Läuft! - Traudi Schlitt - E-Book

Läuft! E-Book

Traudi Schlitt

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Beschreibung

Mit "Läuft!" legt Traudi Schlitt nun bereits den 3. Band ihrer Kolumnensammlung vor, die sie alle zwei Wochen in ihrem Blog veröffentlicht und an ihre Abonnenten in der ganzen Welt verschickt. Sie schwankt dabei zwischen Wahnsinn und Verzweiflung, zwischen Marilyn und Kleopatra, zwischen Küche, Chaos und Computer. Und das mit jeder Menge Spaß, Leidenschaft und dem besonderen Blick auf, das, was eigentlich ganz normal ist. Oder doch nicht?

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Seitenzahl: 181

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Für alle, die im Alltag das eine, das klitzekleine, das wunderbare Fünkchen Magie entdecken.

Haltet es fest!

Vorwort!

„Läuft!“ – So heißt mein neues Buch, entstanden aus den Kolumnen der letzten beiden Jahre, entstanden im und aus dem Wahnsinn des Alltags. Dieses Vorwort beispielsweise schrieb ich in den Herbstferien 2017, während einer meiner Söhne seine Übungs-CD für das Luther-Musical im Wohnzimmer abspielte, wo sich auch mein Büro befindet – mittendrin, also ohne Türen, wenn Sie wissen, was ich meine. Währenddessen rief meine Schwiegermutter nach Hilfe beim Wegräumen ihrer Getränkekisten und ein anderer Sohn fragte bereits nach Mittagessen. Der Hund verteilte ein wenig Waldboden auf dem ohnehin nicht geputzten Dielenboden, und ein Kunde rief durch mit Änderungswünschen für einen Pressetext, während ein weiteres Kind sich nach einer kleinen Hand-OP noch ein bisschen bemuttern lassen wollte.

„Läuft!“ war also ein naheliegender Titel, auch wenn dieser Ausspruch oft genug das Gegenteil bedeutet, aber trotzdem von seiner Grundhaltung her den Alltagswahnsinn, dem ich mich immer noch mit Leidenschaft widme, ganz wunderbar wiedergibt. Und das mit nur einem Wort: „Läuft!“ Meine Oma erzählte immer eine Geschichte vom Kriegsende, als ein unverdrossener Nazi angesichts der schon vom Nachbarort herannahenden Amerikaner der Heubacher Dorfbevölkerung versicherte, „die Lage war noch nie so günstig“. Auch dieses geflügelte Wort aus meiner Heimat trägt das heutige „Läuft!“ bereits in sich, auch wenn ich inständig hoffe, dass die Lage heute vielleicht doch noch ein wenig günstiger werden könnte, als sie ist. So gesamtgesellschaftlich, meine ich.

Ansonsten ist auch nach sieben kolumnenreichen Jahren, nunmehr drei Büchern und vielen Begegnungen ziemlich viel beim Alten und bei den Alten geblieben, was ja in einem gewissen Zustand ganz begrüßenswert ist. Noch immer macht es mir jede Menge Spaß, den täglichen unwichtigen und weniger unwichtigen Dingen nachzuspüren, ein wenig zu schimpfen, zu verzweifeln, den Kopf zu schütteln und ganz viel zu lachen. Am liebsten natürlich mit meinen Leserinnen und Lesern, die mich immer wieder inspirieren und mit ihren Kommentaren und Besuchen meiner Lesungen ermuntern weiterzumachen. Vielen Dank dafür!

Wie immer habe ich versucht, meine Kolumnen für das Buch in kleinen Päckchen zu sortieren, was mir dieses Mal außerordentlich schwerfiel. Wo ordnet man die Texte der Rubrik „Männer“ unter, wenn sich überhaupt nur sehr wenige dafür eignen? Texte, meine ich. Mit einiger Überraschung stellte ich fest, dass die unter dem Stichwort „Wahnsinn“ gut aufgehoben wären, wo sich nach der ersten Zuordnungsrunde auch fast alle anderen Texte fanden, weshalb diese Rubrik auf einmal sehr voll war und nochmal durchforstet werden musste. Das Zuordnungskarussell drehte sich von neuem, rotierte zwischen den unvermeidlichen „Jahreszeiten“ und der Frage „Geht das nur mir so?“, wobei besonders die Übergänge zwischen den Kapiteln „So hot“, „Frauen“ und „Lästereien“ fließend sind.

