Ruf doch einfach mal Ricarda an - Andreas Pietzsch - E-Book

Ruf doch einfach mal Ricarda an E-Book

Andreas Pietzsch

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Beschreibung

Der lebens-und liebeshungrige Lehrer Felix Hohndorf wird Stammgast und Croupier in einem Sauna- und Spielclub. Es wird mit harter Währung und freizügigen Damen gespielt. Durch Leo, einen politisch engagierten Musiker, macht Felix erstmals die Bekanntschaft mit den Friedensinitiativen der Kirchengemeinden in der DDR. Nach der Verhaftung Leos schließt sich Felix den Umweltaktivisten an, nimmt an deren Aktionen teil und spürt, dass der Staat sich mit aller Härte gegen seinen Untergang zur Wehr setzt. Eines Tages steht Helene, die Frau, die ihn geliebt und die er geliebt, die ihn verlassen und die er verlassen hat, vor seiner Tür. Er lässt sie eintreten, verschließt die Tür und wirft den Schlüssel aus dem Fenster.

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Das Buch

Der lebens- und liebeshungrige Felix Hohndorf wird Stammgast und Croupier in einem Sauna-und Spielclub. Es wird mit harter Währung und schönen Frauen gespielt.

Durch Leo, einen politisch engagierten Musiker, macht Felix die Bekanntschaft mit den Friedensinitiativen der Kirchengemeinden in der DDR.

Nach der Verhaftung Leos schließt sich Felix den Umweltaktivisten an, nimmt an deren Aktionen teil und spürt, dass der Staat sich mit aller Härte gegen seinen Untergang zur Wehr setzt.

Dann fällt die Mauer und das Leben der Ostgoten wird völlig auf den Kopf gestellt.

Eines Tages steht Helene, die Frau, die ihn geliebt und die er geliebt, die ihn verlassen und die er verlassen hat, vor seiner Tür.

Er lässt sie eintreten, verschließt die Tür und wirft den Schlüssel aus dem Fenster.

Der Autor

Andreas Pietzsch wurde 1937 in Dresden geboren. Er arbeitete als Chemiearbeiter, Heizer, auf dem Bau und in der Landwirtschaft.

Er studierte Naturwissenschaften und wurde Lehrer.

Sein Buch ''Ruf doch einfach mal Ricarda an'' ist der dritte Roman um FelixHohndorf.

Die in diesem Roman agierenden Personen sind vom Autor frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel I

Kapitel II

I

Dr. Helmut Josef Michael Kohl, langjähriger Parteiaktivist der Christdemokraten im kleptoparasitären, revanchistischen und faulenden kapitalistischen Westen, (Originalton Parteilehrjahr) wird am 01.10.1982 sechster Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.

Ein politisch indifferentes Subjekt, namens Felix Hohndorf, wird in der progressiven, friedliebenden und aufblühenden Deutschen Demokratischen Republik (Originalton Parteilehrjahr) am gleichen Tag im Namen des Volkes geschieden.

Duplizität der Ereignisse?

Ein Vergleich wäre Blasphemie.

Oder?

Lächerlich: Dr. Helmut Kohl wird von 256 Abgeordneten des Bundestages der Bundesrepublik Deutschland mit absoluter, aber knapper Mehrheit zum Kanzler gewählt.

Besagter Felix Hohndorf hingegen wird im Namen des Volkes der Deutschen Demokratischen Republik geschieden.

Immerhin nahezu 17 Millionen Insassen.

URTEIL: Im Namen des Volkes So ein Scheiß.

Als ob das Volk sich für die Scheidung eines solchen Nichtsnutzes und Hobbygynäkologen wie diesem Hohndorf interessieren würde.

Die Leute, die es wirklich betraf, hatten damit gerechnet, und ein Teil davon hatte es gehofft. Ansonsten, wie gesagt, interessierte diese Scheidung keine Menschenseele.

Außer vielleicht Ricarda?

Sie hatte mir in letzter Zeit immer wieder die Saunarunde schmackhaft machen wollen. Ich hatte abgelehnt. Wollte bei der Scheidung nicht das ganz schwarze Schaf sein.

Hatte so schon gereicht. Klar hatte ich auswärts kopuliert, aber doch nur, weil unser eheliches Liebesleben beim absoluten Nullpunkt gelandet war.

Die Einmischungen des Kotzmittels Kotzke in unsere Ehe hatten zwischen uns zu immer hässlicheren Zerwürfnissen geführt, und so hatte Svenja sich mehr und mehr den Kindern zu und von mir abgewandt. Kotzke, seines Zeichens mein Schwiegervater und hohes Tier im Stadtbezirk, hatte es geschafft, Svenja zum Beitritt in den Sozialistischen Einheitsbrei Deutschlands zu bewegen.

„Wenn du Schulleiterin werden willst, solltest du Genossin sein.“

Svenja wurde Genossin Der Riss zwischen uns wurde zur Kluft.

Scheidung.

Der Verklagte ...

Klang verdammt nach Schwerverbrecher, Ganove, Dieb, Halsabschneider, Bösewicht, Rechtsbrecher, Missetäter, Unmensch, Mörder ...

Im Namen des Volkes.

Dem war der Verklagte so egal wie ein Fladen Kuhscheiße im hinterabessinischen Hochland.

Gott sei Dank, es war vorbei.

Die Zeit heilt alle Wunden, sagt man.

Trotzdem tat es ganz tief im Innern weh, vor den Trümmern einer Ehe zu stehen, die aus Liebe geschlossen worden war.

