Geld Gold und schräge Vögel - Andreas Pietzsch - E-Book

Geld Gold und schräge Vögel E-Book

Andreas Pietzsch

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Beschreibung

Der Finanzhardeur Doktor Jan Ritthausen setzt zum Schröpfen des kleinen Mannes an. Betrug durch das altbewährte Schneeballsystem und Verflechtungen mit der Mafia machen ihn zum Millionär und zum Mörder. Hauptkommissar Asbach von der Sonderermittlungsgruppe gegen das organisierte Verbrechen im Polizeipräsidium Dresden ermittelt und gerät dabei in Lebensgefahr.

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Das Buch

Die Anleger freuen sich.

Bei einer Verzinsung von Sparguthaben, die einer Enteignung der Sparer gleichkommt, zündet einer ein golden flimmerndes Irrlicht über dem gärenden Nullzinsmorast an.

Die Betrüger freuen sich ebenfalls.

Der Finanzhasardeur Doktor Jan Ritthausen setzt zum Schröpfen des kleinen Mannes an. Betrug durch das altbewährte Schneeball-System und Verflechtungen mit der Mafia machen ihn zum Millionär und zum Mörder.

Ein Mann will von ganz unten nach ganz oben, dabei ist ihm jedes Mittel recht.

Hauptkommissar Asbach von der Sonderkommission gegen organisierte Kriminalität im Polizeipräsidium Dresden ermittelt unerbittlich gegen ihn und gerät dabei selbst in Lebensgefahr.

Der Autor

Andreas Pietzsch ist gebürtiger Dresdner. Er arbeitete als Chemiearbeiter, Heizer, auf dem Bau und in der Landwirtschaft. Er studierte Naturwissenschaften und wurde Lehrer.

In der Reihe ''Hauptkommissar Asbach ermittelt'' erschienen bereits die Romane ''Weil man es zulässt'' und ''Wenn ich rede, bin ich tot''.

Die in diesem Roman agierenden Personen sind vom Autor frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Egal, ob man elbaufwärts oder elbabwärts lief, der Wind kam immer von vorn. Ein seltsames Phänomen, dachte Hauptkommissar Arnt Asbach, als er auf dem Parkplatz unterhalb des Blauen Wunders seinen Wagen abstellte.

Wenn es dann noch nieselte wie heute und der feine Sprühregen die Kleidung langsam, aber sicher durchnässte, waren nur wenige Spaziergänger auf dem Elberadweg unterwegs.

Aber das war für ihn kein Problem. Seit sie ihn, mit Recht, musste er sich eingestehen, suspendiert hatten, fühlte er sich ziemlich orientierungslos. Er war menschenscheu geworden, da er nach der Kampagne gegen ihn durch die Boulevardpresse eine leichte Beute für sensationslüsterne Mitbürger geworden war.

Hauptkommissar einer Dresdner Sondereinheit der Polizei foltert …

Polizist bricht angeblich Verdächtigem …

Brutale Attacke der Polizei ...

Und so fort, und so fort.

Asbach blieb noch eine Weile im Auto sitzen und sah auf den bleigrauen Fluss. Er hätte gern gewusst, wie die Leute, die jetzt ihr Maul am weitesten aufrissen, sich in seiner Lage verhalten hätten. Du kannst den Mord an einer unschuldigen, jungen Frau verhindern, musst dafür aber einen brutalen Ganoven massiv unter Druck setzen.

Ihm war klar, dass er sich, was den Kodex der Polizei betraf, falsch verhalten hatte.

Frage: Gab es einen ähnlichen Kodex auch für das Ganovengesindel hierzulande? Alte, gebrechliche Frauen wurden ausgeraubt, und, wehe sie leisteten Widerstand. Hirnlose und arbeitsscheue Rotzlöffel veranstalteten im Stadtgebiet illegale Autorennen. Wenn da zufällig eine junge Frau, ein Kind oder ein gebrechlicher Rentner vor die Karre geriet, war das eben Pech.

Wohnungseinbruch, Vergewaltigung, Totschlag, Rauschgifthandel etc. waren keine Seltenheitsdelikte mehr.

Schnappte dann die Polizei einen solchen Verbrecher, war es geboten, die Handschellen mit äußerster Vorsicht anzulegen und keine zu engen Stahlmanschetten zu benutzen. Man konnte ja die Handgelenke des Mörders oder des Vergewaltigers zuvor mit Schaumstoff polstern. Und wehe dir, du Scheißbulle, der Gewaltverbrecher behauptet, er sei noch minderjährig, obwohl sich ihm die ersten Sackhaare schon vor mehr als zehn Jahren um die Eier geringelt hatten.

Dann Gnade dir Gott!

An viele Richter, denen die Ganoven zugeführt werden, solltest du lieber gar nicht erst denken, Arnt. Und wenn du Wert auf deinen Blutdruck legst, denk auch nicht an die Medien. Die Journaille wird dich wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf treiben, bis sie die nächste erwischt. Sein Freund Maibach hatte nach den ersten Angriffen auf Polizisten vorausgesagt, dass sich das Gewaltpotential gegen die Polizei vervielfachen würde. Inzwischen wurde alles, was auch nur im entferntesten nach Uniform aussah, brutal attackiert. Und in letzter Zeit beschränkten sich die Angriffe des Mobs nicht mehr nur auf Polizisten. Inzwischen wurden Rettungssanitäter, Feuerwehrmänner, eigentlich alles, was nach Staat aussah, angegriffen.

„Die Demokratie verliert an Substanz“, hatte sein Freund Maibach bei einem abendlichen Umtrunk im Brauhaus Watzke gesagt. „Und das sicherste Zeichen für eine unfähige Regierung ist, dass sie zwar die Zügel in den Händen hält, sie aber dann, wenn es darauf ankommt, schleifen lässt.“

„Republiken, die in Gefahr nicht zu diktatorischer Gewalt Zuflucht nehmen, werden bei schweren Erschütterungen zugrunde gehen, sagt Machiavelli“, hatte Asbach hinzugefügt.