Am besten schauen Sie einfach selbst, wo sich ihre Lieblingskolumne versteckt hat. Ich wünsche Ihnen dabei so viel Spaß, wie ich ihn beim Schreiben hatte. Und weil ich weiß, dass die meisten Leserinnen und Leser dieses Buches irgendwo zwischen Alsfeld und Heubach wohnen, erlaube ich mir zum Schluss einen ganz optimistischen Gruß an Sie: Wir sehen uns!

Ihre Traudi Schlitt

INHALTSVERZEICHNIS

(Fast alle) JAHRESZEITEN

BBQ

On the road again

Urlaubs-Ich

Omstijling

Rouladenzeit

Advent, profan

Gli-Gla-Glitzer

Frauenweihnacht

Das Beste kommt zum Schluss

FAMILIENWAHNSINN - WAHNSINNSFAMILIE

Keiner zuhause

No risk, no fun

Kopfkino

Chaostruppe

Unser Robbi

Offline

Abi 2017

LÄSTEREIEN

Lästern macht frei

Vutertag

Spielerfrisuren

Fußball-Hotties

Ausputzer

Auf keinen Fall

Berufsberatung

Glucksnummer

Speicherprobleme

FRAUEN

Männerwelten

Frauen sind…

Chapeau

Wart’s ab

Abnehm-Wahn

Haut und Knochen

Kleopatras Geheimnis

Kick them

Gerwomany

SO HOT!

Braun sein

Treue

Weiberfasching

Goodbye, Norma Jean

(Fast) alles neu

Das neue Zwanzig

So hot!

TRAUDI SPEZIAL (oder geht das nur mir so?)

Eigentlich

#Traudi im #Wunderland

Scheinreich

Lieblingsfehler

Faszien-ierend

Kalender Girl

Helfer-Syndrom

Da-da-da, dada-dadadada

Time to say good bye

(Fast alle) JAHRESZEITEN

BBQ

Früher haben wir einfach gegrillt. Zum Abendessen. Weil Sommer war. Da wurde der Grill, ein kleines, ausgebeultes rundes Holzkohleding, rausgeholt, Würstchen drauf, Brot drauf, Senf, fertig. Ein gemütliches Abendessen im Sommer, einfach so.

Ich weiß nicht, wann das Grillen von Bratwürstchen anfing zum BBQ zu werden. Zum Event. Zum Wenn-der-Tisch-sich-nicht-biegtdann-ist-es-nix! Wahrscheinlich sagte irgendwann ein Nachbar zum anderen: „Wollen wir heute Abend nicht mal den Grill anschmeißen?“ Und der Nachbar antwortete „Mir passt es heute nicht, was hältst du vom Wochenende?“ In der Zwischenzeit traf er vielleicht noch jemanden, dem er davon erzählte und der gerne dabei gewesen wäre, und die erste Person meinte, wenn auf einmal so viele kämen, könnte ja vielleicht jeder etwas mitbringen. Einen Kartoffelsalat vielleicht. Der Einladung, die eigentlich keine war, folgte die Gegeneinladung. Da sollte es dann schon mal etwas anderes sein als beim ersten Mal. Das war die Geburtsstunde des Nudelsalats. Und immer nur Würstchen? Man hatte auch Fleisch im Frost. Aber wie kommt das Öl ans Fleisch? Richtig, mit Marinade – der Anfang von Metzgertheken, in denen man unter tausend verschiedenen Fleischsorten mit tausend verschiedenen Marinaden wählen kann. Aber das machen ja nur die Ahnungslosen! Die Profis rühren ihre Marinaden selbst an – mit erlesenen Gewürzen und Ölen und Rubs. Letzteres, für die faulen Fertigfleisch-Verwender unter uns, sind „Trockengewürze zum Einmassieren”. Sie sollen mit der Marinade zusammen eine leckere Kruste auf dem Fleisch bilden, wie ich auf der Website „grillsportverein.de“ gelesen habe.

