Gelebtes Leben Band II - Margot Stachels - E-Book

Gelebtes Leben Band II E-Book

Margot Stachels

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Beschreibung

In diesen drei Bänden gibt es viele schicksalshafte Ereignisse und Fügungen, und die tiefe Erfahrung, dass Leid und Freude beieinander liegen. Aber auch, dass man für das Leben "brennen" kann, trotz aller Widrigkeiten. Und nicht zuletzt ihr Angewiesensein auf Gott. Es ist ein Buch für Menschen, die auf der Suche sind nach Wahrheit und Weisheit und die sich nach Heilung und Licht sehnen.

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Ich widme dieses Buch

meinen Lieben

und Allen Menschen

die auf der Suche nach

Gott sind

Theo und Margot im Wind am Drachenbaum

INHALTSVERZEICHNIS

Inselleben, 27. März 1991

Das Auto April 1991

Letztes Gespräch 10. Mai 1991

Heilen was verwundet ist 25.01.1992

San Jose 4. Februar 1992

Eva´s Geschichte 25.02.1992

Auf dem Berg 26.03.1992

Ein schlimmer Traum 9.07.92

San Isidro Mai 1993

Das Haus unser Träume 12.02.1994

Eine Pferde Geschichte 26.05.1994

Marions Sturz 5. Nov.1994

Das Haus über dem Meer9.11.1994

Gitt stirbt

Peer 5. Januar 1995

Großtraum 29. Januar 1995

Benjamin 16.03. 1995

Wieder einen Schlangentraum am 20.05.1995

Juni Nacht ohne Schlaf 16./17. Juni 1995

Der Falken Kampf 12. Juli 1995

Der Streit 12.08.1995

Peer´s Bitte 26.08.1995

Die Geschichte von Elisabeth 12. Sept.1995

Der grosse Traum wiederholt sich 24.02.1996

Savitri 30.06.1996

Gavilan 26. Juli 1996

Im Kapitänshaus 23.10.96

Abflug La Palma und Rückkehr in die Heimat

Grafrath 14.11.1996

Und wieder eine schlechte Diagnose 11.02.1997

Der Krankheitsdämon erscheint 15.02.1997

Unfall mit Schutzengel

Am Birkenweg 17.01.1999

Odilia 17. Mai 1999

Eva´s Tod 4. August 1999

Millenium, das Jahr 2000

Das Schlänglein

Theo’s Tod

INSELLEBEN

27. MÄRZ 1991

Wunderbare Sonnenaufgänge. Wir leben mitten in der Natur, sehen das Meer und hinter uns die Berge. Wolken und Wind, auf der Terrasse hohe Palmen. Es ist ein ganz anderes Lebensgefühl. Wir riefen Zoran an, der heute Geburtstag hatte und er war ganz weich und offen. „Wir vermissen Euch”, sagte er, „Die Kinder sprechen jeden Tag von Euch und Maddalena vermisst Euch natürlich besonders”. Und er dankte nochmals für den Anruf. Dann kam Maddalena ans Telefon. Sie war heiser und erkältet und hatte Zahnschmerzen. Es sei kalt in München und Schnee läge in der Luft. Ich sagte ihr, dass wir manchmal in unseren Gefühlen hin und hergerissen seien, ja manchmal daran dächten nach München zurück zu kehren. „Warte ab Mami, ihr braucht ein paar Monate um Euch einzuleben” sagte meine Tochter. Es ging so viel Liebe hin und her und auch ein wenig Leid und ich musste an Buddha denken und an seine Aussage: Von Lieben getrennt sein, ist Leid! Mit Unlieben vereint zu sein ist Leid”. Wie wahr. Ich habe mich schon öfter ertappt, dass ich, wenn die Gefühle zu schmerzhaft waren, sie abschnitt und zu einer kleinen tapferen Soldatin wurde, wie Anouilh seine kleinen Heldinnen zärtlich nannte.

OSTERSONNTAG, APRIL 1991

Auf der Höhe in der Bergkirche San Isidro. Die Einheimischen nahmen uns Extranjeros (die Fremden) erstaunt wahr. Der Priester sagte zu Ostern: „Deja morir el hombre viejo y resucita con Jesus” (Den alten Menschen hinter sich lassen und mit Jesus auferstehen). Wir waren Beide mit schwerem Herzen erwacht, als wir nun nach Hause kamen klingelte das Telefon und die junge klare Stimme von Maddalena war am Apparat: “Frohe Ostern Mami”, sagte sie fröhlich und mein Herz wurde weit. Soviel Helligkeit und Liebe kam herüber.

APRIL 1991

Meine Schwester rief an, dass meine Mutter wohl einen leichten Gehirnschlag erlitten hätte, sie wisse gar nichts mehr, stünde in ihrem Zimmer und frage: „wo wohn ich denn”? Der nächste Schock war, dass wir erfuhren, dass alle Flüge nach Deutschland belegt seien und wir frühestens in 3 Wochen von der Insel herunter kämen. Ich ließ Arnica 10.000 nehmen und danach ging es ihr Gott sei Dank wieder besser.

DAS AUTO

Wir brauchten dringend ein Auto. Ein deutscher Geschäftsmann bot uns seinen gebrauchten Fiat-Uno zum Verkauf an. Wir trafen ihn auf der Placetta und fuhren hinter ihm nach Tenagua zu seinem Haus. Es ging einen Berg hoch und dann auf eine breite Schotterpiste mit Löchern und Steinen und ich hatte Mühe dem vorausfahrenden Auto zu folgen. Plötzlich Schläge, wie wenn Steine unter dem Auto hochschlügen, sowie ein Knattern und Scheppern. Jetzt ist etwas passiert, sagte ich zu Theo. Ich hielt an und sah das Malheur: der Auspuff und ein Blechbehälter lagen am Boden. Ich machte den Fehler ihn anzufassen und verbrannte mich an 2 Fingern. Wir standen ratlos da und warteten. Es vergingen einige Minuten bis der Geschäftsmann wieder auftauchte. Gleichzeitig kamen von unten 2 Autos mit Männer mittleren Alters. Alle stiegen aus und sahen sich die Bescherung an. „Oh das kennen wir, sagte die Männer, da fehlen zwei Ringe zum Aufhängen”. „Ich leg mich da nicht drunter”, sagte der affektierte pockennarbige Mann, „Ich bin zum Essen verabredet und will mir die Kleider nicht schmutzig machen”. Aber dann holte gerade er, aus dem Auto eine pelzig wirkende Decke und legte sie auf die Erde. Ein dritter Mann hatte auf der Strecke den verlorenen Ring gefunden und einer der Männer stiftete einen Ersatzring von sich und der dritte bärtige Mann legte sich auf die Decke und hing das verlorene Stück wieder auf. Der Geschäftsmann stand tatenlos lächelnd daneben und sagte: „das sind unsere Nachbarn”. Nach 5 Minuten Hilfsbereitschaft war alles vorbei. Wir dankten vielmals und fuhren vorsichtig den Rest der Piste bis zu dem gemieteten Haus von Herr R. der uns aber nicht hineinbat. Dabei ging es plötzlich um die Summe von 925.000 Pts. das waren etwa 15.000 DM. Wir hatten auf dem Aushang gelesen: Fiat-Uno mit allen Extras für 350.000 Pts. Er behauptete nun, es hätte geheißen 350.000 unter dem Neupreis. Wir schluckten erst einmal diese Pille und nahmen auch noch gelassen hin, dass er sagte: „Wenn Sie 900.000 Pts. nicht zahlen wollen, dann brauch ich das Auto gar nicht aus der Garage zu holen”. Ich sagte wir seien ja extra hergekommen um das Auto zu sehen. Es machte ihm offensichtlich Schwierigkeiten das Auto vorzuführen. Seine Frau hatte vorher erzählt, dass er, obwohl es unbenutzt in der Garage stünde, es jede Woche waschen würde, was schon merkwürdig war. Schließlich bekamen wir den bordeaux-farbenen Fiat-Uno zu sehen, er war sehr schön. Er fuhr ihn zweimal die Straße hinunter und wieder hinauf und schließlich bat ich darum, ihn Probefahren zu dürfen. Es machte ihm sichtlich Unbehagen und ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, ich kannte ja die Schaltung und die Reaktionen des Autos nicht und die Probestrecke war nicht gerade günstig, da es steil bergauf ging. Ich hatte beim Anfahren wenig Gefühl, so als ziehe er nicht richtig oder ließ ich ihn zu wenig kommen? Aber dann hatte ich es heraus und fuhr ihn zügig bergauf, schaltete auch richtig die Gänge, spürte aber die Ungeduld von Herrn R. der neben mir saß und dass er seinen Besitz einfach nicht loslassen wollte. Einmal in Fahrt fuhr ich weiter der Straße nach, worauf er einen Schrei ausstieß: „Zurück, zurück”! Ich solle meine Fahrt so schnell wie möglich beenden! Nun war die Straße aber steil und ich konnte so ohne weiteres nicht zurücksetzen. Während ich kurz überlegte, ob ich den Wagen einfach zurückrollen lassen sollte, sagte er unbeherrscht: „Schluss, ich fahre, Sie können ja ihre Übungen machen, wenn Sie das Auto gekauft haben”, was schlichtweg eine Unverschämtheit war. Wir trennten uns kühl und sagten, wir würden bis Montag Bescheid geben. Natürlich kauften wir das Auto nicht. Ich hatte zehn Tage später einen Traum, indem ich mich nochmals mit Herr R. auseinandersetzte.