„Dann hast du, wenn unsere Obrigkeit wie bisher so weitermacht, bald die Wahl zwischen Marschtritt und Chaos“, ergänzte Maibach.

Im schönsten Chaos befand er, Arnt Asbach, sich jetzt schon. Deine Entlassung, mein lieber Herr Hauptkommissar, war zweifelsfrei rechtens. Du hast so ziemlich alles falsch gemacht, was ein Polizist falsch machen konnte, da beißt die Maus keinen Faden ab. Ein Polizeibeamter sollte sich niemals von Gefühlen leiten lassen. Wenn er es doch tat, musste er mit den Folgen leben.

Das Verfahren wegen Körperverletzung gegen ihn war zwar eingestellt, aber die ganze Sache war so hochgespielt worden, dass es für Hartmann, seinen Chef bei der Sonderermittlungsgruppe gegen organisierte Kriminalität, keine Alternative gab.

Er war suspendiert. Damit musste er jetzt zurechtkommen.

Asbach wusste, dass er in einer ähnlichen Situation, wenn es zum Beispiel um das Leben eines Kindes gegangen wäre, wieder so gehandelt hätte.

Er blieb noch im Auto sitzen und ließ die Scheibenwischer an. Die schwere Elbluft war so mit feinsten Regentröpfchen gesättigt, dass man das Gefühl hatte, in eine Wolke wie in eine nasse Decke eingehüllt zu sein.

Decke, dachte Asbach.

Immer öfter in der letzten Zeit fiel ihm die in seinem Hotelzimmers auf den Kopf. Er musste raus, um wieder klar denken zu können. Laufen, bis die Socken qualmten.

Bei dem Mistwetter aber sollte der Mensch erst sein Inneres aufwärmen, bevor er sich dieser nasskalten Witterung aussetzte.

Er stieg aus dem Auto.

Der Schillergarten hatte bereits geöffnet. Er bestellte einen Glühwein mit Amaretto.

Hier hatte Schiller die Gastwirtstochter Johanna Justine Segedin kennengelernt. Mit dem Satz: „Was? der Blitz! Das ist ja die Gustel von Blasewitz“, hatte er ihr in seinem Wallenstein zu Weltruhm verholfen.

Zum 100. Geburtstag Schillers hatte Ernst Litfaß, der Erfinder der berühmten Litfaßsäule, der Kneipe ein Denkmal des großen Dichters geschenkt. Aus diesem Anlass heraus wurde aus der Fleischerchen Schenke der Schillergarten.

Asbach ging raus in den Garten mit Blick auf die Elbe und das Blaue Wunder.

Der Nieselregen hatte zwar nachgelassen, aber die berühmte Brücke stieß mit ihren Spitzen immer noch in einen wolkenverhangenen Himmel.

Kritische Stimmen hatte es auch damals beim Bau dieser ungewöhnlichen Stahlkonstruktion gegeben. Aber das Theater, das sich bei der Waldschlößchenbrücke abgespielt hatte, war nicht zu toppen gewesen.

Rund dreizehn Jahre Bauzeit. Die Baukostenüberziehung lag im zweistelligen Millionenbereich. Baustopanträge und Gerichtsurteile wechselten sich ab. Die kleine Hufeisennase mutierte zum Star und der Steuerzahler zahlte die Rechnung.

Dafür aber, dachte Asbach, hatte man europaweit etwas zum Lachen und Kopfschütteln geboten.

Er brachte das leere Glas zurück und begann seine Wanderung elbaufwärts.

Ein älterer Herr mit einem Affenpinscher, der durch den Regen große Ähnlichkeit mit einer alten Klobürste hatte, grüßte freundlich und blieb stehen. Der Hund schnupperte neugierig an Asbachs Hose, wandte sich dann aber den Markierungen seiner Artgenossen an einem Gebüsch zu.

„Wird Zeit, dass endlich Frühling wird.“ Der Mann rieb mit einem Taschentuch seine Brillengläser trocken.

„Höchste Zeit“, erwiderte Asbach.

„Wenn man einen Hund hat, muss man halt bei jedem Wetter raus“, lachte der Mann.

„Dafür sollen Menschen mit Hund länger fit bleiben, sagt man.“

„Da ist was Wahres dran, mein Herr. Dem Hund ist nämlich das Wetter völlig egal, nur raus und nach Duftmarken schnuppern.“

Der Mann hob den Arm und zeigte Richtung Brücke. „Wenn das Blaue Wunder von hier aus wie in einem Wattebausch gehüllt aussieht, bleibt das Wetter meist noch eine Weile scheußlich.“

„Ist aber sicher nicht die Schuld der Brücke“, lachte Asbach.

„Mitnichten, mein Herr. Tote Materie ist immer unschuldig. Schuldig macht sich nur der Mensch. Die Brücke hier ist der beste Beweis dafür. Die Stahlkonstruktion konnte sich fünfundvierzig nicht zur Wehr setzen, als sie, um den Vormarsch der Russen zu stoppen, gesprengt werden sollte. Diese Brücke hat ihr Überleben zwei mutigen Männern zu verdanken. Der eine war der Telegrafenarbeiter Paul Zickler und der andere war der Klempnermeister Erich Stöckel. Die zwei Männer haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt und die bereits verlegten Sprengdrähte zerschnitten.“

Der Mann sah Asbach erschrocken an. „Entschuldigen Sie vielmals, mein Herr, wenn ich Sie langweile, aber ich liebe ...“

„Sie langweilen mich keineswegs, Herr ...“

„Köpke, Erich Köpke, aber kein Nachkomme von Professor Dr. Claus Köpke, dem Konstrukteur des Blauen Wunders, der 1891 mit dem Brückenbau begonnen und zwei Jahre später das Blaue Wunder bereits eingeweiht hat.“

„Asbach, Herr Köpke“, Er sah das kurze Aufblitzen in den Augen seines Gesprächspartners. „Auf jeden Fall hat sich dieser Herr Köpke für den Bau seiner Brücke eine günstige Zeit ausgesucht. Heutigentags hätte er diese nonkonformistische Konstruktion mit Sicherheit nicht durchsetzen können.“

„Am Pranger wäre der Mann gelandet. Die Medien hätten ihn ohne Erbarmen geschlachtet“, erwiderte Köpke. „Vielleicht wäre es besser, wenn die Menschen Maulkörbe trügen und die Hunde die Zeitung machen würden“, lachte er. „So ähnlich hat es einmal George Bernard Shaw gesagt.“

Der Affenpinscher zerrte wütend an seiner Leine. So ein Gelaber, der nächste Strauch barg wesentlich aufregendere Dinge für seine Nase.