Ehrlich, und was man da und sonstwo alles findet! Wie kann man nur glauben, dass man heutzutage einfach so den Grill anmachen kann! Aber nochmal zurück!

Bald wurde das mit den Kartoffel- und Nudelsalaten auch langweilig. Wir erfanden den Tortellini-Salat, den Reissalat, später übernahmen wir von den Italienern Tomate-Mozzarella, aus dem Tütensuppenregal den Yum-Yum-Salat oder den ebenso köstlichen wie ein wenig perversen Taco-Salat. Die Grillsaucen-Industrie lief und läuft immer noch zu Hochtouren auf – Ketchup, pah, das ist doch was für ahnungslose Allesfresser! Wir nehmen natürlich nur BBQ-Saucen aus dem Mutterland des Grillens, wahlweise Spicy and Smokey, Smooth and Smokey oder Rich and Smokey. Was da drin ist? Keine Ahnung, irgendwas mit Rauch halt. Wir können auch Japanese Sticky Grill Sauce, Longhorn Bacon Style oder Mexican Chipotle nehmen. Und Senf? Sie wissen schon, den guten alten Thomy-Senf aus der blauen Tube? Ich bitte Sie! Wir verwenden natürlich nur noch Honigsenf, am besten American Mustard New York Deli Style Honey. Wenn schon, denn schon, dabei ist das alles nur die zweite Wahl. Der Kenner macht natürlich alles selbst. Und wenn ich sage, der Kenner, dann meine ich auch den Kenner. Grillen ist – abgesehen vom Einladen, Einkaufen, Salatemachen, Tischdecken, Getränkekühlen, Antipastivorbereiten, Brotschneiden, Tischaufräumen, Geschirrmachen, Müllwegbringen – eine Männerwelt, ganz bestimmt. Da gibt es ja auch so viel zu wissen und richtig zu machen, das kann man einer Frau gar nicht alles zumuten! Und deshalb gibt es jetzt auch so viele Kurse für richtiges Grillen. Ja, für RICHTIGES Grillen: Die Grillakademien (!) bieten so schöne Kurse an wie den „Schlemmer-Grill-Kurs“, „Beef Party“, „Burger Grillen“, „Meat Special“, „American BBQ“ oder auch immer mehr „Low Carb Grillen“ und natürlich „Vegan und lecker“. Also, ich finde, zumindest die ersten drei Basic-Kurse sollte man vom Gastgeber einfordern, wenn man irgendwo zum Grillen eingeladen ist.

Auch worauf man grillt, ist immer eine Philosophie für sich: Feststeht, der kleine verbeulte Grill vom Anfang der Geschichte ist Geschichte: Es gibt sie natürlich noch, die Holzkohlegrills, aber nicht einfach so: Rundgrill, Tischgrill, Kugelgrill, Smoker, sogar einen Dutch Oven – und das sind nur die, die ich auf die Schnelle gefunden habe. Daneben gibt es nämlich auch noch Holzpelletgrills, Gasgrills, Elektrogrills, Holzbacköfen, Feuerstellen – alles. Da ist selbstverständlich auch die Auswahl an Holzkohlen und Grillpellets genau zu überdenken und Gegenstand verschiedener Diskussionsforen und Themenabende! Und natürlich kann man – ganz gleich, für was man sich entscheidet, da nicht mit einer popeligen Grillzange arbeiten, klar, ne! Da braucht man Zubehör! Mann vor allen Dingen! In einem hiesigen Fachgeschäft gingen mir die Augen auf: Grillpfännchen mit Bambusschaber, Grillfön, Bluetooth-Grillthermometer, höhenverstellbarer BBQ-Organizer – mein Gott, wir haben vorgestern noch ohne all das gegrillt! Wie konnten wir nur!

