Gerüchte machen Geschichte - Lars-Broder Keil - E-Book

Gerüchte machen Geschichte E-Book

Lars-Broder Keil

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Beschreibung

Gerüchte und Falschmeldungen begleiteten die Menschheitsgeschichte von Beginn an. Ihre politischen und militärischen Folgen waren oft verheerend, aber nur selten sind die Ursachen der Entstehung und Verbreitung restlos aufgeklärt worden.
Die Autoren führen an elf Beispielen aus dem 20. Jahrhundert vor, wie Fehlinformationen und Gerüchte im Spannungsfeld zwischen Politik, Medien und Öffentlichkeit ihren verhängnisvollen Lauf nahmen. Dabei haben sie Fälle gewählt, die für Deutschland von zentraler Bedeutung waren – vom Ersten Weltkrieg über die NS-Zeit, den Kalten Krieg bis in die jüngste Gegenwart.
Für ihr Buch »Deutsche Legenden« wurde den Autoren bescheinigt: »Ihre Beweisführungen wären ideale Vorlagen für historische Polit-Krimis. Alle Zutaten sind da.« (F.A.Z.)
Das gilt zweifellos auch für dieses Buch. Akribisch und detektivisch folgen sie den Spuren jedes Gerüchts und stoßen dabei auf überraschende Nachwirkungen bis in die Gegenwart.

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Seitenzahl: 494

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Lars-Broder Keil/Sven Felix Kellerhoff

Gerüchte machen Geschichte

Lars-Broder Keil

Sven Felix Kellerhoff

Gerüchte machen Geschichte

Folgenreiche Falschmeldungen

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

1. Auflage, September 2013 (entspricht der 1. Druck-Auflage von März 2006)

© Christoph Links Verlag GmbH

Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0

www.christoph-links-verlag.de; [email protected]

Umschlaggestaltung: KahaneDesign, Berlin, unter Verwendung eines politischen Plakats aus der DDR von 1950 aus dem Bestand des Deutschen Historischen Museums

Inhalt

Einleitung

»Lütticher Greuel«

Deutsche Kriegsverbrechen in Belgien 1914

»Bewaffneter Hilfskreuzer«

Die Versenkung der »Lusitania« 1915

»Potsdam marschiert«

Kurt von Schleichers vermeintlicher Staatsstreich 1933

»Rückzugsgebiet Alpenfestung«

Die Sorge vor Hitlers letztem Trumpf 1945

»Für die Amerikaner spioniert«

Die Noel-Field-Affäre 1949–1954

»Amikäfer«

Die Kartoffelkäferplage in der DDR 1950

»KZ-Baumeister«

Die Kampagne gegen Bundespräsident Heinrich Lübke 1964–1969

»Isolationsfolter und Vernichtungshaft«

Baader-Meinhof im Gefängnis 1972–1977

»Ökologisches Hiroshima«

Das Waldsterben in Deutschland 1979–1988

»DDR öffnet Grenzen«

Der Fall der Mauer 1989

»Serbischer Genozid«

Der Hufeisenplan und der Kosovo-Krieg 1999

Anhang

Anmerkungen

Abbildungsnachweis

Danksagung

Zu den Autoren

Zu diesem Buch

Jedermann sagt es, niemand weiß es.

Deutsches Sprichwort

Daß Gerüchte aller Art jederzeit schädlich sind, ist ebenso klar wie, daß sie zu einer akuten Gefahr werden können, wenn sie in einem Zeitpunkt schärfster Spannung auftauchen sollten.

Generaladjutantur der Schweiz, 19411

Washington, 9. September 2005. In der vielgesehenen Primetime-Sendung ABC-News distanziert sich Colin Powell von der wichtigsten Rede, die er je gehalten hat. »Sie ist ein Schandfleck für mich«, sagt der Ex-General und Ex-Außenminister der USA. »Ich bin derjenige, der im Namen der Vereinigten Staaten der Welt falsche Informationen vorgeführt hat, und das wird für immer Teil meines Lebens bleiben. Es hat geschmerzt; es schmerzt noch immer.« Das Bekenntnis ist eine Sensation – räumt doch ein ehemaliger Entscheidungsträger der US-Regierung öffentlich ein, daß der Krieg gegen Saddam Husseins Irak auf unzutreffenden Anklagen beruhte.

Powell hatte am 5. Februar 2003 im UN-Hauptquartier in New York zahlreiche »Beweise« vorgeführt, laut denen der Bagdader Tyrann bereits über biologische Massenvernichtungswaffen verfüge und mit Hochdruck an Atombomben arbeiten lasse. Für Powells Auftritt war die Kopie von Picassos »Guernica« in der Lobby eigens mit einer blauen UN-Flagge verdeckt worden – vor dem berühmtesten Anti-Kriegsbild der Kunstgeschichte hatte Powell lieber nicht für einen kommenden Krieg werben wollen. Nach dem raschen Sieg der US-geführten Koalition über Saddams Armee im Frühjahr 2003 bestätigte sich allerdings keiner der Vorwürfe, die der Außenminister vor den Vereinten Nationen erhoben hatte; vielmehr erwies sich ein »Beweis« nach dem anderen als Falschmeldung. Powell verteidigt nun im ABC-Interview den Krieg trotzdem und vermeidet offen illoyale Worte gegen seinen damaligen Chef, US-Präsident George W. Bush. Auch den seinerzeitigen CIA-Chef George Tenet nimmt Powell im September 2005 in Schutz: »Er glaubte, daß das, was er mir an Informationen gab, akkurat war.« Dagegen attackiert Powell andere Mitarbeiter des Geheimdienst-Netzes: »Es gab einige kompetente Leute im Nachrichtendienst-Geschäft, die zu dieser Zeit wußten, daß einige der Quellen nicht gut waren und daß man sich nicht auf sie verlassen konnte, und diese Leute haben den Mund nicht aufgemacht. Das hat mich umgehauen.«2

