Georg Trakl - Rüdiger Görner - E-Book

Georg Trakl E-Book

Rüdiger Görner

4,7

Beschreibung

Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs starb Georg Trakl in einem Militärspital an einer Überdosis Kokain. Ob der im Krieg traumatisierte Dichter Selbstmord beging, ist eines der Rätsel, die sein Leben und Werk umgeben. Rüdiger Görner gelingt es, sich den biographischen Brüchen und Details über das Werk anzunähern. Er geht in der Auseinandersetzung mit den Gedichten der Todessehnsucht Trakls, der mehr als innigen Beziehung zu Schwester Margarethe und dem Aufwachsen in Salzburg nach. Und kommt zu faszinierenden Schlüssen: Dass sich die Extreme der Zeit – die Beschleunigung der Lebensverhältnisse, ihre rücksichtslose Technisierung – im Werk des Dichters bedingt spiegeln. Und dass die Gedichte – Trakls Ruhelosigkeit zum Trotz – oft geradezu ausgeruht klingen.

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Zsolnay E-Book

Rüdiger Görner

Georg Trakl

Dichter im Jahrzehnt der Extreme

Paul Zsolnay Verlag

ISBN 978-3-552-05711-1

Alle Rechte vorbehalten

© Paul Zsolnay Verlag Wien 2014

Umschlag: David Hauptmann, Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Motiv: Max Esterle: »Karikatur Georg Trakl« © Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Innsbruck

Satz: Eva Kaltenbrunner-Dorfinger, Wien

Unser gesamtes lieferbares Programm

und viele andere Informationen finden Sie unter:

www.hanser-literaturverlage.de

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Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

für Oliver Kohler

Puis j’expliquai mes sophismes magiques avec l’hallucination des mots!

(Dann erklärte ich mir meine magischen Sophismen mit der Halluzination der Worte!)

Arthur Rimbaud, Délires (1872/73)

Die Gegenwart oktroyiert Formen. Diesen Bannkreis zu überschreiten und andere Formen zu gewinnen, ist das Schöpferische.

Hugo von Hofmannsthal, Buch der Freunde (1922)

Das Wort des Dichters macht die Dinge schwebend […] Das ist der wahre Rhythmus des Gedichts: daß es das Ding hinträgt zum Menschen, aber daß es zugleich das Ding wieder zurückschweben läßt zum Schöpfer.

Max Picard, Wort und Wortgeräusch (1963)

Das Böse und das Schöne sind die beiden Herausforderungen, die wir annehmen müssen.

François Cheng, Meditationen über die Schönheit (2008)

Inhalt

Vorworthafter Dreiklang

Tagebucheintrag– Zugänge zu Trakl– … und ein einleitendes de profundis

Finale Anfänge: Die Sammlung 1909

Lyrische Stimmungsumfelder– Die Sammlung 1909 oder Das Unverlorne meiner jungen Jahre

»Im Rausch begreifst du alles.«

Trakls toxisches Schaffen

Entgrenzungsversuche: Wien – Innsbruck – Venedig – Berlin oder Ist überall Salzburg?

Trakls Salzburg-Gedichte – Ein politischer Trakl?

Gedichte, 1913

Vorklärungen– Gedichte oder Romanzen mit Raben und Ratten

Poetische Farbwelten oder Schwierigkeiten mit dem (lyrischen) Ich

Heideggers Trakl-Denkwort und Farbpoetik bei Gottfried Keller und Oswald Spengler– Wie Trakls Sprache entsprechen?– Trakls »Naturtheater« und das Problem poetischer Farbgebung

Zum Tode dichten. Ein Selbstgemälde und »Begegnung mit Sterbenden«

Sebastian im Traum oder »Die Verwandlung des Bösen«

Grabmal für einen Untoten: Der Knabe Elis– Trakls Traumwelten: Kontexte – »Der Herbst des Einsamen« und »Siebengesang des Todes«

»An Mauern hin«. Lyrische Endzeitlichkeiten

Gebrochene Hymnen – Peter, dunkelster Sohn: Trakls »Dramenfragment« – Gebrochene Elegien, melancholische Gesten und andere Grenzgängereien – »Offenbarung und Untergang« oder Die Rückkehr des Ichs

Nachleben im Ungeborenen

Das Ende oder Der Abspann zum Auftakt des Danach – Wenn das Nachleben beginnt – Kritische Stimmen und eine Nebenstimme – Der Parallelfall Friedrich C. Heinle – Ausklänge – Im Ungeborenen

Anhang

Anmerkungen – Literatur – Bildnachweis – Dank

Vorworthafter Dreiklang

Tagebucheintrag

Wien, den 19. Juni

Abends in Christoph Starks Trakl-Film Tabu – Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden; habe mich dann in dieser lauen Juni-Nacht bis zum Judenplatz treiben lassen, wo ich in einem fast leeren Schanigarten diese Zeilen notiere.