Ich stahl Herrn R. den weinroten Fiat und machte in einem Flussbett über Steinen eine Probefahrt. Es ging, befriedigte mich aber nicht. Herr R. lief mir nach mit dem Schlüssel in der Hand und wollte mich zur Rede stellen. Ich dachte, ich muss ihm jetzt wahrscheinlich die 5 km Fahrt bezahlen, aber ich sagte ihm meine Meinung über sein unmögliches Verhalten. Der Traum war irgendwie befreiend.

Es gab Tage da bezauberte uns die Insel und ihre Natur, zum Beispiel gestern Abend sahen wird die silberne Sichel des Mondes und in unmittelbarer Nähe einen leuchtenden, funkelnden Stern. Die blaugrauen Berge, die ich so liebe, waren von Wolken umhüllt, als läge Nebel über dem Urmeer, alles war in ein mystisches Licht getaucht. Grillen zirpten. Die Luft war erfüllt von Orangenblüten und Mimosen Duft. Irgendwo hörte man eine Ziege klagend meckern und eine andere antwortete ihr.

Dann wieder, an manchen Tagen, waren wir niedergedrückt und fragten uns, ob der Entschluss in ein fremdes Land auszuwandern eine Illusion, Maya, war? Die Insel war nicht Europa zu dieser Zeit. Hier herrschten ganz eigene Gesetze, die archaisch und für uns schwer nachvollziehbar waren. Man musste nach ihren Regeln leben. Es war wie in einem burlesken Theaterstück und wir lachten manchmal darüber, ein andermal war es zum Verzweifeln, jedoch Künstler haben die Gabe immer das Beste daraus zu machen.

Marions Sohn Peer kam aus Nord Deutschland und ließ unterhalb unseres Hauses zwei kanarische Häuschen renovieren, die er günstig gekauft hatte. Er hat aus den schwarzgraugelben Vulkansteinen Mauern und Treppen bauen lassen, sowie einen dickbäuchigen Außenkamin mit einer Sitzecke. Kurzum es ist ein kleines Kunstwerk. Da mischte sich Wehmut und Neid in unsere Gefühle. Genau so ein kleines Haus müssten wir finden, aber es dürfte höchstens 100.000 DM kosten. Als ich das Marion sagte, entgegnete sie: „Die Zeiten sind vorbei, wo man für einen Apfel und ein Ei so etwas bekommen konnte”. (Heute, da ich dies niederschreibe, im Jahr 2018, ist Marion nicht mehr am Leben und ihr Sohn, ist vereinsamt; die Häuser sind verkauft). Wie heißt es bei Salomo: „Alles ist Nichtigkeit und Haschen nach Wind”.

Erst einmal bestellten wir beim Autohändler Antonio einen silbergrauen Toyota-Starlet für 865.000 Pts. Wir wollten wieder unabhängig sein. Durch den Verkauf unserer Antiquitäten, Teppiche und Möbel befanden sich auf unserem Konto in Deutschland etwas über 100.000 DM, die wollten wir nicht antasten, aber was darüber war, stand zu unserer Verfügung. Auf dem Bauernmarkt in dem Bergdorf Mazo, kam ich mit einer Frau ins Gespräch, als ich sie nach einem spanischen Wort fragte. Zwei Tage später trafen wir sie in der Placetta, als wir mit unserer Begleiterin Birke, dort eine Kaffee-Pause machten. Sie sei Buddhistin, erzählte sie und käme gerade von einem Prozess, den sie wegen ihres gekauften Hauses führen musste. „Hüten Sie sich vor den Deutschen, kaufen Sie nicht gleich ein Haus, seien Sie vorsichtig”! Sie lud uns spontan zu ihrer Geburtstagsfeier ein, auch Paschingers würden kommen, ja die könnten uns ja mitbringen. Barbara Paschinger hatten wir schon in München kennengelernt. Sie war, Heilgymnastin oder Physiotherapeutin, ihr Mann Gerd Künstler, er malt wunderschöne Mandalas. Gerd sah mit seinen glatten bis auf die Schultern fallenden weißblonden Haaren wie Prinz Löwenherz aus, Barbara mit ihren langen nach hinten gebundenen Haaren, wie eine ehemalige Tänzerin. Sie hatten in Südafrika gelebt, waren aber wegen der politischen Unruhen dort weggegangen und auf die kanarische Insel gezogen. Sie wurden im Lauf unseres Insel-Lebens gute Freunde. Mit ihrem klapprigen Auto fuhren wir nach Mirca, das in der Nähe von Las Nieves liegt, und dort eine steile Piste hoch. Man wundert sich, dass die alten Autos diese schottrigen Steigungen schaffen, aber sie tun es aus keinem anderen Grund, als weil sie es schaffen müssen; da gerade die materiell schlechter gestellten Menschen Carettas (Häuschen) oberhalb solcher halsbrecherischen Pisten haben.

23. APRIL 1991

Ich erreichte Michi telefonisch als es bei ihm kurz nach Mitternacht war, um ihm zu seinem 31. Geburtstag zu gratulieren. Es ging ihm einigermaßen gut, es war ihm jedoch schwindelig gewesen, sodass er einen, ihm empfohlenen homöopathischen Arzt namens Dr. Eusebius aufgesucht habe. Der verordnete ihm Cocculus und als Konstitutionsmittel Phosphor. Ich war froh, ihn in guten Händen zu wissen.

19:45 Uhr. wir kommen von einem Ausflug über die Insel zurück. Wir hatten für 2 Tage einen Toyota gemietet, aber diese Art Ausflüge machen mich seltsamerweise traurig. Ich bin froh, wieder in dem kanarischen Ferienhaus zu sein, das seinen eigenen Zauber hat mit den vielen Holztüren und Fenstern, sowie der berühmten kanarischen Teaholzdecke, die wie ein umgedrehtes Schiff wirkt, Ruhe und Geborgenheit vermittelt. Wir sind über den Berg und durch die Wolken gefahren; da fiel mir ein Traum ein, indem es hieß: “Da kommt die Wolkenfrau” und damit war ich gemeint. Als ich das Inga erzählte, die unsere erste Patientin in La Palma war, sagte sie: „Ja das bist du, du bist die Frau, die die dunklen Wolken vertreibt”.

