede freie Minute nutzte, um München einen Besuch abzustatten.

»Ich bin froh, wenn ich gleich wieder auf der Autobahn bin. Diese Strecken sind echt nix für mich.«

Tatsächlich sah sie etwas blass um die Nase aus. Diese kleine Verletzlichkeit war Leopold von seiner Kollegin nicht gewohnt.

»Es sind nicht mehr viele Kurven bis unten, das schaffst du schon«, sagte er und strich ihr sachte über die Schulter. Sie machten sich wieder auf den Weg, um rechtzeitig vor dem Feierabendverkehr Innsbruck zu passieren.

Bald ließen sie den Fernpass hinter sich und wechselten auf die breite Autobahn Richtung Innsbruck. Hier fühlte sich Anna wohl besser. Sie gab Gas, überholte Leopold auf der linken Spur und brauste mit offenem Dach und wehenden Haaren davon.

Leopold genoss die Fahrt durch das breite Inntal und nahm schließlich die Ausfahrt Achensee/Zillertal, um auf die Bundesstraße einzubiegen, die ihn bis zum Talschluss nach Mayrhofen führte.

Das Zillertal war ein Tal, in dem Tradition und Moderne gut verbunden waren. Neben der Landwirtschaft lebten viele Talbewohner vom Tourismus, der mit dem Bau der Zillertalbahn bereits vor vielen Jahrzehnten Einzug hielt. Die Sommerfrischler kamen aus dem ganzen Land hierher. Das alpine Bergsteigen fand hier seine Geburtsstunde bereits zur Mitte des 20. J19. Jahrhunderts. Auch der Wintertourismus begann um das Jahr 1950 herum, als im hoch gelegenen Tuxertal die ersten Skilifte gebaut wurden. Der Hintertuxer Gletscher übte eine besondere Faszination auf die Touristen aus. Mächtig thronte er bis heute am Ende des Tuxertals auf mehr als 3 200 m Seehöhe.

Leopold war schon als kleiner Junge mit seinen Eltern hier im Sommerurlaub gewesen. Seitdem war er fasziniert von diesem Tal und besuchte es einige Male im Jahr mit seinem Camper. Kurz vor Mayrhofen gab es einen wunderschön gelegenen Campingplatz, der immer als Startpunkt für seine Ausflüge diente. Nach dreistündiger Fahrt tauchte der Bahnhof von Mayrhofen vor ihm auf. Nun war er fast am Ziel. Ein Sonderzug der Zillertaler Schmalspurbahn, mit einer alten Dampflok als Zugpferd, setzte sich neben ihm in Bewegung.

»Diese Verzögerung können wir uns nicht leisten«, meinte Projektleiter Andreas Gruber im Büro an der Talstation der Nebelhornbahn. »Wir müssen die Stützen und die neuen Stationen pünktlich vor dem ersten Frost fertig haben, sonst gibt das nichts mit dem Fahrbetrieb in der Wintersaison.«

»Was sollen wir denn machen, wenn die Kripo den Tatort nicht freigibt? Uns sind die Hände gebunden. Wir müssen das trotzdem schaffen«, entgegnete Alois Erdt, der Geschäftsführer der Oberstdorf-Kleinwalsertaler Bergbahnen. »Wir haben für die alte Bahn keine Revisionsarbeiten mehr geplant. Die Neue muss ab spätestens Heiligabend laufen.«

»Viele Ausfalltage können wir nicht verkraften«, entgegnete Andreas Gruber. »Wir haben einen engen Zeitplan, der kaum Puffer vorsieht.« Der Projektleiter stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab und schaute auf die Zeichnungen und den Ablaufplan zum Neubau der Bahn. »Der Tote sorgt auch nicht gerade für gute Publicity. So etwas hat es noch nie gegeben, ein Toter in einer unserer Seilbahnstützen. Das wird die Konkurrenz freuen. Bei den nächsten Ausschreibungen wird die Firma Einzelmayr diese Situation hier in Oberstdorf bestimmt mit in die Waagschale werfen, um den nächsten Auftrag zu bekommen.«

»Na ja, es kommt ja immer auf das Gesamtpaket an, nicht wahr, Andreas«, entgegnete Alois Erdt und grinste den Projektleiter verschwörerisch an. »Du wirst schon pünktlich fertig werden. Ich kümmere mich erst einmal um die Freigabe der Baustelle.«

Bruno und Manfred liefen über einen schmalen Fußweg durch die Wiesen zu einer Brücke, die über den Tuxbach führte. Sie wollten auf der anderen Seite des Baches zurück nach Lanersbach, wo ihre Bauernhäuser lagen. Im Schein weniger Laternen gingen die beiden nebeneinander über den Schotterweg.

