Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
In "Alles bestens", dem 2. Band mit gesammelten Kolumnen, geht die Autorin auf Entdeckung der Langsamkeit - was ihr nicht nimmer gelingt -, wandelt auf den Spuren von North Cothelstone Hall und schwankt wie immer zwischen Liebe, Leidenschaft, Wahnsinn und Verzweiflung. Das tut sie allerdings mit jeder Menge Spaß, den sie gerne mit ihren Leserinnen und Lesern teilt.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 163
Veröffentlichungsjahr: 2015
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Schon wieder für meine Familie. Dieses Mal besonders für meine Schwiegermutter und meine Mutter - stellvertretend für alle Frauen, die mich tagtäglich inspirieren. Schön, dass es euch gibt!
Eine Fortsetzung von etwas zu veröffentlichen, ist gar nicht so leicht. Während die erste Veröffentlichung noch von so einer schönen Mischung aus Abenteuer und Leichtigkeit umweht wird, stellen sich bei der zweiten Fragen über Fragen. Wartet da jetzt überhaupt einer drauf? Braucht es wieder eine Widmung und ein Vorwort? Und wenn ja, wem außer meiner Familie gebührte wohl die zweifelhafte Ehre einer Widmung, und was war im ersten Vorwort noch nicht gesagt worden oder was müsste man wiederholen, falls jemand das zweite Buch vor dem ersten kauft? Und welche Texte wählt man überhaupt aus, wenn die vermeintliche erste Wahl schon verbraucht ist?
Wie Sie sehen können, habe ich auf alles eine Antwort gefunden, wenn auch unter großen Anstrengungen. Und mit der ersten oder zweiten Wahl ist das ja so eine Sache. Denn erstens sind seit Erscheinen meines erstens Werkes ja fast 25 neue Kolumnen dazugekommen und zweitens war die Auswahl für „Alles Gute“ ja natürlich völlig wertfrei. Keine Lieblingskolumnen oder so, sondern ein fast zufälliges Schöpfen aus dem Vollen, das ich hinterher fein sortiert habe.
Fein sortiert ist auch die Fortsetzung. Die Jahreszeiten haben wieder einen festen Platz gefunden, dieses Mal gänzlich ohne den Herbst, der schon im letzten Buch nur sehr spärlich vertreten war. Und auch der Familie gebührt wieder ein ganz besonderer Platz. Schließlich liefert sie ja nach wie vor jede Menge Inspiration. Und weil es ja in erster Linie um den Alltag geht, kriegt er dieses Mal ein eigenes Kapitel. Neu ist auch die Rubrik „Zeitgeschichte(n)“. Ich habe gemerkt, dass ich manchmal ganz schön in Erinnerungen schwelge. Ist doch klar, dass ich die mit Ihnen teile! Genauso wie alles, was mich sonst noch so ereilt und mich immer wieder vor die Frage stellt: „Geht das nur mir so?“. Dieses Mal habe ich im Inhaltverzeichnis übrigens angegeben, wann die Texte erschienen sind – manchmal erscheint mir das nämlich gar nicht mal so unwichtig für das Verständnis.
Und warum nun überhaupt eine Fortsetzung? Weil es so viel Spaß gemacht hat, natürlich. Mit dem Erscheinen von „Alles Gute“, meinem ersten Buch, haben sich mir völlig neue Welten eröffnet. Ich bekam noch mehr meist sehr freundliche Rückmeldungen und Kommentare, hatte viele schöne Begegnungen mit meinen Leserinnen und auch manchen Lesern (!), die mich wiederum zu vielen neuen Texten inspiriert haben. Noch dazu durfte ich mit vielen netten Menschen zusammenarbeiten, allen voran die tollen Musikerinnen und Musiker, mit denen ich bisher mit meinen Texten aufgetreten bin. Und außerdem waren die Kolumnen ja sowieso schon fertig, aber das natürlich nur am Rande…
In der Tat also „Alles bestens“, wie der Titel von Band 2 meiner Kolumnensammlung besagt. Ich hoffe, Sie stimmen mir da zu!
