Gerne! - Traudi Schlitt - E-Book

Gerne! E-Book

Traudi Schlitt

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Beschreibung

Mit "Gerne!" legt Traudi Schlitt nach mehrjähriger Pause den vierten Band ihrer Kolumnensammlung vor, die sie mehr oder weniger regelmäßig alle zwei Wochen in ihrem Blog veröffentlicht und an ihre Abonnentinnen in der ganzen Welt schickt. Traudi Schlitt berichtet hier von ihren Kämpfen mit der Nachhaltigkeit, den Klimaxtagen oder den Filterfunktionen und verarbeitet ihre Pandemie-Erfahrungen. Als Bonusmaterial gibt es die Texte, die nach einer intensiven Handtaschenrecherche entstanden sind. Dabei wird mehr als nur ein Geheimnis gelüftet.

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Seitenzahl: 401

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Irre Zeiten - machen wir das Beste draus: Nutzen wir den Wahnsinn für den Flow!

Vorwort

„Gerne!“ – Kurz und knapp sollen sie ja sein, die Titel meiner Kolumnenbücher, auch wenn „Gerne!“ nicht immer ganz zutreffend ist, wenn man mal ehrlich ist. Ebenso wenig wie das „Sehr gerne“, das man jetzt häufig im Dienstleistungssektor hört und dort ganz bestimmt die wenigsten Male ernst zu nehmen ist.

Tatsächlich sehr gerne habe ich dieses Buch für uns gemacht, also für euch, meine lieben Leserinnen und Leser, und für mich natürlich auch. Ich hatte sehr das Bedürfnis, meine Texte wieder mal zu sortieren und natürlich auch unter die Leute zu bringen, bevor sie ihre Halbwertszeit deutlich hinter sich haben. Bei manchen Kolumnen erschien es jetzt schon nötig, kleine Hinweise zum Datum ihrer Entstehungszeit mitzuliefern, was ich natürlich auch gerne getan habe. Alle Texte sind im Übrigen zwischen November 2017 und Oktober 2021 entstanden.

Gerne bin ich auch nach wie vor dem Alltagswahnsinn auf der Spur, wenn auch nicht immer ganz freiwillig. Manchmal könnte ich auch gerne auf das eine oder andere I-Tüpfelchen auf dem Alltagswahnsinn verzichten, aber wir wollen ja nicht kleinlich sein. Es gibt halt nicht das eine ohne das andere.

Sehr gerne verzichtet hätten wir sicher alle auf die Erfahrungen mit der „Scheiß-Carola“, wie meine Kinder sie anfangs noch scherzhaft nannten. Je mehr Zeit wir mit ihr verbrachten – und ja auch immer noch verbringen -, je mehr sie unser Leben bestimmte, umso unmutiger wurden wir alle damit. Kosenamen sind auf jeden Fall nicht mehr angebracht. Zwischendurch wollte ich gar nichts mehr schreiben, was mit der Pandemie zu tun hatte, aber ich erlebte ja sonst nichts (Mitleid, bitte!), und bei genauem Hinsehen lieferte ja auch die Pandemie das eine oder andere schöne Thema. Soweit man in diesem Zusammenhang überhaupt von „schön“ sprechen kann. Aber ihr wisst, was ich meine. Nicht immer hat mich die Muse geküsst in diesen Zeiten, in denen es dann doch auch bei uns mehr ums Überstehen ging. Deshalb sind in den letzten beiden Jahren auch nicht ganz so viele Glossen entstanden wie zuvor.

Dass sich in diesem Buch dennoch deutlich mehr Texte finden als in den vorhergehenden drei Bänden, liegt einfach daran, dass ich vier Jahre sammeln konnte. In dieser Zeit hatte sich dann doch eine lange Reihe an Kolumnen angesammelt. Und ich wollte keine weglassen. Im Gegenteil: Ich beschloss, euch auch noch ein paar Texte aus meinen Handschuh- und Handtaschenprojeken mitzugeben – einschließlich einer meiner seltenen Kurzgeschichten. In dieser hier wird das Geheimnis der Handschuhe der Queen gelüftet. Ihr werdet staunen.

Ihr seht: Obwohl ich schon zahlreiche Ratgeber zum Thema „Loslassen“ gelesen habe, bin ich im Weglassen gar nicht gut. Wirklich, gar nicht gut. Daher ist dieses Buch dann auch dicker geworden als seine Vorgänger – aber auch damit liegt es ja im Trend, denn wir werden ja alle nicht dünner. Also, die wenigsten von uns. Und vielleicht werden wir mit zunehmendem Alter ja auch noch weiser, wer weiß? Ich auf jeden Fall habe in einem Schub von Altersmilde eines meiner Kapitel „Frauen, Männer, Liebe und so“ genannt. Seht es mir nach, betrachtet es als inklusiven Beitrag dieses Buches oder meldet euch einfach bei mir, wenn ihr findet, das geht jetzt gar nicht.

Ansonsten wünsche ich euch wie immer viel Spaß beim Lesen.

Vielleicht sehen wir uns ja doch wieder mal da und dort – ich täte es wirklich sehr gerne!

Eure Traudi Schlitt

… und bevor ich es vergesse: Schön, dass ihr alle noch da seid!

INHALTSVERZEICHNIS

JAHRESWENDEN

Advent, Advent …

Von Schwänen, Spielen und roten Tannen

Früher war mehr Lametta

Sexy little Christmas

Tatsächlich ... Weihnachten!

Stille Tage

Zwischen-den-Jahren-Blues

Was bleibt …

We go high

Vorsätze

Freibeuterin

Die Zwanziger kommen!

Der fast-C-freie Jahresrückblick

ALLTAGSWAHNSINN

Düsenjet-Alarm

Sächsism

Deutschland steht Gopf

Entdeckung der Langsamkeit (II)

Wahlvorschläge, bitte!

Alles nur gefühlt

Heul doch!

Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit (II)

Sylter Feelings

Göttliche Un(-)Ordnung

Hallenbad-Blues

Depp(in) der Dinge

Drückt euch fest!

Der geschenkte Samstag

Mehr Zeit?

FAMILIENWAHNSINN

Mission Impossible

Muttertag 2018

Abitur, Abitur!

Ist das Kunst oder kann das weg?

Schuhstandsmeldungen

Muttertag 2019

Jetzt ist er weg

FRAUEN, MÄNNER, LIEBE UND SO

Mee Too

Frauengrippe

Moderner Dreikampf

Wenn der Sanddorn steht …

Das mit den Männern und den Frauen …

Rushing Women

Männertag

Vom Veilchen zur Rose

Alles neu macht der Mai

Freundinnen fürs Leben

Feministin? Mensch!

Romantik pur

Klimaxtage

Rosenkohlmeditation

Wasserwelle

Sprichst du noch oder genderst du schon?

TRAUDI SPEZIAL (oder geht das nur mir so?)

Meine Zeit! Meine!

Muttersprache

Prosopagno - was?

Digital Virgin

Lost in Strebendorf

Date mit mir

Abrikadabri

Prinzen im Geiste

Bildet euch!

Mein Freund, das Buch

Urlaubsmorgen

Traudi am Steuer

CORONA

Notfall-Papier

Ein Land fährt runter

Scheiß-Carola

Liebe in Zeiten der Carola

Carola to go

Eigentlich Pfingstmarkt …

Home Urlaubing

#staycation

Abstand

… und es hat Zoom gemacht

My Corona

Co-lateral-Schäden

Maskenball

Heiliger Wahnsinn - helau!

