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Beschreibung

Produzieren wir statt Ökoenergie die nachhaltigste Naturzerstörung?

Über die Schattenseiten der Energiewende zu sprechen gilt als politisch nicht korrekt. Aber soll man deshalb darüber schweigen? Tatsache ist: Die übereilt und planlos in Szene gesetzte Energiewende hat einen ungeheuren Wildwuchs an Windrädern und Solaranlagen hervorgebracht und droht sich zu dem bisher rasantesten Flächenverbrauch aller Zeiten in unserem Land zu entwickeln. Die letzten unzerstörten Landschaften und Naturreservate werden dafür geopfert.

Dabei ist der CO2-Ausstoß hierzulande bislang, wenn überhaupt, nur unwesentlich gesunken. Ein unstillbarer Energiehunger setzt auf unbegrenzte Expansion – allein für unseren Stand-by-Verbrauch laufen im Jahr über 13 000 Windräder.

Der Anstoß zu einer notwendigen Debatte. Mit Beiträgen von namhaften Wissenschaftlern, Energieexperten und Umweltschützern, u.a. Niko Paech und Enoch zu Guttenberg.

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Über die Schattenseiten der Energiewende zu sprechen gilt als politisch nicht korrekt. Aber soll man deshalb darüber schweigen? Tatsache ist: Die übereilt und planlos in Szene gesetzte Energiewende hat einen ungeheuren Wildwuchs an Windrädern und Solaranlagen hervorgebracht und droht sich zu dem bisher rasantesten Flächenverbrauch aller Zeiten in unserem Land zu entwickeln. Die letzten unzerstörten Landschaften und Naturreservate werden dafür geopfert.

Dabei ist der CO2-Ausstoß hierzulande bislang, wenn überhaupt, nur unwesentlich gesunken. Ein unstillbarer Energiehunger setzt auf unbegrenzte Expansion – allein für unseren Stand-by-Verbrauch laufen im Jahr über 13 000 Windräder.

Der Anstoß zu einer notwendigen Debatte. Mit Beiträgen von namhaften Wissenschaftlern, Energieexperten und Umweltschützern, u. a. Niko Paech und Enoch zu Guttenberg.

Georg Etscheit (Hrsg.)

GEOPFERTE LANDSCHAFTEN

WIE DIE ENERGIEWENDE

UNSERE UMWELT ZERSTÖRT

Mit Fotos von Jörg Rehmann

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Originalausgabe 11/2016

Copyright © 2016 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Melanie Cabello Alfaro, Kerstin Lücker

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, unter Verwendung eines Fotos von Jörg Rehmann

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN: 978-3-641-20156-2V003

www.heyne.de

Inhalt

VORWORT VON GEORG ETSCHEIT

GEORG ETSCHEIT   Gut gegen gut

Die »Energiewende« als Zerreißprobe für die etablierten Umweltverbände

ENOCH ZU GUTTENBERG   Stählerne Monster

Eine Horrorvision wird Realität – und frühere Mitstreiter werden zu erbitterten Gegnern

DIRK DUBBERS   Gibt es überhaupt eine Energiewende?

Ein Plädoyer für eine ehrliche Bestandsaufnahme der »Energiewende« und der noch vor uns liegenden Herausforderungen

NIKOLAI ZIEGLER   Lastesel, Faultiere und Junk Science

Die ökonomischen und technischen Mythen der »Energiewende«

JOHANNES BRADTKA   Gefälligkeitsgutachten, gefällige Behörden, willfährige Umweltverbände

Ein Bericht aus der Praxis eines Naturschützers in »Energiewende«-Deutschland

ERICH GASSNER   Prekär geschützt

Wie effektiv ist der rechtliche Schutz unserer Kulturlandschaften?

WERNER NOHL   Windkraftwerke sind keine Windmühlen

Warum moderne »Energie-Landschaften« nicht schön sind

JOHANNES MÜLLER-FRANKEN   Trauerarbeit eines Malers

Wie aus Natur »Landschaft« wurde – und wie sie uns im Zeitalter der »Energiewende« gerade wieder abhandenkommt

GEORG ETSCHEIT   Idylle pur

Können Windkraftwerke Touristen vergraulen?

GEORG ETSCHEIT   »Energiewende« schöngefärbt

Wie uns Energielandschaften schmackhaft gemacht werden sollen

GEORG ETSCHEIT, GERHARD ARTINGER, BERND TÖPPERWIEN   Nichts als ein Hirngespinst?

Die unterschätzten Gefahren der Schallemissionen von Windkraftanlagen

MARTIN FLADE   Das große Sterben

Die »Energiewende« – ein Desaster für den Vogelschutz

KARSTEN BRENSING   Tödliches Hämmern

Die Gefahren der Windkraft zur See für die Meeresfauna

NIKO PAECH   Mythos »Energiewende«

Der geplatzte Traum vom rückstandslosen, grünen Wachstum

GERHARD GRONAUER   Religion und Rotorentürme

Ist die »Energiewende« eine Glaubenssache?

GOTTFRIED KNAPP   Diktat der glitzernden Rechtecke

Eine originäre Solararchitektur liegt noch in weiter Ferne

HARRY NEUMANN   Mut zur Natur

Warum wir unsere Landschaften nicht opfern dürfen

JÖRG REHMANN   Heimat – vom Windwahn verweht

Die »Energiewende« im Hunsrück: Eine Analogie zur rheinischen Auswanderungswelle im 19. Jahrhundert

SABRI METE   Cevlek

Ein türkischer Einwanderer über seine Liebe zum deutschen Wald und die Invasion der Windräder

GEORG ETSCHEIT   Schlussbetrachtung

Ende einer Illusion

HUBERT WEINZIERL   Die Grenzen der Kompromisse

Anhang

Literaturverzeichnisse der Beiträge

Glossar

Abkürzungsverzeichnis

Die Autoren

Bildteil

»Eine brutalere Zerstörung der Landschaft, als sie mit Windkrafträdern zu spicken und zu verriegeln, hat zuvor keine Phase der Industrialisierung verursacht. Es ist die Auslöschung aller Dichter-Blicke der deutschen Literatur von Hölderlin bis Bobrowski.

Eine schonungslosere Ausbeute der Natur läßt sich kaum denken, sie vernichtet nicht nur Lebens-, sondern auch tiefreichende Erinnerungsräume. Dem geht allerdings voraus, dass für die kulturelle Landschaft allgemein kaum noch ein Empfinden lebendig ist. So verbindet sich das sinnliche Barbarentum der Energieökologen dem des Massentourismus.«

aus Botho Strauß: Der Untenstehende auf Zehenspitzen, © 2004 Carl Hanser Verlag München

»Noch spärlicher an der Zahl als stille Leser sind diejenigen, die sich vor Schmerz krümmen, wenn sie sehen, wie mitten im Frieden Landschaft verheert wird, so gemein und hochmütig, so um sich greifend und im Unmaß aufragend, Horizonte sperrend, rücksichtsloser als Feuersbrunst, Rodung, Industrialisierung zusammen … Zum Glück zeigt sich die Unterwelt aufgeschlossen gegenüber neuen Sorten ewiger Büßer und stellt frische Marterqualen bereit: jene nämlich, die mit Windkraft moralische und unmoralische Geschäfte machten, Schänder der Landschaftsseele, sieht man jeden einzeln auf ein Rotorblatt gefesselt und bis auf den Jüngsten Tag im Höllensturm sich drehen.«

aus Botho Strauß: Lichter des Toren, © 2013 Diederichs Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Vorwort

In den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts beklagte der bayerische Fernsehjournalist Dieter Wieland in so einfühlsamen wie sprachmächtigen Dokumentationen den Niedergang der ländlichen Baukultur und gewachsenen Kulturlandschaften im Wirtschaftswunderland Deutschland. Er wirkte auch an der Gestaltung der Wanderausstellung »Grün kaputt« und einem gleichnamigen Begleitbuch mit. Der Titel ist längst sprichwörtlich geworden. Doch den Siegeszug der globalisierten Baumarktästhetik, der Fertighäuser aus dem Katalog, der Beton- und Asphaltorgien in Stadt und Land vermochte Wieland nicht aufzuhalten.

Im Gegenteil: Immer schneller schreitet das Zerstörungswerk voran. Als Folge der sogenannten Energiewende lösen sich die letzten offenen Landschaften im Gewimmel Tausender Windkraftwerke, flächenfressender Fotovoltaikparks, monotoner Maisfelder zur Biogaserzeugung und Hunderter von Kilometern neuer Hochspannungsleitungen auf. Aus vielfältigen Landschafts- und Erinnerungsräumen werden apokalyptisch anmutende Industriezonen, schönfärberisch Energielandschaften genannt. Es ist ein anderes, ein unwirtliches Deutschland, das hier vor aller Augen entsteht, ohne Anmut und Poesie, ein Reich der Technokraten, Profiteure und selbst ernannten Klimaretter.

Als im Herbst 2015 die Flüchtlingskrise in Deutschland und Europa ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, wurde viel darüber diskutiert, was typisch deutsch sei. Was konstituiert dieses Land in der Mitte Europas, das so spät zur Nation wurde und dann in zwei infernalischen Kriegen diesen Gedanken höchst selbst ad absurdum führte? Was ist deutsch jenseits gängiger Definitionen von Staatsgebiet, Staatsvolk, Landessprache und gemeinsamer Geschichte, jenseits schwammiger »Nationaltugenden« oder »-untugenden« und modischer Selbstbeweihräucherung als Umweltchampion, Exportweltmeister und moralische Supermacht?

