Geisterspiele und Kommerz - Christof Seeger - E-Book

Geisterspiele und Kommerz E-Book

Christof Seeger

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Beschreibung

Was wäre die Welt nur ohne den Fußball? Fußball steht für Leidenschaft, Emotionen und Zusammenhalt. Der Fußball verbindet Woche für Woche Fans aller Couleur mit dem gemeinsamen Ziel, den Sieg der eigenen Mannschaft zu feiern. Die Autoren analysieren die aktuelle Situation im deutschen Profifußball. Bereits vor der Covid-19-Pandemie sorgte die voranschreitende Kommerzialisierung für viel Unmut und kontroverse Diskussionen unter zahlreichen Fangruppierungen. Viele sind der Meinung, im Fußball gehe es nur noch um das Geld. In diesem Buch werden nun Handlungsfelder auf allen Ebenen aufgezeigt, dieser Entfremdung entgegenzuwirken.

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Die Reihe Sport & Kommunikation greift die Tatsache auf, dass Kommunikationsthemen im Sport immer wichtiger werden. In Breitensportvereinen und Verbänden, aber auch in professionellen Sportorganisationen werden Kompetenzen, vor allem in der digitalen Kommunikation und im Austausch mit Mitgliedern, Athlet:innen, Fans und Sponsoren, zukünftig benötigt. Die ausgewählten Bandthemen bieten eine verständliche und fundierte Einführung für Studierende aus den Bereichen Sportkommunikation, Sportjournalismus, Sportökonomie und -marketing und der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Aber auch Praktiker:innen können einen fundierten Mehrwert daraus ziehen.

Prof. Christof Seeger ist seit 2005 Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Er lehrt und forscht zu kommunikationswissenschaftlichen Themen der Digitalisierung in der Pressebranche und zur Medienrezeption. 2021 begründete er die Vertiefungsrichtung Sportkommunikation im Master Crossmedia Publishing & Management an der HdM.

Oliver Pfander studiert im Master Crossmedia Publishing & Management mit dem Schwerpunkt Sportkommunikation an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Als aktiver Tischtennisspieler und langjähriger Fußballfan ist er sehr mit dem Sport verbunden.

Christof SeegerOliver Pfander

Geisterspiele und Kommerz

Die Entfremdung im deutschen Profifußball während der COVID-19-Pandemie

Umschlagmotiv: © iStock aquatarkus

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

DOI: https://doi.org/10.24053/9783739882093

© UVK Verlag 2022

– ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

Internet: www.narr.de

eMail: [email protected]

ISSN 2752-1303

ISBN 978-3-7398-3209-8 (Print)

ISBN 978-3-7398-8209-3 (ePDF)

ISBN 978-3-7398-0601-3 (ePub)

Vorwort

Seit dem Wintersemester 2020/21 gibt es die Vertiefungsrichtung Sportkommunikation im Master Crossmedia Publishing & Management an der Hochschule der Medien (HdM). Schon zur Vorbereitung des späteren Masterstudiums werden bereits im Bachelor Abschlussarbeiten mit einem klaren Sportbezug geschrieben. Mit diesem Buch machen wir deshalb den Auftakt für unsere Reihe Sport + Kommunikation und wollen damit relevante Themenfelder in der Schnittstelle zwischen Medien und dem Sport aufarbeiten und interessierten Leser:innen zugänglich machen. Die Zielgruppen sind Studierende aus dem Fachgebiet, aber auch andere an der Thematik Interessierte.

Wir versuchen deshalb auch, Themenbereiche leicht und verständlich aufzubereiten und gehen dabei bewusst ein, dass der ein oder andere wissenschaftliche Diskurs noch vertiefend geführt werden könnte.

Der erste Band dieser Reihe beschäftigt sich mit den Entwicklungen im Profifußball aus Perspektive der Kommerzialisierung und der Medialisierung. Wir lassen bewusst Vertreter:innen aus der Fan-Szene aller drei Profi-Ligen in Deutschland unverblümt zu Wort kommen und betrachten deren Meinung und Position zu den herausgearbeiteten Handlungsfeldern im Fußball.