„Nichts für Ungut, Herr Asbach, aber Ludmilla wird ungeduldig. Die hat wahrscheinlich schon wieder Hunger. Unglaublich, was so ein kleiner Kerl verdrücken kann. Dabei muss man höllisch aufpassen. War doch neulich in der Dose Hundefutter ein halber kleiner Frauenfinger. Auf dem Nagel war noch der Lack drauf. Hab sofort die Kripo auf der Schießgasse angerufen.“

Herr Köpke schüttelt sich.

„Also dann, Herr Asbach, vielleicht treffen wir uns mal wieder. War mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern.“

„Ganz meinerseits, Herr Köpke.“

Asbach sah auf seine Armbanduhr.

Kurz nach 11.00 Uhr. Gegen 12.30 Uhr war er mit dem Privatdetektiv Kowalski im Restaurant Elbinsel verabredet. Er hatte schon einmal mit Kowalski zusammengearbeitet und sie waren sehr gut miteinander ausgekommen. Er würde auf jeden Fall über eine erneute Zusammenarbeit nachdenken. Einfach so in den Tag hineinzuleben, war nicht sein Ding.

Er legte einen Schritt zu.

Sonntagabend.

Asbach saß vor seinem Laptop. Es wurde höchste Zeit, dass er sich wieder einmal um seine Finanzen kümmerte. Sein Börsendepot konnte sich sehen lassen. Die Börse war zu einem festen Bestandteil seines Lebens geworden. Dabei war es nicht nur das Geld, das ihn interessierte.

Faszinierend war einfach, dass man eine bestimmte Summe einsetzte und dann zusah, wie sich das Geld vermehrte oder laut-und spurlos verschwand. Das Ganze geschah, ohne dass man einen Finger rührte – außer bei der Eingabe am PC.

Irgendwie abartig.

Wenn er an seine Kindheit dachte, und dass seine Eltern ihr Leben lang schwer gearbeitet hatten, um zu einem bescheidenen Wohlstand zu kommen, war es für ihn einfach nicht zu begreifen, dass mit Geld allein Geld zu verdienen war.

Ohne Arbeit!

Nur mit mit einem Klick am PC!

Klar, die Mäuse konnten auch weg sein. Man musste höllisch aufpassen bei der jetzt üblichen Zockerei an der Börse. Durch ehrliche Arbeit wird selten einer reich, durch Betrug schon. Einer der Lieblingssprüche seines Freundes Maibach im Präsidium.

Trotzdem war das Börsenspiel eines der aufregendsten Spiele, das es für ihn gab.

Du kannst gewinnen und du kannst verlieren.

Fast wie in der Liebe.

Er musste an die Versicherungsstory denken, die ihm Kowalski erzählt hatte.

Ein liebeshungriger Mitfünfziger lernt eine heiße Enddreißigerin kennen und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Er holt sie aus leicht anrüchigen Verhältnissen in seine Wohnung und in sein Bett. Die Dame überzeugt den Mann davon, dass er der einzige Penisträger auf der Matratze war, der ihr Lustschreie entlocken konnte, bei denen den Männern in den Nachbarwohnungen die Hosen eng wurden.

Nach und nach beginnt aber die heiße Braut ihre sexuellen Eruptionen zurückzufahren. Ihre vorgetäuschten Orgasmusschreie werden seltener, bis sie ganz verstummen.

Der Mann beginnt zu leiden.

Schlafstörungen!

Fresssucht wechselt mit Appetitlosigkeit!

Kopfschmerzen werden von Übelkeit abgelöst!1

Unternehmungslust weicht Apathiezuständen!

Dem Mann geht es schlecht bis zu dem Tag, als er mit einer Handtasche von Prada für knapp 800 Euro seinen Betthasen beglückt. Das Lustgestöhn der Dame bei weit geöffnetem Schlafzimmerfenster wird wieder so heftig, dass eine neidische Frau aus dem Nachbarhaus ruft, sie sollten doch gefälligst einen Schalldämpfer beim Vögeln benutzen.

Aber wie das mit Geschenken so ist, sie werden in den Alltag einbezogen und verlieren damit ihren Reiz. Die Schreie wurden wieder leiser und verstummten dann ganz.

Noch bevor sich die ziehenden Schmerzen von seinen Hoden in den unteren Bauchbereich ausbreiten konnten, kaufte der geplagte Mann weitere Geschenke: Ein Flacon von Lacoste, ein teures Schminkset, einen Kugelschreiber der Marke Mont Blank und so fort, und so fort.

Höhe und Dauer der Töne, die die Sexsopranistin von sich gab, verhielten sich adäquat zu den Preisen der Liebesgaben.

Aber irgendwann waren die materiellen Reserven des sonst sehr sparsamen Mannes erschöpft, nicht aber sein Bedürfnis, dem Engel in seinem Bett die Flötentöne beizubringen.

Aber ohne Geschenke war da nichts zu machen. Ohne noble Geschenke verwandelte sich die heiße Schwänin in eine hässliche, dumme Gans.

Aber Gott sei Dank gab es ja die Banken und die waren immer froh, wenn sie wieder einen Dummen gefunden hatten, dem sie das Fell über die Ohren ziehen konnten.

