Klettersport und Gipfelmord - Sven Kellerhoff - E-Book

Klettersport und Gipfelmord E-Book

Sven Kellerhoff

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Beschreibung

Eine tödliche Kletterpartie. Eine mysteriöse Unglücksserie. Und ein Mörder, der noch lange nicht fertig ist. Kaum hat der Mayrhofener Dorfpolizist Paul Scheffler das Klettern als neues Hobby entdeckt, schon passiert es: Der Kletterlehrer Jan stürzt vor ihm in die Tiefe. Nur scheint der Vorfall kein reines Unglück gewesen zu sein. Alles deutet darauf hin, dass hier jemand seine Finger im Spiel hatte. Als es im malerischen Zillertal zu weiteren zweifelhaften Unfällen kommt, ist es mit der Ruhe endgültig vorbei. Paul und sein Kollege Vitus sind heilfroh, dass sie erneut auf ihre lieb gewonnenen Allgäuer Kommissare Anna und Leopold zählen können. Doch wie hängen all diese Vorkommnisse zusammen? Und können die Polizisten das Rätsel lösen, bevor ein weiteres "Unglück" passiert? Mysteriöse Todesfälle im malerischen Zillertal: Entdecken Sie die gesamte Alpenkrimi-Reihe von Sven Kellerhoff - Zirbenholz und Alpenmord (Band 1) - Glühweinrausch und Schanzenmord (Band 2) - Goldtransport und Stauseemord (Band 3) - Bergesspitz und Meuchelmord (Band 4)

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Klettersport und Gipfelmord

Sven Kellerhoff, 1975 in Bad Ems geboren, lebt heute mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Grevenbroich bei Düsseldorf. Seit vielen Jahren bei einer Sparkasse tätig, veröffentlicht er neben seinem Beruf Regionalkrimis. Seine Alpenkrimis rund um das Allgäuer Kommissaren-Duo Anna Zähler und Leopold Geiger erfreuen sich großer Beliebtheit.

Eine tödliche Kletterpartie. Eine mysteriöse Unglücksserie. Und ein Mörder, der noch lange nicht fertig ist.

Kaum hat der Mayrhofener Dorfpolizist Paul Scheffler das Klettern als neues Hobby entdeckt, schon passiert es: Der Kletterlehrer Jan stürzt vor ihm in die Tiefe. Nur scheint der Vorfall kein reines Unglück gewesen zu sein. Alles deutet darauf hin, dass hier jemand seine Finger im Spiel hatte.Als es im malerischen Zillertal zu weiteren zweifelhaften Unfällen kommt, ist es mit der Ruhe endgültig vorbei. Paul und sein Kollege Vitus sind heilfroh, dass sie erneut auf ihre lieb gewonnenen Allgäuer Kommissare Anna und Leopold zählen können. Doch wie hängen all diese Vorkommnisse zusammen? Und können die Polizisten das Rätsel lösen, bevor ein weiteres „Unglück“ passiert?

Sven Kellerhoff

Klettersport und Gipfelmord

Ein Zillertal-Krimi

Ullstein

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

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Titelseite

Inhalt

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»Himmelhergottzagramentkruzifixhalleluja! Was ist jetzt da wieder los?«, fluchte Friedrich Pertl und stieß die verglaste Fahrertür seiner Traktorkabine auf. Behäbig stieg er die eisernen Trittstufen hinunter und stand mit seinen dreckverschmierten Gummistiefeln in der morgenfeuchten Bergwiese, die von seinem Hof bis hinunter nach Ramsau reichte. Direkt neben der Wiese schloss sich ein großer asphaltierter Platz an, der mit Blumenkübeln aus Waschbeton begrenzt war. Der angeschlossene Hof lag an einem seichten Hang oberhalb des Ortsteils Bichl und war über eine schmale Forststraße mit engen Serpentinen zu erreichen. Die mit Hängegeranien üppig dekorierten Balkone aus altem, verwittertem, grauem Holz erzählten von der langen Geschichte des Hofs, der seit Generationen im Familienbesitz der Pertls war. Direkt neben dem Haus reihten sich Scheune und Stallungen an. Von hier oben blickte man fast hinaus bis ins Inntal und auf der anderen Seite bis zum Ahorn nach Mayrhofen. Im Tal glitzerte das Wasser der Ziller in der Morgensonne und die Berge warfen einen langen Schatten auf den grün gefleckten Schwendberg auf der gegenüberliegenden Seite. Es würde wieder ein heißer Tag im Zillertal werden. Der alte Bauer schirmte sich die Augen mit der großen, ledrigen Hand ab und blickte hinauf in den wolkenlosen Himmel. Bevor das Sommergewitter am Abend wie ein patschnasser Schleier durch das Tal ziehen würde, wollte er die Wiese gemäht und das geschnittene Gras mehrmals gewendet haben. Zusammen mit seinem Neffen würde er später das getrocknete Gras mit dem Heuladewagen in der Scheune abladen.