Trümmer sind wie Krebsgeschwüre. Man muss sie beseitigen, bevor sie das Umfeld zerstören.

Ich arbeitete daran und allmählich lichtete sich der Trümmerberg.

„Ruf doch einfach mal Ricarda an“, sagte ich laut zu mir.

Dämliche Angewohnheit, aber ich gab mir in letzter Zeit Befehle, die ich laut aussprach. Hatte ich wahrscheinlich von meiner Mutter übernommen.

„Das Bügeleisen ist ausgeschaltet.“

„Der Stecker ist gezogen!“

„Der Gashahn ist zu!“

Wenn sie das laut sagte, konnte sie beruhigt die Wohnung verlassen. Es haftete.

Ich ging zur Telefonzelle.

„Felix?“

„Hallo Ricarda.“

„Wie geht’s?“

„Beschissen rechts ran.“

„Lust auf Sauna?“

„Sehr.“

„Zwanzig Uhr, ich hol dich ab.“

Ricardas Stimme vibrierte leicht.

Ich konnte mir das nicht erklären. Die Frau sprang sofort an. Sie hatte nie den Kontakt abreißen lassen, auch nicht, seit sie an einer anderen Schule arbeitete. Hatte Glück gehabt damals.

Ohne ihren Saunafreund und IM Helmut wäre die Sache mit ihrer renitenten Klasse wahrscheinlich nicht so glimpflich für sie ausgegangen.

Wobei mir manchmal Zweifel kamen, ob es nur Glück gewesen war. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie es war, wenn man bis zum Hals in der Scheiße steckte und gewisse Leute machten einem ein Angebot.

Egal, wenn ich anrief, stand Ricarda Gewehr bei Fuß.

Irgendwo hatte ich gelesen, dass Frauen den Testosteronspiegel des Manne riechen konnten.

Meiner schien ziemlich hoch zu sein.

Bildete ich mir jedenfalls ein.

Was mir im Moment allerdings egal war, ich brauchte unbedingt wieder mal was Warmes in meinem ausgekühlten Bett. Gleich nachdem Svenja die Scheidung eingereicht hatte, war ich ausgezogen.

Kotzke, der nach seinem tiefen Fall inzwischen wieder irgendwo ganz oben saß, hatte sich intensiv um eine Einraumwohnung für mich bemüht.

Wie rührend uneigennützig, hatte ich zu Svenja beim Auszug gesagt und war in ein weiteres Fettnäpfchen getreten.

Was mir an der ganzen Scheidungsgeschichte am meisten zu schaffen machte, war Falk. Der Junge war inzwischen acht und wir hatten einen guten Draht zueinander. Svenja war Gott sei Dank damit einverstanden, dass wir uneingeschränkten Kontakt miteinander halten konnten.

Viola, Svenjas Tochter aus erster Ehe, hatte sich vom lieben Mädchen in eine heftig pubertierende Zicke verwandelt, für die alle Erwachsenen, einschließlich Opa und Oma, verkeimte, verkalkte und unwissende Relikte aus prähistorischen Zeiten waren.

Die Gene, die Svenjas Schwester Ursula geprägt hatten, kamen wahrscheinlich bei Viola wieder voll zum Ausbruch.

Ich ahnte nicht, wie falsch ich mit meiner vorschnell gefassten Meinung liegen sollte.

Auf alle Fälle würde es nicht ganz einfach für Svenja werden, jetzt, wo sie als frischgebackene Genossin der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands stellvertretende Direktorin an einer Erweiterten Oberschule geworden war.

Für mich ein Glück.

Mann und Frau an einer Schule war nicht das Gelbe vom Ei. Geschieden erst recht nicht.

Ich holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank, setzte mich ans Fenster und sah in den Himmel.

Blau mit weißen Tupfern.

Blau verfolgte mich seit den letzten Abschlussprüfungen meiner zehnten Klasse. Sperling, als Schulleiter und Prüfungsvorsitzender, verlangte, dass jeder Schüler im Blauhemd zur Prüfung antrat.

Sylvia, eine meiner besten Schülerinnen, erschien in schwarzen Klamotten, die Haare auf der linken Seite abrasiert und die noch vorhandene andere Hälfte hing in schwarzen Strähnen nach rechts.

Mir war sofort klar, dass es Ärger geben würde.

Sperling war, wie von einer Klapperschlange gebissen, in die Höhe geschossen, hatte mehrfach hörbar nach Luft geschnappt und gezischt: “So nicht, so wird hier keiner geprüft. Wir befinden uns hier in einer sozialistischen Bildungseinrichtung und nicht im Urwald. Verlassen Sie augenblicklich die Schule und kleiden Sie sich so, wie es sich für eine sozialistische Schülerpersönlichkeit gehört! Und damit meine ich das Blauhemd!“

„Soll ich auch blaue Kreide mitbringen oder lieber rote“, hatte Sylvia erwidert.

„Raus!“ Sperling hatten vor Erregung die Hände gezittert.

Ich hatte Sylvia am Arm gefasst und sie auf den Gang geschoben. „Geh nach Hause und zieh dich um. Ich setze deinen Prüfungstermin an` s Ende.“

Sie hatte mich nur mit ihren großen, schwarzumrandeten Augen angesehen, kein Wort gesagt und war gegangen.

Ich war heute noch stocksauer auf mich.

Was bist du nur für ein Scheißpädagoge? Stellst dich auf die Seite dieses roten Vogels statt zu dem schwarzen Schaf aus deiner Herde zu stehen.

Feiger Hund!

Wolltest nicht schon wieder anecken bei den Genossen.