Der hormongesteuerte Mann machte Schulden. Dabei hatte er keine Ahnung, dass ein großer Teil seiner teuren Geschenke eine weitere Frau glücklich machte. Seine Dulzinea kopulierte nämlich, wenn der großherzige Spender Dächer deckte oder reparierte mit einem anderen weiblichen Wesen. Hierbei erklomm ihre Stimme Tonhöhen, die selbst eine Maria Callas vor Neid hätten erblassen lassen.

Als dann dem Mann die Schulden über den Kopf wuchsen, hatte Dulzinea eine geniale Idee.

Dachdecker waren doch gut versichert!

Sollte er vom Dach fallen, dann …

Dem Mann gefiel das natürlich überhaupt nicht. Aber nach langer sexueller Abstinenz willigte er schließlich ein. Nach der darauf folgenden Nacht gab es wieder Beschwerden beim Ordnungsamt.

Der Mann fiel vom Dach.

Verstauchte sich dabei aber lediglich den Fuß.

Dulzinea war erbost. Weder ordentlich Vögeln noch richtig vom Dach fallen konnte der alte Esel. Aber da gab es ja noch den alten, großen Schrank auf dem Boden. Wenn der umfiel und mit seiner oberen Kante unterhalb der Knie aufschlug, war die Versicherung dran.

Wochenlanges Verweigern, sehr schlechte Laune, bissige Sprüche, fest zusammengepresste Schenkel im Bett und verächtliche Blicke konnten auch den stärksten Mann auf die Knie zwingen.

Die Nacht, bevor der Schrank umfiel, war die heißeste Nacht im ganzen Leben des Dachdeckers. Dulzinea, auf ihm reitend, stöhnte, keuchte und stieß spitze Schreie aus, dass die Nachbarn nahe daran waren, die 110 anzurufen.

Am nächsten Morgen nahm der Mann drei starke Schmerztabletten.

Dumm war nur, dass der Schrank nicht die Knochen des Schien-und Wadenbeins zertrümmerte, sondern die Hüfte und einen Nerv der Wirbelsäule erwischte.

Rollstuhl.

Nach langen Querelen zahlte die Versicherung eine ansehnliche Summe an das Unfallopfer. Von dem Tag an, als das Geld auf dem Konto des Dachdeckers einging, trug Dulzinea sehr kurze Röcke und keine Unterwäsche. Ihre von Natur aus großen Brustwarzen versuchten den seidigen Stoff des enganliegenden Tops zu durchbohren. Und ständig fiel ihr etwas aus der Hand und sie musste sich bücken.

Dem Mann im Rollstuhl schwoll bei dem Anblick der gebückten Frau der elfte Finger schmerzhaft an, denn der war bei dem Unfall nicht in Mitleidenschaft gezogen worden.

Er wusste jetzt, was Höllenqualen waren.

Sobald er ihr die Vollmacht über sein Konto geben würde, wäre sie wieder bereit, ihn von seinen Qualen zu erlösen. Der Dachdecker rang mit sich bis zu dem Tag, als sich die Decke über seinen stets kalten Beinen beim Anblick ihrer nackten, prallen Schenkel heftig nach oben wölbte.

Er versprach, die Vollmacht, die immer vor ihm auf dem Tisch lag, zu unterschreiben, wenn sie ihn endlich von seinen Höllenqualen erlösen würde.

Dulzinea schob die Decke von seinen kalten Knien und begann ihm die Flöte zu blasen. Als die ersten heißeren Töne erklangen, machte sie eine Pause und drückte ihm den Kugelschreiber in die Hand.

„Das eben ist der Fluch der bösen Tat“, fiel Asbach der berühmte Satz aus dem Wallenstein ein, „dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.“

Die mit Geistesgaben nicht sehr üppig ausgestattete Frau hatte bei den Spielen mit ihrer Freundin von dem Coup erzählt, den sie mit dem Hirni, mit dem sie lebte, durchgezogen hatte. Was Dulzinea nicht wusste, war die Tatsache, dass diese Freundin eigentlich mehr auf Männer stand. Und da gab es einen, der ihre Harfe so zum Klingen brachte, dass sie ihm hörig geworden war.

Dieser Harfenzupfer hatte eine Vorliebe für Mary Jane und andere Stimuli, wie Ecstasy oder Crystal Meth, und das kostete. Da die teuren Geschenke, die die Freundin vor oder nach Beginn der Liebesspiele von ihrer jetzt reichen Gefährtin einforderte, beim Weiterverkauf nur die nötigsten Ausgaben ihres Hahns deckten, war Erpressung angesagt.

Geld musste her!

Viel Geld!

Halbe, halbe oder die Versicherung bekommt einen Tipp.

Dulzinea wurde von der Tante zu einem heißen Ich-mach-dir-alles-was-du-magst Abend eingeladen.

Der Rotwein war süß, süffig und präpariert.

Er machte schnell schläfrig.

Als Dulzinea erwachte, lag sie gefesselt auf dem Bett.

Vor ihr stand ein fremder Mann mit einem Lötkolben in der Hand.

Neben ihr stand, schief grinsend, die Freundin.

„Wir kriegen die Hälfte deiner Penunze“, krächzte der Mann mit einer Kehlkopfkrebsstimme.

„Bei dir ist wohl `ne Schraube locker?“ Dulzinea wollte sich aufrichten, merkte aber, dass sie gefesselt war. „Scheiße, was soll der Quatsch!“

„Halbe, halbe!“

„Nie und nimmer!“ Dulzinea zerrte wütend an der Fesselung.

Der Mann nickte der Frau an seiner Seite zu. Die verklebte blitzartig den Mund Dulzineas mit Klebeband. Der Mann tupfte mit der Spitze des heißen Lötkolbens den rechten großen Zeh der Gefesselten an.

Dulzinea wollte schreien, bracht aber nur ein hässliches Grunzen zustande.

Die Tante löste das Klebeband. „Halbe, halbe?“

„Leck mich am Arsch!“

Klebeband.