28. APRIL1991

Heute Nachmittag sollen unsere verschifften restlichen Sachen, 26 Kisten, die beiden Elzstühle und das Art-Deco-Marmortischchen und die edle koreanische weiße Lampe vom Hafen hergebracht werden. Wohin bloß mit allem.? Auf der anderen Seite können wir unsere eigene Atmosphäre wieder herstellen.

Wir öffneten die Schachteln und waren bei jedem Stück das wir entnahmen entzückt: mein großes Bild, das Trixi gemalt hat, Michis afghanischer Teppich, unser tiefgründiger Buddha aus dunklem Holz mit Spuren von Gold im Gesicht, in der Haltung der Erdberührung geheimnisvoll und tief in sich ruhend, das weinende Füchschen aus Ischia, das Mutter -Kind -Madonnenbild Maddalena und Luka, die Undinen Fotos und 150 weitere Bilder, Bücher und viele kleine antike Kostbarkeiten. Am Abend taten mir die Füße so weh, dass ich nicht mehr gehen konnte und Theo spürte seinen Rücken, aber wir waren glücklich unsere über Jahre gesammelten Schätze um uns zu haben.

10. MAI 1991

LETZTES GESPRÄCH MIT MEINER MUTTER

Der 86. Geburtstag meiner Mutter. Ich rief sie heute Morgen an. Sie war sofort am Telefon, wirkte klar und ein wenig traurig. Ich frug wie sie sich in dem neuen Zimmer fühle und sie sagte: “es ist schön, aber es war sehr schwer”. In dem Wort schwer, schwang viel nach. Ich sagte, ich hoffte, sie habe meinen Geburtstagsbrief erhalten, in dem auch ein Scheck lag, womit sie sich was kaufen könnte”. “Das ist doch nicht nötig”. Ich erzählte ihr, dass ich gerne gekommen wäre, aber dass ich keinen Flug bekommen hätte und ich das Geld sparen wolle, für den Fall, dass sie mich brauche. Sie war gerührt. Ich setzte hinzu: “Vielleicht kannst Du doch einmal zu uns kommen”? “Vielleicht bringen wir das zuwege”, antwortete sie. Dann ihre Frage: “Sehen wir uns wieder”? “Bestimmt Mutti, wenn Du nicht kommen kannst, komme ich zu Dir”. Das war unser letztes Gespräch. Drei Wochen später erlitt sie einen Hirnschlag oder einen Herzinfarkt, nachdem sie die Treppen hoch zu meiner Schwester gestiegen war. Sie setzte sich schweratmend in einen Sessel und sagte Jetzt bin ich halbtot”, und fiel ins Koma, wachte nicht mehr auf. Aus München waren zu dieser Zeit, kurz vor diesem Ereignis, zwei Freundinnen gekommen und eine leise Stimme in mir flüsterte, nimm das Ticket von Einer und flieg zu deiner Mutter. Hätte ich nur auf diese Stimme gehört!

FREITAG 31. MAI 1991 SAN PEDRO

Der Arzt ließ meine Mutter ins Krankenhaus bringen und dort liegt sie nun im Koma. Und hier geht kein Flugzeug ab! Birke und eine junge Frau namens Eva bemühen sich uns von der Insel weg zu bringen. Die Zeit vergeht unendlich langsam wenn man wartet. Ich bin wie im Schock und bete für meine Mutter. Ich bin auch bereit ohne Theo loszufahren, eventuell mit der Fähre 8 Stunden über den Atlantik nach Tenerife um von dort mit einer Maschine bis Madrid oder Barcelona zu gelangen und dann weiter nach Frankfurt/München. Ich würde so gerne bei meiner sterbenden Mutter sein, die davor so viel Angst hat. Zu allem Übel kam ein Anruf dass das bestellte Auto abholbereit sei und da Herr R. als wir in seinem Laden etwas kauften uns beiseite genommen und hämisch gesagt hatte: “Wissen Sie dass der Autohändler Antonio Insolvenz angemeldet hat, passen Sie auf, dass das mit Ihrem Auto gut geht”! Wir mussten es also vor unserer Abreise abholen und bezahlen. Kapitän Fricke und seine Frau nahmen uns mit in die Stadt, wo wir Birke trafen, die auch in Zeitnot war, die uns aber bei der Abwicklung helfen wollte. Gegen 16 Uhr waren wir wieder zuhause und bekamen einen Anruf von Eva, dass wir mit einer Schweizer Maschine am Samstag nach Zürich fliegen könnten, von dort mit dem Zug nach Romanshorn, weiter mit der Fähre nach Friedrichshafen und mit der Bahn nach Biberach. Wir legten uns erschöpft auf das Bett und ich betete mit aller Intensivität in den nächsten Stunden für meine Mutter und bat um Hilfe für sie. Endlich war Stille und Besinnung und ich konnte wenigstens auf diesem Weg bei ihr sein. Nach 17 h holte uns Birke nochmals ab um die Tickets zu holen, man musste das persönlich tun und auch um das Auto zu bezahlen. Ich dachte, wie merkwürdig dies war, dass ich an diesem Tag das Auto kaufte. Wochenlang war es uns wie die wichtigste Sache der Welt vorgekommen wieder ein Auto zu haben, was ja auf der Insel auch notwendig ist und nun kaufte ich es, als meine Mutter im Sterben lag. (Sie die sich ein Leben lang dem Autoverkauf gewidmet hatte.) Wieder zuhause fingen wir an die nötigen Papiere und Sachen für die Reise zusammen zu suchen. Gegen 22 h kam der Anruf von Anneliese, dass Mutti gestorben sei. Ich rief Maddalena an, die am Schliersee war, konnte sie aber nicht persönlich erreichen und hinterließ ihr die Nachricht vom Tod der Großmutter. In der Nacht sah ich im Traum Mutti gehen. Sie war irgendwie hilfsbedürftig und gebrechlich und ich sollte sie führen! (Tibetisches Totenbuch). Am Samstag, als wir dann im Flugzeug saßen, erfüllte mich plötzlich eine tiefe, heitere Gelassenheit, so als sei eine Botschaft angekommen, dass es meiner Mutter gut geht. Es war wirklich ein Glücksgefühl und hatte nichts mit der Reise zu tun, obwohl ich froh war, auf dem Weg nach Deutschland zu sein. Es war mühselig mit den schweren Koffern und anderen Gepäckstücken Bus, Fähre und Zug zu bewältigen, jedoch ich wagte nicht meine Schwester zu bitten uns am Bodensee abzuholen. Sie war sehr abweisend am Telefon gewesen, zudem hatte sie sicher viel zu erledigen. Ich fühlte mich etwas beklommen bei unserer Ankunft und es gab auch eine Distanz zwischen uns, die sich nur langsam auflöste. Wir würden noch miteinander zu reden haben.