Wir konnten. Natürlich mit etwas mehr Aufwand als früher, mit selbstgemachter Aioli und Ofenkartoffeln, mit ein wenig Tomatenbutter und verschieden eingelegten Steaks und Würstchen. Mit Honig-Senf-Soße und Sweet Chili. Aber manchmal, manchmal, wenn abends so der kleine Hunger kommt, dann gibt’s ‘ne Wurst auf den Rost, ein Brot dazu, Senf, fertig.

Nachtrag: Kaum hatte ich diese Kolumne fertig, war ich zu einem leckeren Grillen eingeladen. Pulled Pork, mariniert mit Rubs, gegrillt auf Buchenpellets, dazu selbstgemachte South Carolina Mustard Sauce, deren Rezept ich mir gleich mal notiert habe. Lecker! Vielleicht sollte ich doch mal über eine Mitgliedschaft im Grillsportverein nachdenken. Wenn die sich dann hoffentlich mal für Frauen öffnen!

On the road again (Urlaub 2016)

Wenn Sie diese Zeilen lesen, werde ich schon fort sein. Während Sie vermutlich am heimischen Frühstückstisch in der OZ blättern oder unter schattigen Palmen vielleicht im E-Paper stöbern, sitze ich hoffentlich wieder bei einem kleinen Kaffee in einem netten Straßencafé auf dem Montmartre. Mit dabei: ein kleiner Teil meiner vielköpfigen Familie, den ich dann mit ein wenig Glück durch alle Gates und Metro-Stationen sicher bis in die Stadt der Liebe geschafft haben werde, in der Hoffnung, dass wir am Sonntagabend wieder alle wohlbehalten in Frankfurt landen.

Letzten Samstag saßen wir noch in anderer Besetzung in Holland beim Frühstück, zwischendurch brach einer von uns in Richtung Chiemsee auf – kurz gesagt: Wir sind schwer unterwegs. Und nicht nur wir: Wohin man schaut und hört, ein Kommen und Gehen, ein Wegfahren und Ankommen. Deutschland hat Ferien. Aber Deutschland ruht nicht, zumindest nicht, wenn wir der Maßstab dafür sind. Wir packen ein und aus, dazwischen einmal waschen, trocknen und bügeln, und schon geht es wieder auf die Piste. Schließlich ist der Urlaub kurz (besonders wenn man kein Lehrerehepaar ist), da muss man sich schon mal sputen.

Glaubt man den vielen Umfragen zum Thema Urlaub, so geht es den Menschen um Erholung. Kann das sein? Ist man deshalb permanent unterwegs? Gesten noch in Holland, heute auf dem Stadtfest und morgen in Paris? Das sind zwar alles keine Riesenentfernungen, aber irgendwie schlaucht es doch, finde ich, wenn man mal eben 500 km in die eine, dann in die andere Richtung fährt, immer ein paar Schutzbefohlende im Windschatten, immer auf fremden Autobahnen, Flughäfen oder Bahnhöfen und ständig zielgerichtet: Kulturen entdecken, Neues lernen, Horizonte erweitern. Schneller, höher, weiter, auch im Urlaub. Chillen war gestern.

Freunde von uns waren mal eben zu zweit in Los Angeles und kurz danach schon wieder mit der ganzen Familie an der Ostsee – es muss ja alles in die Ferien passen. Wollte man früher, also wirklich früher, von hier nach Los Angeles, dann war man lange, sehr lange unterwegs. Man fuhr mit der Eisenbahn an einen Hafen, weiter mit dem Schiff in den Osten der USA und dann wieder mit der Eisenbahn oder vielleicht auch schon mit dem Bus in den Westen. Das dauerte so lange, dass niemand sich jemals überlegt hätte, im selben Jahr noch woanders hinzufahren, geschweige denn nur ein paar Tage dort zu bleiben. Wenn ich es mir recht überlege, war das nicht die schlechteste Art zu reisen, und wenn man dann ankam und Glück hatte, war die Seele auch schon da…