Der Mann setzte die Spitze des Lötkolbens unterhalb des Nabels an und zog eine gerade, dunkle Linie bis hinunter zum Schambein. Es stank nach verbrannter Haut und angesengten Haaren.

Die Frau beugte sich zu der wild in ihren Fesseln tobenden Dulzinea. „Hör mir gut zu, meine Liebe! Wenn du mit unserem Vorschlag einverstanden bist, nickst du mit dem Kopf. Solltest du nicht einverstanden sein, schiebt dir der hier“, sie zeigte auf den Lötkolbenmann, „das schön heiße Ding in deine vermoderte ...“

Die Gefesselte nickt wild mit dem Kopf.

„Bind sie los!“, sagte der Mann.

Die Frau presste wimmernd ihre Hände auf den Unterbauch.

„Du gehst jetzt nach Hause“, fuhr der Mann fort, „und holst die Hälfte der Mäuse morgen früh von der Bank. Ich komme am Vormittag vorbei.“

Er zog den Stecker aus der Steckdose. „Hau jetzt ab, Schlampe, und denk dran, wir finden dich überall.“

Er hielt ihr den noch heißen Lötkolben dicht unter die Nase.

Dulzinea ging nicht zur Bank und auch nicht zur Polizei. Sie ging in ihrer grenzenlosen Dummheit zur Versicherung und zeigte den Dachdecker, in der Hoffnung, dadurch selbst ungeschoren davonzukommen, wegen Betrugs an.

Dummerweise war das schöne Geld nicht mehr da. Sie hatte nur einen kleineren Betrag als Notgroschen auf ihr Konto überwiesen. Den überwiegenden Teil des Geldes hatte sie einem Finanzunternehmen anvertraut. Das Geld sollte, gestaffelt nach Jahren, so an die 5 bis 10 Prozent an Zinsen abwerfen.

Kowalski hatte die Story so plastisch erzählt, dass Asbach geglaubt hatte, dass versengte Fleisch zu riechen.

Jedenfalls saßen alle Vier, dank Kowalskis Recherchen für die Versicherung, in U-Haft.

Als Kowalski dann noch diese ominöse FRAUSUS- GESELLSCHAFT als den Finanzdienstleister erwähnte, bei dem die Frau das ergaunerte Geld eingezahlt hatte, hatten bei ihm die Alarmglocken geschrillt. Hatte Maibach, sein Freund im Polizeipräsidium, diese Firma nicht schon einmal erwähnt?

Der Sache sollte man auf den Grund gehen. Ein Finanzunternehmen, das in der jetzigen Zeit mit derart hohen Verzinsungen Kunden anlockte, konnte nicht integer sein.

Er würde ein Angebot Kowalskis, wieder mit ihm zu arbeiten, mit Sicherheit annehmen.

Ja, er würde offiziell nicht mehr hinter den ganz großen Raubfischen her sein, aber die kleinen und mittleren dieser gefräßigen Gattung richteten durch Schockanrufe, Internetbetrug, Scheinfirmenmanipulation, Falschgeldstreuung und und und immensen Schaden in der Bevölkerung an. Dazu kam in letzter Zeit die Masche der falschen Polizisten, die speziell ältere Leute um ihre Ersparnisse brachten und das Image der Polizei erheblich beschädigten.

Wenn der für Betrugsdelikte vorgesehene 263er Paragraph des Strafgesetzbuches von den Gerichten voll genutzt würde, dann …

Was solls, du vom Dienst suspendierter Hauptkommissar? Hättest du eben Richter werden müssen.

Im Restaurant Watzke auf der Hauptstraße war relativ wenig Betrieb. Nur einige Gäste nahmen noch ein spätes Mittagsmahl zu sich.

Mit dem 16.00 Uhr-Schlag der Johannes-Glocke betrat Asbach das Lokal.

Maibach, Erster Hauptkommissar der Sonderermittlungsgruppe gegen Korruption und organisierte Kriminalität aus dem Polizeipräsidium in Dresden, saß an einem Tisch unter der mit Bildern behangenen Rückwand.

Asbach blieb vor Maibachs Tisch stehen und sagte lachend:

„Schlägt die Glocke Vier, trinkt die Kripo Bier. Lange nicht gesehen, mein Freund Hannes.“

„Lag aber nicht an mir, mein lieber Arnt.“

„Stimmt“, sagte Asbach und nahm Platz. Er hatte sich von allen ferngehalten, die er mit seinem Alleingang zu diesem verdammten Waldgasthof hätte in die Bredouille bringen können.

Die Kellnerin kam und drückte ihnen je eine Speisekarte in die Hand.

„Darf ich den Herren vielleicht schon etwas zu trinken bringen?“

„Zwei Altpieschener Spezial bitte“, bestellte Maibach. „Du bist übrigens eingeladen“, wandte er sich wieder Asbach zu. „Viele Grüße von meiner Frau und du sollst soviel essen und trinken, wie mit aller Gewalt in dich reingeht.“

„Wie komme ich zu der Ehre?“

„Die Einladung verdankst du der Börse. Du hast Gertrud vor einigen Jahren eine Aktie bei einem Stand von 25 Euro empfohlen und die hat sich verzehnfacht. Sie hat verkauft.“

„Freut mich für deine Frau.“

„Sie ist happy, will von dem Geld das Dach neu decken lassen.“

„Und den Rest sollen wir versaufen?“

Die Kellnerin stellte das Bier auf den Tisch.

„Haben die Herren in unserer Speisekarte etwas Nahrhaftes gefunden oder bleiben die Herren bei der Suppe des Tages?“

„Suppe?“ Maibach sah die Kellnerin verwundert an.

Die Kellnerin zeigte auf das Bier.

„Etwas feste Nahrung kann beim Trinken nie schaden“, lächelte Asbach die hübsche Kellnerin an. „Für mich bitte die halbe, knusprige Hinterhachse mit Treberkloß.“

„Dito“, sagte Maibach.

Die Kellnerin lächelte Asbach an und verschwand.