MONTAG 3. JUNI 1991 BIBERACH

Wir gingen in den Stadtfriedhof, wo meine Mutter aufgebahrt war. Ich erkannte sie fast nicht, so fremd sah sie aus. Ihr Gesicht war anders, so als hätte sie gegen schweren Wind ankämpfen müssen. Es war ein entäußertes Gesicht, nichts Weiches war darin. Ihre Vorfahren, die von der Schwäbischen Alb stammten, sahen so aus. Anneliese und Tante Helene die beim Sterbeprozess bei ihr waren, sagen, sie sei ganz ruhig gelegen und habe nicht kämpfen müssen. (Wie passt das zusammen?). nur der Atem habe immer wieder ausgesetzt, keine Unruhe der Hände, nichts dergleichen. Aber ihr Gesicht spricht von Anstrengung, Leid, Entäußerung. Und etwas Merkwürdiges: ich hatte inständig in der Zeit von 16 h-17:30 h gebetet und Anneliese erzählte, sie seien sehr erstaunt gewesen als sie gegen 17.30 Uhr zu meiner Mutter kamen, habe diese gefaltete Hände gehabt, wobei sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, sie selbst zu falten, vielleicht habe dies eine Schwester in der Klinik getan, anders könnten sie sich das nicht erklären. Wenn ja, so wäre ich dieser Schwester aus tiefstem Herzen dankbar. Anneliese erinnerte sich, dass eine Schwester ihr während des Komas liebevoll die Wange gestreichelt hat Frauen aus dem Bürgerheim berichtete, meine Mutter sei in den letzten 3 Wochen sehr aggressiv geworden. Sie ertrug die vermehrte Bevormundung nach dem Umzug aus ihrem Appartement ins Bürgerheim nicht. Die Pflegekräfte dort haben mehr zu sagen und sie war eine stolze und freie Frau. Vielleicht fühlte sie sich abgeschoben von meiner Schwester und verlassen von mir. Das Tragische im Leben meiner Mutter war, sie konnte nicht zu ihren Gefühlen und Bedürfnissen stehen. Sie glaubte es den Anderen immer recht machen zu müssen. Ihre Rolle als Geschäftsfrau verstärkte diesen Grundzug. Solange sie im Leben stand und gefordert war konnte sie ihre energetische Seite ausleben: sie war eigensinnig, führte das Geschäft, war die Chefin. Sie mochte Menschen, verfügte über eine angeborene Herzlichkeit, kurzum war die immer liebenswürdige und freundliche Frau Ottenbacher, die großzügig andere bewirtete und beschenkte. Für ihre Kinder tat sie alles, sie erfüllte uns jeden Wunsch, wenn es möglich war. Den frühen Tod ihres 19jährigen Sohnes hat sie nie verkraftet. Ab da, war sie mit Gott auseinander. sie war ohnehin nicht sehr gläubig gewesen, im Gegensatz zu ihrer frommen Mutter. Wahrscheinlich war sie als kleine Beamtentochter die ins große Geschäftsleben hineinwuchs viel zu sehr mit ihrer weltlichen Existenz beschäftigt, als dass da Gott noch Platz gehabt hätte, sie war eine echte Stierfrau, sehr irdisch ausgerichtet. Als Theo und ich auf die Südamerika-Tourne gingen, übernahmen meine Eltern die Kinder, obwohl das sicher mit vielen Ängsten verbunden war und eine zusätzliche Belastung bedeutete. Bei der Gründung der Galerie Columbus, der Finanzierung einer kleinen Eigentumswohnung in Schwabing, dem Kauf eines teuren Cembalos für Michael, den hohen Mietzahlungen für das Haus in der Harthauser Straße, immer war meine Mutter die rettende Fee. Als sie vor ein paar Jahren das Geschäft meiner Schwester übergab, da hoffte sie auf einen angenehmen Ruhestand, aber verlor ihr Geschäft, ihr Haus, ihr Vermögen und auch ich kam ihr abhanden, zuletzt wurde sie dement. Ich bin zutiefst traurig und es schmerzt mich, dass ich nicht bei ihr sein konnte.

14. JUNI 1991

Ich verkaufte im Herti-Untergeschoß Muttis Schmuck, nahm mir nur eine Gold-Silberkette heraus und überließ meiner Schwester den Smaragdring, den sie sich gewünscht hatte. Der Händler bezahlte mir 4.300 DM, gerade so viel, wie die Beerdigung kostet. Acht Juwelierläden hatten den Schmuck als schwerverkäuflich abgelehnt.

Nach der Beerdigung mussten wir das Zimmer meiner Mutter ausräumen. Zu dieser Zeit wohnten wir bei meiner Schwester. Als ich zum Helfen kam, war ein Bekannter von ihr dabei den Schrank abzuschlagen. Sie hielt es nicht für nötig mich vorzustellen, mäkelte an mir herum, wollte mir eine Tasche aufdrängen, die ich nicht wollte, die Situation eskalierte, alles Gegensätzliche zwischen uns brach auf, sodass ich meine Tasche nahm und wortlos ging. Ich holte Theo in der Wohnung ab, packte unsere Sachen und wir zogen ohne eine Nachricht zu hinterlassen in ein Hotel, da es noch einiges zu erledigen gab. Es muss meine Schwester sehr getroffen haben, sie telefonierte überall herum, suchte uns, so auch bei Maddalena in München und schließlich regte sich mein Gewissen. Ich meldete mich bei ihr und brachte ihr einen Blumenstrauß zur Versöhnung und sprach mich mit ihr aus. Heute, da ich dies niederschreibe sind wir schwesterlich, liebevoll miteinander verbunden.

KÖLN 16. JUNI 1991

Kühl und regnerisch. Theos Nichte holte uns am Bahnhof ab und lief mit uns zum Rheinufer, weil sie über eine evtl. Hilfe von Ännchen für Theo mit uns reden wollte. Wir erfuhren bei diesem Gespräch, dass Ännchen Jupps Testament nie eröffnen ließ (was eigentlich gar nicht möglich sein sollte) und dass sie einmal das Testament vor Angela in die Höhe hielt und sagte: “dein Vater hat in erster Linie seinen Bruder bedacht, du kommst erst hinterher”. Jupp wollte seinem Bruder, den er sehr liebte etwas vermachen, damit er sorgenfreier leben könnte. Was und wie viel wissen wir nicht. Später plagte sie ihr Gewissen und so überwies sie ihm ca. zwei Jahre lang 1.000 DM nach La Palma, dann übernahm Ihre Tochter die Finanzen und der wohltuende Geldfluss hörte auf, nachdem es anwaltliche Überlegungen gab inwieweit die 20 Jahre jüngere Frau später in die Erbschaft einbezogen werden müsste und da wir das Testament nicht kennen ist es müßig darüber nach zu denken.

20. JUNI 1991MÜNCHEN

Sommeranfang und es regnet, regnet, regnet. Überall wird geheizt. Traum auf den 21. Juni: ich schlüpfte zu unserer Haushälterin Tante Lena ins Bett und sagte: “dicke Mama”. und während ich bei ihr lag, erfuhr ich, dass meine Mutti gestorben war, um 21:15 h, wie mir Tante Lena mitteilte. (Anneliese sagte 21:30 h). Mir fällt ein, dass ich als schon größeres Kind im Auto meinen Kopf an T. Lenas Busen legte, ihre Mütterlichkeit in Anspruch nahm.

Versuch der Deutung: das liebesbedürftige Kind schlüpft zu der Ersatzmutter ins Bett. (Dicke Mama= große Mutter). Ich erinnere mich nicht, dass ich mich an meine Mutter anlehnen konnte, obwohl sie später gern Zärtlichkeit von mir entgegen nahm.

Ende Juni waren wir nochmal in München. Ich fand in einer Boutique ein Hochzeitskleid aus Palästina. Es ist elfenbeinfarben mit Goldfäden durchwirkt, die Brust ist rot bestickt, ebenso die Ärmel und die Seiten. Es fällt weit wie ein Priestergewand. Damit könnte ich im Teatro Chico auftreten. Ich habe den Schmuck meiner Mutter verkauft und denke, das Kleid könnte mein Schmuck und ein Andenken an meine Mutter sein. Mir wurde bewusst, dass mein Theaterblut mich schon früh die Kleider der Prinzessinnen anlegen ließ und dass dies zum Spiel meines Lebens gehört. Aber wahrscheinlich ist dies alles eine Illusion und eines Tages werde ich auch solche Kleider nicht mehr benötigen.