Schon vor Längerem hatte Pertl den Hof an den Sohn seiner Schwester überschrieben. Lorenz war jung, hatte viele Ideen und würde den Hof gut weiterführen, auch wenn Pertl selbst irgendwann nur noch von oben aus dem Himmel zuschauen konnte. Bisweilen war sein Nachfolger allerdings immer froh, dass sein Onkel trotz seines hohen Alters auf dem Hof mithalf. Pertls Frau war schon lange verstorben. Sein Neffe und er hatten seitdem eine Männer-WG auf dem Hof.

Pertl war nicht mehr gut zu Fuß. Lange Strecken waren Gift für seine alten Knochen und die Handarbeit mit der Sense auf den steilen Bergwiesen hier im Zillertal war nichts mehr für ihn. Mit dem Traktor konnte er jedoch noch gut umgehen, wenn es nur die technischen Probleme nicht gäbe, die ihn regelmäßig an den Rand der Verzweiflung brachten. Früher hatte er mit einem Schraubenschlüssel alles selbst reparieren können. Mittlerweile musste für eine einfache Sicherung oft schon der Spezialist der Landmaschinenfirma kommen, der dann eine gepfefferte Rechnung hinterließ.

»Dieses verdammte Mähwerk, ständig gibt es den Geist auf, und immer dann, wenn man es nicht gebrauchen kann«, fluchte Friedrich Pertl und humpelte langsam an dem großen Hinterreifen des Traktors vorbei, der größer war als er. Er zog den traditionellen Tiroler Jägerhut von seinem Kopf, den er bereits von seinem Großvater geerbt hatte, und hielt sich mit der Hand an dem ausladenden schwarzen Schutzblech fest. Sein graues, schütteres Haar wehte leicht im Morgenwind. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine sonnengegerbte Haut glänzte, feine blaue Äderchen durchzogen das faltige Gesicht mit den eingefallenen Wangen, und seine stahlblauen, wachen Augen leuchteten über den markanten Tränensäcken. Ihm blieb keine Wahl, er musste es tun. Langsam ging er in die Knie, was mit einem lauten Knacken der Gelenke einherging, und beugte sich ächzend zu dem Mähwerk herunter, das am Heck des Traktors angebracht war. Er schob die schützenden Eisenketten zur Seite und schaute dahinter. »Was blockiert dieses Mal wieder die Messer?«, fragte er sich. Natürlich war auf den ersten Blick nichts zu erkennen. Plötzlich hörte er ein quietschendes und schleifendes Geräusch. Das Gummi des großen Traktorreifens stieß schmerzhaft an seine Schulter und drückte ihn auf die Seite. Er sah den riesigen Reifen auf ihn zukommen. Quietschend bahnte dieser sich seinen Weg durch das hohe, nasse Gras. Pertl konnte sich nicht schnell genug aufrappeln, um ihm zu entkommen. Mit aller Kraft versuchte er noch, sich aus der Gefahrenzone zu schleppen, doch seine alten Knochen hörten nicht auf ihn. Entsetzt riss er die Augen auf, als der Reifen über seine Schienbeine fuhr. Er schrie laut auf. Knochen splitterten unter dem Gewicht des Traktors, das auf ihnen lastete. Kurz spürte er eine Art Befreiung, bevor der Frontreifen auf seinem Unterschenkel zum Stehen kam. Er rang nach Luft. Die höllischen Schmerzen, die zu ihm heraufkrochen, nahmen ihm die Luft zum Atmen. Kalter Schweiß rann ihm übers Gesicht. Das ganze Gewicht des tonnenschweren Geräts lag auf seinen Beinen. Er nahm eine Stimme wahr. Jemand rief ihn. Es konnte nur Jessica sein. Sie kam näher, beugte sich zu ihm herunter und fasste ihn an der Schulter.

Er sah nur verschwommen und ihre Stimme war so undeutlich wie die Musik einer viel zu langsam laufenden Schallplatte. Er versuchte, sich zu konzentrieren, was ihm bei diesen höllischen Schmerzen nur schwerlich gelang. Er nahm nur einen lauten, hysterischen Schrei und das Wort »Notarzt« wahr, bevor ihm schwarz vor Augen wurde.

