Geschäftsmodelle entwickeln - Oliver Gassmann - E-Book

Geschäftsmodelle entwickeln E-Book

Oliver Gassmann

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Beschreibung

Für Unternehmen existenziell: Immer am Ball bleiben und das eigene Geschäft proaktiv an Veränderungen anpassen. Dieses Buch zeigt, wie es geht!

- Geniale Methode, um das eigene Geschäftsmodell weiterzuentwickeln oder neue Geschäftsmodelle zu entwickeln
- Unverzichtbares Werk für alle, die über das Geschäftsmodell Wettbewerbsvorteile erzielen wollen und auf der Suche nach einem „Feuerwerk der Ideen“ sind
- Begleitmaterial zum Download

Oliver Gassmann, Karolin Frankenberger und Michaela Csik sind herausragende Experten der Innovation. Mit diesem Werk ist ihnen ein international viel beachteter Meilenstein zur Entwicklung von Geschäftsmodellen gelungen.

"Der St.Galler Business Model Navigator ermöglicht, aus der eigenen Branchenlogik auszubrechen, und macht damit den Weg frei für ein Feuerwerk neuer Ideen."
Wolfgang Rieder, Managing Partner, Head of Advisory Switzerland, PricewaterhouseCoopers

"Mit dem Business Model Navigator sind wir in der Lage, das Geschäftsmodell als Ganzes zu begreifen und am kompletten System zu arbeiten. Die St.Galler Methodik bringt nicht nur Ergebnisse, sondern erweitert auch den Mindset."
Daniel Sennheiser, President Strategy and Finance, Sennheiser

„The St. Gallen Business Model Navigator offers a great opportunity to challenge our habitual thinking concerning business models and revenue generation.”
Dr. Ian Roberts, CTO, Bühler

"An aspiring field such as New Space really benefits from the St.Gallen Business Model Navigator because the market will be defined by a variety of innovative business models – going through all the possibilities is a real competitive advantage!"
Dr. Henning Roedel, NASA Ames Research Center

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Oliver Gassmann, Karolin Frankenberger, Michaela Choudury

Geschäftsmodelle entwickeln

55+ innovative Konzepte mit demSt. Galler Business Model Navigator

3., überarbeitete und erweiterte Auflage

Die Autoren:Oliver Gassmann, St. GallenKarolin Frankenberger, St. GallenMichaela Choudury, St. Gallen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de/> abrufbar.

Print-ISBN        978-3-446-46521-3E-Book-ISBN   978-3-446-46762-0ePub-ISBN       978-3-446-46763-7

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Alle in diesem Buch enthaltenen Verfahren bzw. Daten wurden nach bestem Wissen dargestellt. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen.

Aus diesem Grund sind die in diesem Buch enthaltenen Darstellungen und Daten mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Darstellungen oder Daten oder Teilen davon entsteht.

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Die Rechte aller Grafiken und Bilder liegen bei den Autoren.

© 2021 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Münchenwww.hanser-fachbuch.deLektorat: Lisa Hoffmann-BäumlHerstellung: Carolin BenedixCoverrealisation: Max Kostopoulos

Testimonials

Der St. Galler Business Model Navigator wurde bereits in zahlreichen Unternehmen erfolgreich eingesetzt. Im Folgenden finden Sie Zitate von Menschen, die unsere Methodik bereits kennengelernt haben:

„Die Beschäftigung mit dem Business Model Navigator ist nicht nur dann sinnvoll, wen es darum geht, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Es ist auch ein ausgezeichnetes Mittel, um bestehende Modelle systematisch zu beleuchten, und zwingt einen, sich intensiv mit dem Kunden zu beschäftigen und unser Geschäft von ihm her neu zu denken.“

Dr. Luigi Pedrocchi, CEO Mibelle Group

„Produktinnovationen allein werden nicht ausreichen, um den anhaltenden Erfolg unseres Unternehmens zu sichern; wir wollen unsere Mitarbeiter ermutigen, sich verstärkt neuen Arten von Geschäftsmodellen zuzuwenden. Der Business Model Navigator hilft uns, Kreativität und das Denken in erweiterten Dimensionen zu fördern.“