So gut wie nie wurde und wird in dieser Debatte von Kulturlandschaften gesprochen. Dabei sind sie es doch, die dieses Land einmalig, unwiederholbar machen. In der Sprache der Werbeleute sind sie klassische Alleinstellungsmerkmale: Landstriche wie das bayerische Voralpenland, jene sanft hügelige und am Alpenrand schroff ansteigende Moränenlandschaft mit ihren in aller Welt berühmten und von Millionen Touristen bewunderten Seen und Schlössern. Oder der Schwarzwald, die Inkarnation des Mythos vom romantischen deutschen Wald. Da sind die Fränkische Schweiz und die Schwäbische Alb mit ihren kargen Hochebenen und mit pittoresken Burgen gekrönten Felsformationen, die reich strukturierten Weinländer der Pfalz, der Mosel, der Nahe, Mainfrankens und des Rheingaus, den schon Goethe als arkadischen Garten pries. Der spektakuläre Durchbruch des Mittelrheins durch das Rheinische Schiefergebirge, heute Weltnaturerbe, ist nichts weniger als eine der Geburtsstätten des modernen Tourismus. Da sind auch die Sächsische Schweiz mit ihren Tafelbergen, der wilde Harz, die märchenumwobenen oberhessischen und ostbayerischen Waldgebirge, der liebliche Odenwald mit seinen Laubwäldern und Streuobstwiesen, die Vulkaneifel mit ihren bizarren, an die französische Auvergne erinnernden Lavakuppen. Und die ruhigen, aber niemals monotonen nord- und ostdeutschen Niederungen mit ihren Seenplatten, Moorresten, Alleen und dem Meer abgetrotzten Polderlandschaften.

Vieles davon hat in seinem gewohnten Erscheinungsbild bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts überdauert. Doch jetzt droht die »Energiewende«, die letzten Refugien auch noch zu tilgen. Wer hätte noch vor ein paar Jahren für möglich gehalten, dass so gut wie überall im Land, auch an den schönsten und entlegensten Orten, einmal gigantische weiße Masten gleich dutzendweise in den Himmel wachsen würden, jeder für sich hoch wie ein Fernsehturm, mit riesigen Rotoren obenauf, großindustrielle Anlagen, die jeden alten Dorfkirchturm zum Faller-Häuschen degradieren. Die Folgen sind beängstigend. Mit dem weiteren ungezügelten und ungesteuerten Ausbau insbesondere der Windkraft droht diesem Land ein beispielloser Verlust an Schönheit, Kultur und Tradition. 100 Prozent erneuerbar bedeutet in jedem Fall: 100 Prozent Landschaftsverlust.

Zu den Kulturlandschaften gehören immer auch alle jene Wesen, die sie bewohnen. Menschen, Tiere, Pflanzen. Auch sie leiden ganz direkt unter den Folgen des »Ökostrom«-Booms. Die neuen, dezentralen Kraftwerke rauben Menschen den Schlaf und die Gesundheit und entwerten deren Immobilien, dezimieren die Populationen von Vögeln und Fledermäusen, lassen Wälder zu Industriezonen werden und verunstalten die Ortsbilder. Der Ertrag dieser aberwitzigen Materialschlacht ist, gelinde gesagt, überschaubar. Die Anlagen fressen riesige Flächen, sind aber wenig effizient. Kein Wunder, dass der Beitrag der Energiewende zur weltweiten Bekämpfung der Erderwärmung bislang kaum messbar ist. Das Opfer, das wir bringen, um – vielleicht  – das Klima zu retten, ist umsonst.

Natürlich haben sich Kulturlandschaften schon immer gewandelt. Sie sind ja keine wilde Natur mehr, sondern Produkt menschlichen Schaffens, über Jahrhunderte gewachsen. Doch was derzeit mit diesen Landschaften geschieht, ist weit entfernt von einer normalen, gewissermaßen organischen Entwicklung. Es ist ein Vernichtungsfeldzug, eine Auslöschung deutscher und damit auch europäischer Identität. Vorangetrieben wird dieses martialische Werk von grünen Weltverbesserern und Weltenrettern mit einer Inbrunst, die religiöse Züge trägt. Hand in Hand mit einer milliardenschweren Industriebranche, die sich grün und gut und ökologisch nennt, aber längst ähnlich fragwürdige Praktiken an den Tag legt wie die schon zu Pleitekandidaten geschrumpften Energiekonzerne.

Dieses Buch soll und will am Mythos der Energiewende als angeblich alternativlosem Schlüsselprojekt pseudogrüner Menschheitsbeglückung rütteln und vertraut dabei auf den Sachverstand kompetenter, zum Teil über die jeweiligen Fachzirkel hinaus bekannten Autoren, die zum großen Teil ohne Honorar gearbeitet haben. Es will denjenigen Gehör verschaffen und Argumente liefern, die nicht in den politischen und medialen Jubelchor der Energiewende-Apostel einstimmen wollen. Die an der Alternativlosigkeit und der Realisierbarkeit dieses angeblichen Jahrhundertprojektes zweifeln. Es will nicht Abgesang sein, sondern aufrütteln. Noch ist nicht alles verloren, noch gibt es das kulturelle Gedächtnis der Landschaftsräume, die Deutschland prägen und die vor dem Ausverkauf durch die Grünstromlobby bewahrt werden können.

Enoch zu Guttenberg, Dirigent und Naturschützer der ersten Stunde, nimmt kein Blatt vor den Mund und schildert seine ganz persönliche Wandlung zur Galionsfigur der deutschen Anti-Windkraft-Bewegung, der renommierte Landschaftsplaner Werner Nohl geht der Frage nach, was eine schöne Landschaft eigentlich ist und warum Windräder dort nicht hineinpassen. Der Biologe und Ornithologe Martin Flade, der in der Fachwelt bereits mit seinem preisgekrönten Aufsatz »Von der Energiewende zum Biodiversitätsdesaster« Aufsehen erregte, wird neben dem Meeresforscher Karsten Brensing den Auswirkungen der »Energiewende« auf die Artenvielfalt zu Lande und zur See nachgehen. Nikolai Ziegler, Vorsitzender des energiewendekritischen Bündnisses VERNUNFTKRAFT., seziert die »Mythen« der Energiewende, während der Ökonom Niko Paech dieses »Jahrhundertprojekt« durch die Brille ökonomischer Wachstumskritik betrachtet. Mit Harry Neumann und Johannes Bradtka kommen auch zwei Protagonisten einer neuen deutschen Umweltbewegung zu Wort. Der Herausgeber selbst widmet sich den von der Energiewende ausgelösten politischen Umwälzungen innerhalb der Ökoszene und wirft ganz am Ende einen Blick in die Zukunft: Woher soll der Strom denn kommen, wenn man keine Windräder will? So lautet die Standardfrage, mit der sich Kritiker der Energiewende konfrontiert sehen, wenn sie es wagen, dem Heilsplan der Grünstrom-Adepten zu widersprechen. Die Apologeten der sogenannten Öko-Energien nutzen diese Frage im Sinne eines Totschlagarguments, das die Kritiker verstummen lassen soll. Trotzdem soll hier versucht werden, Antworten zu finden.

In diesem Buch wird keine Debatte über den Klimawandel geführt. Dass sich die Erde derzeit erwärmt und der Mensch dafür mitverantwortlich ist, wird nicht bestritten. Ebenso wenig die Notwendigkeit, unseren verschwenderischen Umgang mit natürlichen Ressourcen, darunter solche, die zur Energiegewinnung genutzt werden, grundsätzlich zu überdenken und nach sauberen und wirklich ökologischen Alternativen zu suchen. Allerdings muss es in einer offenen Gesellschaft erlaubt sein, ohne Scheuklappen oder die »Schere im Kopf« über Sinn und Zweck, über Risiken und Nebenwirkungen der sogenannten Energiewende als gesamtgesellschaftliches Jahrhundertprojekt zu diskutieren. Und ohne dass Zweifler und Kritiker als neuzeitliche Ketzer, verkappte Büttel der »Atomkonzerne« oder rechtsgewirkte Populisten gebrandmarkt werden.

Der Titel »Geopferte Landschaften« ist inspiriert durch ein Buch mit dem Titel »Gerettete Landschaften«, das der Bund Naturschutz in Bayern, eine der ältesten und traditionsreichsten Naturschutzorganisationen Deutschlands, zu seinem 100-jährigen Bestehen im Jahre 2013 herausbrachte. Eine eindrucksvolle Bilanz. Doch mittlerweile sind die traditionellen Umweltverbände dabei, ihr eigenes Rettungswerk mit Füßen zu treten. Der Natur- und Landschaftsschutz, der heute vielfach nur noch eine Fußnote des Klimaschutzes ist, muss ganz neu gedacht werden. Auch dazu will dieses Buch beitragen.

GEORG ETSCHEIT

GEORG ETSCHEIT

Gut gegen gut

Die »Energiewende« als Zerreißprobe für die etablierten Umweltverbände

Der Verlust war dramatisch. Bei der jüngsten Landtagswahl in Rheinland-Pfalz stürzten die Grünen von 15,4 auf 5,3 Prozent ab und wären fast aus dem Landtag geflogen. Dabei spielte nicht nur eine Rolle, dass diesmal der sogenannte Fukushima-Effekt wegfiel, der Boom der Grünen nach der Atomkatastrophe in Japan im März 2011. Die »Ökopartei« verlor vor allem in jenen Landkreisen überproportional, in denen der Ausbau der Windkraft besonders schnell und rücksichtslos vorangetrieben wurde. »Bürger wählen gegen Windkraft und gegen Asyl«, titelte die Koblenzer Rheinzeitung. Viele Wähler wanderten offenbar zur dezidiert klimaskeptischen AfD ab oder zur FDP, die im Wahlkampf ein Moratorium für neue Windkraftwerke gefordert hatte.