Saukalt

Mpf-Wort des Jahres

Impfwahnsinn

Neue Freiheit

Wanninger digital

ZUM SCHLUSS:

Fräulein Kink

Von Wundertüten und schwarzen Löchern I

Von wundertüten und schwarzen Löchern II

Eine köngliche Handtasche

JAHRESWENDEN

Advent, Advent …

Da war es! Das erste Weihnachtsfilmchen. Am ersten Advent, pünktlich um 8.27 Uhr kam es über WhatsApp zu mir und war ein animiertes, blinkendes Weihnachtshaus, zu dessen bunten Lichtzuckungen eine ungenannte Person Amazing Grace sang. Ich ließ das Filmchen durchnudeln und schaute auf die YouTube-Leiste auf meinem Bildschirm, die mir weitere Weihnachtsgenüsse verhieß. Es folgte ungefragt ein Film, den jemand aus Aufnahmen von 1941 zusammengeschnitten hatte und mit einem Weihnachtslied aus 1963 hinterlegt hatte, um schöne, altmodische Weihnachtsstimmung zu zaubern. Ich wunderte mich, dass in den Kriegsjahren ein schöner gutgenährter Mann auf dem Bild zu sehen war, doch bevor ich meine Gedanken darüber, dass es sich bei dem honorigen Mann vielleicht um einen Nazi-Funktionär handeln könnte, dem das amerikanische Stück „Merry Christmas Darling“ wohl nur so mittel gefallen hätte, weiterspinnen konnte, sprang schon das nächste Lied an:

„Staad, staad“, spielte eine bayrische Sängerin, namens karenmuenchen, die sich mit ihrer Klampfe hinter ein bunt geschmücktes Fenster gesetzt hatte, in dreifacher Erscheinung hingebungsvoll dieses volkstümliche Lied sang, das sie unten drunter – vermutlich für das geneigte amerikanische Publikum auf Englisch erklärte: „This will be my last song this year...and it is a very special , very old Bavarian country song . This kind of songs which were sang and played traditional in the ‚pre-Christmas period‘, called the ‚Adventszeit‘ (time in Advent) and you could hear them in all Alpine Villages, the whole family comming together, sitting in their cottages and celebrating the Christmas festivity.“ Dann schreibt karenmuenchen den Text ihres Liedes darunter, der so schöne Passagen enthält wie „Staad, staad, heit is´Advent, wia unsa Kerzerl sche brennt, ham ma zum Denga grad gnua, gemma vo´soi ba a Ruah.“, um dann zu erläutern: „Well, to be short...it means: ‚Silent , silent...today is Advent, see how our candle burns...we have some time to think about‘ und so weiter und so fort.

Da ich direkt mit dem Schreiben dieser schönen Kolumne angefangen hatte, die mir ja quasi als erstes Weihnachtsgeschenk zugeflogen war, während ich verzweifelt über das Thema einer neuen Weihnachtskolumne nachdachte, konnte ich nicht verhindern, dass ein weiteres Weihnachtslied am frühen Morgen mein kleines Büro erfüllte. Es hieß „Es wird scho glei dumpa“, und dargeboten wurde es in diesem Fall vom Familiendreigesang Kröll, drei in adrette festliche Dirndl gekleidete CSU-Wählerinnen mit einem hageren nicht weiter benannten Mann an der Zither. Während ich so drüber nachdachte, ob die Bayern jetzt auch noch die Kulturhoheit über weihnachtliches Liedgut im Land haben, stieß ich auf einen Kommentar unter dem Clip. Richard Himmelstoss (die Frage, ob er wirklich so heißt oder nicht, wollen wir mal dahingestellt lassen), sieht das nämlich so: „Dieses Lied hat schon sehr viele progressive Modeerscheinungen überstanden, von denen heute kein Mensch mehr spricht. Der Zugang zu dieser Darbietung erschließt sich besonders österreichischen und bayerischen Zuhörern, die intelektuell und mental das Werk zu würdigen wissen.“ Dass Herr Himmelstoss intellektuell damit überfordert war, das Wort „intellektuell“ richtig zu schreiben, wollen wir nicht unerwähnt lassen…

Ja, und jetzt weiß man auch, warum es keine hessischen Weihnachtslieder gibt, und man sich auf YouTube von den Perrseer Dirndln oder den Ursprung Buam weihnachtlich bedudeln lassen kann. Zwischen die Clips hatte sich übrigens der Ernährungscoach Patric Heizman geschlichen, der kurz vor Weihnachten damit warb, Menschen per Webinar und mit Hilfe ihrer Hormone schlank zu machen, aber das nur am Rande.

Ich schaute auf die Playlist neben den Filmen und war fast froh, unter Hansi Hinterseer, also jetzt nur in der Liste, Helene Fischer zu finden, die mit „Maria durch ein Dornwald ging“ eines meiner weihnachtlichen Lieblingslieder singen wollte, und ich frage mich, welcher Star wohl welches Lied noch nicht gesungen hat. Es ist natürlich schwer, eine vollständige Liste aufzumachen, aber es ist sehr leicht, den alten Karl-Valentin-Spruch zu variieren: „Es wurde zwar schon alles gesungen, aber nicht von jedem.“ Gerade die Stars der Volkmusik und des Schlagers müssen ja quasi irgendwann mal eine schwülstige Weihnachts-CD veröffentlichen – die Liste geht von den Amigos über Andreas Gabalier und Michelle bis hin zu – ich kann es Ihnen nicht ersparen – Wolfgang Petry. Bei uns kann es nun auch nicht mehr lange dauern, bis unsere hausinternen Helene-Fischer-Fans deren Weihnachtswerk wieder hervorholen, auf deren Cover sie in wunderschön weichgezeichnetem Sepia auch noch so unverschämt gutaussieht, dass man sich fragt, ob man nicht vielleicht doch mal die Dienste des Ernährungscoaches in Anspruch nehmen sollte. Wäre aber natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wie man realistischer Weise sagen muss, von daher: Ohren zu und durch!

Von Schwänen, Spielen und roten Tannen oder Weihnachten bei Trumps und Königs (2018)

Weihnachten ist ja an sich schon schwierig, also so für uns Normalos, oder die wir uns dafürhalten, aber natürlich ist das kein Vergleich zu dem Weihnachtsstress der Promis. Mir fiel das auf, als Melania, die Gattin dieses merkwürdig frisierten US-Präsidenten, wieder einmal Spott und Häme erntete, die Arme, und zwar für ihre Weihnachtsdeko. Offenbar ist es die originäre Aufgabe der Präsidentengattinnen, das Weiße Haus zu dekorieren, und wahrscheinlich ist das schon allein der Grund, warum Hillary Clinton nicht gewählt wurde: Man stelle sich vor, ihr Mann, Bill, würde das Weiße Haus dekorieren. Mit seinen Vorlieben! Das kann ja keiner wollen.

Also, Melania: Waren es im letzten Jahr noch weißgezuckerte Weihnachtsbäume, die im Foyer der Machtzentrale standen, hat sie dieses Jahr eine Galerie an blutroten zotteligen Tannenbaumimitationen in einen der langen Gänge des Ostflügels gestellt und niemand weiß, was sie damit sagen wollte. Das Internet überschlägt sich mit Kommentaren und Anspielungen, die von Ähnlichkeiten mit den Riesenwaschpuscheln einer Autowaschanlage über Ähnlichkeiten mit Tier, dem Schlagzeuger aus der Muppetshow, bis hin zu einem Vergleich mit Riesentampons gingen, aber zu ihrer Ehrenrettung will ich sagen, dass sie es ja auch wirklich nicht leicht hat. Sie hat wahnsinnig viele Räume auszustatten – da können einem schon mal die Ideen ausgehen. Und ich weiß jetzt auch gar nicht, ob es im Weißen Haus so eine Ecke gibt wie bei uns, wo man jedes Jahr die Weihnachsdeko rausholt und sie dann wieder hinverstaut. Bei den Mengen an Deko im Weißen Haus müsste das ja schon ein kleiner Anbau sein, und so wie ich die First Ladies kenne, will da ja auch keine die alte Deko der Vorgängerin nehmen. Also, ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sich da im Lauf der Zeit ganz schön was angesammelt hat und dass da mehr rumliegt, als bei uns, auch wenn meine Männer das anders sehen.