Über die Hälfte meiner Klasse hatte sich an der Vervielfältigung eines Briefes der evangelischen Weinbergsgemeinde Dresden beteiligt, in dem es um eine Alternative zum Wehrdienst, den „Sozialen Friedensdienst“, kurz SoFD, gegangen war.

Sylvia hatte den Brief im Unterricht abgeschrieben und unter der Bank liegen lassen.

Dummerweise in Staats-bürgerkunde bei Sperling.

Und der hatte bei einem Rundgang durch die Klasse nach Unterrichtsschluss den Brief gefunden. FDJ-Versammlung, Elternabend, Elternaktiv, Patenbrigade. Die ganze Bandbreite.

Sperling hatte von illegalen Aktivitäten gegen die Friedenspolitik der Deutschen Demokratischen Republik gegeifert. Friedens-und staatssfeindliche Elemente seien dabei, den ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden zu verunglimpfen. Die gesamte Republik sei seit ihrer Gründung nichts anderes als ein Sozialer Friedensdienst. Und es sei endlich an der Zeit, dass gewisse indifferente Pädagogen ihren Klassenstandpunkt selbstkritisch überprüften.

Erich Weinhold, unser zweiter Schulleiter, schlug vor, dass die Klasse ihren Sozialen Friedensdienst in Form mehrerer Subbotniks auf dem verunkrauteten Sportplatz leisten könne. Es sei doch wohl nicht angebracht, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Schließlich sei jede Friedensinitiative unserer sozialistischen Jugend es wert, dass man darüber nachdenke. Er halte nicht viel davon, die Sache an die große Glocke zu hängen und dadurch dem sehr guten Ruf der Schule in der Abteilung Volksbildung einen negativen Touch zu verpassen.

Weinhold wusste genau, dass Sperling seit langem auf den Posten eines Schulinspektors scharf war.

Die Sache wurde unter den Tisch gekehrt und der Sportplatz vom Unkraut befreit.

Das Unkraut in mir wucherte weiter. Ich hatte mich nicht konsequent genug vor meine Klasse und vor Sylvia gestellt.

Du bist ein verdammter Feigling, Felix Hohndorf!

Denkst genau wie deine Schüler, aber duckst ab. Du hättest es drauf ankommen lassen müssen. Sylvia war mit weitem Abstand die Beste in Mathe, war bei mehreren Olympiaden Erste geworden und hätte in der Prüfung zeigen können, dass das Äußere eines Kopfes nichts über dessen Inhalt verrät.

Sie war zu keiner Prüfung mehr erschienen.

Später hörte ich, dass die Familie die Ausreise beantragt hatte.

Als ich mir eine zweite Flasche Bier holen wollte, klingelte es.

Ricarda.

Mir verschlug es den Atem.

Goldblond, gelockt, gepudert und geschminkt, mit einer roten Schleife im Haar, und einem Rock, der so kurz war, dass der Fantasie nur noch wenig Raum blieb.

Ich hatte mich noch nie für ihre Beine interessiert, eigentlich nur für das dazwischen, aber das waren Beine, wie man sie nur aus Modemagazinen kannte: Lang, mit schlanken Fesseln, schmalen Kniegelenken und sanft gerundeten Schenkeln.

Unglaublich, so hatte ich Ricarda noch nie gesehen.

Meine Atmung setzte für eine Weile aus, und ich starrte wie hypnotisiert auf ihre Schenkel.

Ricarda grinste. „Kann ich reinkommen oder willst du mich hier im Hausflur vernaschen?“

Ich wies mit der Hand Richtung Wohnzimmer.

Ricarda ließ sich in einen Sessel fallen, wobei ihr kurzer Rock so hoch rutschte, dass meine Atmung erneut aussetzte.

Ich starrte wie gebannt zwischen ihre Beine.

In Gedanken glitten meine Hände an der zarten Innenhaut ihrer Schenkel tastend nach oben.

An der Spannung in meiner Hose spürte ich, wie ausgehungert ich war.

Ich erhob mich, ging zu Ricarda und schob ihr meine heiße Hand in den Ausschnitt.

„Ich würde ganz gern erst mal was trinken, Felix“, lachte sie.

Ich zog meine Hand zurück, streifte aber mit der Ausbuchtung meiner Hose ihre Wange.

„Wermut mit Eis oder Wasser?“

„Wasser, muss ja noch fahren oder willst du laufen?“

Ich holte eine Flasche Selters und ein Bier, goss ein, und setzte mich ihr gegenüber.

„Lange nicht gesehen,“ sagte ich und starrte wieder auf ihre Beine.

„Ich dich schon“, grinste sie mich an.

„Wo?“

„Kreuzkirche, wusste gar nicht, dass du gläubig bist.“

„Du warst beim Friedensforum?“

„War ich“, lachte Ricarda, aber das Lachen erschien mir irgendwie verkrampft.

Ich hatte eine anonyme Einladung in meinem Briefkasten gefunden. Statt einer Unterschrift zierten ein blauer und ein roter Punkt die Karte.

Sylvia, da war ich mir ziemlich sicher.

Hier kneifst du nicht, Hohndorf. Es war, wie ich vermutet hatte. In der Menge entdeckte ich einige Schüler aus meiner Zehnten und ...

„He Felix, komm zu dir!“

„Entschuldige, war noch mal in der Kreuzkirche.“

Ricarda sah mich mit einem kaum wahrnehmbaren Silberblick an, der sich bei ihr immer einstellte, wenn sie besonders erregt war.