»Ich könnte das Geld wirklich gut gebrauchen, ein schlechtes Gewissen habe ich wohl schon.« Er musste seine Weggefährten fast anschreien, um gegen das Getöse des Baches anzukommen.

»Nur keine Panik. Die Geldübergabe wird so geplant, dass keiner davon etwas mitbekommt und Verdacht schöpfen kann. Und die Erneuerung der Badezimmer zahlst du dann einfach in bar.«

»Aber wenn das rauskommt, dann sind wir dran.«

»Ich sag dir mal, wie wir es machen, vielleicht …«

Manfred stockte mitten im Satz. Er nahm einen Luftzug neben sich wahr, und im selben Moment krachte ein Brett mit voller Wucht gegen den Schädel von Bruno, der sofort zu Boden ging. Manfred versuchte zu verstehen, was passierte, und sah in das leblose Gesicht seines Kollegen. In diesem Moment schaute ihn im Halbdunkel eine Gestalt an. Während er überlegte, wer da vor ihm stand, die Gesichtszüge kamen ihm sehr bekannt vor, sah er aus dem Augenwinkel das Brett näher kommen. Den Schmerz spürte er schon nicht mehr, als dieses mit voller Wucht sein Gesicht zertrümmerte und er lautlos zu Boden ging. Beide spürten auch nicht mehr, wie sie über den Schotter zum Ufer des Baches gezogen wurden, und auch das Hineingleiten in das eiskalte Gletscherwasser ließ sie nicht mehr aufschrecken.

Stück für Stück wurden sie wie kleine Steine weitergetrieben, bis sie hinter der nächsten Biegung des Baches nicht mehr zu sehen waren. »Visionen habt’s jetzt keine mehr«, sagte der Angreifer leise zu sich selbst und verschwand auf einem kleinen Pfad, der neben dem Bach den Berg hinauf führte.

Leopold steuerte den einzigen freien Parkplatz an der Polizeiinspektion Mayrhofen an, die mitten in der Einkaufsstraße lag. Bevor er das Gebäude betrat, fiel sein Blick kurz noch mal auf die mächtigen Bergmassive um ihn herum. »Ein idealer Tag für eine ausgedehnte Wandertour«, dachte er, »wenn da nicht die Arbeit wäre.«

Anna war schon angekommen. Sie stand an der Empfangstheke und unterhielt sich mit einem jungen Beamten.

»Grüß Gott zusammen.« Leopold trat nun ebenfalls an den Tresen und gab dem Inspektor die Hand. »Leopold Geiger mein Name.«

»Vitus Meier, angenehm«, antwortete der schlaksige Tiroler Kollege. »Mein Chef müsste auch gleich da sein. Nehmen Sie doch gerne schon im Besprechungsraum Platz.«

»Vielen Dank. Wollen wir auf Ihren Chef warten, oder legen wir schon los?«

»Lieber warten, bitte. Mein Chef sieht es nicht so gerne, wenn er nicht von Anfang an in einen Fall involviert ist.«

»Sind Sie zu zweit hier in der Mayrhofener Wache, oder gibt es noch mehr Kollegen?«

»Nein, nur Herr Scheffler und ich. So viel Gewaltverbrechen oder andere Delikte gibt es hier nicht, das kriegen wir zu zweit gut hin.«

Die drei saßen nun wortlos an dem kleinen Besprechungstisch. Leopold blickte sich um. Die Polizeiinspektion war nicht sehr groß. Neben dem Empfangsraum und dem wirklich winzigen Besprechungsraum gab es noch eine kleine Teeküche und zwei Türen für die Bedürfnisse von Männlein und Weiblein, das war’s. Nicht zu vergleichen mit dem Kommissariat in Kempten.

»Wo wohnen Sie denn jetzt für die Zeit, wo Sie hier sind?«, fragte Vitus Meier in die Stille hinein.

»Ich habe mein Wohnmobil dabei«, antwortete Leopold und schaute aus dem Fenster dem Treiben in der Fußgängerzone zu.

»Ich habe leider noch keine Unterkunft gefunden. In der Hauptsaison scheint hier mächtig was los zu sein.«

Leopold bemerkte, mit welch träumerischem Blick Vitus Meier Anna anhimmelte und mit seinem Stuhl ein wenig näher zu ihr ranrückte.