Wirklich geschadet hat es den Grünen jedoch nicht, dass sie in den vergangenen fünf Jahren Rheinland-Pfalz mit Windkraftwerken zupflasterten und vielerorts in dem Bundesland verbrannte Erde hinterließen. Sie dürfen weiterhin zwei Minister in Malu Dreyers neuer Landesregierung stellen. In den Verhandlungen zur ersten rot-gelb-grünen »Ampelkoalition« ließen sich die rheinland-pfälzischen Freidemokraten, die aus dem außerparlamentarischen Nirwana direkt den Sprung in die Regierung schafften, in Sachen Windkraft auf einen lauen Kompromiss ein – mit leicht vergrößerten Mindestabständen zwischen Windkraftwerken und menschlichen Siedlungen. Ähnlich erging es der zumindest in Teilen windkraftkritischen CDU in Baden-Württemberg, die als Juniorpartner eines grün-schwarzen Bündnisses gegenüber dem erklärten Windkraft-Fan Winfried Kretschmann keine Chance hatte.

Von außen betrachtet, strotzt die Umweltbewegung vor Kraft. In vielen Bundesländern sitzen Vertreter der Grünen an den Schaltstellen der Macht, Umweltorganisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sind zu mächtigen Pressuregroups herangewachsen und haben ihr Personal in Schlüsselstellungen von Politik und Gesellschaft platziert. Stimmen wie die von BUND-Chef Hubert Weiger, NABU-Präsident Olaf Tschimpke, von Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake im Hause Gabriel (einst Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe) oder Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth im Hause Hendricks (einst NABU-Chef und Präsident des Umweltbundesamtes) haben Gewicht in der Politik. In den Medien sind Ökothemen omnipräsent.

Doch an der Basis rumort es. Die Umweltverbände stehen vor einer Zerreißprobe, seit immer klarer zutage tritt, dass sich die sogenannte Energiewende, das deutsche Jahrhundertwerk zur Rettung der Welt und Vorzeigeprojekt nationaler Klimaschutzpolitik, zum ökologischen und kulturellen Desaster entwickelt. Bei den Grünen macht sich ihr Brachialkurs in Sachen Windkraft-Ausbau erstmals in sinkenden Zustimmungsraten bemerkbar, zumindest regional.

Mit der Atomkatastrophe von Fukushima und dem von Bundeskanzlerin Angela Merkel handstreichartig verkündeten, jetzt offenbar endgültigen Atomausstieg wurde es ernst mit dem Umstieg auf die »Erneuerbaren«. Überall im Land ragen Windräder in die Höhe, werden neue gebaut, bedecken Solarfelder frühere Wiesen und Äcker, wölben sich die grünen Kuppeln der Biomassereaktoren, dehnen sich statt grüner Weiden endlose Mais- und Rapsfelder. Bald werden sich Hunderte Kilometer neuer Hochspannungstrassen durch die Republik ziehen. Nur ein Bruchteil von ihnen wird gnädigerweise unter der Erde verschwinden.

Die Folgen dieses neuen, massiven Industrialisierungsschubes sind dramatisch. Die letzten alten Kulturlandschaften oder das, was zu Beginn des 21. Jahrhunderts von ihnen übrig geblieben war, verwandeln sich in Windeseile in monotone, industriell überformte »Energielandschaften«. Jeder Hektar freie Landschaft wird Zwecken der Energiegewinnung, -speicherung und -verteilung unterworfen. Und noch steht die Energiewende erst am Anfang.

Der Landschaftsschutz, die einstige Königsdisziplin des Umweltschutzes, ist auf der Rangordnung umweltpolitischer Prioritäten offensichtlich ganz nach unten gerutscht oder völlig von der Agenda verschwunden. Fast bedenkenlos werden heute ganze Landstriche zugepflastert mit Windkraftwerken und anderen großtechnischen Artefakten der Energiewende. Oft genug mit dem Segen der etablierten Umweltverbände, die sich ganz und gar dem Klimaschutz verschrieben haben. Und mit dem Segen einer Partei, die sich noch »grün« nennt, ohne rot zu werden. »Ohne Klimaschutz ist alles nichts«, skandieren die Totengräber deutscher Landschaft, deutscher Identität. Und verraten dabei mehr und mehr ihre ureigenen Interessen.

Ist das die »schöne, neue Welt«, die ein Funktionär des Bundes Naturschutz in Bayern (BN) aus dem mainfränkischen Kitzingen auf der Homepage seines Verbandes beschwört? »Um jedes Dorf, jede kleine Stadt herum ragen Windkraftanlagen in den Himmel, auf fast allen Dächern der wohlgedämmten Häuser und auf manchen ökologisch oder landwirtschaftlich nicht so wertvollen Flächen blinken Fotovoltaikanlagen in die Sonne. (…). Die Touristen kommen (…) und sind begeistert über die (…) neue mainfränkische Kulturlandschaft« (Engelhardt). Doch die »neuen Kulturlandschaften«, sie sind nichts weiter als Industrielandschaften. Ganz Deutschland wird zum einzigen, riesigen Gewerbegebiet.

Ausgerechnet zum 40-jährigen Bestehen des BUND als nationaler Organisation im Jahr 2015 hat der Ökoverband nun Konkurrenz bekommen. In Bayern wurde eine neue Naturschutzvereinigung vom dortigen Landesamt für Umwelt offiziell anerkannt: der Verein für Landschaftspflege & Artenschutz in Bayern (VLAB). Die junge Organisation mit dem etwas sperrigen Namen und einem Feuersalamander als Logo will zurück zu den Ursprüngen des Naturschutzes.

Die Gründung des VLAB war aber nur der erste Streich. Im Kampf um freie Horizonte hat sich mit der »Naturschutzinitiative« auch in Rheinland-Pfalz eine neue Umweltorganisation etabliert, die sich wieder auf die Wurzeln des »klassischen Naturschutzes« besinnen will. Mitgründer und Vorsitzender ist Harry Neumann, der bis Dezember 2014 selbst BUND-Landeschef in Rheinland-Pfalz war und im Streit um die von der rot-grünen Landesregierung forcierte Windkraft seinen Hut genommen hatte. Er konstatiert, beim BUND habe mittlerweile allzu oft die Windlobby das Sagen; der Natur- und Landschaftsschutz bleibe zunehmend auf der Strecke. »Eine Abwägung zwischen Natur- und Klimaschutz wird es in der Naturschutzinitiative nicht geben«, bekräftigt Neumanns Mitstreiterin Sylke Müller-Althauser. »Wir unterstützen keinen Weg, bei dem Biosphäre zerstört wird, um vermeintlich die Atmosphäre zu schützen« (Pressemitteilung der Naturschutzinitiative am 14.01.2016).

Neumanns Naturschutzinitiative geht auch in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg auf Mitgliedersuche, während der bayerische VLAB mit Tochterorganisationen unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern nord- und ostwärts strebt. In Mecklenburg-Vorpommern, einem der Bundesländer mit der höchsten Dichte an Windkraftwerken, haben sich die Windkraftkritiker sogar in einer politischen Partei organisiert. Erstmals trat die Partei mit dem programmatischen Namen »Freier Horizont« im Herbst bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern an. Sie machen »Politik aus Notwehr« und wenden sich gegen eine »Energiewende, die völlig aus dem Ruder gelaufen« sei (Sander 2016). Auch eine bundesweit anerkannte Alternative zu BUND und NABU dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Die Neugründungen sind das bislang deutlichste Symptom einer Krise der deutschen Umweltbewegung. Zumindest Teile der eigenen Klientel gehen den Verbänden von der Fahne, darunter die Reste der alten, aus einer romantisch grundierten Heimatliebe und einer fast mythischen Naturverehrung hervorgegangenen Ökobewegung. Sie müssen mit ansehen, wie ein »zur Großtechnologie ausgearteter Umweltschutz« – so der Publizist Roland Tichy – vieles von dem wieder zunichtemacht, was in zähen Kämpfen in Zeiten der ungebremsten Wachstumspolitik der 70er- bis 90er-Jahre errungen und gerettet wurde.

Es ist ein Kampf zwischen städtisch sozialisierten, global denkenden Klimaschützern und regional verwurzelten Arten- und Landschaftsschützern, der Kampf zwischen Technokraten und Ästheten, zwischen viel beschäftigten Öko-Funktionären, die kaum mehr an die frische Luft kommen, und Menschen, für die die Schönheit von Natur und Landschaft noch ein Lebenselixier ist. Er wird mit harten Bandagen ausgefochten. Während der Dirigent und Traditions-Naturschützer Enoch zu Guttenberg in seinen flammenden Philippiken die Landschaftsverluste im Zeichen der Energiewende mit der Bilderstürmerei der IS-Terroristen vergleicht, sieht der rheinland-pfälzische Grünen-Politiker und frühere BUND-Chef des Landes, Bernhard Braun, in Windkraftkritikern nichts als Extremisten und Atomlobbyisten (Wientjes 2015). Wer sich heute gegen Windkraft engagiert, landet schnell in der rechten Ecke, wird als unbelehrbarer »Wutbürger« diffamiert, der nur die eigenen Interessen verfolge und kein Interesse am Gemeinwohl habe.