Gerade die COVID-19-Pandemie hat im Fußball, aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen wie ein Brennglas oder als Katalysator gewirkt und Problemfelder zu Tage gefördert, deren Diskurs weiter stattfinden muss.

Um auch Anmerkungen und Anregungen aufzunehmen, haben wir eigens eine Mail-Adresse unter sportkommunikation@uvkmuenchen eingerichtet, und freuen uns über jeden Austausch und Hinweis.

Stuttgart, im September 2022

Prof. Christof Seeger

Oliver Pfander

Inhalt

Vorwort

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1Einleitung

2Fußball und die Gesellschaft

2.1Fußball als Kulturgut

2.2Nachhaltigkeit

2.3Gesellschaftliche Verantwortung

3Profifußball in Deutschland

3.1Strukturen des deutschen Fußballs

3.1.1Deutscher Fußball Bund (DFB)

3.1.2Der Ligaverband und die Deutsche Fußball Liga (DFL)

3.1.3Lizenzierungsverfahren

3.2Die Entwicklung der Bundesliga

3.3Die Entwicklung der 2. Bundesliga

3.4Die Entwicklung der 3. Liga

4Kommerzialisierung im Profifußball

4.1Finanzierung

4.2Innenfinanzierung im Fußball

4.3Außenfinanzierung im Fußball

4.4Der Einstieg finanzieller Interessensgruppen

5Einfluss der Medien

5.1Medien und Fußball

5.2Steigende Medienerlöse

6Der Fußball und seine Fans

6.1Geschichte des Fantums

6.2Definition und Bedeutung von Fans

6.3Fan-Partizipation und Beziehung zu Spieler und Verein

7Die Auswirkungen durch die COVID-19-Pandemie

7.1Der deutsche Profifußball in der Pandemie

7.2Die deutsche Fan-Kultur in der Pandemie

8Was beschäftigt die deutschen Fußballfans?

8.1Gruppendiskussion als Erhebungsmethode

8.2Zusammensetzung der Gesprächsgruppen

8.3Ergebniszusammenführung und -darstellung

9Handlungsfelder im deutschen Profifußball

9.1Entwicklung im Profifußball

9.2Kommerzialisierung

9.3Gesellschaftliche Verantwortung

9.4COVID-19-Pandemie

10Was kann der Fußball daraus lernen?

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1Grundstruktur des deutschen Fußballs

Abb. 2Umsatz der 1. und 2. Fußball-Bundesliga von der Saison 2004/05 bis zur Saison 2018/19

Abb. 3Zuschauerzahlen in Stadien der 1. und 2. Fußball-Bundesliga von 2005/06 bis 2019/20

Abb. 4Erträge in der Saison 2020/21 pro Verein

Abb. 5Aufwendungen in der Saison 2020/21 pro Verein

Abb. 6Das „magische Dreieck der Finanzwirtschaft“

Abb. 7Wechselbeziehungen zwischen Medien, Publikum, Sport und Wirtschaft

Abb. 8Vorteilsdimensionen durch mediale Berichterstattung

Abb. 9Bundesliga Erlöse

Abb. 10Handlungsfelder im deutschen Profifußball

Tab. 1Kriterien der Lizenzierungsordnung

Tab. 2Transferaufwendungen der 18 Bundesliga-Klubs

Tab. 3Personalaufwand Spielbetrieb der Fußball-Bundesliga

Tab. 4Die Erträge der medialen Verwertung in der 2. Bundesliga

Tab. 5Transferaufwendungen aller 18 Zweitligisten

Tab. 6Erträge und Aufwendungen der jeweiligen Drittliga-Mannschaften

Tab. 7Erlös der medialen Verwertung der Bundesliga und 2. Bundesliga in den letzten drei Saison