»Meine Mutter hat eine kleine Frühstückspension direkt neben der Ahornbahn, nicht weit von hier. Ich kann sie fragen, ob sie ein Zimmer frei hat.«

»Das wäre aber sehr lieb von Ihnen«, antwortete Anna und schaute zu Leopold hinüber, der die Augenbrauen nach oben zog. »Ist was?«, fragte Anna.

»Wer steht hier mit seiner CO2-Schleuder auf meinem Privatparkplatz?« Ein rundlicher Mann mit rotem verschwitztem Kopf stand in der Tür zum Besprechungsraum.

»Das wäre dann wohl ich. Darf ich mich vorstellen, Leopold Geiger von der Kripo Kempten, das ist meine Kollegin Anna Zähler.«

»Aha, Paul Scheffler, Postenkommandant. Willkommen in Mayrhofen.« Paul Scheffler schüttelte Leopold die Hand, schaute aber in Annas Richtung.

»Mein Gott, die haben anscheinend schon länger keinen weiblichen Besuch mehr hier auf der Polizeiwache gehabt«, dachte sich Leopold und löste sich von dem festen Handgriff des Kommandanten.

»Sie können ausnahmsweise dort stehen bleiben. Ich habe mich direkt dahinter gestellt«, sagte der Kommandant und hatte seinen Blick noch immer auf Anna gerichtet.

»Wie ich schon am Telefon erzählt habe, sind wir wegen eines Mordfalls in Oberstdorf hier. Es gibt wohl hier aus dem Tal eine Vermisstenmeldung, die zu unserem Mordopfer passen könnte. Haben Sie ein Foto des Vermissten?« Leopold setzte sich wieder an den Besprechungstisch.

»Ja, das haben wir. Die Frau Klausner hat ein aktuelles Foto mitgebracht. Hier, schauen Sie mal.« Vitus Meier reichte ein Foto über den Tisch. Es zeigte mehrere Personen vor einer Seilbahnstation, die sehr neu aussah.

»Wer ist denn da drauf, und wann und wo wurde das Foto gemacht?«, fragte er die Tiroler Polizeibeamten. Zumindest einen Herrn auf dem Foto hatte er sofort wiedererkannt. Es war eindeutig das Opfer aus der Seilbahnstütze.

»In der Mitte ist unsere vermisste Person, der Ludwig Klausner, zu sehen. Rechts von ihm stehen der stellvertretende Geschäftsführer der Hintertuxer Gletscherbahn, Hubert Wechselberger, und der Bürgermeister des Tuxertals, Simon Geissler. Die beiden Herren zur Linken kenne ich nicht«, erklärten Paul Scheffler und Vitus Meier.

»Das Foto wurde vor Kurzem zur Eröffnung einer neuen Seilbahn am Hintertuxer Gletscher gemacht. Herr Klausner ist der Chef der Seilbahngesellschaft.«

»War«, entgegnete Leopold. »So leid mir das tut. Er war der Chef. Herr Klausner ist ziemlich sicher unser Mordopfer«, erklärte Leopold und reichte ein Bild vom Tatort in Oberstdorf über den Tisch.

Scheffler und Meier betrachteten das Foto mit wichtiger Miene und nickten kurz.

»Das ist das erste Mordopfer in unserem Tal seit sechzehn Jahren.« Scheffler senkte den Kopf und schien mehr als überfordert mit der Situation. »In meiner ganzen Zeit hier im Zillertal ist so etwas bisher nicht vorgekommen.«

»Vielleicht ist der Mord gar nicht hier passiert«, entgegnete Anna. »Gefunden wurde der Tote ja bei uns in Oberstdorf. Wo er tatsächlich ermordet wurde, wissen wir nicht.«

»Das macht es nicht besser. Ich brauche jetzt erst mal ein Brunnenwasser.« Scheffler stand auf und verschwand in der Teeküche.

»Was braucht er? Brunnenwasser? Tut es ein Glas Mineralwasser oder Leitungswasser nicht auch? Habt ihr hier etwa einen eigenen Brunnen?« Anna wunderte sich bald über nichts mehr. Diese Dorfpolizisten waren wirklich eigenartig.