Dass eine alternative Umweltvereinigung erstmals in Bayern auf den Plan trat, ist kein Zufall. Der Natur- und Heimatschutzgedanke hat hier eine besonders lange Tradition und ist tief in der Bevölkerung verwurzelt. Galionsfiguren des VLAB sind dessen Ehrenpräsidenten zu Guttenberg und Hubert Weinzierl, der langjährige Chef des Bundes Naturschutz in Bayern (BN) und spätere Präsident des Deutschen Naturschutzringes (DNR). Beide gründeten einst zusammen mit anderen Persönlichkeiten wie dem Journalisten Horst Stern und dem Zoologen Bernhard Grzimek den BUND auf Bundesebene. Guttenberg trat 2012 unter großem Medienecho aus und zieht seither gegen den von ihm in emotionalen Reden beklagten Windwahn im Land zu Felde. Der Graben ist mittlerweile unüberbrückbar geworden. Im Dezember 2015 verklagte der BUND zu Guttenberg, weil dieser in einer bundesweit übertragenen TV-Sendung eine massive Verquickung von BUND-Angehörigen mit der Windindustrie vorgeworfen hatte. Doch zu einer Verhandlung kam es nicht, weil der BUND seine Klage kurzfristig zurückzog. Ein unerwarteter Sieg für zu Guttenberg und seine Mitstreiter, eine Blamage für die einflussreiche Umweltorganisation.

Weinzierl wiederum hatte schon 2002 nach internen Querelen – die Energiewende spielte damals noch keine Rolle – als langjähriger BN-Chef seinen Hut genommen. Dem schöngeistigen Ökopionier folgte der robuste Ökofunktionär Weiger, der BN und BUND noch stärker in der aktuellen politischen Debatte verankerte und auf Kampagnenfähigkeit trimmte. Das Verhältnis Weinzierls zu seinem Nachfolger ist zerrüttet. Dass sich Weinzierl dem VLAB zur Verfügung stellte, wurde ihm von etlichen seiner einstigen Mitstreiter zutiefst verübelt, ja beinahe als Verrat gewertet. Manche vermuten zu Unrecht, Weinzierl habe späte Rache an seinem Nachfolger üben wollen. Dagegen begründet er sein Engagement in der auf den Seiten des Umwelt-Watchblogs des VLAB veröffentlichten Erklärung mit einer Gewissensentscheidung. »Ich bin ein leidenschaftlicher Vertreter der Energiewende, aber nicht um jeden Preis«, schrieb er in einer Botschaft an die alten Weggefährten. »Es darf nicht sein, dass wir Herzstücke unserer Heimat preisgeben, die wir zuvor jahrzehntelang verteidigt haben« (2015). Der volle Wortlaut ist am Schluss dieses Buches nachzulesen.

Der VLAB hat nach eigenen Angaben etwa 9 000 Mitglieder – noch wenige im Vergleich zum BN, der es aktuell auf 210 000 Mitglieder bringt. Ein Schwerpunkt der Vereinsarbeit soll auf den »Gefahren der Energiewende für Landschaft und Biodiversität« liegen (Augsburger Allgemeine 2015). Insbesondere dem Wert von Landschaften müsse wieder eine stärkere politische und gesellschaftliche Bedeutung zukommen, sagt Johannes Bradtka, im Hauptberuf Förster bei den Bayerischen Staatsforsten und Beiträger in diesem Buch. Damit versucht der Verein, ein weitgehend brachliegendes Terrain gewissermaßen zu rekultivieren. Denn der Landschaftsschutz, die Bewahrung »schöner«, romantischer Landstriche vor weiterer Zersiedelung und großtechnischer Überformung, ist zum Stiefkind der Umweltbewegung geworden. Doch auch der klassische Artenschutz droht als Folge der Energiewende buchstäblich unter die Räder zu kommen und zum mehr oder weniger lästigen Anhängsel des Klimaschutzes zu werden. Der Vorstand der deutsche Sektion von EUROSOLAR, ein von dem verstorbenen »Solarpapst« Hermann Scheer gegründeter und sich selbst als Umweltorganisation verstehender Förderverein für »grüne« Energie, verstieg sich zu der Behauptung, Klimaschutz sei nichts weniger als die Voraussetzung für Naturschutz. Deswegen sollten unter anderem Zulassungshemmnisse für kleine Wasserkraftwerke beseitigt werden. Die Anforderungen an Fischtreppen und Mindestwassermengen seien auf ein »gesamtökologisch sinnvolles Maß« zu reduzieren (EUROSOLAR 2015). Das hätte auch ein Wirtschaftslobbyist nicht besser formulieren können. Der Aufschrei bei den Umweltschützern blieb aus.

Die traditionellen Umweltverbände befinden sich in einer wenig kommoden Sandwichposition. Absetzbewegungen gibt es nicht nur aufseiten der Landschafts- und Artenschützer alten Schlags, sondern auch bei den Überzeugtesten der Überzeugten in Sachen Energiewende. Im Sommer 2015 kehrte »mit sofortiger Wirkung« der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell dem BUND den Rücken, einer der Konstrukteure des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Nach seiner Meinung lege der BN nicht zu wenig, sondern zu viel Wert auf den Naturschutz und behindere die Energiewende. Nicht nur in Sachen Windkraft, auch beim Ausbau von Biogasanlagen, Solarfeldern und Wasserkraftwerken trete der BN häufig auf die Bremse, heißt es in seinem Austrittsschreiben (Fell 2015). In seiner Antwort versuchte Weiger, die Wogen zu glätten. Der BUND sehe sich als »Treiber der Energiewende und als Naturschutzverband« (KLIMARETTER.INFO 2015; Hervorhebung d. Verfassers). Weigers Losung lautet: Windkraft ja, aber nach Plan und mit »ökologischen Leitplanken« (Zimmermann 2015).

Wie diese Leitplanken aussehen, kann man dank Horst Seehofers gemäßigter Windkraftblockade zwar noch nicht in Bayern, aber beispielsweise in Rheinland-Pfalz studieren. Mit ihrer Forderung, den Ausbau der Windkraft großräumig zu steuern und Wildwuchs zu verhindern, sind die Umweltverbände nicht nur im Land zwischen Mosel, Rhein und Saar grandios gescheitert. Die Windkraftgegner um zu Guttenberg und Neumann nehmen Weiger die von ihm und seinen Mitstreitern propagierte »differenzierte« Position einer »Windkraft nach Plan« nicht ab. Sie sehen insbesondere den BUND von Windindustrie und Grünen unterwandert, längst unfähig, unabhängig Naturschutzinteressen wahrzunehmen. Eine solche »Unterwanderung« ist kein Hirngespinst von Verschwörungstheoretikern, sie ist historisch gewachsen. Schließlich gehörten die Umweltverbände zu den frühesten Verfechtern der Erneuerbaren. Der BUND war Mitgründer des Bundesverbandes Windenergie, heute eine mächtige Lobby-Organisation der Windindustrie. Die Kollateralschäden der Energiewende, die gerne als umweltpolitischer Zielkonflikt verniedlicht werden, sind oft ein banaler Interessenkonflikt. Wer selbst von Windkraftwerken profitiert oder mit den angeblich so sanften Energien auf Stimmenfang geht, wird Belastungen und Widersprüche kleinreden.

Jüngst erwischte es auch den NABU, die mitgliederstärkste deutsche Naturschutzorganisation. In einer Anzeige in der Berliner taz wurde der Verband von einem »Aktionsbündnis Artenschutz durch Erneuerbare – Diffamierung durch NABU stoppen«, das sich aus Windparkbetreibern und Windkraftunternehmen zusammensetzt, frontal angegriffen. Der NABU werde immer mehr zum »Energiewende-Verhinderer«, heißt es in dem Text zu der Absicht des nordrhein-westfälischen NABU-Vorsitzenden Josef Tumbrinck, wenn nötig weitere Artenschutz-Klagen gegen einzelne Windparks einzureichen. Über Wochen lieferte sich der NABU mit Windenergie-Lobbyisten, allen voran der Hardliner Hans-Josef Fell, einen bizarren Streit um die möglichen Schlagopferzahlen bei Mäusebussarden und Rotmilanen – mit Gutachten und Gegengutachten wie zu besten Zeiten der Atomindustrie. »Inzwischen erinnert der missionarische Eifer lautstarker Teile der Windenergiebranche beim Konflikt zwischen Artenschutz und Windenergie an das Vorgehen der Klimaskeptiker«, sagte NABU-Geschäftsführer Leif Miller (NABU 2016).

NABU-Präsident Olaf Tschimpke übt sich, wie sein Kollege Weiger, in einem umweltpolitischen Spagat. »Wir haben in den letzten zwei Jahren, in denen die Windkraft boomte, nur eine Handvoll Klagen gegen Windparks angestrengt, von denen auch nur die Hälfte Erfolg hatte«, sagt Tschimpke (Etscheit 2016). »Dies wird die Energiewende nicht verhindern.« Natürlich, gibt Tschimpke zu, müsse man Windkraftwerke nicht »überall hinstellen« oder ganze Ortschaften mit ihnen »umzingeln«. »Da läuft sicher einiges falsch.« Doch letztlich komme man um ein Umsteuern bei der Energieversorgung nicht herum – schließlich sei der weltweite Klimawandel bittere Realität. »Ob der Ausbau von Wind und Sonne aber weiterhin so flächenfressend sein muss wie bisher, da habe ich meine Zweifel.« Die Kritiker der Windkraft in den neuen Umweltorganisationen und zunehmend auch in den eigenen Reihen warnte Tschimpke davor, immer nur »Nein« zu sagen. Sie seien aufgefordert, ihrerseits nach natur- und landschaftsverträglichen Lösungen zu suchen.