1 Einleitung

Was wäre die Welt nur ohne den Fußball? Fußball steht für Leidenschaft, Emotionen und Zusammenhalt. Er steht auch für Hoffnung, Liebe und Hass. Der Fußball verbindet Woche für Woche Fans aller Art, welche alle dasselbe Ziel verfolgen: den Sieg der eigenen Mannschaft zu feiern und Emotionen zu erleben. Es ist ein Sport, den Millionen Menschen verfolgen. Für viele Fans ist der Sport mehr als nur ein Hobby, und die Identifikation geht weit über die 90 Minuten Spielzeit hinaus. Aber der Fußball ist auch ein Geschäft, in dem es um Geld und Einfluss geht, und entwickelte sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem veritablen Wirtschaftszweig (vgl. Hasel 2019, S.2 ff.).

Die Einschränkungen während der COVID-19-Pandemie haben einige Problemfelder im deutschen Profifußball zu Tage gefördert, die es zwar auch schon vorher gegeben hat, aber in der besonderen Situation nochmals deutlicher zu Tage getreten sind. Zwei zentrale Bereiche sind an dieser Stelle zu identifizieren, die selbst nicht losgelöst voneinander zu betrachten sind. Ein wichtiger Punkt ist die Fan-Entfremdung samt den Herausforderungen einer neuen und digitalisierten Kommunikation mit den verschiedenen Stakeholdern eines Vereins. Primär hatten viele Vereine mit finanziellen Sorgen während den Lock-Down-Phasen zu kämpfen. Vor allem die eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten durch geringere Einnahmen sind ein Thema, mit dem die Vereine umgehen müssen. Einige Klubs taten sich damit zu Beginn sehr schwer und hätten ohne die frühzeitige Auszahlung der noch ausstehenden TV-Gelder Insolvenz anmelden müssen. Daher stellt sich die Frage, warum die Vereine nach nur ein paar Wochen ohne Einnahmen bereits vor dem Kollaps stehen. Und das in einem Business, in dem Millionen an Geldern fließen. Dieser Umstand zeigt, dass nachhaltiges Wirtschaften bei einigen Klubs nicht existent ist und der Erhalt der Strukturen stark von Fernsehgeldern abhängig ist.

Die Fußballfans verfolgen die Entwicklungen im Fußballgeschäft weiterhin sehr genau. Mitglieder und Fans erwarten zunehmend Erklärungen und eine transparente Kommunikation seitens der Vereine. Das ist auch an den zahlreichen Statements und Protesten während der Geisterspiele zu sehen gewesen. Besonders hochgekocht sind die Emotionen bei der Verkündung der European Super League. Dabei wollten sich anfangs zwölf Top-Klubs aus Europa aus der von der UEFA organisierten Champions League abspalten und eine eigene Liga gründen mit dem Ziel, die TV-Einnahmen zu erhöhen. Diese Entscheidung löste ein regelrechtes Beben aus, nicht nur in Deutschland. Massenweise Fans, Spieler, Vereine und sogar die UEFA kritisieren die Pläne. Letztere treibt seit Jahren die Kommerzialisierung im Fußball an und hat sich nun ironischerweise bei den Diskussionen rund um die European Super League plötzlich als Beschützer des Fußballs dargestellt.

Trotz des direkten Rückzugs ist das Thema Super League noch lange nicht vom Tisch. Die Befürworter machen sich für einen zweiten Anlauf bereit und ziehen mit einer Klage gegen FIFA und UEFA vor ein spanisches Gericht. Die Klage soll prüfen, ob die beiden Instanzen rechtmäßig als Kartell für den europäischen Fußball die Einführung einer Super League verhindern. Das Gericht in Madrid leitete den Fall an den Europäischen Gerichtshof weiter, der am 15. Dezember 2022 ein abschließendes Gutachten vorliegen will. Ein endgültiges Urteil wird Anfang 2023 erwartet (vgl. o.V. 2022b).