SAMSTAG 29. JUNI 1991 LA PALMA

Wir waren wieder auf der Insel und holten unser Auto ab. Eva half uns. Frau Voss, die, die Autoversicherung abschließen wollte war nicht zu erreichen Mittags endlich hatte ich sie am Telefon. Sie schlug vor zu ihr zu kommen und so machten wir uns auf den Weg, der über die Berge führte in den Westen der Insel. Man hatte uns gewarnt ja nicht ohne die Papiere zu fahren, da dies Strafen von 100 000 Pts. nach sich zöge. Aber Angelika Voss, die mit dem Polizeichef befreundet ist, hatte fröhlich gesagt: “Haben Sie Lust Ihr Auto zu fahren? So kommen Sie, falls Sie angehalten werden, sagen Sie, Sie holen den Schein”. Und dann folgte wieder die abenteuerliche Beschreibung wie wir zu ihrem Haus gelangen würden: “nach der hässlichen Kirche fahren Sie den Weg links hoch, es ist eine geteerte Piste. Sollten Sie den Weg übersehen, kehren Sie um, wenn die Abzweigung Fuencaliente kommt und fahren 100m zurück, dann geht rechts der Weg hoch”. Natürlich war es nicht der erste Weg nach der Kirche, sondern der Zweite. Aber unser Auto schaffte brav die Steigung. Oben hielten wir vor einem langgestreckten großen Gebäude, das im oberen Stockwerk noch im Rohbau war: Clinica Dr. Voss stand da. Frau Voss würde uns auch helfen die Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, was zu dieser Zeit nicht einfach war. Erst einmal waren wir jetzt durch das Auto unabhängig.

DIENSTAG 2. JULI 1991

Ich las ein Buch von Sri Aurobindo und hatte einige Aha- Erlebnisse. Nach seiner Philosophie müssen wir uns auf dem Weg zum höchsten Selbst oder Gott, von den Anhaftungen und Bindungen lösen, damit ist gemeint das gebunden Sein an Gefühle und Wünsche. Da sind wir nun auf La Palma, in einem angenehmen, warmen Klima, wohnen in einem idyllischen kleinen Haus mit dem Blick aufs Meer und schon kommt der nächste Wunsch: eigene 4 Wände sollten es sein, die wir selbst gestalten möchten- in guter Luft, ruhig gelegen, Bäume sollten um das Haus stehen und und und ... Aber wahrscheinlich ist es realistischer ein Haus zu mieten als zu kaufen. Zu viele Belastungen kämen auf uns zu und würden uns unfrei machen. Ich sehne mich nach Ruhe, Stille und Kontemplation. Früher dachte ich, das Meer wäre meine Sehnsucht, heute entdeckte ich: es sind die grünen Berge.

4. JULI 1991

Seit Montag machen wir mit Eva und ihrem Mann Vincente Raucherentwöhnung, damit sind drei Abende blockiert. In Jugoslawien herrscht Bürgerkrieg. Ich bin froh, dass Maddalena und ihre Familie in Deutschland sind. Heute Abend kam Birke vorbei um ein Mittel für ihre gelähmte Katze zu holen. Sie schlug mit dem Türklopfer hart an die Tür, ich erschrak, sodass ich das Glas Wein, das ich gerade zum Mund führen wollte, verschüttete. Ich, fühlte mich wie eine Jüdin die zum Transport abgeholt werden soll! Als würde ich aus meinem Versteck geholt.

18. OKTOBER 1991

Beim Polizeichef um die Residencia, d.h. die endgültige Aufenthaltsgenehmigung abzuholen. Frau Voss sollte mitkommen und dolmetschen, tat es aber nicht. Paco der Polizeichef ging an uns vorbei und verschwand. Sein Atlatus Antonio hieß mich ins Zimmer kommen und ließ mich sitzen, nachdem er merkte, dass ich nicht viel Spanisch sprach. Eine 83 jährige alte Dame namens Emma erschien, auch wegen ihrer Residencia. Sie sprach mich auf Spanisch an und war überrascht, als ich auf Deutsch antwortete. Sie erzählte, sie sei vor 5 Jahren mit ihrem Mann hergekommen, als der Dollar und die Mark immer weniger geworden seien. Sie hatten eine Zeitlang in Venezuela gelebt. Als sie sich verabschiedete, strich sie mir liebevoll übers Haar, wie man das bei einer Tochter tut. Antonio erklärte mir nun, dass ich wegen der Umschreibung meines Führerscheins in das Cabildo müsse, ich solle das noch heute tun und bis 13 Uhr wiederkommen. Theo saß wegen seiner Schwäche im Auto und wir fuhren dann zu dem besagten Cabildo. Ich wurde zu einer jungen Frau, die mit mächtigen Ohrringen behängt war, geführt und es ergoss sich eine Redenschwall über michsehr amtlich, wie lange ich schon da wäre etc. Mir wurde klar, dass ich besser mit Birke, Eva oder Frau Voss, die wir schließlich dafür bezahlten, dorthin ginge und so brach ich das Gespräch ab. Das Ganze hatte mich sehr aufgeregt. Ich lief zur Viaje Paukner, wo Eva arbeitet, weil ich ziemlich ratlos war. Eva packte ihre Tasche und ging mit uns ins Cafe gegenüber. Dort saß Chente ihr Mann an der Bar. Er ist nett aber ziemlich einfach, ein Naturburschentyp und ich frug mich, wie lange es mit den Beiden gut gehen würde. Ich war ziemlich nervös und rief innerlich wütend Frau V. an, die mir noch am Morgen versichert hatte, es liefe alles glatt und reibungslos Sie gab sich erstaunt und entrüstet, sagte, wir sollten uns keine Gedanken machen, das mit dem Führerschein stünde noch gar nicht an, wenn überhaupt, wir würden die Permisso, die Erlaubnis zugeschickt bekommen und Morgen riefe sie Paco an. dem wir vorab für seine Briefmarkensammlung, Marken geschenkt hatten, (so läuft das dort). Auf dem Weg zu Theo, knickste ich mit dem rechten Fuß um und verstauchte ihn mir. Ich biss die Zähne zusammen und humpelte zum Auto, dann setzte ich mich auf meinen Sitz und weinte bitterlich. Das Ganze war eine palmerische FARCE. Ich hatte die letzten Tage schon immer ein komisches Gefühl, so als fände die Angelegenheit nicht statt oder hätte keinen Sinn. Was tun wir nicht alles im Leben und am Ende stellt sich heraus, dass es nicht viel Sinn gemacht hat, oder ein Umweg war.

Da waren wir nun in einem fremden Land, beherrschten die Sprache nicht und waren auf die Hilfe von Anderen angewiesen. Wir bezahlten der Touristenführerin Birke, einer schlanken hochgewachsenen jungen Frau ein kleines Salär im Monat, damit sie uns bei den Behördengängen begleitete. Neben dem Reiz des Neuen, schlich sich ein Gefühl von Heimweh ein. In München waren wir "Wer" gewesen, hier waren wir erst einmal NIEMAND, extranjeros, Ausländer. Ich konnte nun nachvollziehen, wie sich Migranten fühlen, wobei es einen Unterschied macht, ob man Geld in der Tasche hat oder keines. Wir warben für uns, indem wir von unserem vorherigen Leben erzählten und langsam entstanden neue Freundschaften.

Nachbildung des Columbus Schiff

21. OKTOBER 1991

Der Tag war trübe und von Wolken eingenebelt - es herrschte eine melancholische Stimmung. Unser dunkles kanarisches Haus verstärkte diese. So entschlossen wir uns auf die andere Seite zu fahren. Es geht über die Berge und durch einen schwachbeleuchteten feuchten Tunnel und oh Wunder, er öffnet sich und strahlende Sonne ist da!

DIENSTAG 22. OKTOBER 1991

Frühstück auf der Terrasse. In Deutschland schneit es. Gestern Abend rief Michael an. Er will nach Singapur zurück ohne zu wissen, wie es dort weitergeht. Er sagt: “ich fühle mich in Deutschland am falschen Ort, dort in Singapur ist Leben, da kann ich auf die Straße gehen, es ist warm, hier friere ich.