Ein wenig geändert hat sich die Tonlage auch bei BUND-Chef Weiger. Konfliktträchtige Standorte für Windkraftanlagen müssten von vornherein ausgeschlossen werden, sagte Weiger dem SPIEGEL (Klaus/Traufetter 2016). Auch die Nähe von Betreibern und Kommunalpolitikern hält er mittlerweile für problematisch. Die kommunale Selbstverwaltung sei in der Vergangenheit gestärkt worden, um Bürokratie abzubauen. Doch jetzt müssten bei der Auswahl von Windkraftstandorten die Entscheidungen wieder verstärkt auf Land und Bund verlagert werden, um Interessenkollisionen zu vermeiden.

Freilich können auch Ansätze zu einer ersten Selbstkritik nicht verdecken, dass es den großen Ökoverbänden ähnlich ergeht wie in die Jahre gekommenen Volksparteien. Sie haben ihre gesellschaftlichen Netzwerke und ihre Mitgliederbasis stark erweitert und müssen, um ihre eigene Existenz und die aufgeblähten Verwaltungsapparate nicht zu gefährden, immer häufiger Kompromisse eingehen. Allzu radikale Forderungen, etwa der Kampf gegen nicht nachhaltige Konsummuster und Lebensstile, gegen die Treiber unseres enormen Energieverbrauchs, können störend sein angesichts einer sich zunehmend aus Menschen rekrutierenden Basis, die Natur nur noch von der alljährlichen Fernreise nach Neuseeland kennt und mit dem Mitgliedausweis einer Umweltorganisation ihr Öko-Gewissen zu besänftigen trachtet. Parallelen zum Deutschen Alpenverein, den Spötter wegen seiner konzernartigen Strukturen und der vielen Serviceangebote gerne als »Alpen-ADAC« bezeichnen, sind unübersehbar. Der BUND als immer breiter aufgestellter, immer massen-kompatiblerer Öko-ADAC?

Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sich ein neuer Verband als »Stachel im Fleisch« der Etablierten gründen würde. In welche Richtung sich VLAB und Naturschutzinitiative und eine mögliche bundesweite Alternativorganisation zu BUND, NABU und Co. entwickeln werden, muss sich erst herauskristallisieren. Bislang sind die neuen Öko-Gruppierungen wohl eher so etwas wie Sammelbecken der Unzufriedenen, vor allem von Windkraftgegnern sowie klassischen Landschafts- und Artenschützern, die sich mit ihren Interessen vom BUND und den anderen etablierten Organisationen im Stich gelassen fühlen.

Wie die politischen Parteien drücken sich auch die etablierten Umweltverbände vor einer unangenehmen Wahrheit: Die Energiewende ist, wie dieses Buch nachzuweisen versucht, ein gigantischer Selbstbetrug. Sie ist nicht der erhoffte Befreiungsschlag, sie ist im Kern kein ökologisches Projekt (mehr), und sie ist auch kein Meilenstein auf dem Weg zu einer »grünen« Ökonomie, in der man ohne schlechtes Gewissen weiter unbegrenzt die begrenzten Ressourcen des Planeten ausbeuten kann. Der Druck auf BUND, NABU & Co. wird weiter zunehmen.

Dieser Beitrag ist eine bearbeitete und aktualisierte Fassung des Artikels »Es rumort in der Umweltbewegung«, in: Politische Ökologie 143, München 2015.

ENOCH ZU GUTTENBERG

Stählerne Monster

Eine Horrorvision wird Realität – und frühere Mitstreiter werden zu erbitterten Gegnern

»Das Bekenntnis zur Schönheit einer Landschaft und deren Schutzwürdigkeit ist Voraussetzung für einen wirkungsvollen ganzheitlichen und auch emotionalen Naturschutz.«

»Wir müssen heute mehr denn je mit der Schönheit gegen die Hässlichkeit kämpfen. Werden wir auch bald ins Museum gehen, um schöne Landschaften zu betrachten?«

»Eigentlich sind die Wurzeln des Naturschutzes im Landschaftsschutz zu suchen.«

»Auch werden Naturzerstörungen nun genau bilanziert und berechnet. Mit diesen Mitteln und Begriffen werden mittlerweile auch Straßen, Atomkraftwerke oder Flächenverbrauch ›nachhaltig‹ und mit komplexen Zahlenspielereien und sogenannten Ausgleichsmaßnahmen schöngerechnet.«

Diese ergreifenden undaufrüttelnden Formulierungen stammen aus dem Vorwort zu dem hinreißend liebevollen Buch Bilder meiner Landschaft von Klaus Arbter. Entsprungen sind sie der Feder Hubert Weigers, eines ehemals überzeugten Naturschützers und, bis zum heutigen Zeitpunkt, langjährigen Vorsitzenden des Bunds für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND). Jenes Verbands, den ich vor mehr als 40 Jahren die Ehre hatte, mit aus der Taufe zu heben, zusammen mit großen Persönlichkeiten wie Hubert Weinzierl, Bernhard Grzimek, Horst Stern und Herbert Gruhl. Dr. Hubert Weiger gehörte seinerzeit ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern des BUND. Wir waren damals ein starkes, von gemeinsamer innerer Überzeugung getragenes Bündnis, und all unser gemeinsames Handeln, alle unsere Energien galten dem bedingungslosen Kampf gegen die maßlose Plünderung unseres Planeten und der Rettung der wundervollen, einzigartigen Schöpfung vor der drohenden Zerstörung. Wir kämpften damals nicht nur gegen Atomkraft, sondern wir waren uns einig in der radikalen Gegnerschaft zu grenzenlosem Wachstum und dessen verheerenden Folgen für die uns folgenden Generationen.

Wir kämpften gemeinsam gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, gegen die radikale Flurbereinigung und gegen die bis heute andauernde, brutale Zersiedlung bäuerlicher Kulturlandschaft durch immer neue Industriegebiete mit all ihren traurigen Begleiterscheinungen. Wir kämpften gegen monströse Straßenbauprojekte und gegen den Rhein-Main-Donau-Kanal, der das unvergleichliche, unberührte, berückend schöne Altmühltal zu zerstören drohte und dann, leider, auch große Teile zerstört hat. Die glatt gebügelte, seelenlose Verkehrslandschaft des Altmühltals von heute ist nurmehr eine wehmütige Erinnerung an das durch menschliche Überheblichkeit Verlorene. Es waren meist aussichtslose, manchmal auch erfolgreiche Kämpfe gegen das alles zerfressende spätkapitalistische System, dessen Wahnzeichen unser Land und unsere Seelen mehr und mehr zerstört hat und weiter zerstört.

Gemessen aber an diesen schon damals unverzeihlichen Sünden, sind die Heimsuchungen von heute Kapitalverbrechen in dem perversen, gleichwohl äußerst präzise geführten Vernichtungskampf unserer Endverbrauchergesellschaft gegen die uns eigene, zur Bewahrung anheimgegebene, uns schützende, uns nährende und Identität stiftende Heimat und Natur. Heute sind Windräder die Totems unserer Zeit für das »Weiter-So!« einer immer noch an unstillbarer Gier und skrupellosem Machbarkeitswahn orientierten Politik.Allen voraus stürmen die ehrenwertesten grünen Spitzenpolitiker und die ehrenwertesten BUND-Funktionäre dem ersten Werbeoffizier der Windindustrie, Hubert Weiger, hinterher. Unter der Fahne der Weltverbesserung wird all das ideologieerblindet wieder zerstört, wofür wir seit der Geburtsstunde des BUND einmal zu schützen ausgezogen sind.

Die täglichen »Erfolgsmeldungen« der sich in Deutschland unerbittlich vollziehenden sogenannten Energiewende sind nicht nur für die unmittelbar betroffenen Menschen und deren oft noch naturbelassene Heimat eine Katastrophe, sondern blanker Hohn, gerade für diejenigen, die sich mit Dr. Hubert Weigers anfangs zitierten Leitsätzen ein Leben lang inhaltlich identifiziert und gerade aus dem »Bekenntnis zur Schönheit einer Landschaft und deren Schutzwürdigkeit« ihre Motivation und Kraft »für einen wirkungsvollen, ganzheitlichen und auch emotionalen Naturschutz« gezogen haben. Und wir werden uns in der Tat bald zusammen mit Hubert Weiger die ernsthafte Frage stellen, nicht ob, sondern wo wir ins Museum gehen müssen, um schöne, unberührte, harmonische Landschaften zu betrachten. Überlaufene Nationalparks jedenfalls werden die Sehnsucht der Menschen nach unberührter Natur nicht stillen können.