Und dann wird das dort mit der Weihnachtsdeko ja auch ganz anders zelebriert: Während man meine Aktivitäten wortlos zur Kenntnis nimmt, gibt es bei Melania eine richtige Präsentation:

Wenn sie fertig dekoriert hat und den Rest, den sie nicht braucht, wieder verräumt hat, wenn sie die Leiter und die Heißklebepistole wieder an ihren Platz getan hat und sich die Kleberreste von den Fingerkuppen gekratzt hat, dann zieht sie sich um und schreitet zur Preview der Weihnachtsdeko: Während Mann und Sohn sich vermutlich irgendwo verkrümeln, müssen geladene Gäste und Fotografen „Ah“ und „Oh“ rufen und Fotos machen, und weil so ein bisschen Bling-Bling nicht reicht, wurden im letzten Jahr sogar noch ein paar Tänzerinnen beauftragt, in der damals schneeweißen federähnlichen Deko zu tanzen – es ist ja auch von staatstragender Bedeutung, wie das Weiße Haus zur Weihnachtszeit geschmückt ist, auch wenn Melania es wieder versäumt hat, dem Herrn Gemahl ein wenig Feenhaar aufs schüttere Haupt zu kleben. Er hätte sich nur verbessern können, aber man hört, dass er keinen geeigneten Übergangsplatz für sein orangefarbenes Eichhörnchen gefunden hat. Ich denke, man hätte es vielleicht bis zum Ende der Weihnachtsdeko diskret an einen Ast des Baumes im Red Room hängen können oder auf der Spitze im Baum des State Dining Room platzieren können, aber mich fragt ja keiner.

Staatstragend wird es am Heiligen Abend aber nicht nur im White Haus, sondern auch im Buckingham-Palast, wo ja nun tatsächlich eine geschiedene und wiederverheiratete Amerikanerin mit an der Tafel sitzt. Ihr wurde Medienberichten zufolge eingeschärft, dass sie keinesfalls, also gar keinesfalls, die Queen beim Scharadespielen besiegen dürfe, was für die Schauspielerin natürlich ein Leichtes wäre. Aber was tut man nicht alles am Heiligen Abend, um den Familienfrieden zu retten – wer kennt es nicht? Bei Königs ist das allerdings wirklich nicht einfach. Nicht nur, dass man die Queen beim Spielen gewinnen lassen muss, man darf auch nicht vor ihr schlafen gehen – und das, wo sie so eine Nachteule sein soll! Am anstrengendsten allerdings ist das mit dem Umziehen: Sarah Ferguson verriet letztens einer Zeitung, dass sie sich vom Heiligen Abend bis zum nächsten Abend, im Vereinigten Königreich ja der eigentliche Tag der Bescherung, siebenmal habe umziehen müssen, unter anderem elegant zum Entgegennehmen der königlichen Weihnachtsbotschaft, danach leger zum Spaziergang, danach wieder festlich zu einem luxurösen Dinner. Für mich wäre das nichts, denn ich ziehe mich sehr ungern um, auch ohne Weihnachten. Meistens wird, was da liegt und noch geht, genommen mit dem festen Plan, sich zu einem bestimmten Termin oder Anlass nochmal ordentlich anzuziehen. Ist es dann soweit, schaue ich an mir herunter und denke, geht nomma, wie der Oberhesse und die Oberhessin sagen würden. Und wenn man ein Kleid anziehen will, braucht man ja auch wieder Strumpfhosen und stellt bei der Gelegenheit fest, dass die Beine winterlich unrasiert sind, und vielleicht bräuchte man auch noch ein wenig Shapewear, was das Ganze auch wieder eher unbequem macht. Und so muss es bei uns am Heiligen Abend auch mal reichen, wenn ich die Schürze ausziehe – sofern ich eine anhatte. Mit ein wenig Glück lag morgens was Gescheites auf dem Gewandsessel und wenn nicht, egal. Und in der Kirche lässt man ja ohnehin den Mantel drüber…

Nochmal zurück zu den Royals: Bei meinen Recherchen habe ich erfahren, dass die Queen laut eines Erlasses aus dem 16. Jahrhundert Besitzerin so gut wie aller Schwäne auf der Insel ist und das Recht hat, diese auch zu essen. Macht sie aber nicht. Sie zieht wie alle ihre Landleute Truthahn vor – eine Präferenz, die die Truthähne sicherlich gerne an die Schwäne abgeben würden. Aber es fragt sie ja auch keiner. Die Truthähne gibt es übrigens auch für alle Bediensteten. Das ist bei uns übrigens genauso: Da darf ich an Weihnachten mit am Tisch sitzen. In den Klamotten vom ganzen Tag und in der armseligen Deko aus den acht Kisten in der Abstellkammer. Und weil das genau das ist, was ich will, fühle ich mich an Weihnachten inmitten meines kleinen Hofstaates eigentlich sehr königlich. Was will man mehr?

Früher war mehr Lametta

Als ich mir aus gegebenem Anlass wieder mal meine alte Weihnachtskolumnen durchlas – die älteste von ihnen nun doch schon acht Jahre alt -, fiel mir der gute alte Loriot-Spruch ein: Früher war mehr Lametta! Für ganz früher trifft das auf jeden Fall zu; früher war irgendwie sowieso viel mehr Weihnachten. Also, ganz früher jetzt. Mit Lametta, das von Jahr zu Jahr verkrumpelter am Baum hing, und mit echten Kerzen, die – obwohl sich meine schusselige Seite schon als Kind heftigst bemerkbar machte – nie das Brennen anfingen. Ein Weihnachtswunder, wie ich heute weiß.

Erzählt man heutigen Kindern und jungen Erwachsenen nämlich davon, dass man von echten Kerzen am Baum träumt, vom Bienenwachsduft der Kindheit, dann schaut man in schreckgeweihte Augen, die nicht größer sein könnten, wenn man ihnen vorgeschlagen hätte, sie sollten ohne Einarbeitung auf dem Weihnachtsmarkt als Feuerschlucker anheuern. Man kann leicht den Eindruck gewinnen, dass die jungen Leute heute einen völlig anderen Blick auf die Gefahren des Lebens haben als wir, die wir ohne Sicherheitsgurt und Fahrradhelm aufgewachsen sind und ohne Handy mit Trackingfunktion. Wahrscheinlich ist dieses Gefahrenbewusstsein auch mit ein Grund für das aussterbende Lametta. Lametta wurde wegen seines hohen Bleigehalts als gesundheitsschädlich eingestuft, und da die Jugend ja überhaupt nicht mehr risikobereit ist, wurde bereits vor drei Jahren die letzte heimische Lamettaproduktion geschlossen. Nun müssen Weihnachtsfreaks ihr glitzerndes Weihnachtsgewimmel entweder selbst aus Alufolie schnippeln – oder das billige China-Bling-Bling kaufen, das im Land der Mitte zusammen mit unzähligen anderen Weihnachtsdekorationen hergestellt wird: 70% Prozent unserer Weihnachtsdeko kommt aus China, wo niemand so genau weiß, was die westliche Welt mit Glitzer-Rentieren und singenden Männern in roten Mänteln will. Da kann man schon froh sein, wenn nicht hier und da kleine Fehler unterlaufen, wie vor wenigen Jahren, als sich ein kleines Hitlerkonterfei zwischen Rosenmuster und Zierschnitt auf einen Kaffeepott im Vintage-Look für 1,99 Euro geschlichen hatte. Da könnte natürlich durchaus der Verdacht aufkommen, dass hinter den heute so hippen Baumschmuckartikeln wie Weihnachtsgurken, Glitzerfischen oder Totenkopfkugeln gar keine designerische Absicht steht, sondern dass es sich hierbei um Fehlproduktionen oder mit Glitzer versehene Restbestände aus anderweitiger Produktion handelt. Wie dem auch sei: Weil in China der Klimawandel noch nicht so schlimm ist wie hier und das mit dem Arbeitsschutz nicht so eng gesehen wird, darf neben allem anderen Weihnachtszeug dort glücklicherweise auch Lametta hergestellt werden, das hier allerdings als Sondermüll entsorgt werden sollte.