„Mein lieber Mann, deinen Schlag bei den Weibern möchte ich haben“, knurrte Maibach. „Was macht übrigens diese Leona Nachterstedt, der du das Leben gerettet hast?“

„Betreibt ihr Cafè Pinnocchio weiter. Hat nach dem Brand alles wieder aufgebaut und kümmert sich nach wie vor um die Problemkinder der Stadt. Warum fragst du?“

„Soll, nachdem sie im Krankenhaus wieder zu sich gekommen ist, zuerst nach dir gefragt haben.“

„Gerüchteküche“, wehrte Asbach ab.

„Ist zwar verdammt jung, die Kirsche, aber wo die Liebe hinfällt … , da könnte man schon neidisch werden.“

„Lass das deine Gertrud hören“, grinste Asbach.

„Apropos Gertrud, diese ominöse FRAUSUS-GESELLSCHAFT, von der ich dir neulich erzählt habe, hat tatsächlich den fälligen Zins überwiesen. Sechs Prozent, nicht zu fassen in der jetzigen Zinsflaute. Ich krieg regelmäßig Magenschmerzen, wenn Gertrud nur den Namen dieser ominösen Gesellschaft erwähnt. Fünf bis zehn Prozent, da muss was faul sein, auch wenn die hiesigen Politiker sich lobend über diesen Finanzdienstleister äußern und Promis aus Sport und Unterhaltung dort investieren und zu den Gästen bei großen Events gehören.“

„Merkwürdig, Kowalski hat vor kurzem ebenfalls diesen Finanzdienstleister erwähnt. Wer heute bis zu zehn Prozent an Zinsen verspricht, kann kaum sauber arbeiten. Da gebe ich deinem Bauch recht.“

„Übrigens laufen noch, wie es aussieht, ganz andere Geschäfte über diesen windigen Finanzdienstleister hier in der Stadt ab.“

„Erzähl.“

„Vom Deutschmeisterplatz, dem Polizeikommissariat in Wien, ist eine Anfrage bei uns gelandet. Da geht es um das äußerst mysteriöse Verschwinden eines Finanzberaters vor einiger Zeit. Besagter Wolfgang Gruber, verheiratet, zwei Töchter, in geordneten familiären und pekuniären Verhältnisse lebend, war auf der Suche nach Kapital für einen großen, holzverarbeitenden Betrieb Österreichs. Das Unternehmen hatte geplant, in Lessosibirsk bei Krasnojarsk massiv in den Holzhandel einzusteigen. Die Wiener Banken verweigerten eine Kreditvergabe von 500 Millionen Euro für ein Geschäft in Russland. Zu hohe Risiken in dem Land und zu geringe Sicherheiten des österreichischen Holzhandels.

Dieser Gruber reiste nach Zug in der Schweiz, lernte dort einen deutschen Geschäftsmann kennen, der ihn an einen weiteren deutschen Geschäftsmann vermittelte. Der Mann bot Gruber gegen eine Leihgebühr von zweihunderttausend Euro Anleihepapiere einer großen Londoner Bank im Wert von dreihundert Millionen als Sicherheit für einen Bankkredit an.“

„Woher weißt du das alles, Hannes?“

„War vor zwei Wochen in Wien. Die Kollegen dort haben jeden Schritt Grubers bis zu seinem Verschwinden recherchiert. Dieser Gruber hat dann, zurück in Wien, zweihunderttausend Euro überwiesen. Die Anleihen der Londoner Bank sollten daraufhin spätestens nach einer Woche in Wien eintreffen.“

„Was nicht passierte?“

„Du hast es erraten. Gruber fuhr erneut nach Zug. Der Geschäftsmann war abgereist. Der geprellte Finanzberater heuerte eine renommierten Privatdetektiv an. Nach vier Wochen hatte Gruber eine Adresse. Er rief mehrmals das Sekretariat einer Finanzdienstgesellschaft hier in Dresden an.“

„Nachtigall, ich hör ...“, warf Asbach ein.

„Man wisse dort von einem solchen Geschäft nichts. Gruber gab nicht auf. Dann kam eine Drohung. Bei weiterer Belästigung werde man entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Gruber ließ nicht locker.

Man könne auch seiner Familie einen Besuch abstatten, lautete die nächste Drohung.

Daraufhin drohte Gruber, die Polizei einzuschalten.

Dann bekam er einen Anruf. Seine Frau erzählte den Wiener Beamten, dass ihr Mann nach dem Telefonat wieder sehr optimistisch gewesen sei, als er sich gegen 22.00 Uhr zu einem Treffen ins Hotel Sacher aufgemacht habe.“

Maibach nahm einen großen Schluck Bier, wischte sich den Schaum vom Mund und sah Asbach an. „Von da an verliert sich die Spur Grubers. Er ist nie im Sacher angekommen.“

„Und warum kommt die Anfrage an euch gerade jetzt?“

„Weil bei einer Wiener Bank deutsche Bundesschatzbriefe als Sicherheit für einen Kredit hinterlegt wurden. Ein Wiener Immobilienkonzern bekam daraufhin einen Kredit in dreistelliger Millionenhöhe, um in Ungarn in den Wohnungsmarkt einzusteigen.“

„Was geht das das Sonderdezernat an?“

„Die Schatzbriefe sind gefälscht. Die haben das erst jetzt gemerkt.“

„Oh!“

„Und die Spur weist nach Deutschland. Diese Fälschungen sind nur von Experten zu erkennen. Es gibt Grafikprogramme wie das CoralDRAW, mit denen kannst du nahezu alles fälschen, und zwar perfekt. Die Wiener Bank will auf keinen Fall, dass die Sache öffentlich wird. Es könnte einen neuen Bankencrash geben. Insider vermuten, dass in vielen großen Geldinstituten ähnliche Papier in den Tresoren lagern.“

„Und die Banken akzeptieren das?“

„Die Fälschungen sind so perfekt, dass die Geldhäuser oft nicht ahnen, dass es sich um Fälschungen handelt.“