»Brunnenwasser ist ein Schnapserl. Es trägt den Namen, weil es hier einen Laden gibt, wo eine Art Brunnen vor dem Geschäft stand, an dem sich die Kunden den Schnaps selbst abzapfen konnten. Es ist eine Mischung aus Marille, Himbeere und Johannisbeere und hat eine eisblaue Farbe, passend zu unserem Gletscher«, erklärte Meier. »Den Brunnen gibt es nicht mehr, das Geschäft und den Schnaps wohl schon. In besonderen Situationen braucht der Chef einen davon.«

»Aha, das sind ja Sitten und Gebräuche hier«, dachte Leopold und wartete, bis Scheffler zurück war.

»So, nun stoßen wir erst mal auf unsere Zusammenarbeit an.« Scheffler balancierte vier Schnapsgläser mit diesem wundersamen Brunnenwasser und lud alles auf dem Besprechungstisch ab. Der Schnaps hatte wirklich eine ganz außergewöhnliche Farbe. Leopold konnte nicht widerstehen. Er liebte die außergewöhnlichen Spezialitäten, die die Bergwelt zu bieten hatte. Scheffler füllte die Gläser und reichte sie herum.

Anna winkte ab. »Ich muss noch fahren.«

»Bis zur Pension meiner Mutter können Sie zu Fuß gehen und Ihr Auto hier vor dem Revier stehen lassen. Ich habe meine Mutter eben kurz angesimst, sie hat ein kleines Einzelzimmer für Sie frei.« Meier lächelte Anna an und gab ihr ein Stamperl.

»Ja, wenn das so ist, dann prost.« Anna leerte das Glas in einem Zug.

Manchmal wunderte Leopold sich über seine Kollegin. So etepetete sie oft tat, immer wieder überraschte sie ihn auch mit diesem völlig normalen kumpelhaften Verhalten, was ihm deutlich besser gefiel.

»Bevor wir uns gleich betrunken in den Armen liegen«, witzelte Leopold, »ich würde gerne noch etwas mehr zum Leben von Ludwig Klausner wissen. Was können Sie uns über ihn sagen?«

»Wir kennen ihn von unseren Streifenfahrten im Tal und wenn wir wegen Diebstahls oder betrunkener randalierender Skifahrer zur Gletscherbahn gerufen werden. Ludwig Klausner ist einer der wichtigsten Männer im Tuxertal. Ihm und seiner Familie verdankt man seit Generationen die Tourismusentwicklung hier. Das Hochtal profitiert sehr von den Investitionen in die Skigebiete am Gletscher, an der Eggalm in Lanersbach, am Rastkogel in Vorderlanersbach und in Finkenberg an den Almbahnen. Andererseits gibt es auch immer Gegner, denen der weitere Ausbau des Skizirkus ein Dorn im Auge ist. Insbesondere die Umweltschützer und die Landwirte sind meist dagegen, immer neue Flächen als Skipisten auszuweisen und damit Flora und Fauna weiter zu schädigen. Viele verstehen nicht, warum am Gletscher, in dieser empfindlichen Natur, weiter in die Infrastruktur investiert wird, obwohl die Gletscherschmelze immer größere Ausmaße annimmt. Doch überwiegend ist man ihm wohlgesonnen, meist die, die auch Zimmer und Wohnungen vermieten und damit etwas vom großen Kuchen des Tourismus abbekommen. Zu uns ist er immer sehr freundlich und hilfsbereit gewesen.«

»Danke, das reicht mir für einen ersten Eindruck. Wir werden uns morgen die Lage vor Ort anschauen.« Er freute sich insgeheim auf den Besuch im Tuxertal, auch wenn die Umstände dieses Mal andere waren. Er ermittelte in einem Mordfall.

»Wer informiert denn morgen früh direkt die Witwe des Verstorbenen?«, fragte Leopold in den Raum hinein.

Sie schauten sich gegenseitig an, bis alle Blicke plötzlich auf Anna gerichtet waren.

»So von Frau zu Frau?«, fragte Scheffler in Richtung von Anna und stieß sie leicht mit dem Ellenbogen an.

»O. k., ich mach’s«, sagte Anna. »Aber nur, weil Ihr Kollege mir hier so schnell ein Zimmer besorgt hat.«

An der Körperhaltung von Scheffler und Meier konnte Leopold erkennen, dass die Beamten froh waren, diese unschöne Aufgabe nicht übernehmen zu müssen.