Aber es ist ja nicht nur das Lametta, das fehlt. Mehr und mehr stelle ich fest, dass auch die Geschenke rar werden, also die richtigen, die die man groß und fett und bunt unter den Weihnachtsbaum stellen kann und die wir vor Jahren noch im Kofferraum unseres Kombis von A nach B und C und zurückgefahren haben. Ganz zu schweigen von den Papiermengen, die es nach Weihnachten zu entsorgen gab – natürlich im Altpapier, wo sonst, es sei denn, es hätten sich Lametta, Feenhaar oder eine kleine Lichterkette darin versteckt…

Was waren das für Weihnachtsvorbereitungen, als ich noch Verstecke suchte für Pakete noch und noch, als der Hermesbote und der Postbote sich bei uns die Klinke in die Hand gaben, die Augen der hiesigen Einzelhändler mich nur so anstrahlten und mein Büro voller anonymisierter Pakete überquoll, weil ich dachte, meine Kinder würden die vielen Kartons für Toner- und Kopierpapierlieferungen halten. Und dann das Einpacken. Abende lang stand ich bei Weihnachtsmusik, aromatisiertem Tee und Kerzenschein und packte ein. Machte Schleifen, klebte Sternchen und hängte noch ein bisschen Deko dran, schrieb kleine Kärtchen für die Beschenkten - und heute: Nix! Kein einziges Päckchen weit und breit, weil ich andere Dinge verschenke – gemeinsame Zeit bei einem schönen Event, Konzert, Theater, Essen – sowas in der Art, damit man auch im neuen Jahr gleich schon wieder ein paar frische Termine hat. Das Praktische daran ist, dass man mit ein wenig Glück einen Geistesblitz für den ganzen Inner Circle der Familie hat. Das Unpraktische ist, dass man damit die ganze Familie an einem Tag X zusätzlich zum Weihnachtsfest zusammenführt – ganz egal ob, die das will oder nicht. Weihnachten ist schließlich kein Zuckerschlecken, und wenn der Geistesblitz erstmal da ist, kann man auf kleine persönliche Befindlichkeiten eben nicht immer achten. Wenn sich für die Großeltern also das Amigo-Konzert als Geschenkidee anbietet, kann es uns und den Enkeln doch nicht schaden, da mal mitzugehen, oder?!

Mit einem kleinen Click kann man auf dieses Weise bis an die zehn Personen glücklich machen oder zumindest beschenken – vorausgesetzt, man findet die klitzekleinen Eintrittskarten und Gutscheine, die man irgendwann ausgedruckt hat oder die mit der Briefpost ins Haus flattern, wieder rechtzeitig vor dem Fest – bei dem Chaos auf dem Schreibtisch ist das an sich schon das Weihnachtswunder schlechthin!

Die anderen, die außerhalb dieses erlauchten Kreises, bekommen das gängige Pendant zur Zeit geschenkt: Geld. Manche aus dem Zeitgeschenke-Pool mögen da vielleicht neidisch hinschauen, aber wer nun mit welcher Gabe glücklicher ist oder glücklicher wäre, das kann ich wirklich nicht erörtern. Und eins schon mal gleich vorweg: Getauscht wird nicht!

Doch egal, ob Geld oder Zeit: Um beides schön zu verpacken, fehlt mir noch so ein bisschen die Idee. Es würde ja schon reichen, einen Gutschein oder einen Geldschein irgendwo dran zu hängen. Ich gehe jetzt nochmal los, vielleicht finde ich ja noch irgendwo eine schöne Weihnachtsgurke, ein Glitzertortenstück, einen sprechenden Weihnachtsbären – und wenn nicht, dann backe ich mir was, denn auch hier gibt es inzwischen Formen und Motive, von denen hätte zu Lamettazeiten niemand auch nur geträumt. Aber das hebe ich mir für nächstes Jahr auf!

Sexy little Christmas

In dem Edeka-Laden, in dem ich aufgewachsen bin, konnte man ab Ende November Adventskalender für die Kinder kaufen. Es waren meist DinA4-große dickere Kartonblätter, auf die ein weiteres aufgeklebt war, das nummerierte Türchen besaß, die man öffnen konnte, um ein mehr oder weniger gelungenes weihnachtliches Motiv zu finden. Eigenlicht sollten sie nur die Zeit bis Weihnachten ein wenig verkürzen und die Tage zählen helfen. Das Fensterchen vom 24.12. war immer am größten und das Bild war immer eine Krippe. Im Lauf der Jahre wurden die Adventskalender immer raffinierter: Erst glitzerten sie und dann wurden sie dicker und hinter ihren Türchen verbarg sich Schokolade in Stern-, Glockenoder Nikolausform. Doch auch das reichte bald nicht mehr aus. Die Schokoladen- und Spielwarenindustrie rüsteten auf, und inzwischen gibt es kaum einen namhaften Hersteller, der nicht einen wild designten Adventskalender mit kleinem Zeug für ein Vielfaches des Warenwertes verkauft, damit Kinder in der westlichen Welt Ü-Eier, Lego, Playmobil oder was immer das Herz begehrt oder das Kinderfernsehen und Weihnachtskino gerade hypen, hinter den Türchen hervorholen. Selbst für Babys ab einem Jahr habe ich schon Adventskalender gesehen. Angeblich werden die Kinder ja immer schlauer, aber ob schon ein einjähriges Kind im Stand ist, die Türchen selbst zu finden und zu öffnen und im Anschluss die kleinen Teile nicht zu verschlucken – ich weiß ja nicht.

Wahrscheinlich bleibt das, wie vieles Weihnachtliche, an der Mutter hängen, sofern die nicht mit ihrem Adventskalender für Schwangere und junge Mütter beschäftigt ist. Darin befinden sich für 219 Euro so tolle Dinge wie Schnuller, Rassel und Beißring und – weil es ja eigentlich für die Mutter ist – ein Streifenlos-Balsam zur Vorbeugung von Schwangerschaftsstreifen. Ich stelle mir es toll vor, als junge Mutter Schnuller und Rassel aus meinem Adventskalender zu holen und bin meiner Umwelt im Nachhinein dankbar, dass sie mich damit verschont hat. Allerdings hat sie mich auch mit allen anderen Adventskalendern verschont, wohingegen ich als erwachsene Frau mitunter ziemlich losgelegt habe. Irgendwann verfiel ich nämlich der irrwitzigen Ansicht, erwachsene Männer bräuchten Adventskalender und ich bastelte, was das Zeug hielt. Mit dem realistischen Blick einer Überfünfzigjährigen kann ich heute sagen: Es hat sie weder interessiert noch begeistert und genau das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich niemals einen Adventskalender von einem von ihnen bekommen habe oder bekommen werde. Sie können einfach nichts damit anfangen.