2

Fast in Sichtweite des bäuerlichen Unfalls bereiteten sich Eva Brandner, Lukas Müller und Paul Scheffler auf eine Kletterpartie am Burgstall in Mayrhofen vor. Die Gerichtsmedizinerin, der Spurensicherer und der Postenkommandant der Mayrhofener Polizeiinspektion waren am Morgen zu Fuß aus dem Tal bis zum Gasthof Zimmereben aufgestiegen. Lukas, der Leiter der Spurensicherung von der Allgäuer Polizei, hatte die Dorfpolizisten Vitus Meier und Paul Scheffler gemeinsam mit Anna Zähler und Leopold Geiger bereits öfter unterstützt. Der Fachkräftemangel war auch hier bei der Polizei im hinteren Zillertal zu spüren.

Während seiner Einsatzzeit in Mayrhofen war er öfter nach Feierabend hier oben am Burgstall zum Klettern. Heute war Eva Brandner mit von der Partie. Auf die attraktive Gerichtsmedizinerin hatte Lukas während seines letzten Einsatzes im Zillertal ein Auge geworfen und wollte jetzt während seines Urlaubes ein wenig mehr Zeit mit der Kollegin verbringen, die im Klinikum Innsbruck für die Leichenobduktion zuständig war. Und Paul Scheffler hatte sich den beiden angeschlossen, da er vor wenigen Wochen den regelmäßig anstehenden Fitnesstest der Polizeibehörde nur durch einen Trick erfolgreich bestanden hatte. Nun suchte er eine Sportart, die ihm gefiel und gleichzeitig dafür sorgte, dass er die vielen überflüssigen Pfunde verlor, die er seit Jahren mit sich rumschleppte. Während der vorausgegangenen Mordermittlungen an der Grüblspitze im Tuxertal hatte Paul festgestellt, dass er allein vom Geruch von Leberkäse zu sportlichen Höchstleistungen fähig war. Da er jetzt nicht ständig mit modifizierten Nasenpflastern mit Leberkäsegeruch rumlaufen wollte, musste er andere Wege finden, um mehr für seine Gesundheit zu tun. Lukas versuchte seither, ihn vom Klettern zu begeistern. Er schwärmte ihm vor, wie man dabei seine Kondition, seine Kraft und auch seine mentale Stärke verbessern konnte. Heute war es so weit. Sie hatten sich mit dem Kletterführer Jan Grünewald verabredet. Jan war bei der Bergsportschule Vogler angestellt, deren Basislager unterhalb des großen Klettergebiets im Ortsteil Burgstall zu finden war. Durch die Mayrhofener Fußgängerzone war es von der Polizeiinspektion bis zur Bergsportschule nicht weit. Am Hotel Neue Post vorbei, die Gleise der Zillertaler Schmalspurbahn überquert, und schon war man dort. Ein paar Hundert Höhenmeter über dem Basislager starteten die Klettersteige mit den verschiedenen Schwierigkeitsgraden am Gasthof Zimmereben, wo Eva und Paul auf Lukas und ihren Kletterführer Jan Grünewald warteten.

»Bis es hier mal losgeht«, ächzte Paul und blickte dabei zu Eva Brandner. »Wenn das noch länger dauert, bin ich hier geschmolzen, bevor ich den ersten Karabiner eingehängt habe.« Er trat einen Schritt zurück unter den ausladenden Dachüberstand des Gasthofs, der noch im Schatten lag. Ums Eck auf der Terrasse, die einen Blick über ganz Mayrhofen bot, klirrten Gläser und freudiges Stimmengewusel drang zu ihm herüber.

»Schau mal, wie viele Leute da anstehen, um ihr Zeug auszuleihen.« Eva zeigte auf eine Holzhütte, die unweit des Gasthofes vor gewaltig hohen Tannen stand. Lukas ist aber gleich dran, dann kann es losgehen. Freust du dich schon, Paul?«

»Ganz gewaltig, Eva. Ganz gewaltig. Ich kann es kaum erwarten«, flunkerte Paul und schaute dabei etwas missmutig.

»Ach kommt, Paul. Das wird dir Spaß machen. Außerdem haben wir einen Profi dabei und eine leichte Route gewählt.«

»Passt schon«, antwortete er und trat von einem auf den anderen Fuß. »Ich nutze die Zeit und gehe nochmal kurz für kleine Postenkommandanten. Bin gleich zurück.«

Kaum ausgesprochen folgte Paul schnellen Schrittes der Route, die das WC-Schild an der Hauswand angab. Er war gerade außer Sichtweite, als Lukas plötzlich mit den Klettersteigsets neben Eva stand.

»So, wo ist denn unser Kletterguru Paul hin, Eva? Ich habe alle Sachen beisammen. Jan kommt auch gleich rüber. Er hilft nur gerade noch bei der Ausgabe. Ist mächtig was los heute bei dem guten Wetter.« Lukas sortierte das Material auf einem langen Tisch, der neben Eva stand.

»Dein Kollege ist mal eben für kleine Königstiger«, sagte Eva und lachte dabei.