Es wäre der wenigen in unserem Land noch verbliebenen Natur und den sie liebenden Menschen und auch dem BUND sehr geholfen, wenn sich sein erneut gewählter Vorstand Hubert Weiger endlich wieder seiner einst im Buch von Klaus Arbter festgehaltenen brillanten Gedanken zu Natur- und Landschaftsschutz erinnerte. Sein Handeln bemäße und orientierte sich dann wieder von alleine an der Philosophie der Gründungsväter des BUND, die auch Weiger einmal mitformuliert und mitgetragen hat. Zurzeit scheint dies ein frommer Wunsch: Nichts mehr ist heilig, nichts mehr sicher vor dieser paranoiden Zerstörungswut. Vor Kurzem erst wurde das UNESCO-Weltnaturerbe »Greiner Eck« im Odenwald ohne Einspruch des BUND zur Zerstörung durch Windenergieindustrie freigegeben. Das Vertrauen und die Hoffnung in den deutschen Naturschutz wurden mit Füßen getreten …

Dass es in der Geschichte unseres Landes immer wieder Zeiten schlimmster religiöser und politischer Verblendung gab, bedarf keines Kommentars: Es ist unser aller bitteres, historisch-kulturelles Erbteil. Gerne möchte man glauben oder wenigstens hoffen, dass solch bittere Erfahrungen hochgradig sensibel und allergisch gegen jede Art von Rückfall machen. So wurde die deutsche Ökologiebewegung nicht allein aus der Einsicht in die Folgen eines unkontrollierbaren Raubbaus an der Umwelt getragen, sie war auch Ausdruck der spezifischen Sensibilität gegen den Wahn der Machbarkeit der Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre. Sie war ein Aufstand gegen jene Vätergeneration, der die glaubwürdige Abgrenzung gegenüber der eigenen Nazi-Vergangenheit nie wirklich gelungen war. Zugleich aber war sie auch eine Abgrenzung gegenüber jener Bewegung, die sich Mitte der Sechzigerjahre formierte, in den RAF-Terrorismus mündete und am Ende nur erneut in faschistischen Denkmustern verhaftet blieb. Allen Beweggründen, sich dieser Ökologiebewegung anzuschließen, war die große Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit übergeordnet, der innere Antrieb, seine Kräfte uneigennützig für das Erreichen sinnhafter Ziele zur Verfügung zu stellen, und die Abkehr von sinnlosem Konsum und der egoistischen eigenen materiellen Bereicherung.

So viele positive Entwicklungen es während der letzten Jahrzehnte und vor allen Dingen in den ersten Jahren dieser Bewegung gegeben haben mag – gegenwärtig stehen wir vor einer neuen kritischen, absurden Situation. Denn nicht mehr um die Aufarbeitung alter ökologischer Vergehen und Versäumnisse der Väter geht es: Die ist längst Regierungsprogramm. Nein, zynisch und verblendet scheinen mittlerweile ausgerechnet jene wackeren Menschen, die uns vor der Klimakatastrophe, vor dem atomaren Supergau, vor der Vergeudung unserer letztverbliebenen Ressourcen retten wollen. Und die nun stattdessen unsere allerletztverbliebenen natürlichen, nicht urbanisierten Lebensräume in monströse Industriegebiete verwandeln, nicht nur ganze Wälder, sondern ganze Horizonte mit ihren Windkraftanlagen zerstören und friedliche Felder und Wiesen hektargroß mit Solar-»Parks« verwüsten. Sie schrecken, wie bereits erwähnt, nicht einmal davor zurück, strengst geschütztes UNESCO-Weltnaturerbe für immer zu zerstören.

Die Naturschützer der ersten Stunde finden sich nun in der absurden Situation wieder, heute gegen ideologiebesessene Weltverbesserer aus den einstmals eigenen ersten Reihen kämpfen zu müssen. Selbst in der Politik haben sich die Fronten mittlerweile grotesk verschoben: Ausgerechnet ein konservativer CSU-Mann, nämlich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, erwies sich als einer der engagiertesten Fürsprecher und Verteidiger einer ökologisch besonnenen Energiepolitik – und gab damit ganz nebenbei dem Begriff »konservativ« seine ursprüngliche Bedeutung eindrucksvoll zurück –, während einer vormals dezidiert ökologischen Bewegung, nämlich jener der GRÜNEN, auf dem Weg zur etablierten Partei und zur lang ersehnten Macht die ureigenen Themen heillos aus dem Blick geraten sind. Ausgerechnet der energiepolitische Sprecher der ehemaligen grünen Bundestagsfraktion, Hans-Josef Fell, präsentiert sich auf seiner Website stolzgeschwellt als Erfinder ebenjenes »Erneuerbare-Energien-Gesetzes« (EEG), das mittlerweile mit gutem Gewissen als die Wurzel allen Übels, als die Initialzündung der Vernichtung unserer schönsten Kulturlandschaften bezeichnet werden muss. Das EEG ist eben kein Instrument der Energiewende, sondern eine gigantische Geldverschleuderungs- und Geldumverteilungsmaschine, die von unten nach oben – getreu den alten Gesetzen des grenzen- und gesetzlosen Wachstums – funktioniert. Wie sich das aber mit den ständig wiederholten Sozialbekenntnissen der GRÜNEN vertragen soll, wird für lange Zeit deren bestgehütetes Geheimnis bleiben.

Jener Hans-Josef Fell, bis heute meiner Meinung nach einer der fanatischsten, rücksichtslosesten sowie gegenüber handfester wissenschaftlicher Erkenntnisse offensichtlich unüberwindbar beratungsresistentesten Propagandisten der Energiewende, hatte mit seiner von der Windlobby getragenen Initiative »Pro Windkraft« die von Seehofers CSU erlassene großzügige Abstandsregelung für Windräder vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof angefochten. Die segensreiche 10H-Abstandsregelung sieht vor, dass der Abstand zwischen einem Windkraftwerk und der nächsten menschlichen Siedlung das Zehnfache ihrer Höhe betragen muss. Bei den heute üblichen 200-Meter-Monstern sind das zwei Kilometer. 10H hat wenigstens in Bayern manches Windrad verhindern können und viele Menschen vor Unglück bewahrt – sie wurde von den Verfassungsrichtern im Mai 2016 bestätigt. Ein kleiner Lichtblick, immerhin!

Wenn ich diese Windkraft-Monster sehe, wie sie sich überall im Land ausgebreitet haben und weiter ausbreiten, erinnere ich mich an meine Kindheit. Zur unvermeidlichen Lektüre unser aller Jugend zählte vormals neben Karl May, Jack London und Jules Verne auch Herbert George Wells. Aus dessen Science-Fiction-Roman Krieg der Welten blieb mir eine Szene unauslöschlich in Erinnerung: die erste Begegnung des Erzählerhelden mit jenen Maschinenmonstern, mit denen die Marsbewohner ihre Invasion der Erde einleiten:

»Anfangs achtete ich nur auf die Straße vor mir; plötzlich aber wurde meine Aufmerksamkeit durch etwas anderes erregt. (…) Zuerst hielt ich es für das nasse Dach eines Hauses; aber ein Blitz, der einem anderen unmittelbar folgte, zeigte es mir in rascher, rollender Bewegung. (…) Wie soll ich es beschreiben? Ein ungeheurer Dreifuß, höher als viele Häuser, fuhr über die jungen Fichten und schmetterte sie in seinem Lauf zur Seite; eine Maschine aus glitzerndem Metall, die über die Heide fuhr. (…) Da teilten sich plötzlich die Bäume des Fichtengehölzes auf der Anhöhe vor mir (…) und ein zweiter ungeheurer Dreifuß tauchte auf. (…) Beim Anblick dieses zweiten Ungetüms wurde ich kopflos. Ohne lange zu überlegen, riss ich das Pferd herum, (…) die Deichsel zerbrach mit Getöse, ich wurde zur Seite geschleudert und fiel mit aller Wucht in ein Wasserloch.«

Inzwischen wurde die Horrorvision des Jahres 1898 Wirklichkeit. Es gibt sie, diese stählernen Monster, diese apokalyptischen Engel mit den Säulenbeinen, auch wenn sie sich statt mit drei Füßen mit drei Rotorblättern durch die Landschaft fräsen. Doch sie sind kein Werk außerirdischer Invasoren. Sie sind einzig von uns selbst gemacht. Auch wenn sie so gespenstisch anmuten, als wären sie tatsächlich vom Mars gefallen.

Ich will nicht verleugnen: Möglicherweise ist es auch eine Kinderangst, ein atavistisches Ur-Entsetzen, das mich umtreibt. In blanker Fassungslosigkeit erstarre ich jedoch aufgrund der Erkenntnis, dass sich die Menschen wieder derartig schnell und langanhaltend bestehlen, belügen, einlullen und ideologisieren lassen. Dass die Menschen nicht erwachen wollen, obwohl erneut unwiderlegbare Fakten offen und für jedermann einsehbar auf dem Tisch liegen, ist schlichtweg unbegreiflich. Internationale Wissenschaft und Ökonomie haben es nachgewiesen: Unsere sogenannte Energiewende ist gescheitert! Muss dieser Irrweg wieder – wie jener von Wackersdorf über Tschernobyl bis Fukushima – gegen alles Wissen und Gewissen der politischen Verantwortungsträger weiter gegangen werden?

Die Physikerin Angela Merkel will erst 2011 zur Kenntnis genommenhaben,»dass selbst in einem Hochtechnologieland (…) die Risiken der Kernenergie nicht sicher beherrscht werden können« (Merkel 2011). Ich glaube ihr das nicht. Die Metapher des Restrisikos stammt von den Besten ihrer Zunft und wurde von allen Kernenergie-Gegnern und uns gebetsmühlenartig jahrzehntelang gepredigt und geschrieben. Heute wird wieder die Wahrheit gebeugt und unterdrückt, wieder sind Milliarden im Spiel, und wieder wird die Verantwortung verkauft, und es werden – wie nie zuvor – die Bürger um ihr sauer verdientes Geld gebracht. Hier ist nicht der Platz für endloses Beweis- und Zahlenmaterial und lange Argumentationsketten, zumal diese hinlänglich bekannt und wissenschaftlich sowie ministerial abgesichert sind. Aber die daraus folgenden Fakten können nicht oft genug wiederholt werden:

•  Windkraft kann aufgrund der geringen Energiedichte keinen substanziellen Beitrag zur Energie-/Stromversorgung leisten.