„Ich muss dir was sagen, Felix.“

„Schieß los.“

„Hab unterschrieben.“ Ricarda griff ihr Glas und trank es in einem Zug leer.

„Was?“

„Das!“

„IM?“

„IM!“

„Ach du Scheiße.“

„Kannst du laut sagen.“

„Warum?“

„Die wollten mich nach der Sache mit diesem aufgeblasenen Offiziersgockel Käsebier, den meine Klasse mit ihrem Gesang auf 180 gebracht hatte, aus dem Schuldienst entlassen. Lehrerin, drei Kinder, Felix, und nichts anderes gelernt. Ich wäre an irgendeinem Fließband gelandet – wenn ich Glück gehabt hätte. Hab mich Helmut anvertraut. Der hat für mich gebürgt, dafür musste ich unterschreiben.“

Helmut, Selbständiger Handwerker, IM, mit Beziehungen zu Gott und aller Welt, und Saunabetreiber. Wobei man Sauna ohne weiteres mit Bumsclub übersetzen konnte.

„Und wieso sprichst du darüber? Ist doch inoffiziell und unterliegt strengster Geheimhaltung.“

„Weil du mir ebenfalls von deiner Anwerbung erzählt hast, und ich würde wahrscheinlich ersticken, wenn ich nicht wenigstens mit einem Menschen offen reden kann.“

Ricarda goss ihr Glas noch einmal randvoll und trank es, ohne abzusetzen, aus.

„Helmut hat mir empfohlen, keine Berichte zu schreiben, und wenn die mir auf den Geist gehen sollten, nur belangloses Zeug über anonyme Meckereien, zum Beispiel, dass es wieder mal keinen Tomatenketschup gibt oder dass Zwiebeln wieder mal Mangelware sind und ähnlichen Scheiß. Irgendwann würden die das Interesse an mir verlieren und mich von der Liste der aktiven Leute streichen.“

Ricarda sah mir meine Zweifel an.

„Ich soll, sollte es doch einmal anders kommen, für Helmut bürgen.“

„Mannomann, zweifeln die etwa an der Unbesiegbarkeit des Sozialismus?“

„Guck dich um, Felix, es gärt überall. Friedensforum in der Kreuzkirche, Friedensseminar Königswalde, Friedenswerkstatt in der Berliner Erlöserkirche, und in Jena gibt`s die Friedensgemeinschaft. Die Kirche ist aktiv, sehr sogar. Die wollen sich kein zweites Mal den Vorwurf der Passivität gegen eine Diktatur einhandeln.“

Ricardas kurzer Rock war, während sie sprach und gestikulierte, noch weiter nach oben gerutscht.

„Nieder mit der Passivität!“, grinste ich sie an. „Es lebe die Diktatur des Testosterons.“

Ich erhob mich, zog Ricarda aus dem Sessel und schob sie in Richtung meines Schreibtisches. Sie lehnte sich dagegen, sah mich an und grinste schräg.

„Jetzt gleich?“

„Auf der Stelle.“

„Du wirst aber heute bestimmt noch Pulver brauchen“, lachte sie.

„Keine Sorge, habe seit Monaten gespart.“

War nicht ganz gelogen. Seit der Scheidung litt ich unter peinlichen Störungen. Ich hatte es mehrmals mit einer Kollegin versucht. Immer, wenn es soweit war, tauchte aus meinem Unterbewusstsein Svenja auf, und sofort war der Ofen aus.

Ricarda ging vor mir auf die Knie und öffnete meine Hose, Ihre Ouvertüre.

Sie liebte diese Form der Eröffnung.

Meine Erregung wurde so heftig, dass ich es nicht mehr aushielt. Ich zog Ricarda nach oben, drehte sie so, dass sie mit dem Gesicht zum Schreibtisch stand. Sie wusste genau, was zu tun war. Ich packte ihre Hüften und presste ihren Unterleib so heftig gegen meinen, dass Ricarda einen leisen Schrei ausstieß.

Genau in diesem Moment trat Svenja zwischen uns – und der Ofen wurde kalt.

Ich schob verzweifelt meine Hände unter Ricardas Oberkörper, packte ihre vollen Brüste und drückte und knetete sie, aber es half nicht.

Ricarda gab sich ebenfalls die allergrößte Mühe aber es ging nicht.

„Danke“, flüsterte ich Ricarda ins Ohr. „Aber irgendwie klemmt bei mir was.“

„Kein Problem, Felix, das geht vorbei.“

Plötzlich merkte ich, dass ich irgendwas Weiches in der Hand hielt.

Ricarda lachte, nahm mir die goldene Lockenpracht aus der Hand und stülpte sie sich wieder auf den Kopf.

„Erklär ich dir nachher.“

Sie verschwand im Bad, und ich goss mir den Rest Bier ins Glas.

Ricarda blieb mir ein Rätsel. Ihre sexuelle Gier überstieg alles, was ich bisher erlebt hatte. Sie stand jederzeit und an jedem beliebigen Ort zur Verfügung. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie in der Lage war, so etwas wie Liebe zu empfinden.

„Mach dich frisch, Felix, wir müssen.“

Ricarda stand vor mir, zog mich aus dem Sessel, stülpte mir eine schwarze Perücke und einen dunklen Hut auf den Kopf.

„Ist heute Maskenball oder soll ich die Sparkasse ausrauben“, lachte ich.

„Helmut hat für heute eine Nacht in Venedig organisiert, Felix. Jeden Monat ist bei Helmut einmal Maskenball angesagt. Die Gästeschar ist dadurch rasant angewachsen. Du wirst dich wundern, der hat angebaut. Ist alles größer und komfortabler geworden.“

Sie setzte mir noch eine riesige Sonnenbrille auf die Nase und schob mich Richtung Bad. Aus dem Spiegel grinste mich ein Filmmafioso an, fehlte nur noch die Zigarre.