»Hauptsache, meine Königin ist noch hier«, flachste Lukas und zwinkerte Eva zu.

»Das klingt gut«, sagte sie und zog die Nasenspitze etwas höher. »Wenn der Hofnarr so gütig wäre, mir die königliche Kletterausrüstung zu reichen«, scherzte sie weiter.

Während Eva und Lukas sich die Klettergurte überzogen und festschnallten, kam Paul von der Terrasse zu ihnen herüber.

»Paul, das glaub ich jetzt nicht. Ne, oder?« Lukas verdrehte die Augen und zog an den Verschlüssen seiner Ausrüstung.

»Ein kühles Bierchen vor der geplanten Anstrengung dürfte wohl erlaubt sein, oder?« Paul grinste und himmelte das Weißbierglas mit der üppigen Schaumkrone in seiner Hand an. »Hättet ihr auch eins gewollt?«, fragte er spitzbübisch und nahm einen großen Schluck.

»Es ist nicht zu fassen. Alle Kletterer hier sind mit kühlem Wasser oder Elektrolytgetränken versorgt und was macht Postenkommandant und Kletter-Greenhorn Paul Scheffler: Er gönnt sich zu früher Stunde ein Weißbier. Ist es wenigstens ohne Alkohol?« Kaum hatte er diese Frage ausgesprochen, schüttelte Lukas Müller den Kopf. »Stopp!«, ergänzte er schnell. »Ich ziehe die Frage zurück. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Paul Scheffler ein alkoholfreies Bier zu sich nimmt.«

»Du kennst mich gut«, antwortete Paul und lachte dabei.

»So, wen haben wir denn hier?«, fragte ein durchtrainierter, dunkelhaariger junger Mann mit einem mintfarbenen Achselshirt. Er schaute kurz zu Lukas und wieder zurück zu Paul. »Unseren sportlichsten Polizisten aus Mayrhofen? Lukas hat mir schon von dir erzählt. Bleiben wir beim Du, oder? Jan Grünewald ist mein Name. Ich bin heute euer Guide.

»Äh, ja. Paul. Paul Scheffler. Klar bleiben wir beim Du. Ist ja keine Frage«, antwortete Paul mit einem selbstsicheren Blick, der Millisekunden später zu Unsicherheit wechselte, als er den Guide von oben bis unten ansah. Der Kletterspezialist war braun gebrannt und von Körperfett keine Spur. Jeder Muskel und jede Sehne zeichneten sich ab. Seine Haut glänzte leicht. Mit einem breiten Grinsen und zwei tadellosen weißen Zahnreihen lächelte Jan ihn an. Die Bewegungen seiner braunen, wachen Augen signalisierten ihm, dass Jan etwas sagen wollte.

»Ich habe einen Fehler gefunden, Paul«, sagte Jan und blickte in die Dreierrunde.

»Welchen?«, fragte Paul und schaute an sich herunter.

Jan zeigte auf Eva und Lukas, die mit ihrer angelegten Kletterausrüstung und Kletterhelm neben Paul standen. »Die beiden wollen klettern und du in den Biergarten. Ist das richtig?«

»Äh, nein«, antwortete Paul und fühlte sich plötzlich schlecht. Schnell stellte er das Glas auf den Tisch und nahm sich seine Ausrüstung.

Paul hatte Mühe, den Klettergurt richtig anzulegen. Immer wieder zog er den Gurt aus, weil er mit den Füßen in den Hüftgurt und nicht in die Beinschlaufen eingestiegen war, drehte und wendete die komplexe Kletterhilfe vor seinen Augen und versuchte es erneut. Schließlich ging Jan ihm zur Hand und half ihm. Als letzten Schritt versuchte er, die Schnalle am Hüftgurt zu schließen.

»Mensch, Paul. Die Schnalle am Hüftgurt geht aber trotz Größe XXL gerade so zu. Mehr Bauch hätte jetzt nicht hineingepasst.« Er lachte und blickte zu Eva und Lukas, die sich ein Grinsen nicht verkneifen konnten.

»Ich muss jetzt wirklich anfangen mit dem Abnehmen«, dachte Paul sich. »So geht es nicht weiter.« Beschämt schaute er an sich hinunter.

»Wollen wir denn dann mal los?«, fragte er schnell, um von dieser peinlichen Situation abzulenken.

»Auf jeden Fall. Dort drüben ist der Einstieg.« Jan Grünewald zeigte auf ein breites Schild, das zwischen zwei Holzpfählen an einer Felskante angebracht war. Darauf stand:

Klettersteig HuterlanerFür Kinder ab 6 JahreGehzeit: 2 StundenHöhenmeter: 210 Hm

Vor dem Zustieg stand eine ganze Horde Kinder mit Kletterausrüstung, die sich nach und nach mit ihren Karabinern in das Halteseil des Steiges einklickten.