Und heute? Heute sammeln viele von uns Miles and More, jetten viele Male im Jahr – zumindest kilometermäßig um den Erdball – und schaffen es dabei nicht selten, ihren Horizont kein bisschen zu erweitern. Weil sie nämlich nur abfahren und ankommen, aber nicht reisen. Und weil der Weg schon längst nicht mehr das Ziel ist. Was eigentlich schade ist. Und was offenbar auch einige Touristen – zumindest diejenigen mit wahnsinnig viel Zeit – auch schon eingesehen haben. Nicht umsonst kann man heute auch per Frachtschiff über die Weltmeere reisen, oder, wenn man sicher sein will, dass es ganz besonders langsam geht, mit dem Postschiff. Da braucht man dann aber ganz viel Zeit.

Uns hingegen ist die achtstündige Bahnfahrt nach Holland schon zu lange, ebenso wie die fünfstündige Zugfahrt nach Paris, zumal die Flugtickets nur unwesentlich teurer sind. Also schnell weg sein, schnell wieder da sein! Und in der kurzen Zwischenzeit auf einen ruhigen Moment hoffen - vielleicht auf der Flughafentoilette oder so. Mit viel Glück vielleicht bei einem kleinen Kaffee auf dem Montmartre.

Sieht so aus, als ob langsam reisen derzeit noch nichts für mich ist, obwohl ich heimlich davon träume. Sehr heimlich. Und sehr intensiv. Denn wie sagt ein mir bis vor kurzem noch völlig unbekanntes Sprichwort so schön? „Die Schildkröte kann mehr über den Weg erzählen als der Hase.“

URLAUBS-ICH (Urlaub 2016)

Na, alles ausgepackt, gewaschen, gebügelt und weggeräumt?! Die Ferien sind vorbei, der Alltag kehrt wieder ein und mit ihm das altbekannte Alltags-Ich, das wir im Urlaub hinter uns gelassen hatten. Wenn wir Glück hatten. Ich zumindest will im Urlaub immer gerne jemand anders sein. Auf gar keinen Fall eine Touristin. Sie etwa? Am liebsten wäre ich dann, je nachdem, wo ich gerade bin, in diesem Jahr Holländerin oder Französin gewesen. Und Holland und Frankreich bieten sich dazu ja auf den ersten Blick an, weil wir ja gar nicht so verschieden sind. Denkt man.

Allerdings fragen wir uns in Holland jedes Mal vom ersten Tag an, warum offenbar alle Menschen so gut gelaunt und freundlich sind. Kaum jemand in irgendeinem Laden oder Lokal, der nicht noch ein freundliches Wort für einen übrighätte und einen mit blitzblanken Zähnen anstrahlt. Egal, wo man ist, man fühlt sich gleich irgendwie mittendrin. Fragt sich: Was macht die Holländer so gechillt? Die können doch nicht flächendecken und permanent bekifft sein – obwohl sie ja dürften! Sind sich auch nicht. Sie sind einfach irgendwie entspannter. Und das, obwohl ihr kleines Land ständig vom Wasser bedroht ist. Oder vielleicht genau deshalb. Sie genießen den Augenblick. Sie essen köstliche Sachen wie Dubbelvla und Krabsalade, trinken komisches Bier wie Amstel und Heineken und sitzen bei Wind und Wetter draußen. Weil sie wissen, dass sie es sich nicht leisten können, auf noch schöneres Wetter zu warten, das kommt oder nicht. Und dass man bei meist durchwachsenem Wetter auch schön braun wird, wenn man nur oft genug unter der Sonne oder unter den Wolken am Meer oder im Straßencafé sitzt, das sieht man auch: Holländer sehen immer so aus, als kämen sie gerade frisch aus dem Urlaub, mindestens aus der Karibik. Und sie machen den Eindruck, als fühlten sie sich auch so. Also: Von den Holländern lernen heißt chillen lernen.