Den Fußballfans blieb lange Zeit nichts anderes übrig, als den Sport an den Bildschirmen zu verfolgen. Doch ohne die Stimmung und Emotionen der Fans ist das für viele nicht vergleichbar. Sehr deutlich hat das auch die „Sportschau“ zu spüren bekommen. Vor der Pandemie haben ca. fünf Millionen Menschen den reichweitenstarken ARD-Klassiker am Samstagabend eingeschaltet, seit Beginn der Pandemie nur noch ca. vier Millionen, was den drastischen Verlust von etwa einer Million Zuschauern darstellt (vgl. o.V. 2022c). Leere Zuschauerränge, keine spannende Meisterschaft und tendenziell weniger Spiele zur Hauptspielzeit um 15:30 könnten hierfür verantwortlich sein. Doch für manche Menschen hat der Fußball vielleicht nicht mehr den Stellenwert, den er vor der COVID-19-Pandemie hatte; stattdessen rücken andere Dinge in den Fokus. Eine komplette Abneigung gegenüber dem Sport ist allerdings nicht eingetreten. Das spiegelt sich unter anderem an den Zuschauerzahlen zum Ende der Spielzeit 2021/22 wider.

2 Fußball und die Gesellschaft

Es ist noch nicht lange her, dass Fußball in Deutschland als Sport von Proleten angesehen worden ist und in der Gesellschaft alles andere als etabliert war. Gerade in der Anfangszeit des Fußballs, also Ende des 19. Jahrhunderts, wurde der Fußball noch als „Fußlümmelei“ und „Stauchballspiel“ beschrieben (vgl. Planck, 1898). Diese Beurteilung und Einordnung sind der damaligen Zeit geschuldet, in der Sport – vor allem das Turnen – keineswegs zur körperlichen Fitness oder zum Zeitvertreib betrieben wurde, sondern die Leibesübungen durchaus auch militärischen Zwecken dienen sollten. Eine tiefgreifende sporthistorische Betrachtung, vor allem auch im Vergleich der verschiedenen kulturellen Entwicklungen in England und Deutschland, findet man zum Beispiel bei Maurer (2010).

Der Sport im Allgemeinen hat dabei, vor allem in England, eine gesellschaftliche Entwicklung genommen, die von unterschiedlichen Rahmenbedingungen begleitet gewesen sind – allerdings ging es am Anfang zunächst gar nicht um Fußball. Zu Beginn standen häufig direkte Wettbewerbe „Mann gegen Mann“ im Mittelpunkt, so etwa beim Boxen oder Fechten – auch wenn bereits in der Antike und im Mittelalter fußballähnliche Spiel stattgefunden haben. Der sportliche Wettkampf war dabei auch lange Zeit mehr zur Belustigung und hatte einen Jahrmarktcharakter (Maurer 2010). Dabei muss man sich in die Lebensrealität des 19. Jahrhunderts hineinversetzen, die geprägt war durch große gesellschaftliche Umbrüche. Die Stände wie Adel und Arbeiter waren im Alltag stark getrennt und die Industrialisierung nahm an Fahrt auf.

Im Sport, so wie er in England betrieben wurde, konnten diese Grenzen überwunden werden. In England wurden nämlich sportliche Wettkämpfe nicht selten zwischen Opponenten ausgetragen, die sich im realen Leben der damaligen Gesellschaft nicht auf Augenhöhe begegnet wären (Maurer 2020). Nur der Sport bot den Rahmen, einen Faustkampf zwischen einem Arbeiter und einem Adeligen durchzuführen, ohne das gesellschaftliche System an sich ins Wanken zu bringen. Diese Besonderheit des Sports bildet eine wichtige Grundlage für das, was der Sport auch noch in der heutigen Zeit in seiner integrativen Funktion darstellt.