»Das ist ein Klettersteig für Kinder«, merkte Paul an und wirkte dabei empört und erleichtert zugleich.

»Für einen Einsteiger wie dich genau das Richtige, Paul«, antwortete Jan und schlug Paul auf die Schulter. »Auf geht’s, das Abenteuer wartet auf uns.«

»Jaja, und Pumuckl und die Eisprinzessin sind auch dabei und wenn alle brav mitgemacht haben, gibt es eine Capri-Sonne, was?« Paul verdrehte die Augen und trottete Jan, Eva und Lukas hinterher.

Voller Tatendrang lief er durch das hölzerne Eingangsportal des Kinder-Klettersteigs Huterlaner und stieg einige Felsstufen hinab bis zum Startpunkt des Bergabenteuers. Jan war vor ihm und trat mit Bedacht Schritt für Schritt bergab, bis er die Stelle erreichte, wo man sich mit seinen beiden Karabinern des Klettersteigsets in das Sicherungsseil einklickte. Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel und Paul liefen die ersten Schweißtropfen vom Haaransatz über sein Gesicht, obwohl er den Kletterhelm noch nicht einmal aufgezogen hatte. Die Unterhaltung, die Eva und Lukas hinter ihm führten, sorgte zusätzlich dafür, dass seine Körpertemperatur anstieg.

»Wie war das damals an der Teufelsbrücke, Lukas? Dort wurden doch die Leichen der beiden Gemeinderäte in der Klamm bei Finkenberg gefunden und Paul musste tief hinab in die Schlucht abgeseilt werden, oder? Man erzählt sich heute bei der Spurensicherung noch davon und es ist seitdem Thema bei jeder Weihnachtsfeier. Ich war ja damals noch nicht bei der Gerichtsmedizin und kenne das Schauspiel nur von den Berichten der Kollegen.« Eva lachte.

»Ich war leider auch nicht dabei«, antwortete Lukas und drehte sich im Gehen kurz zu Eva um. »Ich bin erst später zu dem Fall dazugerufen worden. Anna und Leopold haben nur erzählt, dass Paul nicht schwindelfrei war und sich wie ein Maikäfer hat am Seil hängen lassen. So eine Panik hatte er von der Höhe«, witzelte Lukas und stieß in diesem Moment an Paul, der hinter Jan angehalten hatte.

»Ich verbitte mir das mit dem Maikäfer, Kollege Müller.«

»Was war das für eine Story mit einem Maikäfer?«, wollte Jan wissen, der von der Unterhaltung hinter ihm nichts mitbekommen hatte. Er bereitete sich auf den Zustieg vor, indem er alle Verschlüsse kontrollierte und die Funktionsfähigkeit seiner Karabiner checkte.

»Nix, Jan, eine alte Geschichte. Wann geht es denn los?« Paul lenkte bewusst ab, weil er in Kollegenkreisen immer wieder darauf angesprochen wurde, dass es mit seiner Schwindelfreiheit nicht zum Besten bestellt war. Heute wollte er sich der Herausforderung stellen und ausprobieren, ob er diesen einfachen Steig meistern konnte. Er wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn und setzte den Kletterhelm auf.

»Wow, Paul. Ein mega Outfit. Du siehst aus wie einer von den Gebirgsjägern.« Lukas klopfte ihm anerkennend auf die Schulter.

»So, ihr drei. Hier geht es los.« Jan wies auf die Einstiegsstelle des Steigs, die zwischen zwei hüfthohen Kiefernbüschen ins Nirgendwo führte. Paul blickte an Jan vorbei und folgte mit seinem Blick dem Sicherungsseil, das den Verlauf der Route markierte. Zunächst führt das Seil an einer Steintreppe entlang. Im weiteren Verlauf waren Trittstufen aus Eisen in einen glatten Felsen getrieben worden, der erst viele Meter darunter in einem Geröllfeld endete. Nach dem Passieren dieser Trittstufen bekam man wieder festen Boden unter den Füßen, bevor eine nicht enden wollende Seilbrücke über einem tosenden Bach das Gleichgewicht erneut ins Schwanken bringen konnte. Paul schluckte. Seine Wangen fühlten sich feuerrot an und er wusste, dass diese Körperreaktion keine allergische Folge auf das Weißbier war, das er eben zur Hälfte getrunken hatte.

»Ich zeig euch jetzt, wie es geht und ihr macht mir meine Schritte einfach nach, okay?«

Jan Grünewald riss Paul aus seinen Gedanken. Aufmerksam sah er zu, wie ihr Guide die Karabiner nebeneinander in das Seil einhakte und vorsichtig einen Fuß vor den nächsten setzte.