Und das tun sie auch schon auf ihren Verkehrsschildern kund: Meine Freundin wohnt in einem kleinen, engen Dorf. Was ja in Holland ganz normal ist. Klein und eng, meine ich. Den Ortseingang ziert ein Schild, darauf eine Schnecke und der Hinweis: „Dit dorp is niet gebouwd voor snelverkeer“ Ist das nicht süß? Sagen Sie sich das doch mal laut auf! Holländisch ist, finde ich, eine der goldigsten Sprachen der Welt, und wenn ich nicht ständig unter Zeitdruck stünde, hätte ich es schon längst gelernt. Für den Anfang beschränke ich mich mal auf Verkehrsschilder: „scheve bomen“ und „slechte wegdek“ raten weiterhin zum Langsamfahren, was in Holland, dem Land der Entschleunigung, ohnehin nicht anders geht. Selbst die Hühner haben hier Vorrang: „Opgelet! Overstekende Kippen“ verbietet nicht etwa das Anzünden von Zigaretten, sondern schützt das Federvieh (Achtung! Hühner kreuzen!). Damit ich dieses wunderbare Holland-Gefühl auch zuhause genießen kann, nehme ich mir immer alle möglichen Fressalien mit. Und was passiert: Daheim am Alltags-Esstisch schmeckt das ganze Zeug nur halb so gut! Gut, dass ich für das länger anhaltende Hollandgefühl dann doch was Besonderes mitgebracht habe. Nicht, was Sie denken. Ich bin in Bezug auf Rauschmittel sehr einfach gestrickt. Mir reichen dann schon ein Kettchen, ein Röckchen und ein paar Stiefelchen! Die halten echt lange und man fühlt sich direkt heel Nederlands!

Sprachlich gesehen bin ich allerdings bei den Franzosen viel besser aufgehoben. Wir verstehen uns einfach gut! Und diese Nonchalance in den Straßencafés beherrsche ich auch Eins A! Hinsetzen, Weinchen bestellen, Leute anschauen. Am besten natürlich, man kauft sich noch eine französische Zeitung und tut so, als würde man jedes Wort verstehen. Das sieht dann auch noch intelligent aus! Was mir aber bei aller Frankophilie ein ewiges Rätsel bleiben wird, ist wie die Pariserinnen komplette Tage in Pumps und immer frisch gestylt überstehen. Die rennen doch genauso durch die Métro wie die Touris. Und während bei mir trotz übelster Gesundheitsschuhe nach nur drei Tagen an beiden Füßen jeweils vier Pflaster klebten, blieben die Französinnen auch dieses Mal wieder so elegant wie eh und je. Sie haben es einfach, das gewisse Je-ne-sais-quoi. Und was das ist, weiß ich leider auch nicht… Ich muss da, glaube ich, noch mal hin!

Omstijling oder Dolceavareniente (Urlaub 2017)

Im Urlaub ist alles leichter: Die paar Klamotten, die in einen Sommerkoffer passen, reichen locker für eine oder zwei Wochen, ohne dass der Kleiderschrank zuhause sich nennenswert geleert hätte – ein erster Hinweis darauf, mit wie wenig man eigentlich auskommen kann. Eigentlich auskommen könnte. Wenn man wollte. Und die Ausstattung des Ferienhauses für sechs Personen ist zwar knapp kalkuliert, aber irgendwie kommt man auch damit zurecht. Da werden eben einfach mal die Suppenteller zu Obstschälchen, die Bier-Gläser zu Aperol-Schwenkern, die Zitronenpresse zur Kaffeeaufbewahrung. Alles kein Problem. Wenig haben kann sooo schön sein! Und schnell reift der Wunsch in einem, dass man die restlichen verbliebenen Urlaubstage zuhause mit einer großen Aufräumaktion beschließt. Schließlich ist Minimalismus das neue Reichsein! Weg mit allem überflüssigen Plunder, mit den tausend Thermoskannen, den Tortenplatten, den Kunststoffblumen und Dekoschalen, den niegetragenen Klamotten und Fehlkäufen, den acht verschiedenen Kruschkisten mit allem, was man irgendwann einmal brauchen könnte, weg mit allem, was die freie Sicht stört. Schließlich besagt eine japanische Weisheit, dass es in unserem Inneren so aussieht wie in unserer Wohnung. O Gott!