„Und wenn doch?“

„Dann verwandelt sich der Banker in den berühmten Palmström: 'Weil es, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf'. Wichtig ist, dass die Geschäfte florieren, dass Geld verdient wird und dass Boni gezahlt werden können.“

„Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts.“ Asbach hob sein Glas.“ Möchte nicht wissen, welche Geldströme heute unkontrolliert um den Globus kreisen?“

„Schätzungen sprechen von Milliarden, die illegaler Herkunft sind und um den Globus rotieren. So schnell wie heute Unternehmen und Briefkastenfirmen gegründet und wieder geschlossen werden, können die Finanzbehörden nicht im entferntesten reagieren.“

„Und was wollt ihr dagegen unternehmen?“

„Gegen die weltweit agierenden Verbrechersyndikate sind wir machtlos, aber wir können hier dafür sorgen, dass ehrlichen Leuten nicht das Fell über die Ohren, beziehungsweise das sauer verdiente Geld aus der Tasche gezogen wird.“

„Hör ich da eine Anspielung auf FRAUSUS?“

„Auch wenn dir bereits büschelweise Haare aus den Ohren wachsen, sind deine Hörorgane noch relativ in Ordnung. Gertrud hat zwei Einladungen für eine Werbeveranstaltung der Gesellschaft erhalten. Samstag 18.00 Uhr. Abendessen und Getränke inklusive.“

„Schön für euch.“

„Kann ich leider nicht annehmen, da ich bereits anderweitig einen Termin habe.“

„Und da hast du in deiner großherzigen Art natürlich an mich gedacht?“

„Und eine gewisse junge Dame, die vor einiger Zeit von einem sehr unbedacht handelnden Hauptkommissar aus einer sehr misslichen Lage befreit wurde.“

„Vergiss es Hannes, ich werde Leona nicht noch einmal in eine Situation ...“

„Zu spät, Arnt, die Dame hat bereits zugesagt und freut sich darauf, mit ihrem Angebeteten einen netten Abend verbringen zu können.“

„An seinen Handlungen erkennt man den echten Freund“, grinste Asbach. „Kannst du mir deine Kontonummer geben?“

„Wozu?“

„Ich würde gern aus Freundschaft auf deinen Namen eine größer Anzahl Genussrechte oder Orderschuldverschreibungen oder was die sonst noch an den Mann bringen wollen, kaufen.“

„Wer den Teufel zum Freund hat, hat's gut in der Hölle.“

„Prost Hannes!“

„Prost Arnt!“

Der Drink, der in der eleganten Hotellobby des Hotels der illustren Gesellschaft gereicht wurde, war bereits die acht Euro Parkgebühren in der Tiefgarage wert, dachte Asbach.

„Sehr wenig junge Leute“, sagte Leona, nachdem sie das Publikum gemustert hatte.

„Geld und Gebrechen suchen den Menschen meist erst im Alter heim“, erwiderte Asbach lachend.

Die hohe, zweiflügelige Tür schwang auf.

„Meine Damen und Herren, bitte treten sie ein.“ Die große, kräftig gebaute Dame wies mit der Hand in den Salon.

Schneeweiß gedeckte Tische, Blumen, gedämpfte Musik. Asbach wählte einen Tisch an einem der Panoramafenster.

Ein schlaksiger, sehr dünner Kellner mit dem Habitus eines englischen Lords verbeugte sich.

„Darf ich den Herrschaften die Weinkarte überreichen?“

„Nicht nötig, Herr Ober, für mich bitte ein großes Radeberger Bier und für die Dame ...“ Asbach sah Leona fragend an.

„Ein kleines Radeberger, bitte.“

Die joviale Miene des Lordkellners bekam einen Riss.

Asbach konnte sich gut vorstellen, was der Herr Oberkellner dachte: Proll, stinkt vor Geld, aber keine Lebensart. Trinkgeld ade.

„Sind die zwei Plätze bei Ihnen noch frei?“

Der Mann, der vor ihrem Tisch stand, sah Asbach fragend an.

„Aber sicher, nehmen Sie Platz.“

Anfang sechzig, schätzte Asbach. Wohlsituiert, dezente Kleidung, gehobene Mittelschicht. Wollen wahrscheinlich ihre zukünftige Rente aufstocken.

„Zimmermann, meine Frau.“ Der Mann machte eine leichte Verbeugung in Richtung seiner Angetrauten.

„Asbach und Frau Nachterstedt.“

Zimmermann schob seiner Frau den Stuhl zurecht und setzte sich dann ebenfalls.

„Bin echt neugierig, was dieser Finanzdienstleister zu bieten hat? Hätte nie gedacht, dass eines Tages die Inflationsrate in diesem Land das Sparvermögen der Bevölkerung auffressen würde“, sagte der Mann.

„Das Leben des Finanzministers wär' so leer, wenn die Schwarze Null nicht wär'“, lachte seine Frau.

„Wissen Sie, Herr Asbach, wir hatten bisher unser Geld bei der Sparkasse, aber“ …

„Hör auf, Frank“, unterbrach die Frau ihren Mann, „der Herr Asbach hat bestimmt eigene Sorgen, sonst wäre er sicher nicht hier.“

Die Ermahnung seiner Frau schien den Mann nicht zu berühren, denn er fuhr unbeirrt fort: „Sie kennen doch sicher das GOLDENE SPARBUCH? Wissen Sie, womit die Sparkasse dieses Buch bewirbt?“

„Keine Ahnung.“

„Das Buch, das Ihr Geld wachsen lässt!“

Der Mann schüttelte sich. „0.001 Prozent! Wenn das kein Wachstum ist? Hab das neulich beim Grillen mit Freunden zum Besten gegeben. Die Bratwürste sind vor Lachen vom Grill gefallen, einige sind sogar geplatzt.“

Vorn am Tisch nahmen zwei Herren und eine Dame Platz.