Dr. Volkmar Denner, CEO Robert Bosch

„BASF has been working for more than five years with The Business Model Navigator. It has led to concrete business concepts and also created a more open mindset. We applied the methodology described in this book in various environments and industries – and it worked fantastically!“

Dr. Petra Bachem, VP Financial Risk and Cash Management, BASF

„The Business Model Navigator is a useful tool in defining exactly how and why a business derives revenue from customers. Many nimble start-up companies iterate and/or pivot in their business models (whether planned or unplanned) at different phases in their development. At Datafeel.io, our business model will no doubt change over time and it is helpful to know that it will reflect our evolving value proposition. This demonstrates the reality that start-up companies must remain resilient in order to better solve stakeholder problems and optimize value.“

Robert Schultz, CEO and Founder Datafeel, Boston

„The Business Model Navigator is a very effective way to help local businesses challenge their dominant logic and develop new business models.“

Richard Walker, Business Manager, Queen’s University Belfast

„I found that The Business Model Navigator has given me a very valuable new approach to use when working with companies helping to define their future direction and it really supports “thinking outside the box”. The Business Model examples provide a very useful guide from which to select one or a combination of patterns that can help to define new business models.“

Mary Donovan, CEO, Caragh Consulting

„We applied the Business Model Navigator in a three-day workshop format with a key customer. Apart from jointly developing a promising business model option, the common experience has also strengthened our bonds for future intensive co-operation.“

Dr. Susanne Schröder, Innovation Manager, Siemens Energy Sector

„I have learned from others to appreciate successful business models, but I learned from the St. Gallen team how to develop them myself.“

Thomas Moriarty, Senior VP Engineering, Firecomms

„Auch für Bosch wird es in Zukunft immer wichtiger werden, nicht nur hervorragende Produkte zu entwickeln, sondern auch neue Geschäftsmodelle zu nutzen. Die über 55 Geschäftsmodelltypen, die hier identifiziert und beschrieben sind, sind ein ausgezeichneter Baukasten für unsere eigene Geschäftsmodellentwicklung, insbesondere für unseren Zukunftspfad im Internet der Dinge & Dienste.“

Dr. Heinz Derenbach, CEO, Bosch Software Innovations

„The Business Model Navigator is an exceptionally helpful book, using a clear concept and lively examples from real businesses. It is a must-read handbook for managers who want to revolutionize their business.“

Dr. Bernd Riggers, Senior Director Procurement, Lufthansa Technik

„The Business Model Navigator has opened our eyes towards business model thinking within the overall innovation process of the company. It brings together commercial and technical leaders and improves the success rate of innovation.“

Stefan Borgas, President and CEO, RHI Magnesita

„Business innovation requires overcoming mental barriers. This excellent book lays out a new way to think about new business models in the 21st Century.“

Reza Vaziri, Managing Director, 3M

„These patterns are a very powerful creativity method and a great tool to generate a ‚business model thinking’ attitude.“

Dr. Angela Beckenbauer, former Corporate Innovation Manager, Hilti

„The St. Gallen Business Model Navigator provides a structured approach to the fuzzy field of business model innovation. The 55 patterns make it easy to think about alternative ways of running your business.“

Dr. Michael Daiber, General Manager Global Product Line Rail, ABB Turbo Systems

„All organisations from start-up to the largest organisation need to keep their customers and innovation in full focus – the St. Gallen teams Business Model Navigator provides a very clear methodology to take the next quantum leap in business.“

John Glynn, Owner, Glynn Food Services

„Die Welt in 55+ Geschäftsmodellen. Im ersten Augenblick unvorstellbar, ab dem zweiten Augenblick eine unglaubliche Inspirationsquelle, um das eigene Geschäftsmodell zu innovieren und erfolgreich in die Zukunft zu tragen. Eine Pflichtlektüre!“

Bernhard Klein, Chief Marketing Executive, IMMOFINANZ

„We leverage the Business Model Navigator for our Business Model Innovation approach and discovered that it is a great methodology with high practical relevance.“

Dr. