Geist & Leben 2/2022 - Verlag Echter - E-Book

Geist & Leben 2/2022 E-Book

Verlag Echter

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Beschreibung

GuL 95 (2022), Heft 2 April-Juni 2022 n. 503 Notiz Ralph Kunz Mehr Gott in die Kirche bringen [113-114] Nachfolge Daniel Seper "Mit sanfter Zähigkeit". Das Leitwort des österreichischen Liturgiepioniers Pius Parsch [116-122] Kirsitina Kieslinger Kenosis und Centering Prayer. Jeden Tag den Weg Christi gehen [123-130] Claudia Gerstner-Link Figuren der Passion. Nachfolge an Jesu Lebensende [131-138] Nachfolge | Kirche Anna Slawek Gemeinschaften auf Abwegen? Strukturelle und dogmatische Defizite der Movimenti [139-147] Dominique-Marcel Kosack Fasziniert und überwältigt. Identität in der Literatur der Gebetshausbewegung [148-157] Peter Zimmerling Meditatio, oratio, contemplatio. Luther als Lehrer des kontemplativen Gebets [158-165] Frère Richard Im Gebet zu Gast bei Gott. Erfahrungen aus Taizé im Licht von Psalm 121 [166-172] Nachfolge | Junge Theologie Benedikt Poetsch Streiten auf katholisch? Anmerkungen zu einer geistlichen Konfliktkultur [173-178] Reflexion Michael Böhnke Wahrnehmung des Heilige Geistes. Vom praktischen Nutzen der Pneumatologie [180-188] Elmar Nass Im Geist Jesu leben. Ethischer Kompass christlicher Spiritualität [189-196] Sebastian Maly SJ Spiritualität studieren (Teil I). Studiengänge im deutschsprachigen Raum [197-202] Lektüre Jörg Nies SJ Jesuit Studies, Exerzitien und Theologie. Eine Literaturumschau [204-211] Buchbesprechungen [212-220]

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Inhalt

Heft 2 | April–Juni 2022

Jahrgang 95 | Nr. 503

Notiz

Mehr Gott in die Kirche bringen

Ralph Kunz

Nachfolge

„Mit sanfter Zähigkeit”. Das Leitwort des österreichischen Liturgiepioniers Pius Parsch

Daniel Seper

Kenosis und Centering Prayer. Jeden Tag den Weg Christi gehen

Kristina Kieslinger

Figuren der Passion. Nachfolge an Jesu Lebensende

Claudia Gerstner-Link

Nachfolge | Kirche

Gemeinschaften auf Abwegen? Strukturelle und dogmatische Defizite der Movimenti

Anna Slawek

Fasziniert und überwältigt. Identität in der Literatur der Gebetshausbewegung

Dominique-Marcel Kosack

Meditatio, oratio, contemplatio. Luther als Lehrer des kontemplativen Gebets

Peter Zimmerling

Im Gebet zu Gast bei Gott. Erfahrungen aus Taizé im Licht von Psalm 121

Frère Richard

Nachfolge | Junge Theologie

Streiten auf katholisch? Anmerkungen zu einer geistlichen Konfliktkultur

Benedikt Poetsch

Reflexion

Wahrnehmung des Heiligen Geistes. Vom praktischen Nutzen der Pneumatologie

Michael Böhnke

Im Geist Jesu leben. Ethischer Kompass christlicher Spiritualität

Elmar Nass

Spiritualität studieren (Teil I). Studiengänge im deutschsprachigen Raum

Sebastian Maly SJ

Lektüre

Jesuit Studies, Exerzitien und Theologie. Eine Literaturumschau

Jörg Nies SJ

Buchbesprechungen

Impressum

GEIST & LEBEN – Zeitschrift für christliche Spiritualität. Begründet 1926 als Zeitschrift für Aszese und Mystik

Erscheinungsweise: vierteljährlich

ISSN 0016–5921

Herausgeber:

Zentraleuropäische Provinz der Jesuiten

Redaktion:

Christoph Benke (Chefredakteur)

Britta Konlechner-Mühl (Redaktionsassistenz)

Redaktionsbeirat:

Margareta Gruber OSF / Vallendar

Stefan Kiechle SJ / Frankfurt

Bernhard Körner / Graz

Edith Kürpick FMJ / Köln

Ralph Kunz / Zürich

Jörg Nies SJ / Stockholm

Andrea Riedl / Regensburg

Klaus Vechtel SJ / Frankfurt

Redaktionsanschrift:

Pramergasse 9, A–1090 Wien

Tel. +43–(0)664–88680583

[email protected]

Artikelangebote an die Redaktion sind willkommen. Informationen zur Abfassung von Beiträgen unter www.echter.de/geist-und-leben/. Alles Übrige, inkl. Bestellungen, geht an den Verlag. Nachdruck nur mit besonderer Erlaubnis. Werden Texte zugesandt, die bereits andernorts, insbesondere im Internet, veröffentlicht wurden, ist dies unaufgefordert mitzuteilen. Redaktionelle Kürzungen und Änderungen vorbehalten. Der Inhalt der Beiträge stimmt nicht in jedem Fall mit der Meinung der Schriftleitung überein. Für Abonnent(inn)en steht GuL im Online-Archiv als elektronische Ressource kostenfrei zur Verfügung. Nichtabonnent(inn)en können im Online-Archiv auf die letzten drei Jahrgänge kostenfrei zugreifen. Registrierung auf www.echter.de/geist-und-leben/.

Verlag: Echter Verlag GmbH,

Dominikanerplatz 8, D–97070 Würzburg

Tel. +49 –(0)931–660 68–0, Fax +49– (0)931–660 68–23

[email protected], www.echter.de

Visuelle Konzeption: Atelier Renate Stockreiter

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

Bezugspreis: Einzelheft € 13,50

Jahresabonnement € 45,00

Studierendenabonnement € 30,00

jeweils zzgl. Versandkosten

Vertrieb: Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder direkt beim Verlag. Abonnementskündigungen sind nur zum Ende des jeweiligen Jahrgangs möglich.

Auslieferung: Brockhaus Kommissionsgeschäft GmbH, Kreidlerstraße 9, D–70806 Kornwestheim Auslieferung für die Schweiz: AVA Verlagsauslieferung AG, Centralweg 16, CH–8910 Affoltern am Alibs

Diesem Heft liegt folgender Prospekt bei:concilium, Echter VerlagWir bitten um Beachtung.

Notiz

N

Ralph Kunz | Zürich

geb. 1964, Dr. theol., Prof. für Praktische

Theologie an der Universität Zürich,

Beiratsmitglied von GEIST & LEBEN

[email protected]

Mehr Gott in die Kirche bringen

Nach einem Vortrag in einer Kirchengemeinde wurde ich letzthin gefragt, wie man mehr Menschen in die Kirche bringen könne. Ich spürte die Sorge in der Frage. Sie ist verständlich. Es liegt auf der Hand und die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Der Kirche laufen die Menschen davon. Auch die Treuen fragen sich, ob ihre Kirche ein Auslaufmodell sei. Die Zahl der Mitglieder ist jedenfalls rückläufig. In meiner Bibliothek füllen die Bücher dazu ganze Regale. Es handelt sich überwiegend um Analysen. Wir wissen tatsächlich sehr gut Bescheid über die Gründe, warum weniger Menschen in die Kirche kommen. Vielleicht mehr, als uns guttut? Denn dieses Wissen kann auch lähmen und ein trostloses Kirchenbild in unseren Köpfen verfestigen, das uns nachläuft, wie eine Melodie – was mich an den Refrain eines Schlagers erinnert, den ich in Jugendtagen gesungen habe. Er handelt vom alten Haus in Rocky Docky. Von ihm heißt es, es habe vieles schon erlebt, sei wüst und leer. Kein Wunder, dass es zittert, kein Wunder, dass es bebt. Strophe für Strophe wird’s gruseliger. Wehe, wer eintritt! „Dieses Haus hat viele Türen, doch nicht eine führt hinaus, denn wer drin ist, der bleibt drin in diesem Haus.“ Ich befürchte, es gibt immer mehr Leute, die ein Rocky Docky-Bild der Kirche haben. Das eigentlich Merkwürdige daran ist, dass sie die Kirche so sehen, auch wenn sie nie im Inneren des Hauses waren! Schön wäre es, sie würden, wenn schon, wenigstens die letzte Strophe des Schlagers mitsingen: „Dieses Haus will ich bewohnen, komm vom Wandern ich zurück, denn das Haus ist voller Wunder und voll heimlicher Musik. Alle Sterne hör ich singen, und die Schatten am Kamin gleiten zu den Träumen meiner Jugend hin.“

Wer die Wunder nicht spürt und die Musik nicht mehr hört, sieht nur noch das Geisterhaus oder die Bruchbude und verpasst den Eingang zum Haus der Träume. Ist es unser Ziel, Menschen in die Kirche zu holen? Vielleicht ist die Frage falsch gestellt! Wäre es nicht verheißungsvoller, das Haus der Träume zu den Menschen zu bringen? Natürlich meint das nicht, den Ausgetretenen hinterherzurennen. Aber wir müssen uns ehrlich eingestehen, dass eine Ära zu Ende geht. Wir konnten uns einmal darauf verlassen, dass sich die Gemeinden biologisch erneuern und Gemeindeaufbau in erster Linie darin besteht, getaufte Kinder und ihre Familien zu sozialisieren und Seniorenferien anzubieten. Das funktioniert nicht mehr. Wenn es weitergehen soll mit der Gemeinde, können wir uns nicht mehr länger auf die Sammlung beschränken und müssen die Sendung zu den Menschen als Aufgabe der ganzen Gemeinde wiederentdecken. Früher nannte man es Mission. Manche wollen das Wort lieber gar nicht in den Mund nehmen. Reden wir ihnen zuliebe von der Begeisterung, die unseren Glauben belebt und vom Wunsch eines jeden Christenmenschen, seine Hoffnung mit anderen zu teilen. Reden wir auch vom Verlangen, für Versöhnung zu werben und von der Freude, die sich einstellt, „wenn Geschwister einträchtig beisammen sind“ (Ps 133,1). Reden wir von den Träumen unseres Hausherrn, seinem Durst nach Gerechtigkeit und dem Feuer, das er entzündet hat. Die Leidenschaft seiner Mission ist der Grund, warum wir Kirche sind.

Unsere Kirchen schrumpfen in Zahlen und an Bedeutung. Wir müssen lernen, den Verlust zu verschmerzen. Das ist eine Seite. Die andere: Weil die Institution Kirche kleiner wird, wird es höchste Zeit, größer von der Kirche zu denken und vom Herrn, der denen, die zittern und beben, Erquickung zuspricht, mehr zu vertrauen. Es ist ein wenig paradox, die Krise der Kirche zum Anlass für ihren Aufbruch zu erklären. Aber es ist auch orthodox. Denn so hat alles angefangen. Am Ende seiner kurzen Laufbahn sind Jesus die Anhänger davongelaufen. Das neue Haus, das er bauen wollte, lag in Trümmern. Der Anfang der Kirche war ein messianischer Scherbenhaufen! Wir wissen, warum die Kirche gegenwärtig schrumpft. Wäre es nicht viel wichtiger, zu wissen, warum die Jesusbewegung nach dem Tod ihres Herrn nicht in sich zusammengefallen ist? Warum es dem mächtigen Rom nicht gelang, die kleine Sekte aus Palästina zu zerstören? Warum das alte Haus, das wir Kirche nennen, immer noch voller Wunder und heimlicher Musik ist?

Christ(inn)en sollen über die Hoffnung Rechenschaft ablegen, die in ihnen ist. (1 Petr 3,15) Wenn sie ihre Kirche für einen hoffnungslosen Fall halten, haben sie nicht mehr viel zu melden. Christus ohne Kirche ist ein Geist ohne Körper. Christus widerspricht unserer Hoffnungslosigkeit, indem er uns verspricht, mit uns zu sein bis ans Ende der Welt. Die Kirche mag alt sein, aber ihre Vision ist immer noch neu. Wir brauchen sie, um die Sehnsucht zu nähren, wir brechen von ihr auf, um dem Visionär nachzugehen, der uns Bilder des offenen Himmels zeigt. Wir kehren zu ihr zurück, um auf seine Stimme zu hören und ihm unser Ohr zu leihen, wir vereinen unsere Stimmen und liegen ihm in den Ohren. Nachfolger(innen) werden und andere „in die Kirche bringen“ heißt, Weggemeinschaften bilden, die Jesus nachfolgen. Wenn uns daran nichts liegt, wird die Kirche ein Geisterhaus. Wenn ER uns vorangeht und wir IHM nachfolgen, wird die Kirche wieder zum Haus der Träume. Dann bringen wir mehr Gott in die Kirche.

NNachfolge

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Nachfolge

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Daniel Seper | Klosterneuburg

geb. 1986, Dr. theol., MA, wiss. Mitarbeiter des Pius-Parsch-Instituts für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie Klosterneuburg

[email protected]

„Mit sanfter Zähigkeit“

Das Leitwort des österreichischen Liturgiepioniers Pius Parsch

„Behutsam, zart, ruhig“, so beschreibt der Duden das Adjektiv sanft. Und zäh ist dem Wörterbuch nach etwas, das „nur sehr mühsam, langsam vorankommt“, das ausdauernd und beharrlich ist. Sanft und zäh, behutsam und beharrlich gleichzeitig. Auf den ersten Blick vielleicht ein ungleiches Paar, bei näherem Hinschauen aber harmonieren die beiden Eigenschaften gar nicht so schlecht und ergänzen einander gut. Für den Augustiner Chorherren Pius Parsch (1884–1954), der sich die Verbindung dieser beiden Begriffe selbst zum Motto seiner Arbeit gewählt hat, hat es sich bewährt, mit sanfter Zähigkeit vorzugehen. Der Wahlspruch hat damals Mut und Hoffnung geweckt, wie ein Vierteljahrhundert nach dessen Tod festgestellt wurde. Er könne auch heute noch als Aufruf und Ermunterung verstanden werden.1