Es regnete viel in diesem Film; es goss in Strömen. Entsprechend tropfnass sind die strähnigen Haare Georgs (Lars Eidinger) und Gretes (Peri Baumeister). Der Film hätte G&G heißen sollen, handelt er doch von Geschwistern, die von der Ausweglosigkeit ihrer Liebe zueinander vergewaltigt werden. Die Hauptrolle im Film hat der Inzest übernommen – umflort von farbgesättigten Bildern.

Aus dem Drogenrausch der Geschwister entsteht ein filmischer Bilderrausch zwischen Bürgersalon und Gosse, bedrückenden Stadtszenen und scheinbar befreiender Natur. Ich denke unwillkürlich an Jane Campions Film über John Keats Bright Star (2009): Gezeigt wird darin das Dichten als wahnhafter Leidensprozess. In Tabu korrigiert die Schwester die Manuskripte des Bruders. Im Keats-Film dagegen haben sich die Verse des Dichters bereits in einen Bereich jenseits aller Korrektur begeben.

Überhaupt ist mittlerweile das Schreiben zu einem Filmthema geworden. Die Kamera konzentriert sich auf Feder und Tintenklecks sowie den schwarzen Schreibfinger im Film Becoming Jane (2007), in dem Anne Hathaway die beständig schreibende Jane Austen spielt, oder in Shakespeare in Love (1998), in dem Joseph Fiennes als William die Feder stets in Bereitschaft hält, wenn ein gewisser Blick Worte auf dem Papier auslöst.

Lars Eidinger gibt einen Trakl, der phasenweise fieberhaft schreibt und streicht, als jage ihn die Sorge, bestimmte Worte nicht aufs Papier werfen zu können, auch wenn er ansonsten erstaunlich wenig Angst zeigt; er wirkt, wenngleich zuweilen am Rande von Gewaltausbrüchen, immer im Vollbesitz seiner Selbstkontrolle. Vergisst man, dass Eidinger Trakl sein soll, dann überzeugt er. Anders Peri Baumeister als Grete; sie ist das Wunder einer Verkörperung, gerade weil man von der authentischen Grete (aber was ist das schon!) zu wenig weiß. Ihr genialisches Klavierspiel sieht sich nur noch übertroffen durch die kurzen Hörproben von ihrer eigenen Musik, die an Skrjabin erinnert. Ja, sie ist, was sie sein soll: unwiderstehlich. Unglaubwürdig wirkt sie nur an der Stelle im Film, wo sie ihrer hartherzigen Mutter vorwirft, nicht schon viel früher gegen die inzestuöse Beziehung zwischen ihr und Georg, von der sie gewusst habe, eingeschritten zu sein.

Die Bilder bleiben, ihr Sinn verflüchtigt sich. Über dem Schanigarten setzt Nieselregen ein. Er wird nicht ausreichen, das Haar tropfnass werden zu lassen.

Wien, tags darauf (Hotel Regina)

Wiederholt spielen sich einige Filmszenen des gestrigen Abends in mir ab. In einem hatte der Film recht: Trakl lebte nur, wenn er schrieb. Und er schrieb nur, wenn er Gedichte verfasste. Ansonsten schien er zu vegetieren, sich treiben zu lassen oder ins Wahllose getrieben zu sein.

Ganz in der Nähe: Freuds Berggasse, wo Totem und Tabu entstand und der Satz: »Das Tabu heißt uns einerseits heilig, geweiht, anderseits: unheimlich gefährlich, verboten, unrein.«1 Erschienen 1913. In jenem Jahr war Trakl zwei-, dreimal in Wien, hatte Umgang mit Karl Kraus, Adolf Loos, Peter Altenberg und Oskar Kokoschka. Und in jenem Gedicht, dem der Band seinen Titel entlehnte, »Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden«, rief er zweimal aus: »Reinheit! Reinheit! Wo sind die furchtbaren Pfade des Todes, / Des grauen steinernen Schweigens, die Felsen der Nacht / Und die friedlosen Schatten? Strahlender Sonnenabgrund.«2 Da sind sie, die extremen Gegensätze, die nur eine Vermittlung kennen: den Klang, den Rhythmus, der auch dann magisch bleibt, wenn er, wie hier, gebrochen wird durch Ausrufe und Fragen, die im Ton an Hölderlin erinnern – nicht an den Analytiker Freud.

Man kennt die lustvollen Tabubrecher in der Literatur um 1900 von Frank Wedekind bis Heinrich Mann, Arthur Schnitzler, Oskar Kokoschka, Egon Schiele und in der Musik die »Zwölftöner«. Und Trakl? Brach er mit Tabus? Oder spielte er mit ihnen oder sie mit ihm – Katz und Maus? Das Ringen um Reinheit, die Ahnung des Heiligen – beides ist so gegenwärtig in seinen Gedichten wie der strahlende oder in Dunkelheit versinkende Abgrund, die Gosse, die Verelendung der Seele.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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