»Sobald der Karabiner auf dem Seil nicht weiter rutscht, weil ihr an eine Befestigung stoßt, hängt ihr einen aus, klickt diesen nach der Halterung wieder ein und hängt dann den nächsten Karabiner um. Niemals löst ihr bitte beide Karabiner gleichzeitig vom Seil. Dann habt ihr keine Sicherung mehr. Alles klar?«

Eva, Lukas und Paul nickten, wobei Paul es nicht schaffte, so zuversichtlich zu wirken wie Eva und Lukas. Langsam hakte der Mayrhofener Postenkommandant seine Karabiner in das Seil ein und setzte den ersten Fuß auf die Felsstufe. Dabei fand er nicht den richtigen Halt, schlitterte über kleine Steinchen, die auf dem glatten Felsen lagen, und rutschte nach vorne. Schnell klammerte er sich mit beiden Händen an dem Sicherungsseil fest.

»Paul!«, rief Eva aufgeregt hinter ihm.

Paul spürte das Pochen seines Herzschlags im ganzen Körper. Das war noch mal gut gegangen. Schweißnass stand er auf dem knappen Felsabsatz. Jan kam zwei Schritte zu ihm zurück.

»Alles in Ordnung, Paul?«, fragte er und hielt ihn am Arm.

»Bestens!«, log Paul und rieb seine Hände aneinander.

»Gut, dann kann es ja weitergehen.«

Zitternd machte Paul kleine Schritte und schob sich mit beiden Händen an dem Sicherungsseil entlang.

»Nur nicht nach unten schauen, nur nicht nach unten schauen«, sprach er immer wieder zu sich und tastete sich weiter vor. Jan war wieder ein paar Meter vor ihm und hatte die Eisenstufen bereits erreicht, die er jetzt Schritt für Schritt passierte. Zögernd folgte Paul den Stufen nach unten, als er plötzlich einen lauten Ausruf vernahm und sah, wie Jan an dem blanken Felsen entlang nach unten schlitterte. Kurz darauf vernahm er ein beängstigend dumpfes Geräusch weiter unten auf dem Geröllfeld. Dann war Stille. Paul hielt sich mit beiden Händen so an dem Seil fest, dass es schon schmerzte. Vorsichtig blickte er nach unten. Regungslos lag Jan Grünewald auf dem Meer aus Steinen.

»Jan!«, rief Lukas zu ihm herunter.

Paul erschrak, als Lukas sich unerwartet und ungesichert an ihm vorbeidrängte. Dieser hakte sich ein paar Meter weiter mit dem Karabiner in eine Eisenstufe und ließ sich langsam zu Jan herunter.

»Sei vorsichtig, Lukas!«, rief Eva, die zu Paul aufgeschlossen hatte und ängstlich in die Tiefe sah. In diesem Moment bewegte sich Jan. Er hob den Arm ein paar Zentimeter und signalisierte ein Daumen hoch. Lukas war jetzt bei ihm, nahm den Rucksack vom Rücken und zog ein Erste-Hilfe-Set heraus.

»Paul, geh du zurück und rufe die Bergwacht«, sagte Eva. »Ich seile mich zu Lukas ab und schaue, ob ich helfen kann. Schaffst du das?«

»Klar!«, antwortete Paul übertrieben selbstsicher und kletterte vorsichtig bis zum Einstieg des Steigs zurück.

3

Verschlafen drückte Leopold die Tür seines Campers auf, stieg zwei Trittstufen hinunter und stand mit einer Kaffeetasse in der Hand auf der mit Morgentau benetzten Wiese des Mayrhofener Campingplatzes. Einzelne Grashalme drückten sich in die Löcher seiner Crocs und befeuchteten seine Zehen. Andächtig ließ er den Blick schweifen und das gewaltig schöne Bergpanorama auf sich wirken. Die Morgensonne strahlte die Mayrhofener Hausberge warm an, und obwohl zu dieser Tageszeit stets Rushhour am nahegelegenen Duschhaus war, wo die Kinder sonst kreischend unter dem kalten Wasserstrahl standen, herrschte heute Morgen eine ungewöhnliche Stille auf dem Campingplatz.

»Was stehst du hier so sinnierend in der Weltgeschichte herum?«, fragte Anna und wedelte mit einer Brötchentüte. Sie kam näher, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss.