Wir gingen runter und mir verschlug es die Sprache, als Ricarda mich bat, in den nagelneuen Wartburg einzusteigen.

„Hast du gewonnen?“

„So könnte man es vielleicht auch nennen“, grinste sie.

***

Es war so, wie Ricarda gesagt hatte. Der Flachbau war um einiges vergrößert worden.

Der Raum, der als Garderobe diente und den ich kannte, war unverändert. Als wir eintraten, stand eine junge, dunkelhaarige Frau mit bloßem Oberkörper vor einem Spiegel. Ihr Busen war groß, fest und stand vom Körper ab.

Als sie meinen bewundernden Blick auffing, grinste sie mich mit ihren südländisch schwarzen Augen an, drehte sich um und zog ganz langsam ein durchsichtiges, enganliegendes, schwarzes Etwas über ihren Oberkörper.

Dann griff sie unter den gazeähnlichen Stoff, rückte ihre Brüste in Position und sah mich unverwandt an.

Ricarda schob mich in eine Ecke. „Kannst du alles die ganze Nacht noch sehen, Felix, und, wenn du Lust hast, vielleicht sogar anfassen.“

Ich stülpte mir die Perücke auf den Kopf, setzte den dunklen, weichen Hut leicht schief auf, brannte mir eine Zigarette an und sah in den Spiegel.

Die Sonnenbrille fehlte noch. Ich klemmte mir das übergroße Ding, das Ricarda für mich mitgebracht hatte, auf die Nase. Vito Corleone. So hatte ich mir Puzos Mafioso vorgestellt, nachdem ich „Der Pate“ gelesen hatte.

„Siehst echt scharf aus, Felix“, grinste Ricarda. „Die Mafia lässt grüßen.“

Sie schob mich durch die Tür in die Bar.

Der Raum hatte sich total verändert.

Der Tresen glänzte und blinkte von Flaschen, Gläsern und Spiegeln, davor standen etwa acht chromblitzende Barhocker, von denen bereits einige besetzt waren.

Rechts neben der Bar befand sich eine kleine Tanzfläche, die nur durch das Feuer eines großen, offenen Kamins beleuchtet wurde. Aus versteckten Lautsprechern erklang gedämpft Andy Borgs „Ich komm verlassen mir vor.“

Ricarda zog mich nach links zu einer Wand, die durch mehrere Rundbögen unterbrochen war, vor denen feine, weise Gazeschleier hingen.

Sie schob mich in einen Raum, der etwa zwei Meter breit und in ein schwach rötliches Licht getaucht war. Den Boden füllte eine Matratze mit weißem Laken.

„Die Zweiergrotte“, grinste Ricarda.

„Also gibt’s auch welche für Gruppen?“ Ich sah Ricarda fragend an.

Sie schob mich zu einer anderen Öffnung. Der Raum war wesentlich größer und nahezu rund. Von der Decke hingen rote, gelbe und orangefarbene Gazeschleier, die sich in einem leichten Luftzug bewegten. Auf einer Anrichte standen zwei silberne Sektkühler und einige Kelche. Den Fußboden bedeckte ein mit dunkelrotem Laken überzogenes Matratzenlager, und die indirekte Beleuchtung an der Decke sorgte für eine Muschebubuatmosphäre, wie ich sie aus Filmen kannte, die im Rotlichtmilieu spielten.

Als Ricarda den Raum wieder verlassen wollte, hielt ich sie zurück.

Sie sah mich mit großen Augen an. „Schon wieder?“

Ich schüttelte den Kopf. „Weißt du, was mir hier spanisch vorkommt? Woher hat Helmut so einen Haufen Moneten, um das hier alles zu finanzieren, und was sagt seine Frau zu diesen Orgien?“

„Helmuts Elektrofirma läuft seit eh und je gut. Da geht mit Sicherheit so einiges an der Steuer vorbei, und außerdem kann man im Sozialismus ganz legal nebenbei `ne Menge Geld verdienen, vorausgesetzt, du hast das nötige Startkapital und Unternehmungsgeist.“

„Erzähl.“

„Kannst du heute Nacht selbst erleben. Felix.“

„Und Helmuts Frau?“

„Ist lesbisch.“

Ich sah Ricarda ungläubig an.

„Die Ärmste hat es zu spät gemerkt. War schon einige Jahre mit Helmut verheiratet, als sie eine Kollegin kennenlernte. Helmuts Frau ist Sekretärin im Polizeipräsidium an der Schießgasse, und eines Tages fing dort eine blutjunge Polizistin an, die von der anderen Fakultät war. Die zwei mochten sich und irgendwann hat Helmut es mitgekriegt.

Da das Liebesleben der beiden von Anfang an nicht so richtig lief und Helmut schon damals ständig auf der Jagd nach Frischfleisch war, hat man sich geeinigt.

Jeder macht sein eigenes Ding und ansonsten bleibt alles beim Alten. Helmuts Frau genießt den Luxus, den er ihr bieten kann und Helmut genießt einen gewissen polizeilichen Schutz für seine nicht immer für das Licht der Öffentlichkeit bestimmten Geschäfte.“

Ricarda zog mich wieder zur Bar.

Von irgendwo ertönte ein glockenähnlicher Ton, und plötzlich war der Raum voller Damen in farbenprächtigen Fantasiekostümen, in allen Farben des Regenbogens schillernden Perücken und Masken, die an einem Stiel gehalten, die obere Hälfte der Gesichter verdeckten.