»Ich komme morgen früh mit dir«, meinte Leopold zu Anna, »dann können wir Frau Klausner direkt ein paar Fragen stellen, wenn Sie dazu in der Lage ist. Herr Scheffler und Herr Meier, Sie können morgen früh doch bestimmt den stellvertretenden Geschäftsführer der Bahn und den Bürgermeister informieren. Wenn es geht, sollten die beiden uns ebenfalls morgen für eine Befragung zur Verfügung stehen. Frau Klausner wird uns bestimmt sagen können, wer die beiden anderen auf dem Foto sind. Danach sehen wir weiter.« Gesagt, getan. Leopold war in seinem Ermittlungselement. Der morgige Tag war geplant, und er überlegte, ob er nicht heute schon hoch nach Hintertux fahren sollte, um sich ein geeignetes Plätzchen für sein Wohnmobil zu organisieren.

»Wie wäre es, wenn wir gemeinsam noch etwas essen gehen? Wir sind ja jetzt quasi Kollegen auf Zeit, und es wäre doch toll, wenn wir uns etwas besser kennenlernen würden.« Scheffler blickte in die Runde, und alle schienen nicht abgeneigt.

Anna und Leopold hatten seit dem Mittag nichts mehr gegessen und daher ordentlich Hunger.

Scheffler schlug vor, gemeinsam zum Brückenwirt zu gehen. Der Gasthof lag an der Ahornbahn bei der Brücke über der Ziller. Hier gab es einen Biergarten, der sich bei dem Wetter mehr als anbot. Es war wohl nicht weit von der Polizeiinspektion, und Anna hätte von dort aus nur ein paar Schritte bis zu ihrer Pension zu laufen.

Scheffler und Meier gingen vor, Anna und Leopold folgten ihnen. Die beiden Beamten aus Mayrhofen hatten etwas Ähnlichkeit mit den Polizisten aus Pippi Langstrumpf, fand Anna. Scheffler, der kleine ältere Dicke und Maier der junge schlaksige Inspektor, beide in der Uniform der Tiroler Polizei. Ihre Qualitäten konnten sie am nächsten Tag unter Beweis stellen, wenn sie gemeinsam in die Ermittlungsarbeit im Mordfall Klausner einstiegen. Doch nun wollten sie erst mal den Abend hier in Mayrhofen ausklingen lassen. Die Sonne stand schon relativ tief am Himmel und beleuchtete die Häuser, Straßen und die umliegenden hohen Berge in einem goldenen strahlenden Licht. Dazu die würzige frische Luft, die nach Wald und Heu duftete.

Dieses Mayrhofen war gar nicht so übel, dachte Anna, die von diesem Tiroler Landstrich vorher noch nie etwas gesehen hatte.

Bald erreichten sie den sprudelnden Bach, die Ziller, die durch ganz Mayrhofen und von dort aus talauswärts in Richtung Illertal floss. Sie überquerten eine Brücke und standen jetzt direkt vor dem Traditionsgasthof mit den von Paul Scheffler bereits angekündigten leckeren Tiroler Gerichten. Zu dieser Tageszeit war der Biergarten immer gut besucht. Viele Touristen kamen von ihren Wanderungen am Ahorn zurück, dem Hausberg, der von Mayrhofen direkt mit der Gondelbahn zu erreichen war. Auch die fußkränksten Touristen schafften es so leicht, die 1300 Höhenmeter vom Dorf bis auf das Plateau am Ahorn zu überwinden. So saßen sie in ihrer Funktionskleidung und den halb offenen stinkigen Wanderschuhen im schattigen Biergarten und gönnten sich naturtrübe Radler, Kaffees und diverse andere Getränke. Dabei philosophierten sie über das, was sie heute geschafft hatten, und schauten in die Wanderkarten für die Planung der nächsten Tour.

Die vier Polizisten fanden Platz an einem größeren Tisch am Rand des Biergartens, wo ein Ehepaar in Einheits-Wanderoutfit bereits Platz genommen hatte und die Speise- und Getränkekarte studierte. Der Kellner kam an den Tisch und fragte nach den Getränkewünschen der Tischnachbarn.

»Eduard, du nur ein kleines Bier. Ein Großes verträgst du bei der Hitze und nach der Anstrengung heute nicht.«

»Ja, Agnes, also ich hätte dann gerne ein kleines Zillertaler Pils«, antwortete der Mann dem Kellner und versteckte sich wieder hinter der Speisekarte.

»Und die Dame?«, fragte der Kellner höflich, nachdem er dem Mann einen mitleidsvollen Blick zugeworfen hatte.