»Ich genieße die Ruhe und meinen Kaffee«, antwortete Leopold und nahm Anna in den Arm. »Wo kommst du denn her?«

»Mit der Ruhe ist es gleich vorbei, wenn die Camperhorde vom Bäckerwagen zurückkommt.«

»Ich verstehe nur Bahnhof.«

»Ach, Leopold. Hast du es denn nicht mitbekommen? Der ganze Platz war doch gestern schon in Vorfreude, dass ein neuer Bäcker den Campingplatz mit Semmeln und Co. beliefert. Heute ist der erste Tag und es gibt Gratis-Semmeln. Zwei pro Person. Und hier sind sie schon.« Anna öffnete die Papiertüte, worauf sofort ein Duft von frischen, noch warmen Semmeln der Tüte entströmte. »Wollen wir frühstücken?«

»Auf jeden Fall«, sagte Leopold und verschwand im Camper, um alles herauszuholen, was man sonst noch für ein gemütliches Frühstück brauchte.

Anna und Leopold waren vom obersten Polizeichef in Kempten im Allgäu zu einer länderübergreifenden Ermittlungsarbeit in Tirol abgeordnet worden. Gemeinsam mit der hiesigen Landespolizei arbeiteten die Allgäuer Kommissare in der Soko Sprengmeister. Eine Bande, die es auf die Sprengung von Geldautomaten abgesehen hatte, trieb seit Monaten ihr Unwesen. Da viele Geldausgabegeräte im Allgäu und in Tirol zum Anschlagsziel der Verbrecher geworden waren, machten die Kollegen aus Deutschland und Österreich gemeinsame Sache. Viele Spuren deuteten darauf hin, dass es sich bei allen Sprengungen um die gleichen Täter handelte. Die gegründete Sondereinheit versuchte fieberhaft, die Strippenzieher der Bande zu ermitteln, die mittlerweile ganze Gebäude in Schutt und Asche legten, nur um an die Geldkassetten des Automaten zu kommen.

Die Arbeit hier im Bundesland Tirol kam Anna und Leopold sehr entgegen. Nicht nur, dass sie die Region sehr mochten, auch die Nähe zu ihren Freunden Paul und Vitus versüßte ihre Arbeit. Seit ihrem ersten gemeinsamen Fall, der Anna und Leopold hier ins Zillertal führte, wurden sie öfter um Amtshilfe gebeten, wenn Ermittlungsarbeit gefordert war, die über einen gewöhnlichen Taschendiebstahl hinausging. Heute war ihr freier Tag und sie hatten eine Tour mit den Rädern hinauf ins Tuxer Hochtal geplant, um der Hitze hier unten im Tal der Ziller zu entfliehen, die sich seit einigen Tagen wie eine Wärmflasche auf die Wiesen gelegt hatte. Unter der Markise von Leopolds Wohnmobil war es jetzt noch schattig und kühl. Ein leichter Windzug ließ eine Plastiktüte, gefüllt mit frischen Aprikosen, knistern, die mit den anderen Frühstückssachen auf dem kleinen Campingtisch standen.

»Weißt du übrigens, wer hier ist, Leo?«, fragte Anna, zog den Stuhl etwas näher an den Tisch heran und legte eine überdicke Scheibe Bergkäse auf ihre goldbraune, runde Bäckersemmel.

»Ne, wer?«, fragte Leopold gelangweilt zurück.

»Norbert und seine Familie.«

»Norbert? Der Norbert? Der, der Paul das Naturisten-Camping nähergebracht hat?«

»Genau der«, antwortete Anna mit vollem Mund und kaute weiter. »Er stand vor mir am Bäckerwagen. Ich habe ihn erst an der Stimme erkannt. Es ist tatsächlich schon drei Jahre her, seit wir uns hier auf dem Platz getroffen haben. Verrückt, oder? Er ist dieses Jahr auch das erste Mal wieder hier auf dem Campingplatz. Ich soll dich, Paul und Vitus sehr grüßen. Er würde sich freuen, wenn wir auf eine Wurst vorbeikommen.«

»Und, was hast du gesagt?«

»Ja, ja«, antwortete Anna knapp.

»Wie? Ja, ja? Mehr nicht?«

»Leopold, du weißt schon, dass mir das damals alles sehr suspekt war und außerdem bin ich nicht so der Typ Wurst. Von der Veggie-Variante hat der bestimmt noch nichts gehört.« Anna dehnte das Wort ›der‹ sehr in die Länge und blickte über den Rand der Kaffeetasse, die sie mit beiden Händen festhielt.

»Ich würde ihn und seine Familie schon gerne mal wieder treffen.«

»Dann mach das doch. Nimm Paul und Vitus mit, legt die Kleidung über den Jägerzaun und auf geht’s«, scherzte Anna und nahm eine Aprikose aus der Tüte.

»Wir sollten Paul zumindest nicht vorenthalten, dass sein FKK-Freund hier in Mayrhofen ist«, lachte Leopold.