Unter südlicher oder nördlicher Sonne träumt es sich bei viel Zeit und dem einen oder anderen Aperol gut von leeren Regalen, gelüfteten Kleiderschränken und minimaler Deko, und lässt man sich darauf ein, fühlt man sich fast so, als sei alles schon geschehen. Man schließt, also ich schließe die Augen und weiß: Natürlich wird man dann in diesem frischaufgeräumten Less-ismore-Paradies Platz finden für das schöne italienische Geschirr, das man zur Verlängerung des mediterranen Glücksgefühls mit nachhause bringt, genauso wie sich im Kleiderschrank ein Eckchen für die holländische Hippie-Jeans findet und das südländische Strandkleid, ohne die man auf keinen Fall aus dem Urlaub zurückkommen konnte, ebenso wenig wie man die neuesten nordischen Deko-Trends einfach so vor Ort zurücklassen konnte, nicht mal im holländischen IKEA. Schließlich gehört zum neuen leichten Lebensgefühlt auch ein wenig Omstijling – ein holländisches Wort, das ich mir selbst ausgedacht habe und das mich begleitete durch die schöne Welt der Dekoläden und Klamotten-Ausverkäufe, die immer, IMMER, wenn ich vor Ort bin, gerade auf Hochtouren laufen.

Das Elend beginnt mit der Heimreise: Die letzten Ecken im ohnehin schon vollen Kofferraum sind restlos belegt, das Ein- und Auspacken dauert ewig und zu dem unheiligen Sammelsurium aus sauberer Wäsche und Dreckwäsche, aus Spielzeug, Schuhen und übriggebliebenen Lebensmitteln gesellen sich nun die vielen Päckchen und Tüten aus den einschlägigen Geschäften, die – mit jedem Kilometer in Richtung Heimat – ein wenig von ihrem Glanz verlieren, noch bevor ihr Preis vom Kreditkartenkonto abgebucht ist! Hätte man sie wirklich gebraucht, die zwölf bunten Teller, für die man eigentlich keinen Platz im Schrank hat, weil das mit dem Aufräumen und Ausmisten irgendwie doch nicht gleich starten kann, oder sollte man sie, wie ein Mitreisender vorschlug, direkt beim nächsten Polterabend wieder loswerden? Und sieht die Hippie-Hose auf dem Alsfelder Marktplatz eigentlich immer noch genauso gut aus wie auf einem belebten, in spezifische Duftwolken gehüllten Straßenzug in Amsterdam? Und wieso hat man eigentlich in der kleinen, schummrigen Umkleidekabine am Comer See nicht gesehen, dass das Sommerkleidchen in der Tat – und wie von einem pubertierenden Reisegefährten noch vor Ort diagnostiziert – an die Balkontischdecke erinnert? Wohin mit der Deko, die sich vielleicht in einem Wohnmagazin auf einem Bild gutgemacht hätte, in einem Fünf-Personen-plus-Hund-Haushalt aber dann doch ein kleines bisschen zu filigran ist? Ab damit in die geheimen Ecken des Hauses, die auch vorher schon überquollen und sich über ein bisschen mehr Aufmerksamkeit in Richtung mehr Leichtigkeit gefreut hätten. Aber leider, leider ist die Luft raus, das Omstijling muss warten, das Dolceavereniente auch. Wenigstens der Tatendrang folgt dem neuen Gesetz des Minimalismus! Die alten Klamotten müssen sich mit der Hippie-Jeans anfreunden und für das neue Geschirr ist mit ein wenig Umräumen – nicht Ausräumen – auch noch ein Plätzchen gefunden.

Puuh, grade noch mal gutgegangen! Wollen wir hoffen, dass der nächste Aufräumflash auch so ungeschoren vorbeigeht!

Rouladenzeit