Dass diese besonderen Konstellationen auch publikumswirksame Veranstaltungen waren, zeigte sich alsbald in der Nachfrage und den zahlreichen Besuchen von sportlichen Wettkämpfen. An dieser Stelle ergeben sich schon die ersten ökonomischen Zusammenhänge, die das Publikum mit einbeziehen. Wenn mehr finanzielle Mittel durch einen hohen Verkauf an Eintrittskarten zur Verfügung stehen, können auch attraktivere Wettkämpfer engagiert werden, die wiederum das Publikum unterhalten, und die Menschen für die Unterhaltung dann auch eher bereit sind, Geld auszugeben. Ebenso wurde schon früh auf den Ausgang von Wettkämpfen gewettet. Es gibt jedoch auch Gegenbeispiele wie die Tour de France, die von Journalisten bewusst mit dem Ziel der Steigerung des Absatzes einer Zeitschrift gegründet worden ist.

Vorformen des Fußballs bzw. das Spiel an sich, in dem sich zwei konkurrierende Teams gegenüberstehen und einen Ball oder einen anderen Gegenstand in einem Tor oder in einer bestimmten Zone des Gegners unterzubringen versuchen, wurden schon im Altertum durchgeführt. Auch heute noch gibt es verschiedene Subformen des Fußballspiels, wie zum Beispiel das Calcio fiorentino. Dieser Wettkampf wird nur in Florenz gespielt und ist eine Mischung aus Fußball und Rugby, was als eine der Wurzeln des modernen Fußballs zählt.

Der englische Pädagoge und Lehrer Thomas Arnold hatte durch seine Erziehungsprinzipien im Wesentlichen den Sport an den Schulen reformiert und war damit beispielgebend für andere Schulen (vgl. Dunning 1998). „Der moderne Fußball ist ein Kind des 19. Jahrhunderts. Seine Entstehung ist eng verknüpft mit verschiedenen sozial- und kulturhistorischen Prozessen, die im Zeitalter der Industrialisierung zunächst Großbritannien erfassten, um sich dann mit einer gewissen zeitlichen Verschiebung in West- und Mitteleuropa zu wiederholen.“ (Koller 2006, S. 14). Durch seine Reformen wurde der Sport regelbasierter und organisierter. Diese Transformation hatte zur Folge, dass sich aus dem Rugby zusätzlich das Fußballspiel herauskristallisierte. Das erste Fußballregelwerk erschien 1845 in „The Laws of Football as Played in Rugby School”. Damit wurde Fußball zu einem regulierten Wettkampf, mit einer festgelegten Anzahl von Spielern, Spieldauer und Spielfeldgröße. An der Public School von Eton gab es 1849 eine weitere Regel von zentraler Bedeutung: das Verbot, den Ball mit der Hand zu spielen. Was einerseits zu einer weiteren Selbstdisziplinierung der Spieler führte und zum anderen die Trennung zum Rugby noch deutlicher machte. Somit war der Grundstein für den modernen Fußball in Eton gelegt worden, deren Schüler meist eher von aristokratischer Abstammung waren und sich noch deutlicher vom bürgerlichen Status distanzieren wollten.

Schnell ist der Fußball aus dem rein schulischen Umfeld (der Public Schools) entwachsen, und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam die institutionelle Organisation des Sports auf nationaler Ebene hinzu. Am 26. Oktober 1863 wurde die Football Association ins Leben gerufen und die Regeln weiterhin vereinheitlicht. Das erste Fußballspiel fand nur wenige Wochen später, am 19. Dezember 1863, zwischen Barnes und Richmond statt und endete in einem torlosen Unentschieden. Wobei anzumerken ist, dass die Organisation der Verbände und damit auch die Durchführung von Wettbewerben den höheren gesellschaftlichen Schichten vorwiegend vorbehalten war.