Moskau, 10. Februar 2004. Kurz nach 14 Uhr Ortszeit verbreiten mehrere Nachrichtenagenturen Eilmeldungen. »Der seit fünf Tagen vermißte russische Präsidentschaftskandidat Iwan Rybkin ist wieder aufgetaucht«, heißt es zum Beispiel bei AP. Der liberale Politiker war am 5. Februar spurlos aus seiner Moskauer Wohnung verschwunden und hatte sich in den folgenden 120 Stunden weder bei seiner Frau noch bei seinem Wahlkampf-Team gemeldet. Spekulationen schossen ins Kraut: Der Oppositionspolitiker könnte sein Verschwinden als PR-Trick inszeniert haben, mutmaßten regierungsnahe Kreise. Rybkins Finanzier dagegen, der Exil-Russe Boris Beresowski, klagte die Moskauer Sicherheitsdienste an, nicht ernsthaft zu suchen. Bedeutungsschwer betonte der Milliardär, sein Kandidat habe unter ständiger Beobachtung des russischen Geheimdienstes FSB gestanden. Sein Interview erzielte die mutmaßlich beabsichtigte Wirkung. Ein Wochenende lang diskutierte die Öffentlichkeit erregt die Möglichkeit, Präsident Wladimir Putin habe seinen Gegenkandidaten »verschwinden« lassen – hatte Rybkin doch noch kurz zuvor das hart am Rande demokratischer Gepflogenheiten regierende Staatsoberhaupt scharf angegriffen, ihn Rußlands »letzten Oligarchen« geschimpft und seine Tschetschenien-Politik als »gescheitert« bezeichnet. Nach seinem Wiederauftauchen sagt Rybkin zunächst, er habe sich bei »Freunden« in Kiew eine »Pause« von einigen Tagen gegönnt. Wenig später teilt er mit, er sei in die ukrainische Hauptstadt gereist, um dort einen Emissär des tschetschenischen Rebellenführers Aslan Maschadow zu treffen und einen Friedensplan für die umkämpfte Kaukasus-Republik zu beraten. Noch einige Tage später läßt er eine komplett andere Version verbreiten: Er sei nach Kiew gelockt und dort mittels Drogen im Tee betäubt worden. Während seiner mehrtägigen Bewußtlosigkeit habe man Videoaufnahmen gemacht, die ihn beim angeblichen Umgang mit Prostituierten zeigen. Mit diesem Film habe man ihn zu erpressen und zur Aufgabe seiner Kandidatur zu bewegen versucht. Dies tut Rybkin kurz vor der Präsidentschaftswahl dann tatsächlich; der als »starker Mann« der Großmacht Rußland auftretende Amtsinhaber Wladimir Putin erzielt mehr als 70 Prozent der abgegebenen Stimmen.3

Zwei sehr unterschiedliche Beispiele für politische Falschmeldungen aus jüngster Zeit. Die eine löste einen die Weltpolitik auf Jahre hinaus prägenden Krieg aus, die andere zerstörte die Reputation eines relativ unbedeutenden Oppositionspolitikers. Beide Falschmeldungen gehen nicht auf bewußte Desinformationen zurück: Mehrere Kommissionsberichte und die Arbeit renommierter Journalisten haben gezeigt, daß die Spitze der US-Regierung 2002/03 tatsächlich an Massenvernichtungswaffen in Saddams Händen glaubte. Die zweifelhaften »Erkenntnisse« des Pentagon über angebliche irakische ABC-Waffen, von denen ein Teil in Colin Powells Rede einfloß, waren im US-Staatsapparat zwar heftig umstritten. Vincent Cannistraro, jahrzehntelang erfahren im Kampf gegen Terroristen, soll 2002 die »Falken« im US-Verteidigungsministerium nur halb im Scherz gefragt haben: »Raucht ihr eigentlich Dope?« Judith Yaphe, Irak-Expertin und Professorin an der National Defense University, urteilt: »Alles falsch, und wir wußten das in der Geheimdienstgemeinde seit Ewigkeiten.« Trotzdem glaubten Präsident Bush und sein Vize, Dick Cheney, CIA-Chef Tenet und selbst Powell den Tartarenmeldungen. Warum? Weil sie daran glauben . »Faith-based intelligence« nennt man derlei im Jargon der anglo-amerikanischen Nachrichtendienste – frei ins Deutsche übersetzt: Wunschdenken. Auch die Gerüchte um Iwan Rybkin – obwohl extrem unglaubwürdig und wirr – wurden in Rußland über Tage hinweg für möglich und teilweise für glaubhaft gehalten. Dies wirft ein Schlaglicht auf die Meinung, die man von Präsident Putin in Rußland und weltweit abseits aller politischen Höflichkeit hat: Dem langjährigen KGB-Offizier und seiner machtbewußten Umgebung wird instinktiv jede Teufelei zugetraut. In Wirklichkeit hatte sein Gegenkandidat den Druck des Wahlkampfes anscheinend nicht ausgehalten und war in einer Panikreaktion abgetaucht.

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