Zu Leben und Wirken von Pius Parsch

Um Pius Parsch besser verstehen und einordnen zu können, erscheint es sinnvoll und hilfreich, zunächst ihn selbst kurz vorzustellen.2 Parsch wurde als Johannes Ev. Bruno am 18. Mai 1884 im heute zur nordmährischen Stadt Olmütz gehörenden Neustift/Nové Sady geboren. Auch wenn in seiner Jugend vieles darauf hindeutete, dass Parsch einen ganz anderen Weg einschlagen sollte, er nämlich Schauspieler werden wollte, trat er in das nieder-österreichische Augustiner Chorherrenstift Klosterneuburg ein und erhielt bei seiner Einkleidung im Alter von 20 Jahren den Ordensnamen Pius. Der Name kann bereits als Vorzeichen gesehen werden, gingen doch wichtige Impulse für Parsch – wie die Förderung einer aktiven Teilnahme am Gottesdienst – auf den damaligen Papst Pius X. zurück. Nach dem Theologiestudium an der Universität Wien und der Hochschule des Stiftes empfing Parsch am 18. Juli 1909 die Priesterweihe. Er wirkte zunächst einige Jahre als Aushilfspriester in der Piaristenpfarre Maria Treu in Wien-Josefstadt, während er an seiner Dissertation zur „Bedeutung des Kreuzestodes Christi nach dem heiligen Paulus“ schrieb. Das Doktorat an der Universität Wien konnte er im Juni 1912 erfolgreich abschließen. Im Folgejahr übernahm Parsch bereits die Professur für Pastoraltheologie an der Klosterneuburger Ordenshochschule. Diese Aufgabe hatte er allerdings nicht lange inne, meldete er sich nach Ausbruch des Weltkrieges doch für die Militärseelsorge. Der Einsatz an der Ostfront hatte nachhaltige Wirkung auf ihn. Nicht nur das Erleben der ostkirchlichen Liturgien prägte ihn, sondern auch die Erfahrungen in der Seelsorge der Soldaten. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs kam Parsch wieder zurück in das Stift, wo er in verschiedenen Feldern der Pastoral zum Einsatz kam.

Für sein weiteres Wirken von Bedeutung war dabei die liturgische Gemeinde in der Klosterneuburger Kirche St. Gertrud. Am Hochfest Christi Himmelfahrt des Jahres 1922 feierte er dort die erste „Gemeinschaftsmesse“, bei der ein Vorbeter eine Mitfeier in der Muttersprache ermöglichen sollte – „der Anfang von Parschs pastoralliturgischem Wirken“3 kann hier angesetzt werden. Sein pastorales Wirken „volksliturgischer“ Prägung, wie er es selbst bezeichnete, ging weit über St. Gertrud hinaus, sein Denken speiste sich aber vor allem aus der konkreten Feier der Liturgie dort. Parsch gründete für seine vielfältigen Publikationen, zu denen nicht nur die Klassiker wie die Volksliturgie (11940/21952) oder die Messerklärung (11930/31950) zählten, einen eigenen Verlag, später folgte eine Druckerei. Aber auch die Zeitschrift Bibel und Liturgie, die ab 1926 erschien, geht auf Parsch zurück. Schon ihr Titel zeigt an, welche Schwerpunkte Parsch in seinem Denken, Schreiben und Tun setzte. Regelmäßige Bibelstunden, Einführungen in die Liturgie der Kirche im kleinen Rahmen einerseits sowie sogenannte Volksliturgische Tagungen, die Dutzende interessierte Kleriker und Laien aus dem gesamten deutschen Sprachraum nach Klosterneuburg brachten, auf der anderen Seite zeigten Wirkung und verhalfen Parschs Apostolat zu großer Beliebtheit und Verbreitung gleichermaßen. Als Durchbruch wird die im Rahmen des Katholikentags in Wien im Jahr 1933 gefeierte „Betsingmesse“ gesehen.