•  Der Ausbau der Windindustrieersetzt kein einziges konventionelles Kraftwerk und spart – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen – kein CO2 ein.

•  Windkraft ist nicht verlässlich und gefährdet die Versorgungssicherheit.

•  Es gibt bisher und auch in lang absehbarer Zukunft keine Speichermöglichkeit.

•  Über die Hälfte der deutschen Windkraftanlagen sind unwirtschaftlich, vernichten Eigenkapital und entwerten privates Eigentum.

•  Diese sogenannte Energiewende ist der endgültige Ruin der deutschen Natur- und Kulturlandschaften.

Alle oben genannten Fakten sind belegt und bewiesen; meist werden sie auch verstanden – trotzdem wird immer wieder die gleiche Frage gestellt: Woher denn der Strom, wenn nicht aus konventionellen Quellen, kommen solle? Er kommt derzeit, und weiter in langer Zukunft, während der Windflauten bei Nacht zum Beispiel als Atomstrom aus Tschechien und Frankreich; und weil in diesen Ländern die Mechanismen deutscher Verblendung schon seit Langem Geschichte haben, werden dort zufrieden lächelnd neue Atomkraftwerke geplant und gebaut, um das »Deutsche Wesen« sich zur Abwechslung endlich einmal an sich selbst und an seiner gemütlich-ökologischen Selbstsicherheit genesen zu lassen.

Nichts an dieser Energiewende ist sinnvoll konzipiert, und nichts ist zu Ende gedacht worden. Mit stumpfen Messern kann man nicht operieren; täte man es doch, der Patient überlebte den Eingriff nicht. Die Messer des EEG könnten nicht stumpfer sein, und die Schönheit und Würde unserer deutschen Heimat gehen an dieser Operation unwiderruflich zugrunde. Mit Ausnahme der geschlossenen Gesellschaft einiger sehr reicher und sprichwörtlich »windiger« Geschäftemacher, ahnungs- oder skrupelloser Politiker und zynischer »Natur-Verträglichkeitsprüfer« bleiben neben den geschundenen Landschaften und der geschändeten Natur wie so oft die vielen Millionen »kleiner Leute« als Verlierer dieser unsäglich dilettantisch konzipierten »Wende« auf der Strecke. Sie bezahlen die Zeche, 23 Milliarden bisher jedes Jahr; ihr Geld macht die Reichen – also die Windradplaner und Windradbauer – reicher, subventioniert zudem riesigen Großgrundbesitz. Wie viel Geld in den Säckeln der Kommunalpolitiker und »Naturverträglichkeitsprüfer« landet, lässt sich nur mit Schaudern erahnen.

Ich will nicht falsch verstanden werden. Ich bin kein Windkraft-Hasser, kein Klimawandel-Leugner, kein Atom-Lobbyist, wie mir gerne ungebrochen von früheren BUND-Genossen infam unterstellt wird. Ich war, bin und bleibe ein vehementer Kernkraftgegner. Kein vernünftiger Mensch wird leugnen können, dass schnellstmöglich andere, sinnvolle und zukunftsträchtige Wege gefunden werden müssen, damit das schwarze Kapitel der Kernenergie mit all ihren nicht beherrschbaren Faktoren endlich abgeschlossen werden kann. So ergibt sich für mich persönlich folgende logisch verbindliche Haltung: Nichts gegen Windkraftanlagen, sollten sie je ökonomisch sinnvoll und ökologisch vertretbar sein. Ja zu Solarenergie, wo sie den Menschen nützt, statt ihrer Lebensqualität zu schaden. Ja zu Wasserkraft, wo sie nicht elementare Lebenskreisläufe unterbindet. Und ja zu einem verantwortungsvollen und umsichtigen Umgang mit jenen Energien, welche uns die Erde spendet, solange wir damit nicht das In-den-Wind-Jagen der letztverbliebenen Erdöl-Ressourcen und das nicht minder heillose (inzwischen auch als heillos erkannte) Fracking meinen, um dem Boden auch noch die letzten Tropfen abzuringen.

Um eines aber werden wir Menschen bei allen möglichen technischen Weiterentwicklungen auf keinen Fall herumkommen, und es ist nicht zu verstehen, dass darüber kaum mehr gesprochen wird: um einen bewussten Umgang mit Energie und um eine sinnvolle Art des Energie-Einsparens. Es liegt auf der Hand, dass der gewichtigste Punkt bei all unseren bangen Fragen um unsere Zukunft der verantwortungsvolle, nachhaltige Umgang mit unseren letztverbliebenen Ressourcen bleibt. Die allfällige, bis zum Überdruss perpetuierte Beschwörung des Weltuntergangs durch ökologischen Raubbau, Luftverschmutzung und Klimawandel verfehlt sonst pauschal ganz schlicht ihr Thema. Nicht die Welt geht unter. Einzig wir mit unserer Unmäßigkeit und unserer auf selbstzerstörerischen Technologien aufgebauten Zivilisation sind in Gefahr. Die Welt hat schon viele ihrer Arten überlebt. Sie hat in den Abermillionen Jahren ihres Daseins Klimaschwankungen weit heftigerer Art nicht nur problemlos überstanden, sondern eben durch die Schwankungen Flora und Fauna mit unzähligen Arten neu bereichert. Nur wir Menschen gehören möglicherweise irgendwann nicht mehr dazu.

Diese »Energiewende« spottet ihres Namens. Sie ist die klassische Mäuse-Revolution im Elefantenland, dabei aber der endgültige Niedergang der deutschen Natur- und Kulturlandschaften. Und sie ist erneut der bittere Beweis, dass weder die GRÜNEN noch unsere Regierung, schon gleich nicht die Spitzenfunktionäre des BUND tatsächlich die echte Wende herbeiführen wollen. Wir brauchen die Wende des Systems, das hinter allem Unglück steht. Wir brauchen das Ende des grenzenlosen Wachstums. Dafür haben sich einmal die Gründungsväter des BUND zusammengefunden und nicht für das »Weiter-So!«unserer Verbrauchergesellschaft, die sich mit jedem Windrad ein neues Denkmal setzt.

Daher und jedes Mal wieder von Neuem, wenn ich durch die abendlichen Mittelgebirge fahre, jedes Mal, wenn jäh nach einer Steigung auf dem nächsten Gipfelkamm im Wald vier, fünf oder zwanzig von diesen Ungeheuern aus dem Nichts auftauchen – jedes Mal von Neuem befällt mich die alte H.-G.-Wells-Horrorvision: ein panisches Bedürfnis, das Steuer herumzureißen, das Steuer politisch herumzureißen, um mich und die Mit-Menschen, vor allem aber unsere Kinder vor dieser Ungeheuerlichkeit zu bewahren.

Selbst den Erfindern und Entwicklern dieser Technologie war schon das Monströse, über jedes Menschen-, Raum- und Landschaftsmaß Hinausgetürmte noch sehr wohl bewusst. Als in den frühen 1980er-Jahren im Kaiser-Wilhelm-Koog an der Nordsee die erste deutsche Großwindenergieanlage errichtet wurde, waren es die Betreiber selbst, welche diese sperrige Bezeichnung in einer Anwandlung von Galgenhumor auf das Kürzel »Growian« reduzierten und ihrer Gesellschaft sogar diesen Namen gaben: »Growian GmbH«. Das ehrt sie. Denn es zeigt, dass ihnen das Maßlose, das grobianisch Ungeschlachte ihres Konstrukts noch in die Augen sprang. Dass sie es nicht herunterredeten, sondern sich zu der zyklopischen Dimension bekannten.

Dies hat sich inzwischen gründlich geändert. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte 2015 im SWR wörtlich: »Das sind sehr schöne Maschinen, mir gefallen sie.« Und all die anderen Maschinenmonster-Anbeter stimmen ein in seine Melodie und preisen die schönen neuen Energielandschaften. Von welcher Religion sind eigentlich die GRÜNEN besetzt, von welcher Ideologie verblendet die Naturschutzfunktionäre? Wissen sie wirklich, was sie tun? Deren Taten müssen nun ebenso gemessen werden, wie sie jahrzehntelang gnadenlos – und oft mit Recht – andere zu messen wussten.

Die Windkraft-durch-Industrialisierung unserer verbliebenen Natur stellt alles in den Schatten, was uns die ersten 20 Wirtschaftswunderjahre, die ungebremste Wachstumspolitik in den Siebziger- bis Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, der Turbo-Kapitalismus nach der Wende und schließlich die Globalisierung an schrecklichen Kollateralschäden in ganz Europa hinterlassen haben. Es ist der traurigste, der schmutzigste Treppenwitz der deutschen Naturschutzgeschichte und einer vormals grünen Umweltpartei. Niemals hätte ich mir träumen lassen, einmal härter gegen den eigenen Naturschutzverband kämpfen zu müssen als je gegen alle Umweltfrevel der letzten 50 Jahre in unserem Land! Und noch weniger war in meiner und meiner Freunde Vorstellungskraft, dass einmal unzählige zivilcouragierte Bürgerinitiativen ihre Heimat, ihre Wälder, ihre Tiere und ihren eigenen Lebensraum vor professionellen Natur- und Umweltschützern und vor grüner Politik schützen müssen.