Ihre Traudi Schlitt
DIE DREI JAHRESZEITEN
Weltuntergang (Dezember 2012)
Frohes Neues (Januar 2014)
Katerstimmung (Februar 2014)
Frühlingsfigur (April 2015)
Frühlingsgefühle (April 2015)
Muttertagsstress (Mai 2014)
Ferienschreck (Juli 2012)
Die Entdeckung der Langsamkeit (August 2015)
Ausgechillt (August 2013)
Adventskalender (November 2011)
Weihnachtsmann (Dezember 2011)
Augen auf beim Geschenkekauf (Dezember 2013)
Weihnachten mit Heintje (Dezember 2011)
FAMILY LIFE
Freundschaft (September 2011)
Essensreste (Oktober 2012)
Küchenerkenntnisse (Oktober 2013)
Mengenlehre (September 2013)
Neue Welten (Oktober 2014)
Wir-Gefühl (Dezember 2014)
Frustrationszahlen (Januar 2015)
Tatütata (Januar 2015)
Die K-Frage (Mai 2015)
Im Konfi-Modus (Mai 2015)
JEDE MENGE ALLTAG
Das Wetter (September 2011)
Spam-Alarm (April 2012)
Bunte (April 2012)
Seelenruhe (Februar 2013)
Alltagsrätsel (April 2013)
Sammelpunkte (Juni 2013)
Kontrollverlust (Januar 2015)
Der Weg als Ziel, Teil I (März 2015)
Der Weg als Ziel, Teil II (März 2015)
Das Phantom von Alsfeld (Juni 2015)
ZEITGESCHICHTE(N)
North Cothelstone Hall (Oktober 2012)
Eisbonbons (Juli 2013)
Kindergarten (September 2013)
Die Jugend von heute (September 2014)
Stöpselkinder (Februar 2015)
Schiffschaukel-Blues (Juni 2015)
TRAUDI SPEZIAL ODER GEHT DAS NUR MIR SO?
Zeit (Juni 2012)
Anti-Diät-Tag (Mai 2013)
Generisches Maskulinum (Juni 2013)
Bitte lächeln! (August 2013)
Schall und Rauch (Juli 2014)
Tiefgefrorenes (November 2014)
2B Done (November 2014)
Trick 17 oder die Not-to-do–List(e) (August 2015)
Protest to go (Juli 2015)
Schönrederei (Oktober 2015)
Schönrechnerei (Oktober 2015)
Na, alle noch an Bord? Niemand beim Weltuntergang verloren gegangen? Puh, da bin ich aber froh, dass wir noch mal davon gekommen sind! Das können schließlich nicht alle von sich behaupten: Beim letzten Weltuntergang vor 65 Millionen Jahren sind sogar die Dinosaurier von der Erde verschwunden und die waren auf den ersten Blick erheblich stärker als wir Menschen. Und vorher gab es schon vier andere Weltuntergänge, wie die seriöse Sendung Quarks kürzlich mitteilte. Irgendwie könnte man sich da doch vorstellen, dass es tatsächlich bald wieder mal Zeit wäre für einen großen Wandel auf der Erde. Und manchmal, wenn ich meinen bösartigen Tag habe und mir manche Zeitgenossen – Sie, liebe Leser, natürlich ausgenommen – anschaue, dann finde ich, wäre es gar nicht mal so ein großer Verlust, wenn die Erde bis zum nächsten Untergang mal ein bisschen ohne Menschen weitermachen würde. Aber letztlich ist alles müßig – schließlich waren sich ja die meisten Forscher aller Disziplinen einig, dass der Kalender der Maya zwar am 21.12.2012 zu Ende geht, dass dann aber eben ein neuer Kalender zum Einsatz kommt – oder so ähnlich. Das machen wir ja auch so, wenn unser alter Kalender abgelaufen ist.
Jedenfalls haben die noch lebenden Maya von allen Menschen am wenigsten Angst vor dem Weltuntergang, und falls Sie in der glücklichen Verfassung sind, dies heute zu lesen, dann hatten die mit ihrer Nonchalance ja auch recht. Es sind wohl eher die Fortschrittsgläubigen der westlichen industrialisierten Welt, die sich – ähnlich wie bei der Y2K-Manie, wir erinnern uns, der Panik beim Jahrtausendwechsel – wohl immer mal wieder zumindest mental auf ein Horrorszenario einstellen wollen.