Der Zweite Weltkrieg führte zur Unterbrechung seines Wirkens: Die Nationalsozialisten hoben 1938 das volksliturgische Zentrum auf, 1941 ereilte das Stift dasselbe Schicksal. Parsch wechselte in die Pfarre Floridsdorf am heute nach ihm benannten Platz in Wien XXI. Nach dem Krieg nahm Parsch seine Arbeiten wieder auf und lehrte erneut an der hauseigenen Hochschule – nun allerdings nicht mehr Pastoraltheologie, sondern Neues Testament. Die Hinwendung zur Heiligen Schrift zeigte sich auch in der Gründung des „Klosterneuburger Bibelapostolats“, das ab 1950 das „Volksliturgische Apostolat“ ergänzen sollte. Das Ende seines Wirkens leitete ein Schlaganfall im Sommer 1952 ein, wenige Wochen nachdem ihm die Ehre zuteilwurde, am Internationalen Eucharistischen Kongress in Barcelona einen Hauptvortrag zu halten. Zwei Jahre später, am 11. März 1954, verstarb Pius Parsch im Alter von 69 Jahren. Seine letzte Ruhestätte fand er in der „Wiege der Volksliturgischen Bewegung“, der Kirche St. Gertrud.

Volksliturgie

Das Leben und Wirken Parschs war geprägt von der Grundhaltung, mit sanfter Zähigkeit vorzugehen. Das lässt sich an folgenden Beispielen ablesen. Was für uns heute nahezu selbstverständlich erscheint, war zu Lebzeiten von Parsch ein Wunschtraum: Der Gottesdienst wird von der gesamten Gemeinschaft gefeiert. Der Zustand, den Parsch vorfand, als er selbst als Seelsorger zu wirken begann, war ein anderer: Der Klerus zelebrierte die Messe in einer dem/der gewöhnlichen Gläubigen kaum mehr zugänglichen Form und Sprache und das Volk wohnte dem heiligen Spiel im besten Fall fromm bei. Das konnte Parsch – und mit ihm viele andere Vertreter der Liturgischen Bewegung – nicht hinnehmen, sodass er es sich zum Ziel machte, dem Volk seine Liturgie zurückzugeben, sie wieder zum Volks-Werk zu machen. Im Bewusstsein, dass es sich dabei um eine Tautologie handelt, überschrieb er sein zentrales Anliegen mit dem Begriff „Volksliturgie“. Der Weg zu diesem Ziel führte nach Parsch über mehrere Etappen. Es galt, dem Volk zu ermöglichen, am eucharistischen Gottesdienst wieder teilzuhaben. Konkret bedeutete dies, das Wort Gottes zu hören und in der Kommunion Christus zu empfangen. Das Lateinische und Fehlentwicklungen in der Kommunionpraxis hatten dies bisher erschwert. Zunächst seien die Menschen zum Verstehen der Liturgie hinzuführen, bevor sie im nächsten Schritt dann aktiv teilnehmen könnten. Rückenwind aus Rom für sein Anliegen wollte der Klosterneuburger Chorherr nicht nur im Schreiben von Pius X. Tra le sollecitudini (1903) erkennen, in dem uns zum ersten Mal die Wendung participatio actuosa begegnet. Auch ein weiterer Pius, nämlich Pius XII., widmete nun der Liturgie im Gesamten eine Enzyklika, Mediator Dei (1947). Bei aller kritischen Würdigung des Schreibens, das auch vor Auswüchsen der liturgischen Bewegung warnt, sieht sich Parsch in seinem Vorhaben grundsätzlich gestärkt. Für ihn gelte weiterhin, den Weg zu bahnen von Privatmessen des Priesters hin zur gemeinschaftlichen Feier der gesamten christlichen Gemeinde. Dabei, so Parsch in Volksliturgie, „wollen wir uns gewiß vor Übereifer bewahren und mit den Gegebenheiten abfinden, aber mit sanfter Zähigkeit wollen wir auch dieses Ziel unserer Bewegung verfolgen. Wir glauben nicht, daß dies dem Geist und Sinn des Papstschreibens widerspricht.“4Mit sanfter Zähigkeit sei nicht nur deswegen vorzugehen, um mit der kirchlichen Hierarchie nicht in Konfrontation zu treten, sondern auch, weil sich Parsch bewusst war, dass das Volk erst langsam wieder hingeführt werden muss zu seiner ureigentlichen Aufgabe, Verantwortung im Gottesdienst zu übernehmen. Das darf nicht überstürzt geschehen, sondern muss beharrlich verfolgt werden, eben mit sanfter Zähigkeit.