7. NOVEMBER 1991

Michael ist über Belgrad nach Singapur geflogen. Hundert km von Belgrad entfernt fielen Bomben. Ich bin froh, dass er gut angekommen ist. Da auf unserer Seite das Wetter trüb war, beschlossen wir nach Tazacorte zu fahren und wahrhaftig dort schien die Sonne. Wir verbrachten zwei Stunden am Meer, ließen die wilde Brandung über unsere Füße rollen und sahen dem Spiel der Wellen zu. Ein Vogel mit einem langen spitzen Schnabel stakste durch den Sand und pickte etwas auf. Danach fuhren wir durch die herrlich wärmende Sonne, an Bananenplantagen vorbei zum hochgelegenen Restaurant San Petronio zu Gabriella und Emilio, einem italienischen Ehepaar, um dort den hausgemachten Kuchen zu essen. Danach ging es über das Cumbre-Gebirge zurück und das war diesmal ein Abenteuer. Es war gegen 17 h und die Wolken liefen den Berg hinunter und hüllten die Lavafelder in weißen undurchdringlichen Nebel. Die Wälder lagen im Dämmerlicht. Das Rotbraun, der abgefallenen langen Piniennadeln kontrastierte zu dem feuchten Grün der Bäume. Weiter oben begannen Sturmböen. Die Sicht wurde immer schlechter, ich fuhr fast blind und plötzlich kamen wir an eine Stelle, wo wohl wenige Minuten vorher, schwere Steine und Erde herab gebrochen waren, die fast die ganze Straße blockierten. Der Schreck fuhr mir in die Glieder und ich umfuhr so schnell es ging das Hindernis, bevor ein neuer Steinschlag stattfand. Wir waren ganz allein auf weiter Flur. Kein Mensch würde kommen, wenn einem hier oben etwas zustoßen würde. Zum ersten Mal hatte ich auf dem Cumbre Angst. Ich kann kaum beschreiben wie unendlich erleichtert und froh wir waren, als die ersten Häuser des Bergdorfs San Isidro auftauchten.

11. NOVEMBER 1991

Theo hatte sich im Oktober den rechten Knöchel gebrochen und es dauerte ziemlich lang, bis er geheilt war. Während dieser Zeit ging er an Krücken. Unsere Freundin Barbara behandelte den kranken Fuß, übte mit ihm barfuß ohne Krücken zu gehen. Er öffnete ihr sein Herz und erzählte, dass er oft das Gefühl hätte vertrieben zu werden. “Ja, sagte Barbara, “die Gerufenen und Berufenen haben es immer schwer gehabt”. In der Bhagavad-Gita heißt es: “Viel Mühsal aber haben sie, die sich dem Unsichtbaren weihn”. Das tat ihm gut. Er sagte, “Sie macht mir immer Mut”. Theo ließ, wenn wir am Cancajos Strand waren, das heilende Meerwasser über die Füße rollen. Ich schwamm fast täglich im wildbewegten Meer, wagte mich aber nicht weit hinaus aus Furcht meine Kräfte könnten erlahmen, oder es könnte mich hinaus ziehen, da die Strömung im Atlantik sehr stark ist. Wenn ich ins Meer stieg sage ich immer “Mutter Meer, sei gut zu mir”.

17. NOVEMBER 1999

Ich bin wieder so schlank und wohlgeformt wie ich es sein wollte und fühle mich körperlich um Jahre jünger. Die dicken Tanten aus der Familie sind in weite Ferne gerückt.

5. DEZEMBER 1991

Seit Dienstag Nacht wütet ein furchtbarer Sturm, verbunden mit Blitz und Donner und heftigen Böen, die Wasserschwälle gegen Türen und Fenster werfen. Das Wasser drängte zur Tür herein und wir kamen nicht nach mit Handtücher, die es aufsaugen sollten. Der Wind heulte im Kamin und an immer anderen Ecken. Die gescheckte und die blinde Katze (Maria Stuart und Elizabeth) stritten sich mit langgezogenen Klagen und Drohlauten um einen Platz auf dem Holzstoß unter dem Dach. Barbara rief an: sie habe mein Kosmogramm gezeichnet; ich hätte ziemlich gradgenau den PLUTO auf meiner Sonne. Pluto, der transpersonale Aspekt. Sie meint Menschen, die diese Konstellation hätten, seien inkarnierte Wissende. Ich hätte viele Feuer- und Willenskräfte. Das Saturn Quadrat Sonne, sah sie als karmisches Erbe, das mir die vielen Schmerzen verursachte, durch die ich hindurch müsste. Sie sagt, es sei interessant jemanden wie mich zu kennen, der diese Konstellation hätte. Pluto wäre der zuletzt entdeckte Stern und man wüsste noch verhältnismäßig wenig über seine Auswirkungen auf Menschen.

MONTAG 30. DEZEMBER 1991

Angelika hat mir ein Buch geschickt, das ein Anhänger des indischen Gurus Sai Baba verfaßt hat. Der Autor selber ist Psychotherapeut. Ich hatte schon von Sai Baba gehört, Doris, wie auch Susanne Schöne waren bei ihm gewesen. Meine Gefühle sind sehr widersprüchlich. Er sieht aus wie ein Rock-Musiker oder wie ein Bruder von Gadafi mit krausem wuschigen Haar. Er sagt von sich, er sei die Reinkarnation eines muslimischen Heiligen, der 8 Jahre vor seiner Geburt gestorben sei. Er behauptet von sich, einer der größten Avatare und allwissend zu sein. Er zaubert aus dem Nichts Ketten, Ringe, Medaillons und ein kleines Holzkreuz mit dem Corpus Jesu in Silber und behauptet das Holz stamme vom Kreuz Jesu. Er vollbringt Wunder. Die Inder sagen: er hat Siddhi-Kräfte. Er sagt wunderschöne Dinge, spricht von Liebe und angeblich so sagen seine Anhänger, strahlt er sie auch aus. Ich aber bleibe seltsam kühl und habe eher das Gefühl: dies ist ein Magier. Ich las die Stelle im Neuen Testament, und bei Mt. 23 heißt es: “Wenn jemand zu Euch sagt, Seht hier ist der Messias oder Da ist er! so glaubt es nicht. Denn es wird mancher falsche Messias oder Prophet auftreten, und sie werden große Zeichen und Wunder tun, um wenn möglich, auch die Auserwählten irrezuführen. Denkt daran, ich habe es Euch vorausgesagt”.

Ich las in dem Buch und in dieser Nacht hatte ich einen Albtraum, nämlich, dass eine fremde Macht mich in ein viereckiges Gestänge stellte und man folterte mich zu Tode, indem Männer mit Knüppeln wild auf mich einschlugen. Ich stöhnte unter der Gewalt, die man mir antat und wünschte, ich würde aufwachen und Theo würde mich trösten. Noch ein seltsamer Traum: Mutti war in einer Irrenanstalt. Ich wollte ihr helfen und kritzelte auf ein Zettel unsere Telefonnummer, die ich ihr aber heimlich geben musste. Also steckte ich den Zettel in ein Stück Brot.

Deutungsversuch: Mutti befindet sich in einer Art Anstalt, wo sie was zu lernen hat, weil sie sich geirrt hat. Sie hat das diesseitige Leben zu wichtig genommen. Ich will, dass sie Kontakt zu uns aufnehmen kann, wenn sie Hilfe braucht. Da man sie festhält, muss das heimlich geschehen. Die Nachricht im Brot bedeutet, dass ich über die Eucharistie Verbindung aufnehmen und ihr helfen kann.

Abends wird es kühl bei einem sternklaren Himmel. Theo zündet den Kamin an. Ich habe einen Brief an Michi angefangen, dem es zur Zeit in Singapur nicht so gut geht. Ich glaube es wird ein guter Brief. Ich versuche ihm zu schreiben, wie ich seine Begabungen und Möglichkeiten sehe. Leider wird dieser Brief ihn erst in 3 oder 4 Wochen erreichen, die Inselpost geht erst nach Teneriffe, dort bleibt sie erst einmal liegen.