Doch das wird sich ändern: Die Industrie für Erwachsenen-Adventskalender läuft auf Hochtouren, wahrscheinlich weil die Männer dann irgendwann doch dachten, dass sie nicht mit ganz leeren Händen dastehen könnten, wenn ihre besseren Hälften wieder mal gebastelt haben. Es begann harmlos mit hochwertigen Pralinen-Adventskalendern und steigerte sich im Lauf der Zeit zu Kosmetikadventskalendern der verschiedensten Marken und in den verschiedenen Preisklassen. Da kann man ja nicht viel falsch machen und von 20 Euro bis 400 Euro sind der Fantasie hier keine Grenzen gesetzt. Wenn man bedenkt, dass man dafür eigentlich auch das ganze Jahr über nur die überflüssigen Pröbchen aus der Parfümerie und den Frauenzeitschriften sammeln und eine Nummer draufkleben müsste, ist das natürlich ein teurer Spaß, aber über Geld wird in der Weihnachtszeit ja nicht gesprochen. Und so findet man zahllose, wirklich zahllose Adventskalender für Erwachsene, hauptsächlich Frauen, im Handel. Als Kosmetik-Special sei hier der „INNER BEAUTY“-Adventskalender hervorgehoben, der mit dem Slogan „All I want for Christmas is Youth“ wirbt und verspricht, das volle Schönheitspotenzial abzurufen und die jugendliche Elasitzität möglichst lange zu erhalten. Unter „Inner Beauty“ hatte ich mir zwar was anderes vorgestellt, aber jugendliche Elastizität kann ja auch nichts schaden, und wir können uns uns ja auch immer noch schön trinken: Von „Geile Weine“ über den „24-Days-Rum“-Kalender bis hin zu dem „Single-Malt-Whisky“-Kalender mit LED-Funktion gibt es wirklich alles. So hat man bis Weihnachten dann schon einen kleinen Grundpegel und die Lampen an – was kann da schon schiefgehen?

Allerhand, denn neben den Gewürz-, Tee- und Gourmet-Weingummiadventskalendern, neben den „Für Männer“ deklarierten Kalendern, die beispielsweise minderwertiges Werkzeug, Barthaarpflege oder Schokolade mit Playboy-Motiven enthalten, gibt es da ja noch die ganz andere Sparte, die, bei der – Insider ahnen es – es im Karton rappelt Und im Adventskalender auch – für schlappe 450 Euro beispielsweise! Getreu dem Motto „Have yourself a sexy little Christmas“ kann man hier Türchen zur „horny 12“ oder „hot 16“ öffnen. Wen man damit beglückt, muss man gut überlegen, denn wenn Fingervibratoren, Cockrings, Loveballs, Lederhandschellen und pinkfarbene Augenmasken aus Satin nicht zum Standardrepertoire gehören oder man die oder den Beschenkten noch nicht allzu lange kennt, könnte es schon mal zu vorweihnachtlichen Irritationen kommen. Aber spätestens, wenn man dann bis zum Fest die zweite Tube Gleitgel verbraucht und am Heiligen Abend den Paarvibrator in Weihnachtsrot ausgepackt hat, ist das sicher wieder vergessen, oder?

Was auch immer Ihr Fest schön macht – genießen Sie es!

Anmerkung: Diese Kolumne stammt aus dem Jahr 2019. Wer sich für die Quellen heute noch interessiert, kann sie gerne (natürlich vertraulich und unter dem Siegel der mir größtmöglichen Verschwiegenheit) anfragen.

Tatsächlich ... Weihnachten!

Jedes Jahr um die Weihnachtszeit gibt es einen Abend, da sitze ich auf der Couch vor meinem Glas Rotwein und heule Rotz und Wasser. Ich weine mit meinem Freund Daniel, der gerade seine Frau verloren hat und – begleitet von Musik der Bay City Rollers – von ihr Abschied nimmt und nun mit seinem blonden, treuherzigen Stiefsohn irgendwie weiterleben muss, der seinerseits unglücklich in die Schulschönheit verliebt ist. Ich verzweifle mit Karen, als sie feststellt, dass die Kette, die sie kurz zuvor im Jackett ihres Mannes gefunden hat, nicht ihr Weihnachtsgeschenk war, und kann mich – wie sie – kaum zusammenreißen, dass die Familie nichts von ihren Tränen mitbekommt. Dazu singt Joni Mitchell und alle Dämme brechen. Ich fiebere mit Jamie, der am Weihnachtsabend in Marseille, begleitet von dramatischer Orchestermusik und der halben Stadt, um die Hand seiner Liebsten Aurelia anhält. Ich tanze mit dem Prime Minister zu „Jump“ durch Downing Street No 10, und schäme mich fremd, wenn der abgehalfterte Sänger Billy Mack splitterfasernackig Gitarre spielt.

Haben Sie auch so Weihnachtsbeziehungen, ohne die Sie an den Feiertagen nicht über die Runden kommen? Als wir klein waren, liefen unter dem Motto „Warten aufs Christkind“ immer die tollsten Sachen auf den beiden verfügbaren Programmen, die uns ablenken sollten vom geheimnisvollen Treiben bis zur Bescherung. Einmal kam meine Mutter zu uns ins Wohnzimmer. Es war mucksmäuschenstill und wir hatten hochrote Ohren, was daran lag, dass sie bei „Maxifant und Minifant“ eine echte Geburt zeigten. Das war meiner Mutter damals in den 70ern doch too much Ablenkung, auch wenn so eine Geburt natürlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Weihnachtsabend steht. Dann doch lieber wieder sowas Unvergängliches wie die schönen Geschichten aus Lönneberga. Noch heute schießen mir vor Rührung die Tränen in die Augen bei der Erinnerung daran, wie jede Weihnachten der kleine Michel den verletzten Knecht Alfred durch den Schneesturm nach Mariannelund zum Arzt bringt und ihn damit vor dem sicheren Tod bewahrt. Und wie stolz seine Mutter dann doch auf ihn war! Aaah… Dann war da noch das Aschenbrödel, das auch in diesem Jahr wieder sage und schreibe zwölfmal seine drei Nüsse knacken muss, um die passende Kleidung darin zu finden, mit der es den Prinzen erobern kann. Ach, wenn’s doch nur so einfach wäre. Apropos Prinz – ich sage nur: „Ach Sissi“ – „Ach Franzl“.

Angesichts dieser und anderer Schmachtfetzen wie „Der kleine Lord“, „Ist das Leben nicht schön?“ oder das „Wunder von Manhattan“ darf man sich schon fragen, warum – zumindest aus filmischer Sicht – an Weihnachten mehr geweint werden soll als an anderen Tagen. Und geweint werden will, schließlich schauen wir ja das ganze klebrige Zeug freiwillig an.