Die Herren trugen lediglich Perücken und übergroße Sonnenbrillen.

In der Mitte des Raumes breitete Helmut im Kostüm eines Gondoliere weit die Arme aus und rief: „Das Fest ist eröffnet!“

Er ergriff die Hand Ricardas und zog sie mit sich nach draußen.

Ich setzte mich auf einen der freien Barhocker.

Helmut hätte ich um ein Haar nicht wiedererkannt. Sein Gesicht war unnatürlich gerötet und aufgedunsen und die Nase war von roten Äderchen gespickt. Sein helles Haar hatte sich weit nach hinten verzogen, wogegen sein Bauch sich nach vorn ausgebreitet hatte.

„Was darf`s denn sein, mein Herr?“

Die Bardame hinter dem Tresen war die junge Frau aus der Garderobe. Ihre fantastischen Magdeburger Halbkugeln drohten die leichte Gaze ihres Oberteils zu sprengen, und ihr gewelltes, dunkles Haar glänzte im Licht der Barbeleuchtung wie schwarze Seide.

Sie strahlte mich mit ihren mandelförmig geschnittenen dunklen Augen an.

Grusinische Teepflückerin, dachte ich.

„Was darf`s denn sein, mein Herr?“, wiederholte sie.

Einmal anfassen, hätte ich beinahe gesagt.

„Ein Bier, bitte.“

„Radeberger, Wernesgrüner, Budweiser, Staropramen ...“

„Ein Radeberger, bitte.“

„Zigarette?“ Ich hielt ihr meine Schachtel Club entgegen.

Katarina – ein kleines Schildchen an ihrer linken Brust verriet ihren Namen – schüttelte den Kopf. Sie griff sich eine HB und ich gab ihr Feuer.

„Eure Zigaretten sind mir zu stark“, lachte sie.

Katarina sprach sehr gut Deutsch, aber ich war mir sicher, dass sie nicht von hier war.

„Schon lange im Club?“ Irgendwie musst du Konversation machen, Felix, wenn du an diese Kugeln willst.

„Noch nicht sehr lange“, erwiderte Katarina und goss Bier in mein Glas.

Verdammt, das Weib trug einen Ehering.

Lass die Finger davon, Junge, das gibt nur Scherereien.

Sie hatte meinen Blick auf ihren Ringfinger gesehen.

„Der Anschein ist manchmal trügerisch“, grinste sie mich an.

Jemand tippte mir von hinten leicht auf die Schulter.

„Darf ich bitten?“

Vor mit stand ein sehr, sehr kurzes, blauschwarzes Kleid mit einem Dekolletè, das bis zum Nabel reichte. Die dunklen Strümpfe wurden von Strapsen gehalten und die gut geformten Beine endeten in hochhackigen, knallroten Pumps.

Ich glitt vom Barhocker und verbeugte mich leicht : „Mister Corleone“.

Die Dame machte einen Knicks: „Signorina Isabella Venezia oder der Venezianische Pfau.“

Aus den Lautsprechern erklang „Adios Amor“, und Andy Borgs sanfte Stimme füllte die Bar.

Gräfin Isabella Venezia schmiegte sich so an mich, dass kein Millimeter Luft zwischen uns blieb. Ihr Kopf lag an meiner Schulter und unsere Schenkel berührten einander bei jeder Drehung und Schrittfolge.

Sie war die perfekte Tänzerin, schlank und biegsam und voller Rhythmusgefühl. Bei jeder Drehung glitt mein Oberschenkel zwischen ihre langen, schlanken Beine.

Auf ihrer Oberlippe bildeten sich winzige Schweißperlen.

Ich ließ meine Hand langsam in Richtung ihres Pos gleiten und drückte sie fest an mich.

„Himmel“, flüsterte sie mir ins Ohr, „mir ist so verdammt heiß, ich könnt auf der Stelle ...“

„...was trinken“, ergänzte ich lachend.

Wir gingen zur Bar zurück. Isabella nahm eine Schale „Grüne Wiese“, ich blieb bei Bier.

Bloß keinen Schnaps heute, den Abend wollte ich genießen, hatte lange genug gedarbt.

Als Katarina mir die zweite Flasche Bier reichte, berührten sich unsere Finger und sie sah mich sonderbar an.

Nee Mädchen, dachte ich, daraus wird nichts. Kein Ärger mit gehörnten Ehemännern.

Ich bat den Venezianischen Pfau erneut zum Tanz. Je länger wir tanzten, um so heißer fühlte sich Isabellas Körper an. Aus ihrem Mund kamen leise Pfeifgeräusche und ihre Hand lag nah bei meinem Schritt.

Jetzt brach mir der Schweiß aus, aber ich zögerte, obwohl Isabella mehrfach versucht hatte, mich in Richtung der Grotten zu dirigieren. Ich wusste, wenn ich mit ihr auf der Matratze landen würde, wäre das Unternehmen mit Sicherheit wieder wie das Hornberger Schießen ausgegangen.

Und so was spricht sich verdammt schnell herum.

Seit dieser verdammten Scheidung hatte ich noch keine Frau gefunden, zu der ich mich auch innerlich hingezogen fühlte.

Der Professor, den ich noch von meinem letzten Saunabesuchen kannte, holte Isabella zum nächsten Tanz.

Er hatte uns die ganze Zeit beobachtet. War sehr wahrscheinlich scharf auf die zur Paarung bereite Signorina Venezia.