Was würden Sie tun, wenn Sie wüssten, dass tatsächlich in naher Zukunft die Welt untergeht? So lautete immer wieder die Frage in Talkshows, Internetforen, Gemeindebriefen. Spannende Frage, ohne Zweifel. Aber viel interessanter fand ich, was ich persönlich alles lassen würde, wenn ich wüsste, dass nicht mehr viel Zeit bleibt. Ein Blick auf die dunkelrot blinkenden unerledigten Aufgaben meiner realen und imaginären To-do-Listen gab da doch einiges her: Keinesfalls würde ich noch schnell die Steuererklärung für das Jahr 2011 machen und auch nicht die Ablage aus diesem und dem aktuellen Jahr. Genauso wenig würde ich die Küchenschränke aufräumen und auswaschen, ein Vorhaben, das schon viele Jahre auch ohne Weltuntergang gescheitert ist. Ich würde nicht mehr den Gefrierschrank abtauen und meine Stapel an Flickwäsche abarbeiten. Ich würde auch nicht den Keller und den Dachboden aufräumen, und ich würde sicherlich keinen Blick mehr in die Schulranzen meiner Kinder werfen und dort nach Versäumnissen suchen. Auch die Zustände in den Kinderzimmern, besonders unter den Betten und in den Sammelboxen würde ich guten Gewissens ignorieren und….
Ach, wie angenehm, wenn man mal den ganzen gedanklichen Ballast abwerfen kann, weil es ja bald ohnehin egal ist, und man es sich bis dahin einfach nur noch schön machen soll! Vielleicht sollte man sich öfter so benehmen, als wäre bald Weltuntergang – das klingt nämlich echt entspannt!
Kurzfristig hatte ich überlegt, den Heiligen Abend vorzuziehen, da ich natürlich trotz möglichen Weltuntergangs jede Menge Geschenke besorgt hatte und es doch schade gewesen wäre, wenn sie alle unverschenkt mituntergegangen wären. Aber dann hätte ich ja am Heiligen Abend nichts mehr gehabt, wenn die Welt dann doch nicht untergegangen wäre, und das wäre ja noch blöder gewesen. Sehr kompliziert! Also habe ich – so wie Sie wahrscheinlich auch – so getan, als würde schon nichts passieren. Obwohl: Als ich in diesen Tagen so in den Erlen unterwegs war, die Schwalm voll von grauem, geschmolzenem Schnee, die Bäume karg und bedrohlich im Wind, da dachte ich: „Wer weiß, wer weiß….“ Erich von Däniken, der alte Schwede, hatte sich übrigens anlässlich des Weltuntergangs auch zu Wort gemeldet. Er glaubt, dass die Maya nicht mit dem Untergang der Welt, sondern dem Wiedererscheinen eines Außerirdischen namens Bolon Yokte rechnen. Hat den vielleicht schon mal jemand von Ihnen gesehen? Und hätte man, wenn schon mal ein Außerirdischer zu Besuch kommt, nicht vielleicht doch noch putzen sollen? Egal, ab sofort ist der Weltuntergang ja vorbei, die alten To-do-Listen haben es auch überstanden und blinken immer noch heftig. Ganz oben steht gerade „Weihnachten feiern“, „Freunde treffen“, „Es sich schön machen“ – der Weltaufgang wartet!
„Frohes Neues“ – jetzt ist es vermutlich schon wieder das – hoffentlich noch frohe – Alte: Drei Wochen hat es schon auf dem Buckel und wenn es wahrscheinlich auch hier und dort stürmisch, laut, fröhlich, wackelig, unerwartet und mit jeder Menge neuer Hoffnung und guter Vorsätze angefangen hat, so alltäglich wird es auch wieder werden, das Jahr 2014. Und ob alles Neue auch tatsächlich froh ist oder wenigstens froh macht, das ist ja auch nicht immer garantiert. Da heißt es, Humor bewahren. Humor, finde ich, ist wichtiger als Contenance. Loslachen besser als runterschlucken. Wie das gelingt? Ganz einfach: mit Blechschildern. Unsere Wohnung zieren jede Menge davon, und überall jagt eine Lebensweisheit die andere. Das geht morgens vor dem Spiegel schon los: Scheiße aussehen geht nicht, denn über meinem großen Wandspiegel ruft es mir zu „A smile is the prettiest thing you can wear!“ Ein Lächeln also, na ja, das geht gerade noch so, auch wenn die Hose kneift, der Lieblingspulli 'nen Fleck hat und der hoffnungsvolle Tag sich gerade als Bad-Hair-Day entpuppt. „Ging ich stets um zehn zu Bett, wär‘ ich immer hübsch und nett.“ Das wusste schon Dorothy Parker, aber wer will schon immer um zehn zu Bett gehen?