(700.000 Postsendungen sollen schon vor Weihnachten auf einer Posthalde gelegen haben) und dann so Gott will per Luftpost nach Singapur. Ganz anders das Fax, der Nachbar wählt die Fax-Nummer, steckt meinen handgeschriebenen Brief in sein Gerät und oh Wunder, 20.000 km weiter empfängt mein Sohn diesen Brief in wenigen Minuten.

Die Zeit neigt sich in dem Haus in San Pedro dem Ende zu, alles hat seine Zeit. Möglicherweise können wir ein Ferien-Haus, das einem Tropenarzt aus Bayern gehört, mieten.

Haus in San Pedro

THEO IN UNSER HAUS IN SAN PEDRO

5. JANUAR 1992

Der Levante oder Kalima aus Afrika legt über alles einen gelblichen Sandschleier, überall liegt Staub. Gestern war ich im Meer, was mich immer sehr glücklich macht. Theo sagt, ich “strahlte” jedes Mal wenn ich im Wasser wäre.

7. JANUAR 1992

Bei der Peluqueria Nieve (Schnee) die grazile Friseurin mit dem entzückenden kreolisch-eigensinnigen Gesicht und den herrlichen naturgekringelten Haaren. Wenn sie lacht, geht die Sonne auf, es ist ein so herzliches humorvolles Lachen. Auf der Bühne wäre sie Recha oder die Jüdin von Toledo. Sie ist eine absolute Persönlichkeit. Jede Bewegung sitzt, hat Grazie und Bestimmtheit. Mir gefallen solche Menschen. Sie wird nie eine Berühmtheit werden und wahrscheinlich ein bescheidenes Leben auf der Insel führen, aber sie ist eine kleine Sonne.

9. JANUAR 1992

Die kleine weiße zarte Katze mit dem seidenweichen Fell und dem amarillofarbenen gekringelten Schwanz, ich nannte sie Hermelinchen, liegt überfahren auf der Straße. Die schwarzweiße Katze trauert um sie. Sie lief uns klagend entgegen. Eine Woche später war auch die kleine Aufdringliche, wie ich sie nannte, tot. Sie lag an der Mauer wie hingeworfen, als sei das Genick gebrochen. Die anderen 8 Katzen stimmten einen Klagegesang an. Der Kater Felipe war rat und kopflos, wollte einem Auto nicht ausweichen. Er war viel mit ihr zusammen. Ich war traurig und weinte, sie ist mir trotz ihrer Aufdringlichkeit ans Herz gewachsen. Sie wollte unsere Katze sein, saß stets vor unserer Türe und begleitete uns auf den Spaziergängen. Man wird mit der Vergänglichkeit konfrontiert, der Tod ist immer da.

Theo mit unsere Katzen

10. JANUAR 1992

Bevands sind in das Haus am Berg eingezogen, das wir so gern gekauft hätten. Es hat einen unbeschreiblich mystischen Blick in die Berge. “Un casa preciosa y religiosa” wie Chente aus tiefster Brust sagte. Wir haben ihn mit B.s. bekannt gemacht und er hat einen Auftrag von ihnen erhalten. Wir waren zum Abendessen eingeladen, unser Traumhaus zeigte jetzt seine Schattenseiten. Es ist feucht unter den Holzverschalungen und auch sonst, sodass die Betten nass waren und zum Trocknen an die Luft gehängt werden mussten. Der Boden ist schief, die Haustüre lässt sich schwer öffnen und nüchtern gesehen, ist das Haus ziemlich abgewohnt.

11. JANUAR 1992

Mir träumte Maddalena wäre erschienen und hätte gesagt: “Ich komme wie der Fridolin aus dem Märchen um dir zu sagen, dass du zurückkommen sollst, weil wir dich brauchen”.

Michael rief an, er hätte einen großen Auftrag übernommen, 7 Reiseführer in 7 Monaten zu übersetzen und bekomme dafür 40.000 DM, aber er habe Angst, das nicht zu schaffen. Ja und er sei so alleine, so einsam. Es war nach seiner Zeit 1/2 4 Uhr morgens.

20. Januar 1992

Ich gab Theo gegen seine Schwäche das CA-Mittel Carbo- animalis und mir Tuberculinum LM XXX wegen des Afrika-Staubes in der Luft.

24. JANUAR 1992

Lukas 10. Geburtstag. Ich vermisse ihn.

Wir konnten das Haus des Tropenarztes in San Jose mieten. Ich frug Peer nach einem Schreiner, da ich einen Tisch in dem San José Haus brauche. Als er nachfragte, was für eine Art Tisch, erzählte ich von unserem antiken spanischen Tisch, den wir leider verkauft haben und dass ich gerne einen ähnlichen wieder hätte”. Ob ich ihn aufzeichnen könnte? Leider nicht, aber Sie haben doch so viele Bücher, ist darunter nicht eines über spanische Möbel? Und tatsächlich, er brachte ein Buch über Möbel des alten Spaniens und ich fand meinen alten Tisch wieder.

Peer fuhr mit mir zu seinem Schreiner, der musterte mich mit einem unverhohlenen Blick, weiß Gott was er dachte. Peer sagte, es käme nur ein Mann in der Werkstatt in Frage, der einen solchen Tisch zimmern könnte, der sei aber vom Wort des Chefs abhängig. Wir zeigten das Abbild des Tisches aus Madrid und der Mann meinte, das sei ja viel Handarbeit und käme teuer. Es war nicht heraus zu bekommen, was er unter “teuer” verstand. Der Schreiner sah sich das Bild an und die Arbeit schien ihn zu interessieren. Peer, der 200 Jahre altes Eisenbahnholz aus Amerika hatte, schlug es für den Tisch vor, aber der Schreiner sagte, dies sei zu hart und schlug ein Tropenholz namens Caoba vor. Er zeigte es mir, es war sehr schön. Nun wollen sich der Chef und der Schreiner zusammensetzen und kalkulieren. Peer brachte mich nach Hause und ich hatte plötzlich Kopfschmerzen und fühlte mich wie ein Eisklotz. Ich legte mich mit einer Wärmflasche ins Bett. und nahm Veratrum album, das pflanzliche Arsen.

SAMSTAG 25. JANUAR 1992

HEILEN WAS VERWUNDET IST

Da die Sonne so wunderbar warm schien, fuhren wir kurzentschlossen ans Meer und ich ging ins Wasser”. Ins erquickende Meer”, wie Maddalena sagt Abends wurde es hektisch. Während Theo unser Essen vorbereitete erschien Eva, und kaum war sie da, klingelte das Telefon. Die junge, durch einen schrecklichen Unfall fast taube Tierärztin Johanna war am Apparat. “Mir geht es gut, sagte sie, aber meine Kinder haben fast 40° Fieber”. Ich komme in einer Stunde, versprach ich. Sie verstand mich nicht. “Wie ist der Weg, wie komme ich zu Euch”? (Mir fiel ein, dass Eva, die der Himmel geschickt hatte, den Weg kannte). Inzwischen hatte Johanna die fiebernde Isabel ans Telefon geholt. “Sie weiß den Weg nicht”, weinte das Kind, der Mutter dolmetschend. “Ich komme”, sagte ich nochmals zu Isabel. Ich war nervös wie immer, wenn ich vor einer solchen Aufgabe stehe. Aber dann sprach ich mir Ruhe zu: Was hast du, wie oft hast du schon fieberkranke Kinder, einschließlich deiner Enkel behandelt; es wird bei Isabel Pulsatilla sein (das erbärmliche, mitleiderregende Weinen) und bei der Kleinen vielleicht Belladonna. Und so fuhren wir los, Eva, die ein Baby erwartet, ließen wir im Auto warten, damit sie sich nicht ansteckte.