»Ich hätte gerne eine Cola Zero.« Die Dame zog sich ihr viel zu enges Funktionsshirt zurecht.

»Das haben wir leider nicht, gnädige Frau.«

»Dann nehme ich eben eine Cola Light.«

»Auch diese haben wir leider nicht.«

»Dann bringen Sie mir bitte eine Tasse Kaffee, junger Mann«, entgegnete Agnes schon etwas ungehalten.

»Wir haben hier draußen nur Haferl oder Kännchen. Was darf ich ihnen bringen?«

Agnes schob sich die vom Schweiß heruntergerutschte Sonnenbrille wieder zurecht und sah den Kellner genervt an.

»Dann bringen Sie mir bitte ein Haferl und etwas Kondensmilch dazu.«

»Leider haben wir nur frische Milch, gnädige Frau.«

»Dann eben die!«, schrie sie über den Tisch, schlug die Speisekarte auf den Tisch, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme.

»Beruhige dich doch, Agnes«, beschwichtigte Eduard. »Hast du in der Karte schon das Gröstl gesehen, das isst du doch so gerne.«

»Das ist mir zu viel für heute Abend, ich möchte nur etwas Leichtes, vielleicht einen Salat.«

»Was ist ein Gröstl?«, fragte Anna leise in die Runde. Sie kannte dieses Gericht nicht.

Scheffler erklärte, dass es sich um ein Tiroler Gericht mit Bratkartoffeln, Speck, Rindfleisch und Zwiebeln handelte. Alle Zutaten werden in einer Pfanne vermengt, mit einem Spiegelei als Topping.

»Das hört sich gut an, nehme ich.« Anna legte die Speisekarte weg und lehnte sich entspannt in ihrem Stuhl zurück.

Agnes warf ihr einen eifersüchtigen Blick zu. Zu gerne hätte sie sich auch dieses schmackhafte Gericht bestellt. Doch das würde sie in ihrer Diät zurückwerfen. Es war schon schwer genug, den vielen Köstlichkeiten zu widerstehen, die ihr hier täglich so begegneten.

Der Kellner brachte die bestellten Getränke und erkundigte sich nach den Essenswünschen von Eduard und Agnes. Eduard bestellte ein Wiener Schnitzel mit Pommes frites und einer hausgemachten Jägersoße.

»Und Sie, gnädige Frau?«, fragte er mit gezücktem Stift und seinem Kellnerblock.

»Den Bergsteiger-Salat bitte, aber ohne Leberkäse, sondern mit Hähnchenbrust.«

»Nehmen Sie das Spiegelei trotzdem dazu?« Der Kellner notierte fleißig auf seinem Block.

»Ja, wenn es nicht zu fettig gebraten ist.«

»Möchten Sie die einzelnen Salatblätter auch separat, damit Sie sich diese selbst auf dem Teller drapieren können?«, fragte der Kellner scherzhaft. Der ganze Tisch brüllte vor Lachen.

Nur Eduard hielt sich zurück. Er würde später auf dem Heimweg einen Einlauf bekommen, wenn er sich den Lachsalven hier anschlösse.

»Und die Salatsoße bitte extra, damit der Ölgehalt vorher noch überprüft werden kann«, ergänzte Scheffler, der vor Lachen kaum mehr Luft bekam und sich den rundlichen Bauch festhielt. Agnes wurde rot und setzte eine beleidigte Miene auf.

»Nix für ungut, junge Frau. Nehmen Sie es nicht so ernst. Das Leben ist es schon genug«, versuchte Leopold die Situation zu entschärfen. »Und wir würden nun auch gerne etwas bestellen«, schickte er hinterher, um für etwas Ablenkung zu sorgen.

Alle vier bestellten ein frisch gezapftes Zillertaler Weißbier, Anna das Gröstl und die drei Herren Leberkäse mit Spiegelei und Bratkartoffeln, wobei Herr Scheffler durchaus ein kalorienärmeres Essen hätte verkraften können. Die Tiroler und die Allgäuer Küche waren ja schon recht ähnlich, und trotzdem schmeckte es den beiden Gästen aus dem Allgäu ganz hervorragend. Sie genossen die Köstlichkeiten des Brückenwirtes an diesem lauen Sommerabend im Zillertal.

Während des Essens wurden weitere kalte Biere bestellt, die Eduard neidisch beäugte. Er war mittlerweile auf Mineralwasser umgestiegen, damit der Haussegen nicht allzu schief hängen würde.