Teilnahme am Gottesdienst

Das zentrale Anliegen sah der Klosterneuburger Chorherr darin, die aktive Teilnahme an der Liturgie zu fördern. Dabei steht eine aktive Teilnahme nicht im Gegensatz zur geistigen Teilnahme, sondern ergänzt diese. Und auch hier fordert Parsch wieder ein, mit der für ihn typischen sanften Zähigkeit vorzugehen. Auch wenn zu Lebzeiten Parschs noch viele Hindernisse im Weg standen, hat er sein Ziel nicht aus den Augen verloren:

„Die römische Liturgie setzt nicht bloß die Anwesenheit des Volkes voraus, sondern dessen aktive Teilnahme, und diese soll neu gepflegt werden. Das ist unser Ziel, das wir hundertprozentig im Auge behalten. Wir haben freilich schon angedeutet, daß die Verwirklichung dieses Zieles langsame Schritte [sic!] machen muß. Das Volk muß erst für die Aktivität erzogen werden. Deshalb müssen wir es allmählich dazu führen. Außerdem hat die aktive Teilnahme in der kirchlichen Gesetzgebung und Gewohnheit eine geringe Stütze; wir müssen daher tastend vorfühlen und die Möglichkeiten der aktiven Teilnahme experimentell erproben. Da gilt es oft, jahrhundertelange Gebräuche und Gewohnheiten zu überwinden, was oft auf Widerstände bei Volk und Klerus, bei der kirchlichen Obrigkeit stößt. Doch wir wollen das unbestreitbare Prinzip der aktiven Teilnahme hochhalten und mit sanfter Zähigkeit in die Tat umsetzen.“5

Parsch ist sich bewusst, dass seine Mission heikel ist, sie ist ihm aber so wichtig, dass er trotz aller Widerstände nicht davon ablassen will. Und er ermutigt seine Mitstreiter(innen), es ihm nachzutun. Er wusste, dass es nicht von heute auf morgen gelingen würde, alle Gläubigen wieder aktiv am Gottesdienst teilnehmen zu lassen, und rief zum Durchhalten auf – nicht nur die Leser(innen) der Volksliturgie, sondern wohl vor allem auch sich selbst.

Liturgische Gemeinde

Für die Verwirklichung der Anliegen des volksliturgischen Apostolats empfiehlt Parsch verschiedene Wege. So müssen z.B. Priester für das Anliegen begeistert werden, dann braucht es liturgische Pfarren oder Gemeinden, wie er es nennt. St. Gertrud, eine romanische Kirche in Klosterneuburg, bildet die „Übungsschule“ für Parsch selbst: eine liturgische Gemeinde, die eine homogene Gruppe von Gläubigen bildet und begeistert gemeinsam Gottesdienst feiert. Parsch unterscheidet diese kleinere Gruppe innerhalb einer Pfarre von der liturgischen Pfarre im Ganzen, die das Ideal darstellt:

„Da wird das Tempo der liturgischen Arbeit langsamer sein. Der Pfarrer muß eben Rücksicht nehmen auf die Nichtliturgischen, muß auch Ehrfurcht vor den überlieferten Formen haben. Es wäre für den Pfarrer verhängnisvoll, wenn er zu radikal vorginge. Da könnte er mehr verderben als nützen. Die Methode des volksliturgischen Aufbaues in der Pfarre muß also sein: langsam und allmählich steigern; kein Experimentieren, nichts Altes abschaffen, ehe man etwas Besseres an die Stelle gesetzt hat; anknüpfen an vorhandenes Gutes, Ehrfurcht vor der Tradition. Der Pfarrer muß das Ziel liturgischer Erneuerung fest im Auge behalten, in der Durchführung des Zieles aber mit Teillösungen rechnen. Er muß sich auf große Widerstände gefaßt machen, deshalb muß er mit sanfter Zähigkeit zu Werke gehen.“6

Parsch gibt hier schon sehr konkrete Hilfestellungen für die volksliturgische Arbeit und zeigt große Sensibilität für Sorgen und Ängste von Menschen und für möglicherweise auftretende Probleme. Er warnt vor überschnellen Lösungen und rät wieder zu sanfter Zähigkeit. Einerseits um die Gläubigen nicht vor den Kopf zu stoßen, andererseits um die „liturgisch Bewegten“, wie er es nennt, nicht zu entmutigen oder resignieren zu lassen. Sanftheit muss sich auch im Umgang mit der überlieferten Tradition zeigen. Es dürfe kein Element im Gottesdienst einfach gestrichen werden, ohne es sinnvoll durch etwas Anderes zu ersetzen. Bestehende Gesetze und Bräuche verdienen es, dass sie langsam und nicht abrupt geändert werden.