Sie begannen ihre Finanzdienstgesellschaft vorzustellen. Dazu wurden Grafiken und Tabellen auf eine große Leinwand projiziert. Nach einer knappen Stunde und einer Sturzflut von Begriffen aus dem Börsenjargon wie Anleihekurse, Turbozertifikate, Optionsscheine, Hebelprodukte, Day-Trading, ITS-Strategie und und und waren die Anwesenden erschlagen vom Rotwelsch dieser Finanzjongleure.

Der ältere der beiden Herren, tiefschwarz gefärbte Haare, großer Siegelring, Goldrandbrille, der sich als Doktor Ritthausen vorgestellt hatte, schlug sich plötzlich an die Stirn. „Meine Damen und Herren, bitte entschuldigen Sie den Exkurs in die nicht immer leicht zu verstehenden Begriffe der Finanzwelt.“

„Bankerrotwelsch“, flüstere Asbach Leona ins Ohr.

„Dieser Ritthausen sieht aus wie ein Operettenbuffo“, flüsterte Leona zurück.

„Fehlt nur noch eine Arie über das verlorene Geld auf dieser verlogenen Welt.“

„Also, meine Damen und Herren, um es auf den Punkt zu bringen, Sie wissen alle sehr gut, dass Lebensversicherungen kaum noch Rendite abwerfen. Und ob Sie ihr eingezahltes Geld wiedersehen, steht in den Sternen.

Wenn Sie Geld bei einer Bank anlegen wollen, rate ich Ihnen, steigen Sie auf den Rathausturm und werfen Sie es runter. Dann haben Sie immerhin noch das Vergnügen, unten einen Veitstanz zu erleben. Festgeld mit einer Verzinsung von 0,4 bis 0,8 Prozent werden von der Inflationsrate aufgefressen. Sie können es drehen oder wenden, Sie werden in diesem Land von Jahr zu Jahr ärmer.“

Dr. Ritthausen machte eine Pause und sah in sein Publikum. „Sie nicken, weil Sie wissen, dass ich Recht habe. Zu der verheerenden Zinspolitik der EZB kommen aber noch die Steuern. Unser Land steht in der Abgabenliste der 34 OECD-Länder auf Platz drei. Ein alleinstehender Herr zahlt rund die Hälfte seines Einkommens an den Fiskus.“

„Dafür ist der Lebensstandard, verglichen mit anderen Ländern, entsprechend hoch“, murmelte Asbach.

„Die Zentralbank mit ihrer Geldpolitik ist nicht dafür da, so die Worte des Herrn Draghi, den Sparer glücklich zu machen.“

Kurze Atempause.

Blick in die Runde.

„Diese Aufgabe hat jetzt FRAUSUS übernommen. Es gibt drei Möglichkeiten für Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie nehmen in Kauf, dass Ihre Altersvorsorge schrumpft wie ein Pullover aus Schafwolle, der zu heiß gewaschen wurde, Sie wandern aus, um der hiesigen Steuerlast zu entgehen oder – Sie legen ihr Geld bei uns an.“

Pause.

Auf der großen Leinwand erschien eine Tabelle.

„Meine Damen und Herren“, fuhr Dr. Ritthausen fort, „die Verzinsung Ihres Geldes bei unserer Finanzdienstgesellschaft ist optimal und sicher.“

Kunstpause.

„Dafür bürge ich mit meinem Namen! Wirtschaftsprüfer und Steuerberater begleiten unsere Anlagepraktiken und das Finanzamt ist über jede Transaktion genau informiert. Zu unseren Anlegern gehören inzwischen Prominente aus Wirtschaft, Sport und Fernsehen. Doch genug des Eigenlobs. Schauen Sie auf die Tabelle!“

Dr. Ritthausen wies auf die Leinwand.

“Ab einer Einlage von 50 000 Euro ist Ihnen für eine Laufzeit von 10 Jahren eine stufenweise Verzinsung von 4 bis 6 Prozent garantiert. Ab 100 000 Euro mit einer Laufzeit von 15 Jahren bieten wir Ihnen 6 bis 8 Prozent. Alles, was über diese Summe hinaus bei einer Laufzeit von ebenfalls 15 Jahren bei uns angelegt wird, bringt Ihnen bis zu 10 Prozent.“

Dr. Ritthausen ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen.“

„Jetzt kommt das Beste, meine Damen und Herren. Sollten Sie vor Jahren, als Lebensversicherungen noch einigermaßen lukrativ waren, Ihr Geld in einer solchen angelegt haben und von der Zinsentwicklung enttäuscht sein, wir kaufen sie Ihnen ab.“

Erneuter Rundblick.

„Doch das Allerbeste zuletzt, sehr verehrte Anwesende. Sollten Sie in pekuniären Schwierigkeiten stecken, sind wir bereit, 10 bis 20 Prozent des Versicherungswertes Ihrer Lebens- oder Rentenversicherung nach Verkauf an uns sofort in bar an Sie auszuzahlen. Stellen Sie jetzt bitte Ihre Fragen zu unserem Finanzprojekt!“

„Worin besteht der Unterschied zwischen Verkauf meiner Versicherung an Ihr Unternehmen und der Kündigung der Versicherung?“, meldete sich Herr Zimmermann zu Wort.

„Das, meine Damen und Herren, wird Ihnen unsere Rechtsberaterin gern erläutern. Bitte Frau Hammer!“

Die grazile, dunkelhaarige Dame erhob sich. „In Deutschland, meine Damen und Herren, gibt es knapp einhundert Millionen Versicherungspolicen mit einem Gesamtwert, der so zwischen 700 und 800 Milliarden Euro liegt. Nahezu jede zweite Police wird vor Ablauf gekündigt. Die Verluste für den Versicherungsnehmer sind enorm, denn die Versicherungen bringen beachtliche Stornokosten in Abzug und der Versicherte büßt außerdem die am Ende der Laufzeit fälligen Schlusszahlungen ein. Ein denkbar schlechtes Geschäft für diejenigen, die ihre Police zu Geld machen wollen.“