Weiter geht’s, Kinder wecken. „Männerhort“ hatte ich mal kurzfristig an unserer Haustür hängen, aber zur Erzieherin fehlen mir dann doch die Qualitäten. „Tagsüber Zirkus, abends Theater“ – der Spruch zum Eingang in die Küche trifft es da schon eher. Und wenn gar nichts hilft, dann schaue ich mal auf die Wand gegenüber: Auf einem großen roten Blechschild enthüllt sich mir das Versprechen des Tages: „Chocolate doesn’t ask silly questions, chocolate understands“. Schokolade versteht - Gott sei Dank. Oben drüber noch ein aufmunterndes „Cheer up – Kopf hoch“ und weiter geht es. Ein Gang durch unsere Räumlichkeiten ist das reinste Encouraging-Training, ich schwör’s! Da muss man über die spärliche Freude meiner Mitbewohner über so viel Blech in der Wohnung auch mal hinwegsehen können!
Oben an der Lichtleiste in meinem Büro fordert mich ein weiteres Schild zu Höchstleistungen auf: „Pencil and a dream can take you anywhere“. Anywhere ist gut! Mich bringen meine Laptoptasten bis zur OZ. Das ist zwar nicht gerade „überall hin“, aber es ist zumindest fast jeden Tag eine kleine gedankliche Reise. „Schreiben ist leicht: Man muss nur die falschen Wörter weglassen“, lese ich auf einem großen Bleistift – Autosuggestion ist alles. Darin übte ich mich auch, als ich besagte Lichtleiste, die jeden Tag aufs Neue das Chaos auf meinem Schreibtisch bestrahlt, mit einem Schild mit der Aufschrift „Herrin der Lage“ verzierte. Leider wusste ich nicht, dass durch das Gestänge ja irgendwie auch immer ein bisschen Strom zu den kleinen Lämpchen fließen muss. Es knisterte kurz, roch ein wenig kokelig und die silberne Metallkette meines Schildes war durchgebrannt. Die „Herrin der Lage“ war kopfüber auf den größten Papierstapel gefallen und die Autosuggestion musste ausnahmsweise als Misserfolg verbucht werden.
Aber sonst alles gut! Und wenn mich die Frage nach dem Sinn des Lebens quält, dann wende ich mich an Mark Twain. Seit kurzem äußert sich der Schriftsteller auf einem großen Blechschild an unser Wohnzimmerwand zur Lage der Welt: „Wenn wir bedenken, dass wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt“. Ein Satz, der einen in fast jeder Lebenslage weiterbringen kann, oder finden Sie nicht? Egal, ob zuhause, im Büro, im Supermarkt, beim Arzt oder sonst wo. Noch Fragen oder Stress? Da hilft ein letzter Rat aus meiner reichhaltigen Sammlung (rotes Blechschild auf dem Wohnzimmerschrank):
„Keep calm and carry on”: Bleiben Sie ruhig, machen Sie weiter - egal ob froh mit Neuem oder glücklich mit Altem!
Es könnte sein, dass Sie mich jetzt für eine Spielverderberin halten, aber wir sollten der Wahrheit ins Gesicht sehen: Diese Tage sind nicht schön! Stets starten sie voller Erwartung und enden im Jammer. Unausweichlich. Sie wissen, was ich meine, oder?