Waisenkinder finden neue Familien, Scheidungskinder bringen ihre Eltern wieder zusammen, mehrfach werden auch hartherzige Karrierefrauen endlich geläutert – kein Weihnachtswunder ist zu klein, schon gar nicht für Hollywood! Neben diesen Tränendrüsendrückern – natürlich mit Happy-End-Garantie - gibt es zahllose Klassiker, der bekannteste natürlich: Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte, tausend Mal verfilmt, nicht zuletzt mit den Muppets. Überhaupt gibt es viele Trickfilme, animierte Filme, Filme mit sprechenden Tieren – vorzugsweise Elche. Besonders die amerikanische Filmindustrie hat sich auf Weihnachtsschwarten aller Art spezialisiert: Wir lernen Weihnachtselfen kennen, von denen wir in unserem Kulturkreis bisher nichts wussten, entdecken Santa Clause und den Grinch, den Weihnachtshasser, der eigentlich der beste Weihnachtsmann von allen ist. Wir reisen mit dem Polar-Express an den Nordpol oder mit einer Zeitmaschine auch gerne mal an die Front, wo vor über hundert Jahren am Weihnachtsabend die Waffen schwiegen. Apropos Front. Für Männer ist das ja alles nix, das zuckrige Zeug, wie wir aus sorgfältigen Studien am lebenden Objekt wissen. Für sie hat aber glücklicherweise Bruce Willis Abhilfe geschaffen: Er hat „Stirb langsam“ zum Weihnachtsklassiker mit Testosteron-statt-Zucker-Overkill erkoren und befreit als einsamer Polizist John McClane am Heiligen Abend ganz Los Angeles vom Bösen (übrigens in Gestalt eines deutschen Gangsters). Anstatt einer großartigen Geburt gibt es hier unzählige Todesfälle, John McClane allerdings überlebt, schließlich musste er anschließend noch in vier Fortsetzungen ran, von denen zumindest die erste auch noch für einen Weihnachtsactionfilm gut war. Egal, ob „Tödliche Weihnachten“, „Nightmare before Christmas“ oder „Bad Santa“ – der geneigte männliche Zuschauer kommt hier auf seine Kosten, auch wenn die Romantikfraktion am anderen Ende der Couch lieber etwas anderes gesehen hätte. „Tatsächlich Liebe“, zum Beispiel. Wissen Sie, da wo am Ende, wenn ich beseelt beim dritten Rotwein sitze, jedes Jahr wieder alles gut wird: Der Witwer trifft auf Claudia Schiffer (in echt jetzt), der abtrünnige Ehemann sieht seine Dummheit ein, und der Prime Minister steht zu seiner etwas moppeligen Ex-Sekretärin. Mehr Weihnachtswunder geht nicht!

Stille Tage

Jedes Jahr, wenn ich meine Weihnachtskolumne schreibe, leide ich immer erstmal ein bisschen unter dem Eindruck, dass ja immer alles gleich ist. Irgendwann kommen mir dann doch noch neue Gedanken, sei es in Form von Melanias Weihnachtsbaumdesaster im Weißen Haus (Wer war nochmal Melania?) oder den ungewöhnlichen Weihnachtsangeboten der Sex-Toy-Industrie. Dieses Mal – und das ist einer der Vorteile von 2020 – ist wirklich alles anders! Und wie immer kommt es drauf an, was man draus macht.

Jetzt mal abgesehen von allem, was nicht geht – gemeinsame Abende mit Freunden, Bummel auf dem Weihnachtsmarkt, Shoppen, bis der Arzt kommt (der oder die in diesem Jahr auch anderweitig dringend gebraucht wird), die unvermeidlichen „Driving homes for Christmas“, glühweinselige Treffen an schönen Orten – ist es doch auch sehr entspannend, einfach mal nichts großartig vorzuhaben, finde ich. Da macht es letztendlich auch nichts, dass die Läden früher geschlossen sind, denn wenn man nirgends hinfährt, braucht man auch keine Geschenke. Ist das nicht praktisch? Wir konnten uns in diesem Jahr sogar mit einer der Großmütter verständigen, dass sie auf die Übergabe von Geld an uns verzichtet und wir dafür auf die Übergabe eines etwa gleichwertigen Gutscheins an sie. Ist das nicht revolutionär? Und ist das nicht die vielbeschworene Chance, die in der Krise liegt und die hoffentlich über die Pandemie hinaus Bestand haben wird?

Als alter Listenfan habe ich – auch um mich und andere in bisschen aufzumuntern – mal eine Aufstellung gemacht, was für mich persönlich besser an diesem Weihnachten ist als sonst. Vielleicht ist da für den einen oder die andere ja auch eine Anregung dabei:

1. Man kann in diesem Jahr deutlich weniger essen, da man ja nur bei sich selbst eingeladen ist und sozusagen autonom in der Essensabgabe und -aufnahme. Dafür kann man deutlich mehr trinken, da man nicht mehr fahren muss. Eventuell wird das auch nötig sein.

2. Man kann in diesem Jahr ohne schlechtes Gewissen ausschlafen, da keine, wirklich gar keine Termine im Kalender stehen.

3. Man kann endlich hemmungslos alle Sendetermine von „Drei Nüsse für Aschenputtel“, „Tatsächlich Liebe“ und „Obendrüber, da schneit es“ ausnutzen. Mit ein wenig Glück ist dann auch noch Platz für die Lieblingsliste meines Mannes, der sich – wie Ostern auch - auf alle Folgen von „Winnetou“ freut. Und falls das mit dem Alkoholkonsum überhandgenommen haben sollte, würden wir uns vielleicht auch noch zu „Sissi 1 – 3“ hinreißen lassen. Aber da müsste es schon sehr hart kommen, und da würde sich auch die Frage stellen, ob das noch in die Vorteilsliste aufgenommen werden könnte.

4. Auf jeden Fall könnte man beim Fernsehen endlich mal alle angefangenen Strickarbeiten der letzten Jahre beenden. Ich habe davon so viele rumliegen, dass ich dafür auch die Feiertage um Silvester noch einplanen könnte, allerdings bin ich da gerade noch nicht aussagefähig, was das passende Fernsehprogramm betrifft. Zur Not müssen wir auf unsere alten Tage eventuell doch noch netflixen oder so. („Netflixen“ wird von der Rechtschreibkontrolle nicht angemahnt – was ist da nur die letzten Jahre an mir vorbeigegangen?)

5. Man könnte Spiele spielen: Ich zum Beispiel könnte mit meinem Sohn endlich das Malefizspiel zu Ende spielen, das wir am 6. Mai 2012 aus inzwischen vergessenen Gründen abrupt abbrechen mussten, dessen Stand wir aber als Handyfoto dokumentiert hatten.

6. Und natürlich kann und sollte man lesen. Viel lesen. Der Stapel aller Bücher, die ich mal lesen will, wenn es Zeit ist, ist hoch. Und zur Sicherheit habe ich mir im Buchladen meiner Wahl am Weihnachtsfensterchen auch noch ein paar Bücher dazu geholt. Hamstern ist ja so in, dieser Tage – es kommt halt auch hier drauf an, was man hamstert! Auch meine Fachzeitschriften türmen sich ungelesen im Bad. So viel kann da gar nicht sitzen, dass ich das noch schaffen würde. Brigitte und Barbara dürfen über die Feiertage ihren angestammten Platz neben meinem stillen Leseörtchen verlassen und mit ins Wohnzimmer kommen. Dort werden sie mit mir lange, lange Weihnachtsnachmittage bei Tee oder Punsch oder Kakao auf dem Sofa verbringen.

7. Des Weiteren sollte man in diesen Tagen unglaublich viel telefonieren, skypen, zoomen. Es ist Zeit dafür, ehrlich! Und noch was für die Masochisten unter uns:

8. Man kann natürlich auch die vielen anderen Sachen machen, die in den diversen Lockdowns und Quarantänen des Jahres aus unerfindlichen Gründen immer noch nicht dran waren: die Ablage im Allgemeinen und die Steuererklärung im Besonderen und somit für kleine persönliche Weihnachtswunder (und dem Hörensagen nach für ein gutes Gefühl) sorgen. Aber das kann man auch lassen. Es soll ja ein schönes Fest werden, das muss man ja nicht mit aller Gewalt verderben.