Formen der aktiven Teilnahme

Die Kommunion im Rahmen einer Eucharistiefeier zu empfangen, war für mehrere Jahrhunderte und auch zu Lebzeiten von Parsch keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr die Ausnahme. Parsch sah aber in der Kommunion eine wesentliche Form aktiver Teilnahme. So empfahl er seinen Mitbrüdern im priesterlichen Dienst, „die Christen dazu [zu] erziehen, daß sie es für selbstverständlich halten, bei jeder Messe, an der sie teilnehmen, auch die Kommunion zu empfangen“7. Das Ziel, dass die gesamte Gemeinde in der Messe die Kommunion empfängt, „wird der Pfarrer aber mit ‚sanfter Zähigkeit‘ die ganze Zeit seiner Tätigkeit im Auge haben, wenn er auch erkennt, daß er es nicht vollständig erreicht. Der Weg zu diesem Ziel geht freilich auf Stufen und er kann nicht rechnen, daß er das Ziel so schnell erreicht. Doch erlahmen darf er nicht.“8 Hier zeigt sich der Klosterneuburger Chorherr realistisch und warnt vor überhöhten Vorstellungen, ruft gleichzeitig aber wieder dazu auf, dranzubleiben und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.

Ein weiteres Mal begegnet uns das Parsch’sche Credo in der Volksliturgie, als es um einen anderen Aspekt der aktiven Teilnahme geht, nämlich um den Gesang in der Liturgie. Parsch widerspricht den Kritikern, die befürchten, dass der von ihm eingeforderte Volksgesang Chorleiter und Organisten brotlos machen würde. Vielmehr ergebe sich für sie eine neue Aufgabe, das Volk im liturgischen Gesang zu schulen. So rät er: „[W]enn ich auch hart in meinen Grundsätzen bin, so bin ich milde im Wege der Durchführung. Gehen wir schrittweise vorwärts, knüpfen wir an das vorhandene Gute an; reißen wir nicht das Alte ein, ehe wir besseres Neues an die Stelle gesetzt haben. Mit sanfter Zähigkeit gehen wir an die Ziele der volksliturgischen Erneuerung.“9

Parsch gesteht selbst ein, dass er an seinen Forderungen festhält, aber diese milde umzusetzen versucht und bringt mit der Verbindung von Härte und Milde eine ähnliche Paarung ins Spiel wie mit der Sanftmut und der Zähigkeit. Nicht aggressiv und laut, sondern ruhig und besonnen, aber deswegen nicht weniger energisch verfolgte Parsch die Ziele der volksliturgischen Bewegung. Mit Nachdruck und Ausdauer setzte er sich für seine Ideale ein. Auch wenn es nur mit kleinen Schritten voranging, verlor er doch nicht das Ziel aus den Augen. Wie Mose konnte Parsch gewissermaßen nur einen Blick auf das gelobte Land werfen, wurden doch die meisten seiner Anliegen erst nach seinem Ableben in Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils verwirklicht. Als Vorgeschmack mag da die Reform der Karwoche 1954 gegolten haben, mit der die Osterliturgie vom Morgen des Karsamstags in die Nacht verlegt wurde – ein großer Wunsch von Parsch.

Sanft und zäh

Die zentralen Anliegen von Parsch umfassten neben der Einbindung des ganzen Volkes in den Gottesdienst auch die Verbindung von Liturgie und Bibel sowie den Einsatz für liturgische Bildung. Bei der Verfolgung dieser Forderungen ging Parsch wohl auch deswegen mit sanfter Zähigkeit vor, weil er wusste, dass es ihm und seinen liturgisch Mit-Bewegten viel Langmut abverlangen werde, Fehlentwicklungen zu korrigieren und den Gottesdienst zu reformieren, d.h. in seine ursprüngliche Form zurückzuführen. Geduld war nicht nur wegen der Widerstände, sondern auch wegen der Sache an sich gefragt. Gleichzeitig zäh zu sein und sanft vorzugehen verlangten auch die betroffenen Personen, sei es aus Rücksicht auf das Bedürfnis nach Gewohntem und Beständigkeit oder einfach im Wissen um deren Aufnahmefähigkeit oder Faulheit. Letztlich schützte sich Parsch mit seinem Leitmotiv selbst vor Resignation und Enttäuschung, spornte sich damit aber zugleich an.