Wochen-, monatelang gar bereitet man sich vor: Man überlegt sich, was man tragen könnte, und was man dazu braucht, was passenderweise der Ehegemahl dazu anziehen könnte, und wie man die Kinder originell und kostengünstig auf die verschiedenen Veranstaltungen schickt. Mit jeder Tasche, die wir aus den Geschäften mit nach Hause nehmen, steigt die Vorfreude. Mit jedem Paket, das von so schönen Internetshops wie „Maskworld“ oder „Kostümplanet“ kommt, nahen die tollen Tage, steigert sich das Kribbeln. Wir haben in diesem Jahr so schöne Dinge ausgepackt wie eine schwarzgelockte Zuhälterperücke mit passendem Schnurrbart, ein Brusthaartoupet (wenn ich schon blond sein darf, sollen andere wenigstens auch mal etwas haben, was es sonst nicht gibt), eine fette goldene Prolo-Kette mit großem Dollarzeichen und zwei noch fettere, das Gesicht vollflächig abdeckende Sonnenbrillen, die es, egal wo man ist, schlagartig Nacht werden lassen. Was nun gar nicht mal so unpraktisch ist.
Geduldig schmoren unsere Accessoires in ihren Verpackungen und harren der großen Stunden, für die sie gedacht sind, für die Verwandlung! Einmal blond sein, einmal verrucht sein, einmal Batman sein oder Biene Maja, einmal sein, wer man nie ist, für einen Moment oder einen Abend unerkannt bleiben, einmal nur, ach…
Es sind diese Abende, an denen man, wenn es gut läuft, sauviel Spaß hat. An denen der Alkohol in allen möglichen Erscheinungs-und Geschmacksformen fließt und sich so langsam im eigenen Kopf und den Köpfen der anderen ausbreitet und einem zuflüstert: „Denke nicht an morgen!“. An denen man nicht nur den einen oder anderen zu viel trinkt, sondern auch die eine oder andere zu viel raucht und vielleicht auch das eine oder andere spätestens ab Weiberfasching etwas lockerer sieht als sonst: Zwei Drittel aller Befragten eines Seitensprungportals (!) würden laut einer Internetstudie an Fasching fremdgehen. Ein Quäntchen Wahrheit scheint dran zu sein: Der hohe Alkoholkonsum (und der damit verbundene Zustand) führt psychologischen Erkenntnissen zufolge dazu, dass man Grenzen überschreitet, die man sonst respektieren würde. Außerdem ist man ja in der Maskerade nicht der oder die, die oder der man sonst so ist, im Büro oder in der Werkstatt oder so. Ach so, na dann ist ja alles nur halb so schlimm! Bis zum Aschermittwoch zumindest… (Übrigens gibt es auch Studien darüber, bei welchen Verkleidungen die Fremdgeh-Hemmschwelle am reduziertesten ist – Politessen vielleicht oder Piraten? -, aber ich will den Erkenntnissen meiner Leserinnen und Lesern nicht vorgreifen! Finden Sie das mal schön selbst heraus!)
Aber selbst wenn sich die karnevalesken Ausschreitungen auf das Übliche beschränken, sagen wir mal Alkohol, Nikotin, Stimmverlust, ungewöhnliche Bewegungen (gibt es eigentlich „Rucki Zucki“ noch?) und jede Menge Schlafmangel, ist der Kater danach so sicher wie das Amen in der Kirche. Denn alles, was am Anfang eines Abends noch so schön glänzt und glitzert und perfekt sitzt, das zeigt am frühen Morgen deutlichen Verschleiß: Die Perücke kratzt und wackelt, das falsche Brusthaar zieht es irgendwann vor, sich in das durchgeschwitzte Unterhemd zu verziehen, die Schminke hat unter allen möglichen Anstrengungen, Berührungen und Lachtränen, sagen wir mal schmeichelhaft, gelitten, die Füße tun weh, das Mieder drückt, das Licht geht an – was schon vier Uhr? Zeit, nach Hause zu gehen…
Am nächsten Tag finden sich die ganzen schönen, einst heiß herbeigesehnten Teile verstreut auf dem Boden und sonstwo wieder, und es wird Tage dauern, bis alles verstaut ist, wohl wissend, dass man sie nie, nie wieder brauchen wird - so ein Brusthaartoupet trägt sich ja auch nicht alle Tage… Der Kopfschmerz bittet um Beachtung, die Stimme versagt und das Sofa übt einen Sog aus, wie man ihn sonst nur von blutjungen osteuropäischen Frauen auf Lothar Matthäus kennt. Die Wasserflasche bleibt der ständige Begleiter, vielleicht auch noch das eine oder andere Aspirin oder Alka-Seltzer.