Da die Fußballregeln im Grunde sehr einfach sind und neben einem Ball im Grunde nur zwei Tore vonnöten sind, breitete sich das Spiel schnell über die englischen Grenzen hinaus aus und begeisterte auch Arbeiterschichten und Menschen aus einem weniger gut situierten Umfeld. Die Begeisterung lag einerseits darin, Fußball selbst zu spielen, aber auch Fußball anzuschauen. Der erste Fußballverein wurde in Hannover 1878 gegründet. Auch die Verbandsgründungen nahmen zu. 1904 wurde die heute noch bestehende „La Fédération Internationale de Football Association“ (FIFA) gegründet.

Gesellschaftlich kann die Industrialisierung als weiterer Faktor gesehen werden, welche die Ausbreitung des Fußballsports in den Arbeiterschichten begünstigt hat. Durch die bereits oben erwähnte Simplizität des Spiels und den geringen Aufwand war es möglich, Fußball quasi überall zu spielen. Man kann sich also gut vorstellen, dass es vielen Arbeitern außerhalb der monotonen Fabrikarbeit ein Bedürfnis war, einen Ausgleich zu suchen. Eine theoretische Erklärung für dieses Verhalten gibt die Kompensationstheorie (vgl. Fatheuer 1985, S. 17), die vereinfacht ausgedrückt sagt, dass Menschen in der Freizeit einen Ausgleich suchen, der ihnen während der Arbeit versagt bleibt. Die Freizeit bietet Möglichkeiten, etwaigen negativen Einflüssen der Arbeitswelt zu entfliehen und sich davon abzugrenzen.1 Die Neuordnung der Arbeit durch feste Arbeits- und Freizeiten haben zudem ermöglicht, dass es zum Beispiel an arbeitsfreien Tagen am Wochenende die Möglichkeit gegeben hat, sich mit anderen zu verabreden. Dabei spielte neben dem Spiel an sich auch der Aspekt eine Rolle, sich in einer Gruppe zu treffen und Gemeinschaft und Geselligkeit zu erleben.

Die weitere Entwicklung führte schließlich zur Gründung von vielen Fußballvereinen, oftmals in Kneipen, die schnell zu einer Art Vereinsheim wurden und auch als sozialer Treffpunkt zum Austausch und zur Kommunikation dienten (vgl. Rautenberg 2008).

2.1 Fußball als Kulturgut

Warum Fußball als Kulturgut gelten kann, fasst Schiffer (2006, S. 12 f.) sehr treffend zusammen. Einerseits ist der Fußball – zumindest in Europa – ein akzeptierter Teil des gesamtgesellschaftlichen Lebens geworden. Dabei haben nicht nur die Spiele und das direkte Aufeinandertreffen zweier Mannschaften einen Einfluss auf einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs, sondern vor allem auch die Geschichten und Ereignisse rund um das System Fußball. Nicht zuletzt, weil in diesem System große ökonomische Abhängigkeiten und Erwartungen vorhanden sind. Dies zeigt auch die Diskussion um die besondere Stellung des (Profi-)Fußballs während der COVID-19-Pandemie.

Der Fußball hat aufgrund des öffentlichen Interesses und der medialen Reichweite wie kaum eine andere Sportart das Potenzial, auch Inhalte und Botschaften zu transportieren, die mit dem eigentlichen Sportereignis zunächst wenig zu tun haben. Allein in Deutschland bezeichnen sich mehr als 40 Millionen Menschen als Fußballfans, die Bundesliga hat dabei sogar einen Bekanntheitsgrad von 99 Prozent (vgl. Rauball 2019, S. 11). Die Bundesliga ist aber nicht nur bekannt, sondern genießt in Deutschland generell ein großes Ansehen. In einer kurz vor dem Ende der Saison 2018/19 durchgeführten Studie bezeichneten 74 Prozent der Befragten die Bundesliga als festen Bestandteil der Gesellschaft (vgl. DFL 2020, S. 9). Darüber hinaus gaben jeweils 67 Prozent der Befragten an, der Fußball verbinde Menschen miteinander und diene als Vorbild für jüngere Sportler (vgl. ebd., S. 9).