In der Ausgabe 1949/50 der Zeitschrift Bibel und Liturgie stellt sich Parsch im Rückblick auf sein Wirken der Frage „Wo stehen wir?“ und blickt auf die Früchte seines volksliturgischen Apostolats. Auch wenn die Bilanz ernüchternd ausfällt, mit Christus als Vorbild, dessen Wirken wohl ebenso eine sanfte Zähigkeit zugeschrieben werden kann, verzagt Parsch nicht. Vielmehr sieht er hoffnungsvoll in die Zukunft – und durfte Recht behalten, auch wenn seine Ideale wohl nie vollkommen erfüllt sein werden: „Unsere Bestrebungen sind vorerst noch Senfkörnlein, und das ist gut. Alles Große in der Kirche ist diesen Weg gewandelt. Christus, der Herr ist uns vorangegangen; seine Seelsorge während seines Erdenlebens war noch erfolgloser und geringer. Wir sind von ihm belehrt worden, daß wir nicht auf äußeren Erfolg sehen sollen (…). Noe, Isaias, Jeremias, ja Christus selbst sind ihnen vorausgegangen im geduldigen Tragen der Schwächen ihrer Umgebung. Jedoch mit sanfter Zähigkeit werden wir durchhalten und unsere Ideale bewahren. Wenn es Gottes Wille ist, so werden wir die Brückenbauer einer christlichen Erneuerung sein.“10

Pius Parsch hat es vorgelebt. Sein Leitwort motivierte ihn und bewahrte ihn vor Entmutigung, konnte er doch die Früchte seiner Arbeit selbst nicht mehr verkosten. So kann es auch heute hilfreich sein, sich mit sanfter Zähigkeit für die Anliegen einzusetzen. Allerdings wird nicht alles, was in eben dieser Gesinnung verfolgt wird, zwingend zum Ziel führen müssen. Gelegentlich können sich Widerstände als berechtigt erweisen. Nicht immer wird es sinnvoll sein, bloß mit sanfter Zähigkeit vorzugehen. Fehlentwicklungen, die sich schleichend („sanft“) und zäh ausbreiten, verlangen etwa auch radikale Einschnitte. Die Entscheidung, in welchen Bereichen es sich lohnt, mit sanfter Zähigkeit hartnäckig zu bleiben, verlangt gutes Abwägen.

1Vgl. N. Höslinger / T. Maas-Ewerd, Vorwort, in: dies. (Hrsg.), Mit sanfter Zähigkeit. Pius Parsch und die biblisch-liturgische Erneuerung (Schriften des Pius-Parsch-Instituts Klosterneuburg 4). Klosterneuburg 1979, 7–9, hier: 8.

2Vgl. zum Folgenden: N. Höslinger, Der Lebenslauf von Pius Parsch, in: ders. / T. Maas-Ewerd (Hrsg.), Mit sanfter Zähigkeit, 13–78 [s. Anm. 1]; R. Pacik, Pius Parsch (1884–1954), in: B. Kranemann / K. Raschzok (Hrsg.), Gottesdienst als Feld theologischer Wissenschaft im 20. Jahrhundert. Deutschsprachige Liturgiewissenschaft in Einzelporträts. Bd. 2 (LQF 98). Münster 2011, 886–900, hier: 886ff.; P. Parsch, Volksliturgie. Ihr Sinn und Umfang (PPSt Bd. 1). Würzburg 2004, 15–21; A. Redtenbacher, Pius Parsch (1884–1954): Leben und Wirken im Überblick, in: P. Parsch, Volksliturgie. Ihr Sinn und Umfang (PPSt Bd. 1). Würzburg 2004, 512.

3R. Pacik, Pius Parsch, 887 [s. Anm. 2].

4P. Parsch, Volksliturgie, 74 [s. Anm. 2].

5Ebd., 114.

6Ebd., 151

7Ebd., 328.

8Ebd., 329.

9Ebd., 309f.

10 P. Parsch, Wo stehen wir?, in: Bibel und Liturgie 17 (1949/50), 1–4, hier: 3f.

Kenosis und Centering Prayer

N

Kristina Kieslinger | Freiburg i.Br.

geb. 1989, Dr. theol., Referentin für Theologie und Ethik beim Deutschen Caritasverband e.V. und Dozentin an der Fortbildungsakademie des Verbandes

[email protected]

Kenosis und Centering Prayer

Jeden Tag den Weg Christi gehen

Selbstentäußerung – ein Begriff, der schwer verdaulich in den Ohren von Menschen des 21. Jahrhunderts klingt. Bei manchen mag er Bilder von ausgemergelten, sich selbst geißelnden Mönchen hervorrufen. Im besten Sinne ist das damit Gemeinte weltfremd und nicht für Menschen, die mitten im Leben stehen, geeignet. Es ist vermeintlich also kein Wunder, dass dieser Artikel seinen Ausgangspunkt bei einem Trappisten, Thomas Keating OCSO1