Noch ein Tipp: Bei so vielen Aktivitäten, die im Sitzen oder im Liegen stattfinden, sollte man entweder ein, zwei Pilates-Tutorials runterladen und sie mit der Familie in einer gruppendynamischen Tageseinheit durchführen. Und man sollte die Öffnungszeiten der hiesigen Drogerien nutzen und sich ein wenig Franzbranntwein gegen Wundliegen und Verspannungen aller Art besorgen. Wenn man seine Mitbewohner damit einreibt, kann es zu vielen schönen weiteren weihnachtlichen Beschäftigungsideen kommen, und ich will damit gar nicht auf meine Kolumnenidee vom letzten Jahr anspielen. Gar nicht. Und natürlich sollte man bei all dem hygge homing nicht vergessen, ab und an vor die Tür zu gehen. Von Sauerstoffentzug ist in den Vorschriften ja glücklicherweise nicht die Rede.

Also, ich glaube, aus den vor uns liegenden Feiertagen lässt sich einiges machen. Und ganz ehrlich: Ich persönlich habe schon weitaus, weitaus schlechtere Weihnachten gehabt als dieses, weil es jenseits von Laden- und Gastronomieschließung andere Hindernisse für ein schönes Fest gibt. Dafür muss man allerdings mitunter seinen Horizont erweitern und jenseits der eigenen Grenzen schauen, und auch dafür könnte dieses Weihnachten eine gute Gelegenheit sein. Ja, ich gebe zu, als die Situation sich zuspitzte, habe ich bei meinem vorletzten Wocheneinkauf schon mal gefrorene Gänsebrust und Kühlschrankklöße und eine – hoffentlich – ausreichende Menge meines Lieblingsrotweins gekauft. Mit der Quarantäneerfahrung der letzten Wochen denke ich, wir könnten überleben. Auch dieses Weihnachten.

Machen Sie es sich schön! Machen Sie es zu dem entspanntesten Fest, das Sie je hatten. Und wollen wir hoffen, dass es nie wieder so ruhig wird!

Zwischen-den-Jahren-Blues

Die einen Feiertage waren um, die anderen standen noch vor der Tür, und ganz plötzlich befiel mich beim Blick auf eines der Weihnachtsgeschenke eine tiefe Melancholie: Es war so ein Geschenk, das keiner haben will, das aber dringend jemand verschenken wollte, und nein, wir sind noch nicht beim Thema Schrottwichteln! Das Geschenk lag neben einem anderen Geschenk, über das man durchaus das Gleiche sagen konnte, andernfalls hätten sie ja am 29.12. nicht mehr dagelegen, wo man sie direkt nach dem Empfang abgelegt hatte. Da viele meiner Leserinnen und Leser aus meinem näheren Umfeld kommen, kann ich jetzt leider nicht genau darauf eingehen, um welche Geschenke es sich handelt – die Wiedererkennungsangst wäre zu groß - aber die kleinen Päckchen werden jetzt sicher Wochen lang auf diesem Platz verharren, weil man sie nicht wegwerfen will. Das wäre ja dem Schenkenden gegenüber auch blöd und ein bisschen ungerecht, da man es ja gutgemeint hat. Außerdem würde es bei mir selbst natürlich ein ganz und gar schlechtes Gewissen verursachen. Bei meinem schauspielerischen Talent würde es bei der nächsten Begegnung wie ein Spruchband auf meiner Stirn stehen: „Und übrigens: Dein blödes Geschenk habe ich noch gleich am nächsten Tag weggeschmissen. Hat mir nicht gefallen und meinen Gästen und Familienmitgliedern auch nicht.“ Das kann man ja nicht bringen.

Man kann es auch nicht weiterverschenken, weil man ja nichts verschenken kann, was einem selbst nicht gefällt, und weil auch die Gefahr groß ist, dass es am Ende wieder bei dem Erstschenkenden landet. Und so liegen die Sachen da und liegen und liegen, bis man sich dann kurz vor Ostern mit dem Gedanken angefreundet hat, dass sie für den Grad ihrer Hässlichkeit und Nutzlosigkeit nun lange genug an prominenter Stelle für schlechte Vibrations gesorgt haben. Ab April dürfen sie guten Gewissens in die Tonne wandern. Ist das nicht furchtbar traurig?

Mit anderen Geschenken ist das schon was anderes: Die geschenkte Flasche mit außergewöhnlichem Sekt kam mir gerade recht, als wir eine spontane Einladung am zweiten Weihnachtstag erhielten. Ich nahm sie mit und stellte mir vor, dass sie vielleicht schon auf genau diesem Weg am ersten Feiertag zu uns gekommen sein könnte. Allerdings war ich mir sicher, dass sie dort, wo sie jetzt war, ihren letzten Aufenthaltsort gefunden haben und ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt werden würde. Als nächstes spontanes Geschenk nahm ich ein Buch mit, das ich am Abend zuvor geschenkt bekommen hatte, ein schönes Buch, wirklich. Ich hatte es mir selbst gewünscht, aber jetzt brauchte ich halt dringend was – und zwar was richtig Gutes! Ich würde es mir einfach nochmal nachkaufen. Musste ich gar nicht: Meine Freundin hatte genau das gleiche Buch am Vorabend geschenkt bekommen, und ich konnte meines, nachdem ich besten Willen gezeigt hatte, wieder mitnehmen! So ist das eben mit guten Geschenken!

Eine schöne Möglichkeit, ungeliebte Geschenke loszuwerden, ist ja immer gern das Schrottwichteln. Allerdings gibt es auch hier eigentlich nur Verlierer. Wir haben in diesem Jahr eine Riesenbrotdose in Bananengelb mit bananenförmigem Griff zum sicheren Transport einer solchen erwirtschaftet. Dafür hatten wir ein vergleichsweise harmloses, wenn auch recht hässliches Weihnachtsmännchen in die Schrottwichtelkiste geworfen. Im Nachhinein betrachtet, würde ich diesen Tausch gerne rückgängig machen, schon allein, weil das Männchen nur einen Bruchteil so groß war wie die Bananen-Brot-Dose und auch farblich nicht so aufdringlich gestaltet. Ich werde die Riesen-Bananen-Brot-Dose mit dem Plastikmüll entsorgten, denke ich, und mir fällt die Geschichte von dem Rucksack ein, den jeder mit sich trägt: Wirft man alle auf einen Haufen, nimmt angeblich wieder jeder seine eigene, ihm vertraute Last. So ähnlich ist das mit dem Schrottwichteln auch…

Aber zurück zur Melancholie zwischen den Jahren, die in diesem Jahr nicht nur von trübem Regenwetter und grauem Himmel begleitet wird, sondern auch von der Liste der vielen unzähligen Dinge, die man zwischen den Jahren, nämlich zwischen 2017 und 2019, nicht geschafft hat. Große Dinge, wie das Ausmisten des Kellers, gehören dazu, und noch größere, wie das immer wieder verschobene und nun in zwölf Monaten gar nicht stattgefundene Treffen mit der Freundin. Es ist alles so traurig, finden Sie nicht?! Mein Blick fällt auf den Weihnachtsbaum, über dessen Glanz man sich wenige Tage zuvor noch gefreut hat und der jetzt schon langsam wieder anfängt lästig zu werden: Eigentlich stand er ohnehin schon die ganze Zeit im Weg. Jetzt nadelt er auch noch. Kaum im Haus, wird es eigentlich schon wieder Zeit, dass man ihn loswird. Genauso wie die Weihnachtsdeko, die man vor wenigen Wochen so erwartungsvoll aus ihren Kisten geholt hat, und die Weihnachtskekse, die aus unerfindlichen Gründen schon ab dem 24.12. keiner mehr will. Die übriggebliebenen Nikoläuse müssen sich langsam mit einem Dasein als feingemahlene Schokostreusel auf einem zukünftigen Kuchen abfinden, und man selbst schaut an sich herunter und bereut jedes Plätzchen, das man gegessen hat, realisiert man doch, dass man die Gänse, Lachse und Crème brûlées bis zum Silvesteroutfit keinesfalls mehr los wird. Und endlich, endlich weiß man auch, was Geoff Smith mit den tief, tief traurigen Liedern auf seiner CD „15 Wild Decembers“ gemeint hat, die man keineswegs anhören sollte, wenn man sich noch ein bisschen Lebenslust bewahren will: Den Blues zwischen den Jahren. Aber wie es immer ist – es kann immer noch schlimmer kommen:

Die Traurigkeit perfekt machen in diesem Jahr die Jahresrückblicke, besser gesagt, das Mega-Ereignis schlechthin, dass erst kurz vor Weihnachten eingeschlagen hat wie eine Bombe: Helene Fischer und Florian Silbereisen haben sich getrennt. Warum nur, warum, haben sie sich diese schlechte Nachricht nicht bis nach Weihnachten aufgehoben? Wissen die denn nicht, dass Weihnachten die emotional überfrachtetsten Tage des Jahres sind? Warum muten sie Deutschland nach den politischen und klimatischen Wirrnissen des Jahres und zusätzlich zu allem Weihnachtsstress auch das noch zu? Während ich mich wohl als Einzige frage, warum sie ihn erst jetzt verlassen hat, fragt sich eine ganze Nation, wie es weitergehen wird: Die Regenbogenpresse warnt Helene bereits vor dem Doppelleben ihres neuen Schluris, und ob Herr Silbereisen sich wirklich so schnell getröstet hat, wie es im Internet steht…. Bleibt zu hoffen, dass die beiden sich nicht bei irgendeinem Schrottwichteln wiedersehen. Denn wie gesagt, da wird ja auch keiner glücklich…

Was bleibt…

Wenn sich das alte Jahr dem Ende zuneigt und das neue schon dämmert, stellt sich zum einen natürlich alljährlich die Frage, was man an Silvester macht. Irgendwie immer dasselbe, in der direkten Fortsetzung der weihnachtlichen Tradition wird in erster Linie getrunken und gegessen, vielleicht gibt es etwas mehr Sekt und andere Alkoholika, auf jeden Fall irgendwo ein Feuerwerk, dann noch ein bisschen Heringssalat, wahlweise Sauerkraut am 1. Januar. Alles Gute, euch auch, endlich wieder Alltag!

So geht das Jahr um Jahr, und irgendwie ist man dann schon geneigt, sich mal zu fragen, was einem das alte Jahr so gebracht hat. Wäre doch schön, wenn an den zwölf Monaten oder 365 Tagen seiner Lebenszeit, die man nun schon wieder und unwiederbringlich im unergründlichen Nirwana der Zeit oder vielleicht auch der Ewigkeit zurückgelassen hat, etwas hängengeblieben wäre, das einem von Nutzen sein kann, oder besser noch, das anderen zu Nutzen sein kann. Die Suche nach solch nachhaltigen Wirkungen, und seien sie noch so klein, trieb mich die letzten Tage um, nicht zuletzt, weil die Kolumne zum Jahresende anstand und ich es noch nicht geschafft hatte, die zehn Frauenzeitschriften mit den Jahreshoroskopen, die ich mir extra für die langweiligen Feiertage und die Zeit zwischen den Jahren angeschafft hatte, zu lesen, auszuwerten und etwas draus zu machen. Und so sitze ich nun am Rechner und suche was Bleibendes in meinen letzten zwölf Monaten. Und damit meine ich nicht die vermutlich ein, zwei Kilo mehr, die mir das Jahr 2017 gebracht hat. Auch die Tatsache, dass meine Kinder und mein Mann halbwegs gut genährt sind und wir alle auch dieses Jahr wieder einigermaßen, ach was, ziemlich gut sogar, hinter uns gebracht haben, ist zwar sehr erfreulich, aber ist sie auch so etwas wie ein „nachhaltiger Erfolg“?

Definitiv gelernt habe ich, dass man Klamotten, die man an der Tankstelle schusseligerweise mit Diesel in Berührung gebracht hat, besser nicht mit anderen Sachen zusammen wäscht. Noch nach zehn weiteren Wäschen, mehreren Tagen an der frischen Luft und Monate später holte ich stinkende Kleidung aus den Schränken und gebe diese Erfahrung gerne an Sie weiter! Ich habe gelernt, dass man ein Stromkabel auf einer Trommel wegen der magnetischen Kräfte, die hier wirken, immer ganz abrollt, und ich habe außerdem gelernt, dass Männer einen vollen Kühlschrank, in dem keine Wurst und kein Leberkäse ist, für leer halten. Okay.

Auf der Suche nach weiteren Erfolgen schaute ich meinen Outlook-Kalender durch – zwölf bunt kategorisierte Monate mit vielen, vielen Terminen drin: Arztbesuche mit allen Kindern, Termine mit Kunden, Termine zum Sport, kryptische Angaben, von denen ich überhaupt nicht mehr weiß, was da war. Fachtage, Seminare, und dazwischen: Termine mit Freundinnen! Da kommen wir der Sache schon näher, finde ich. So ein Käffchen oder eine Party im Freundeskreis ist durchaus von bleibendem Wert, oder nicht? Apropos Party: Zum letzten Mal möchte ich an dieser Stelle an die Party meines Lebens, die zu meinem 50. Geburtstag, erinnern. Im Nachhinein betrachtet, hat sie mir sicher ein paar Falten mehr eingebracht – also auch was Nachhaltiges -, und dazu auch noch jede Menge Spaß!

Dann habe ich wiederholt Eintragungen gefunden, in denen ich für eine Freundin in schwierigen Zeiten da war. In diesen Monaten habe ich festgestellt, dass Hilfe nicht nur demjenigen Menschen guttut, der sie bekommt, sondern auch demjenigen, der sie gibt, also mir. Das hat mich sehr beruhigt, schließlich bekomme auch ich oft genug von vielen Seiten Hilfe und fühle mich dann so ein bisschen schlecht und in der Pflicht. Ist also gar nicht nötig. Und genau darüber habe ich gerade gestern sogar auf Spiegel online gelesen: „Warum Menschen einander helfen“, wurde hier gefragt, Doch ganz so selbstlos ist die auf den ersten Blick uneigennützige Hilfe nicht, stellt der Autor mit dem treffenden Namen Engeln fest: „Sie ist Teil des Erfolgsrezepts der Spezies Mensch.“ In seine Ausführungen kommt Herr Engeln schließlich dazu, dass für Menschen, die sich gegenseitig helfen, Vertrauen eine wichtige Rolle spielt. „Wir sind nett zu jemandem, den wir für zuverlässig halten“, heißt es da, und „An der Supermarktkasse lassen wir lieber einen Menschen vor, der nur eine Wasserflasche trägt, als jemanden, der eine Bierflasche in der Hand hält.“

Also, für mich gilt das nicht: Ich habe durchaus Vertrauen zu Menschen, die eine Bierflasche in der Hand halten, und weil morgen Silvester ist, würde ich Sie heute auch mit einer, oder sagen wir des Feiertags (und meines wieder mal bis zum Rand gefüllten Einkaufswagens) wegen, mit zwei oder gar einer ganze Kiste Sektflaschen an der Kasse vorlassen.

Sicher habe ich dafür dann irgendwann auch mal bei Ihnen einen Stein im Brett, und wenn nicht – geschenkt!

Kommen Sie gut ins neue Jahr!

We go high