Ich trank noch ein Bier, sah den Tanzenden zu, redete belangloses Zeug mit Katarina, und als ich auf die Uhr sah, war es bereits kurz nach zwölf.

„Tanzt Mister Corleone vielleicht auch mal mit der schwer arbeitenden Bardame?“

Katarina kam hinter ihrem Tresen hervor und zog mich zur Tanzfläche.

Aus den Lautsprechern hämmerte ein Rock `n` Roll, und ich sah fasziniert, wie sich ihre vollen, schweren Brüste im Rhythmus der Musik bewegten.

Mir wurde langsam die Luft knapp. „Musst du nicht an die Bar zurück?“, keuchte ich.

Katarina schüttelte den Kopf. „Die paar Leute können sich selbst bedienen.“

Ich sah mich um. Tatsächlich waren außer uns nur noch zwei Paare auf der Tanzfläche.

Katarina zeigte grinsend mit dem Daumen in Richtung der Liebesgrotten. Der Venezianische Pfau Isabella verschwand gerade mit dem Professor hinter einem der weißen Vorhänge.

Gott sei Dank, der Rock `n` Roll war zu Ende. Deine Kondition, Felix, lässt arg zu wünschen. Solltest wieder laufen, du fauler Sack.

„Santa Maria“ war da schon angenehmer.

Katarina schmiegte sich fest an mich. Wir tanzten langsam in winzigen Schritten auf die aus Träumen geborene Insel zu.

Ihr üppiger, fester Körper presste sich gegen meinen und rieb sich bei jeder Bewegung an mir. Mein Blut begann sich im Zentrum zu stauen.

Katarina tanzte jetzt so, dass sie bei jeder Drehung mit ihrem Oberschenkel den Hochspannungsmast in meiner Hose streifte.

Verdammt, dachte ich, wer von meinen Vorfahren hat mir bloß diesen aggressiven Geschlechtstrieb – wenn ich nicht gerade eine Krise hatte – vererbt. Ich kannte Männer, die es problemlos einige Jahre ohne Frau aushielten. Bei meiner Mutter im Haus wohnte ein Schneider, den noch nie jemand mit einer Frau gesehen hatte und der sollte noch nicht einmal schwul sein.

Ständig nur „Fünf gegen Willy“ war doch keine Dauerlösung.

Ich bekam schon nach einigen Wochen ohne weibliche Zuwendung Depressionen und feuchte Träume.

„Bist du noch da, Mister Corleone?“

„Bin ich.“

Katarina legte mir ihre Arme um den Nacken, drückte sich fest an mich und wir bewegten uns in ganz kleinen Schritten in der Mitte der Tanzfläche. Es war ein rhythmisches Stehen, das meine Begierde aufs Neue entfachte.

Leicht und langsam dirigierte Katarina uns in Richtung der Grotten.

Vor der größeren blieb ich stehen.

Katarina schüttelte den Kopf.

Ich schob trotzdem den Vorhang zur Seite und warf einen Blick in das Innere der Lustgrotte.

Mein lieber Mann, da ging die Post ab. Mehrere Briefträger schoben ihre Päkchen und Packete in die Briefkästen der Empfängerinnen.

Wobei nahezu alle Körperöffnungen für den Empfang genutzt wurden.

Es war ein Durcheinander von nackten Körpern, dass eine Zuordnung einzelner Körperteile zu bestimmten Personen unmöglich machte.

Katarina zog mich weg und schob mich zu einer Zweiergrotte. Ich hob den Gazeschleier an.

Besetzt.

Der Herr Professor kniete vor Isabella Venezia und vergrub seinen Kopf zwischen den Schenkeln der venezianischen Gräfin.

Die nächste Liebesinsel war frei.

Katarina legte sich auf die Matratze, sah mich an und krümmte den Zeigefinger.

Ich blieb stehen.

Lass die Finger davon, Felix.

Kratz die Kurve.

Misch dich lieber unter die Rudelbumser.

Katarina krümmte erneut den Zeigefinger.

„Du bist verheiratet, ich will keinen Ärger,“ sagte ich.

„Es gibt keinen Ärger.“

„Hat dein Mann eine Ahnung, wo du bist?“

„Nein, aber es wäre ihm wahrscheinlich egal.“

„Kann ich mir nicht vorstellen.“

„Ist aber so.“

Ich schüttelte zweifelnd den Kopf.

„Leg dich zu mir, Mister Corleone, und ich erzähl dir was.“

„Felix“, sagte ich und legte mich neben sie.

Katarina hatte ihren Mann Rolf in Prag kennengelernt. Er gehörte zu einer Gruppe von Kraftwerksingenieuren, die sich mit tschechischen Kollegen zu einem Erfahrungsaustausch getroffen hatten.

Es ging darum, die Luftverpestung im deutschtschechischen Grenzgebiet einzudämmen.

Katarina hatte bei diesen Konferenzen als Dolmetscherin gearbeitet und Rolf hatte sie zu einem Abendessen eingeladen.

Nach reichlich einem Jahr und der Überwindung massiver bürokratischer Schwierigkeiten hatten sie geheiratet und Katarina war mit nach Dresden gezogen.

Die anfänglich heiße Liebe hatte sich mehr und mehr abgekühlt.

Rolf gehörte zu den Männern, für die Sex eine völlig untergeordnete Rolle spielte. Eine Frau war für ihn so etwas wie eine Schrankwand, die man haben sollte, aber wenn man sie hatte, nahm man sie kaum noch wahr.

Katarina dagegen war eine heißblütige junge Frau, in deren Adern väterlicherseits ein Schuss ungarisches Zigeunerblut floss.