27. JANUAR 92

Ich verließ mich auf meine Erfahrung von 17 Jahren und gab die angedachten Mittel. Am Sonntag Morgen fuhren wie wieder hin. Alle Drei, Johanna, Isabel und Bianca erwarteten uns vor der Türe. Wir gingen ins Haus und als Bianca sich auf einem Stuhl setzte, sagte Johanna etwas impulsiv: “Nein, Nein”! weil sie Theo diesen Platz geben wollte. Die Kleine erschrak und plötzlich waren beide Kinder verschwunden- ins hinterste Zimmer. Dort kauerte Isabel wie eine Pietà, die kleine Bianca auf dem Schoss und in ihren Armen. “Sie hat Angst” sagte Isabel, der es schon viel besser ging. Bianca ist die Tochter eines drogensüchtigen, palmerischen Vaters, Sohn reicher Eltern. Ich gab Bianca ein passendes Mittel und wir versprachen am Abend wieder zu kommen. Wir gingen essen und fuhren anschließend in den Süden. Ein Gefühl der Glückseligkeit überkam mich. Wir suchten einen Platz zum Halten und liefen einen Weg der abwärts führte. Unten leuchtete blau das Meer. Abends besuchten wir die Heilige Messe in Conception und nochmals Besuch bei den Kranken. Nun ging es der Kleinen besser, jedoch Johanna fing an zu fiebern.

Haus in San Jose

MITTWOCH 29. JANUAR 1992

DIE KRANKHEIT ABWEISEN

Ich kämpfte bereits am nächsten Morgen mit einer Infektion. Ich war wohl zu erschöpft gewesen. Ich beschloss ganz bewusst, die Krankheit abzuweisen. Die Gefährtin von Sri Aurobindo, man nennt sie “die Mutter”, schrieb in ihrer Agenda: Krankheiten treten durch den subtilen Körper ein, der auch Ätherleib genannt wird. Er umgibt den physischen Körper und schützt ihn vor Ansteckung, Ermüdung, Überanstrengung und sogar vor Unfällen. Voraussetzung ist, dass diese Hülle ganz heil ist. Im anderen Fall kann durch einen Schock oder eine allzu starke Gefühlswallung diese Hülle verletzt werden und dann kann die Krankheit eindringen. Spürt man den Augenblick, die Disharmonie im Ganzen, und ist man auf der Hut, so soll man NEIN sagen und die Krankheit abweisen. Allerdings, sagt die Mutter, muss das sogleich geschehen, man muss es unverzüglich tun. Tatsächlich war ich am Ende des Tages wieder gesund.

DIENSTAG 4. FEBRUAR 1992 SAN JOSE

Im San José Haus, die erste Nacht. wir liegen in einem herrlich breiten Bett und blicken über uns auf die palmerische weiße Holzkuppeldecke. Wir erwachten bei strahlender Sonne und sahen, wie sich draußen die Palmen sanft im Wind bogen. Kurz vor dem Umzug kam Marion vorbei und sagte zwischen Tür und Angel, sie und ihr Sohn hätten auf dem Weg zum Flugplatz beschlossen, mir zum Einzug ins neue Haus den Tisch zu schenken, der bei Peers Schreiner angefertigt werden soll. Beim Umzug selber, halfen mehrere Freunde tatkräftig mit. Marion stellte den Finca-Lieferwagen und Ernesto als Fahrer und Helfer zur Verfügung. Chente kam am Abend und brachte in der ernannten Kleiderkammer Haken an der Decke an, befestigte an zwei herabhängenden Ketten zwei Stangen, und damit war das Schrankproblem gelöst.

MONTAG 10. FEBRUAR 1992

Mir träumte: Ich bekam das überraschende Angebot für eine Schauspielerin die ausgefallen war, in der Züricher Oper die UNDINE zu übernehmen. Ich sollt sofort nach Zürich fliegen, aber gleichzeitig lag meine Mutter im Sterben. Ich war nun im Konflikt was ich tun sollte und ging zu meiner Mutter um sie zu fragen, ob ich wohl diesen einen Abend die Undine, auf die ich mich so freute, spielen könnte; ob sie durchhalten könnte bis ich wieder bei ihr wäre. Jedoch, sie reagierte nicht auf meine Frage oder es war ihr nicht möglich meinem Wunsch zu entsprechen. Sie saß ganz hellwach im Bett und schrieb mit einer Schreibmaschine kleine Revers auf denen stand, dass sie Dem oder Jenem nichts schulde. Auch mein und Theos Namen waren darunter. Ich verzichtete schließlich auf den heißersehnten Auftritt als Undine, die große Chance in der Welt berühmt zu werden und blieb bei meiner Mutter.

Ich erwachte und war traurig und hatte gleichzeitig Schuldgefühle meiner Mutter gegenüber. Unser Weggehen ans Meer, wo ich meine Undinen-Natur ausleben konnte? Aber im Traum war ich ja bei ihr geblieben? Der Traum will immer etwas nicht Gewusstes ins Bewusstsein bringen. Hieß das, ich hätte bei ihr bleiben sollen? Aber als wir unser großes Haus in der Harthauser Straße aufgeben musste, ergab sich nichts Anderes, so sehr wir auch gesucht haben. Es könnte aber auch der Konflikt in mir sein, dass die Mutter in mir stirbt, wenn ich dem Ruhm nachjage und meine Aufgabe so scheint mir, ist es, eine Mutter für meine Kinder und die Kranken zu sein.

19. FEBRUAR 1992

Vollmond, Noche de Luna. Carmen hat recht, der Vollmond leitet immer eine neue Wetterperiode ein. Es windet, stürmt und regnet. die Blumen und Pflanzen freuen sich über das Nass. Der Mond wirft einen silbrigen Schein auf das Meer. Theo ist schmal und zerbrechlich geworden, aber ich kann noch immer meine Hand in die Seine legen, die kräftig und warm ist. Manchmal stützt er sich schwer auf mich. ich liebe ihn gerade in seiner Zerbrechlichkeit. Evas Mutter Rosemarie war hier und hat über ihren tiefen Kummer gesprochen. Was es für dunkle Familiengeschichten gibt!- Eva ist zum 2.mal schwanger. Das erste Mal verlor sie ihr Kind im fünften Monat. Das Schlimme hier in La Palma war, man ließ sie 3 Wochen mit dem toten Kind im Leib liegen, bis man es endlich durch Kaiserschnitt herausholte. Sie träumte jetzt: Sie und Chente haben ein fingerlanges kleines Mädchen. Man muss immer achtgeben, dass man es nicht zertritt. Da ist noch ein anderes Mädchen, das trampelt das kleine Mädchen in den Boden. Eva gräbt mit beiden Händen, bis sie ihr kleines Mädchen (Däumelinchen) wieder hat. Es ist tot. Eva haucht es dreimal mit großer Intensität an. Nach dem 3. Mal erwacht es wieder zum Leben. Die Leute sagen, du musst dem Kind dies und das geben. Eva entgegnet: “es muss erst wachsen, ich weiß schon was ich ihm gebe”. Ich begleitete Eva durch ihre Schwangerschaft und sie gebar wirklich ein Mädchen, Yolanda, genannt Yolli, deren Madrina ich wurde. Wie die Träume uns doch Botschaften bringen. Zu Rosemarie, Evas Mutter. Als wir uns in La Palma kennen lernten und uns gegenseitig unsere Geschichten erzählten, stellten wir fest, dass wir einen gemeinsamen Freund hatten, nämlich Eberhard Fechner, der als Regisseur am Mailänder Piccolo Teatro arbeitete, bei Rosemarie, die gerne Künstler verköstigte, aus und ein ging und der nach seiner Mailander Zeit zu uns ans Konstanzer Theater kam. So klein ist die Welt. Wir liebten Rosemarie vom ersten Moment an und sind bis heute miteinander verbunden.

Haus in San Jose

22. FEBRUAR 1992