Die gesellschaftspolitische Kraft, die der Sport dadurch ausüben kann, ist enorm. Durch die Popularität des Sports wächst somit auch die Verantwortung des Profifußballs, wichtige Impulse für die Stärkung der Werte der Gesellschaft zu setzen und auf viele Probleme aufmerksam zu machen.

Vor allem sportliche Großereignisse wie eine Fußball-Weltmeisterschaft sind dabei ein wichtiger Rahmen für unterschiedliche Stakeholder, um im Zuge der medialen Aufmerksamkeit intendierte Botschaften zu platzieren. Ihle (2017) hat herausgestellt, dass Großereignisse auf das Erzeugen von öffentlicher Aufmerksamkeit ausgelegt sind. Dies geschieht in modernen Gesellschaften überwiegend durch mediale Aufmerksamkeit. So wird beispielsweise bei einer Fußball-Weltmeisterschaft nicht nur der Sport in den Fokus gerückt, sondern auch das Gastgeberland wird selbst zum Gegenstand der Berichterstattung und zunehmend auch Teil einer kritischen Auseinandersetzung um Vergaberichtlinien, Menschenrechtsdiskussionen, Arbeitsbedingungen und vielem mehr. Die symbolischen und politischen Dimensionen sind ein wichtiger Bestandteil derartiger Mega-Events. Häufig nutzen Politiker und andere Interessensgruppen die Veranstaltung und ihre mediale Aufmerksamkeit, um in die eigene Bevölkerung hinein positive Signale zu senden. So bietet die Austragung dem Gastland die Chance, positive Vorstellungen zu bestärken und neue positive Assoziationen zu erzeugen (vgl. Schallhorn, 2017, S. 78).

2.2 Nachhaltigkeit

Die Themen, die mit einer nachhaltigen Entwicklung einhergehen, nehmen derzeit in der Öffentlichkeit immer mehr an Relevanz zu. Der Umweltschutz scheint eine der wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft zu sein, v.a. um künftigen Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen. Laut einer Studie der Europäischen Kommission ist es neun von zehn Verbrauchern aus Deutschland wichtig zu wissen, inwiefern Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen, was gleichzeitig den höchsten europäischen Wert darstellt (vgl. Türck 2019, S. 92).

Es ist deswegen nicht mehr nur der Fußball, der zählt, sondern es rücken auch die gesellschaftlichen Perspektiven und die sozialen Faktoren in den Fokus, vor allem vor dem Hintergrund, dass sich die Fußballvereine in den letzten Jahren regelrecht zu Wirtschaftsunternehmen entwickelt haben. Das Profifußballgeschäft verzeichnet seit 2008 ein reales Wachstum von 6,1 Prozent und ist dadurch schneller gewachsen als die meisten Industrien (vgl. Wagner 2019, S. 53). Außerdem sind in der Bundesliga und der 2. Bundesliga mittlerweile ca. 56.000 Menschen beschäftigt, wodurch sich der Wert damit im Zehn-Jahres-Vergleich um 52 Prozent gesteigert hat (vgl. DFL 2020, S. 19). Nachhaltiges Management wird somit größtenteils verpflichtend für die Vereine, da man diese als vollwertige Unternehmen betrachten und auch dasselbe Vorgehen beim Thema Nachhaltigkeit und Verantwortung erwarten kann (vgl. Wagner 2019, S. 53). Im Gegensatz zu klassischen Wirtschaftsunternehmen besitzt der Profifußball aber eine viel engere Bindung zur Gesellschaft und kann hier somit als eine Art Vorreiter tätig werden. Das Wirkungsdreieck zwischen sportlichem Erfolg, wirtschaftlichem Auftreten und der gesellschaftlichen Wirkung wird zur Basis des zukünftigen Handelns im Profifußball (vgl. Schmidpeter 2019, S. 5).