Woher kommt dieser Enthusiasmus für die Windkraft, der den BUND in Baden-Württemberg sogar zu einem Internet-Auftritt mit dem Titel »Argumente für Windenergie« veranlasste? Woher die Chuzpe, darin auch noch das folgende Unfassbare zu formulieren: »Landschaftsschutz kann dabei nur ein Unterargument in der Abwägung sein. Schon immer prägte der Mensch massiv seine Umwelt: Straßen, Gewerbegebiete, Großkraftwerke, Funkmasten, Skipisten, Strommasten, Ritterburgen oder Aussichtstürme sind landschaftsprägende Elemente. Es liegt in der Natur der Sache, dass windgünstige Standorte teilweise an besonders exponierten Stellen liegen. Ökonomisch und ökologisch macht es Sinn, genau dort Windräder zu errichten.«

Ich wollte, ich könnte derlei Stellungnahmen einen Anfall geistiger Verirrung zugutehalten.

Natürlich gibt es immer noch viele gutgläubige Menschen, die, unaufgeklärt über die tatsächlichen Sachverhalte, weiter an den Erfolg des EEG glauben und deshalb immer noch mit viel Enthusiasmus für dessen Umsetzung kämpfen. Ein umso tragischerer Zustand: Denn diese »Wende« ist in Wahrheit die bisher zynischste Ausgeburt des späten Kapitalismus in unserem Land. Es geht um unglaublich viel Geld, das von wenigen verdient und vielen abgenommen wird …

Und weil ich das noch ein bisschen präziser öffentlich formulierte und nicht aufhörte, auf die in meinen Augen unanständige Verquickung führender Persönlichkeiten des BUND mit der Windindustrie hinzuweisen, und weil ich auch nicht aufhörte, auf die unerhörte Verlogenheit der selbst ernannten »Naturverträglichkeitsprüfer« des gleichen Vereines hinzuweisen, hat mich der Verein meines alten Vorstandsgenossen Hubert Weiger verklagt. Ich und mit mir viele andere ehemals dem BUND treue Naturschützer sollten anscheinend endgültig zum Schweigen verurteilt werden. Zu meinem großen Erstaunen und noch größeren Bedauern zog der BUND im April 2016 seine umfangreiche Klageschrift auf Persönlichkeitsverletzung und Falschaussagen am Vortag des in Hamburg anberaumten Prozesses mit für mich fadenscheinigen, geradezu armseligen Argumenten zurück. Die Siegesgewissheit schien angesichts der erdrückenden Beweise und der Angst vor der Macht der Wahrheit dahingeschmolzen zu sein. Schade um die verlorene Chance, der Wahrheit vor Gericht eine öffentliche Bühne zu verschaffen, und schade um die Tausende Euro Gerichts- und Anwaltskosten, die nun der BUND zu zahlen hat; so manche Naturschutzmaßnahme hätte ihrer dringend bedurft.

Schade aber im Besonderen um eine weitere verlorene große Chance über den nüchternen Kampf um Klarheit und Wahrheit, in einem öffentlichen Prozess für die verschütteten, ursprünglichen Emotionen der eigenen Seele wieder die Augen geöffnet zu bekommen: Gerade Dr. Hubert Weiger hat doch diese Emotionen beschrieben, die ihn einmal zum Naturschutz führten, wie denn sonst hätte er die anfangs zitierten Sätze so brillant in Klaus Arbters Buch formulieren können? Manchmal meine ich, nur schlecht zu träumen, so unwirklich, so fremd, so unglaubhaft scheint mir der von ihm und so vielen anderen wissenden Menschen nicht nur geduldete, sondern sogar geförderte Untergang unserer deutschen Kulturlandschaften zu sein. Die gleichen Leute, die den unwiederbringlichen Verlust der Weltkulturerbe-Stätten, wie z.B. Palmyra, Al-Hadre oder Mossul, beklagen, geben eiskalt und unberührt unser Weltnaturerbe, wie z.B. das Odenwälder »Greiner Eck«, zur endgültigen Zerstörung frei. Wie sehr hat sich in Wahrheit schon der Kultur-Werte-Kanon verschoben. Zwar kommt in Deutschland – Gott sei Dank – immer noch derjenige sofort ins Irrenhaus oder mit ein wenig Glück nur ins Zuchthaus, der eine Caspar-David-Friedrich-Landschaft mit Salzsäure übergießt; aber ist es nicht ein noch viel anmaßenderer Frevel, liebevollste Kunstwerke dieser Schöpfung, unsere verbliebene Heimat, mit Windrädern gänzlich zu ruinieren? Die, die das zu verantworten haben, sitzen nicht im Irrenhaus, sie sitzen ganz im Gegenteil leider in Präsidenten- oder Ministersesseln oder stehen Naturschutzverbänden vor.

Bei diesem »Billionengeschäft« (Kanzleramtschef Peter Altmaier) bleiben bekanntlich nicht nur die Landschaft und die Natur auf der Strecke, sondern auch unzählige Vögel und Fledermäuse. Die Zahlen sind bekannt, erschütternd, beängstigend – und gestützt durch staatliche Vogelwarten. Wer allerdings wenigstens hier vom ersten Artenschützer der Nation eine kritische Haltung erwartet, wird aufs Neue herb enttäuscht. Dr. Hubert Weiger erklärte mir schriftlich, im Straßenverkehr würden mehr Vögel getötet als durch Windräder. Dass im Straßenverkehr so viele Vögel den Tod finden, muss doch erst recht das wichtigste Argument gegen die vom Bund verantworteten Zerhäckselungsmaschinen sein. So viel miserable Missachtung vor der eigenen Philosophie hätten nicht einmal Weigers schärfste Kritiker für möglich gehalten. Mit der Gegenrechnung gigantischer Zahlen toter Tiere hat sich der BUND-Vorsitzende für immer die grüne Larve höchstselbst vom Gesicht gerissen und außerdem mit fast kollegialer Geste den kriminellen Vogelfängern Südeuropas eine Carte blanche aus erster Hand verschafft.

Vor 45 Jahren kämpften wir noch gemeinsam um die Verlegung einer Autobahntrasse wegen einer kleinen Blaukehlchen-Population. Heute werden See- und Schreiadler, Störche, Eulen, Uhus, Rot- und Schwarzmilane, ganze Zugvogelzüge von den Geschütztesten der Geschützten nüchtern im deutschen Naturschutz unter Kollateralschäden abgeheftet. Und ich suche immer noch verzweifelt die Barrikaden, auf denen wenigstens eine der BUND-Führungspersönlichkeiten und vielleicht auch der ein oder andere Vertreter der jeweiligen Landesforste stehen und die Schweinereien zerstörter Bruthorste und Nistplätze und vergifteter, strengst geschützter Vögel rund um die geplanten Windindustrie-Standorte anprangern.

Sollte die Windindustrialisierung wie geplant und beschlossen weiter so brutal und ungebremst voranschreiten, wird es bald unser schönes Land, so wie wir es kennen und lieben, nicht mehr geben. Wir werden uns dann in Massen durch die wenigen, »möblierten« und durchbeschilderten Nationalparks, die Landschaftsmuseen des Herrn Weiger schieben – gequält von Wehmut und Schmerz.

In einem bestürmend klugen Essay bescherte uns der Philosoph und Dichter Botho Strauß hierzu ein paar ebenso komplexe wie nahe liegende Einsichten. »Wo blieb die Moral der Technikkritik?«, schrieb er und fuhr fort: »Wer spräche noch von der Selbstzerstörung der technischen Zivilisation anstatt gleich des gesamten Planeten?« Dann aber folgte ein ungleich verblüffenderer Satz: Unsere ganze sogenannte Energiewende sei in Wahrheit nur – Zitat: »die ökotechnische Wiederbegegnung mit dem klassischen Altertum, mit den Elementen Wind, Feuer (also Sonne), Erde und Wasser« (Strauß 2013). Im Klartext: Alles, was wir uns derzeit mit viel Mühe neu entwickeln, hätten wir bequem seit zweieinhalbtausend Jahren wissen und haben können – wenn wir es denn hätten haben wollen.

Der Essay schließt mit einer prophetischen, wütend-verzweifelten Invektive gegen die Hybris der Windkraft: »Noch spärlicher an der Zahl als stille Leser von Gedichten sind diejenigen, die sich vor Schmerz krümmen, wenn sie sehen, wie mitten im Frieden eine vom Dichter besungene Landschaft verheert vor ihnen liegt, so gemein und hochmütig, so um sich greifend und im Unmaß aufragend, Horizonte sperrend, rücksichtsloser als Feuersbrunst, Rodung, Industrialisierung zusammen.«

Dem ist nichts als die eigene Trauer und Verzweiflung hinzuzufügen; denn was in unserer Zeit, in unserem Land geschieht, ist nicht weniger barbarisch als die Untaten der Bilderstürmer und Bücherverbrenner, die seit der Antike alle Jahrhunderte hindurch blindwütend durch die Geschichte irren. Der unbarmherzige, schöpfungs- und menschenverachtende Zugriff in unser aller Eigentum, unsere Heimat, in unsere Landschaften und unsere Kultur ist niederträchtig und gemein.

DIRK DUBBERS

Gibt es überhaupt eine Energiewende?

Ein Plädoyer für eine ehrliche Bestandsaufnahme der Energiewende und der noch vor uns liegenden Herausforderungen