Der Fasching ist vorbei – es lebe der Kater! Wie schön, wenn man sich den so ehrlich und aufrichtig verdient hat!
Neulich wollte ich abnehmen. Natürlich wollte ich nicht wirklich, ich folgte einem äußeren Zwang: Mir war zu Ohren gekommen, dass zwei ältere Damen sich über mein (vielleicht in der Tat etwas zu) Kleines Schwarzes mokiert hatten, es säße wohl etwas schpeng (= oberhessisch für eng, knapp, wurstig, liebe Leserinnen und Leser aus den umliegenden Gebieten). Noch dazu hatte an Weihnachten der Wirt in dem Lokal, in dem ich als Abiturientin mal als Bedienung gearbeitet habe, festgestellt, dass ich mit den Jahren doch etwas fraulicher geworden wäre. Ach ja? Wie ungewöhnlich! Ich schaute ihn wohl ein wenig zu fragend an, jedenfalls fühlte er sich bemüßigt, seine Beobachtung zu präzisieren: „Ich meine, du hast ganz schön zugelegt.“ Frohe Weihnachten auch! Gut, dass ich schon gegessen hatte! Das Schlimmste: Irgendwie hatten die Beobachterinnen und Beobachter recht: Die Hosen vom Vorvorjahr hatten schon vor einiger Zeit das Zwicken angefangen und gaben es auch nach längerem Tragen nicht auf. Konnte es sein, dass ich plötzlich alle meine Klamotten zu heiß gewaschen hatte oder der Trockner schuld war, wie ich mir gerne einredete? Ehrlich gesagt, nein. Und in der Tat ergab der Test auf einer einschlägigen Webseite, dass sich mein BMI sehr knapp vor der Fettleibigkeit tummelte, wirklich sehr knapp. Das wollte ich dann doch nicht.
Als unser Hund abnehmen sollte, haben wir ihm einfach weniger Futter vorgesetzt, und wenn er uns von seinem nur halbgefüllten Trog ungläubig anschaute, blieben wir hart und appellierten an seine Vernunft. Warum klappt das bei uns selbst nicht, also, bei mir nicht? Ist doch alles reine Kopfsache, oder? Ist es wohl, aber Verzicht, Askese und ich – wir passen einfach nicht so richtig gut zusammen. Aber es half ja nix. Wie gut, dass es gerade Jahresanfang war, und alle Welt sich offenbar dafür interessierte, zumindest die Weihnachts- und Silvesterpfunde wieder loszuwerden: So war die Werbung voll von Pillen, Pülverchen und Shakes, die viele schöne Dinge versprachen: „Leichter und genussvoller abnehmen mit dem Schutz vor überflüssigen Nahrungsfetten.“ Schutz vor überflüssigen Nahrungsfetten war bestimmt genau das, was ich jetzt brauchte. Ein anderes Shakepülverchen warb mit dem Slogan „Gesunder Körper, gesunder Geist!“ und versprach „Abnehmen ohne Hunger, schlechte Laune oder Diätstress“. Na, dann mal ran den Speck, dachte ich, und bestellte drei große Dosen Abnehm-und-Geistförder-Pulver, die diskret geliefert wurden. Was soll ich Ihnen sagen? Spaß gemacht hat es nicht!
Drei lange Tage gab es nichts als Shakes, während ich für meine Familie das beste Essen kochte. Und natürlich litt ich: Am ersten Abend ohne feste Nahrung hatte ich eine Vereinssitzung, bei der gefühlt alle übriggebliebenen Weihnachtssüßigkeiten samt Nüsschen und Chips auf den Tisch kamen. Ich nahm tatsächlich NICHTS! Am zweiten Abend hatte ich ein Arbeitstreffen, das allen Teilnehmerinnen mit köstlichen Tapas versüßt wurde. Es war hart, sehr hart, aber ich blieb standhaft. Am dritten Tag suchten wir nachts um zwölf noch eine Geburtstagsfeier auf, wo am Büffet noch Schnitzel und gemischte Braten allein auf uns warteten und vermutlich schon viele Stunden lang den Raum mit ihrem himmlischen Duft erfüllt hatten. Ich stand kurz vor der Halluzination, aber ich blieb hart.