»Du musst halt nur damit rechnen, dass er wieder für nix anderes einen Kopf hat, wenn du ihm das erzählst, aber bitte. Sag mal, hast du nochmal was von den Sattlers gehört? Klappt alles?«

»Ja, alles bestens. Die blühen oben auf der Gletscherblickalm richtig auf und wollen gar nicht mehr zurück nach Garmisch.«

»Das ist doch prima. Schön, dass sich alles so gefunden hat.«

Leopold Geiger hatte von seiner Oma eine Alm geerbt, allerdings mit Auflagen. Er musste die Alm bewirtschaften, Gäste beherbergen und die vor Ort erzeugte Kuhmilch direkt in Käse verarbeiten und nicht an eine Sennerei verkaufen. Ein Notar war mit der Überprüfung beauftragt worden. Seitdem betrieb Familie Sattler die Alm und die demenzkranke Oma Sattler kümmerte sich mit Leidenschaft um die Herstellung vieler schmackhafter Käsesorten, die bei den Wanderern, die für eine Stärkung auf der Alm einkehrten, sehr gut ankamen. So waren alle glücklich und die Alm wurde nicht der Bergwacht vermacht.

»Wir sind heute Abend doch auch noch auf Pauls und Vitus’ erstem Konzert, oder?«, fragte Anna.

»Ja, du hast recht. Das ist heute. Da sollten wir pünktlich von unserer Tour zurück sein, sonst gibt es Ärger von unseren Polizistenfreunden.«

»Das schaffen wir. Die erste Lagebesprechung morgen früh in Innsbruck ist übrigens erst um 10 Uhr. Wir müssen also nicht allzu früh raus.«

»Das klingt gut«, sagte Leopold. »Dann können wir etwas länger liegenbleiben und …«

»Sprechen Sie es nicht aus, Herr Kommissar. Es sind viele Kinder auf dem Platz, die rote Ohren bekommen könnten.«

»Naja, diese bekommen sie auch, wenn sie bei Norbert am Platz vorbeigehen«, scherzte Leopold. »Wollen wir los?«

»Ab auf die Räder«, rief Anna unternehmungslustig und klatschte in die Hände.

4

»Nur ein paar Schürfwunden. Der Dickschädel ist in Ordnung, was Jan?« Hubert Muigg von der hiesigen Bergwacht kniete vor Jan Grünewald, der im Schatten vor dem Gasthof Zimmereben auf einer Bahre lag. Eva, Lukas und Paul standen mit besorgtem Blick um ihn herum.

»Na, Gott sei Dank ist das noch mal gut gegangen. Jan, was ist denn eigentlich passiert?«, wollte der Bergwachtler wissen.

Der verunglückte Kletterguide hob den bandagierten Kopf an und lächelte verschmitzt.

»Ja was schon, abgestürzt bin ich. Weiß der Herrgott warum. Ich bin abgerutscht und konnte mich am Seil nicht mehr halten. Die Karabiner haben mich auch nicht aufgefangen und ich habe den Sittich gemacht. Verdammt nochmal brummt mir der Schädel.«

»Gut, dass du mit dem auf einem Grasbüschel aufgekommen bist und nicht auf den Steinen. Sonst wäre dein Schädel Matsche gewesen.« Hubert Muigg warf einen Blick auf den Überwachungsmonitor. »Wir nehmen dich jetzt trotzdem mit ins Klinikum. Ich möchte ausschließen, dass du innere Verletzungen hast, die gefährlich werden können, während wir hier in trauter Runde um dich herumstehen. Euch geht es aber gut?«, fragte der Bergwachtler und blickte zu den drei Umstehenden.

»Ja, alles okay«, antwortete Lukas mit einem Seitenblick auf Eva und Paul.

In diesem Moment klingelte Pauls Telefon.

»Ja, Vitus. Was gibt’s?«

Paul hörte seinem Kollegen einige Sekunden zu und sagte dann: »Okay, hol mich unten bei der Materialseilbahn ab. Ich fahre damit runter.« Danach legte er auf.

»Was ist los, Paul? Gibt es beim Grassl grad Leberkäse umsonst oder warum wirkst du plötzlich so aufgeregt?«, fragte Lukas und kniff ihm in die Seite.

»Selten so gelacht, Lukas. Ich muss los. Wir haben einen Unfall oben beim Bauer Pertl in Bichl. Vitus holt mich unten am Basecamp der Kletterschule ab. Ich fahr mit dem Transportlift runter. Kommt ihr hier ohne mich klar?«

»Sicher, Paul. Alles gut. Wir treffen uns dann später in Mayrhofen. Und pass auf, die Materialseilbahn ist nur für Fassbier und so gedacht. Hoffentlich bist du nicht zu schwer für das Seil.« Lukas grinste und alle um ihn herum, einschließlich Jan auf der Bahre, taten es ihm gleich.

Verächtlich musterte Paul seinen Allgäuer Kollegen von oben bis unten und verabschiedete sich.