Sie konnte und wollte sich nicht damit abfinden, die Schrankwand zu sein, die ihr Mann nur dann wahrnahm, wenn ein Scharnier quietschte oder die Innenbeleuchtung nicht funktionierte.

Sie ging auf Arbeitssuche und fand eine Stelle in einem Schulhort.

Die einsamen Abende, wenn Rolf in Leipzig, Cottbus, Lübbenau, Hoyerswerda oder Boxberg über Rauchgasentschwefelung oder Entstaubungsanlagen referierte, machten ihr schwer zu schaffen.

Sie hatte bisher kaum Freunde gefunden. Der Bekanntenkreis ihres Mannes beschränkte sich auf wenige Leute, die ebenfalls mit Kraftwerken oder Braunkohle zu tun hatten.

An einsamen Abenden, besonders wenn die ersten warmen Frühlingslüfte ihr Blut in Wallung brachten, packte sie eine wahnsinnige Sehnsucht nach körperlicher Liebe.

Eines Tages hatte eine Kollegin, die seit ihrer Scheidung auf der Jagd war nach einem Mann war, sie mit in Helmuts Saunaclub genommen.

Katarina, die schon als Studentin nebenbei als Bardame gearbeitet hatte, gefielen diese Abende und Nächte. Sie war endlich unter Menschen, die lachten, tranken und sich unverbindlich liebten. Es war nicht die Erfüllung, nach der sie sich sehnte, aber es war Leben.

Ich beugte mich über Katarina und küsste sie. Ihre Zungenspitze tastete meine Zähne ab, suchte meine Zungenspitze, und das ewig gleiche Spiel der sensiblen Muskelzipfel nahm uns den Atem.

Ich spürte, wie Katarinas Zunge gierig meine Mundhöhle erforschte.

Ich schob die schwarze Gaze nach oben, streichelte diese großen, festen Brüste, drückte mein Gesicht dazwischen und alle meine Gedanken bezüglich verheirateter Frauen lösten sich in Luft auf.

Meine Gier nach der weiblichen Brust erschien mir manchmal krankhaft. Vielleicht hing es damit zusammen, dass ich bis kurz vor Schuleintritt am Schnuller gehangen hatte.

Dieses Nuckeln und Saugen an der aus Gummi nachgebildeten Brustwarze musste mich versaut haben.

Es gab nichts an einer Frau, was mich so erregte wie ein nur halb verhüllter Busen, wobei es völlig egal war, ob es sich um knabenhaft kleine Brüste oder pralle Granatäpfel handelte.

Die, die ich jetzt in meinen glühenden Händen hielt, fühlten sich an wie sehr große, reife Pampelmusen.

Ich presste meine Nase tiefer in die Furche zwischen den zusammengedrückten Paradiesfrüchten und sog den Duft der erhitzten Haut tief in mich ein.

Meine Finger begannen hauchzart die sich aufrichtenden Brustwarzen zu streicheln. Ich hatte das Gefühl, als würde Katarinas Busen unter meiner Berührung größer, als würde er mir entgegenwachsen. Dann streichelte ich leicht die zarte Haut an den Außenseiten ihrer Südfrüchte und saugte an den Knospen.

Katarina begann am ganzen Körper zu zittern.

Ich schob meine Hand unter ihren Rock, aber sie schob sie weg.

„Tut mir leid, Felix, aber ''Das'' möchte ich hier nicht.“

„Und warum machst du mich dann an, wenn du ''Das'' nicht willst?“

Ich war sauer.

Vielleicht hätte ich mit Katarina meine derzeitige Krise überwinden können. Sie gefiel mir und ich spürte, dass sich zwischen uns bereits ein leichtes magnetisches Feld aufgebaut hatte.

„Weil du mir gefällst und weil ich ...“

„Felix?“, hörte ich von draußen eine Stimme.

Ich schob den weißen Gazeschleier zur Seite.

Draußen stand Ricarda. „Wenn du Lust hast und abkömmlich bist, kann ich dir was zeigen.“

„Augenblick.“

Ich drehte mich zu Katarina um. Sie sah mich mit einem leicht enttäuschten Ausdruck an. „Deine Freundin?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Seh`n wir uns wieder?“ Sie sah mich erwartungsvoll an.

„Wenn du möchtest.“

„Ich möchte es, sehr sogar.“

„Hier?“

„Mittwoch?“

„Mittwoch!“

Ich schätzte den Raum, in den mich Ricarda gelotst hatte, so auf 35 Quadratmeter. Die Atmosphäre bestand aus 80 Prozent Tabakqualm, 15 Prozent Schweißdrüsenabsonderung und der klägliche Rest war vermutlich abgestandene, lauwarme Luft.

Von der Decke hingen Lampen, die die drei Spieltische, von denen zwei besetzt waren, in helles Licht tauchten, während die Gesichter der Spieler im Halbschatten lagen.

Am vorderen Tisch saßen fünf Leute und Helmut um ein Miniroulette.

Ricarda zog mich zum zweiten Tisch. Der Professor, der mit Isabella in der Grotte verschwunden war, knurrte:

„Wird langsam Zeit, dass es losgeht.“

„Die Karten kleben schon am Tisch“, nuschelte ein Glatzkopf mit Hornbrille, der dem Dialekt nach aus Leipzig stammte.

„Immer mit der Ruhe und dann mit einem Ruck“, lachte Ricarda.

„Hast du wohl gerade mit ihm“ – der Professor machte eine Kopfbewegung in meine Richtung – „gemacht.“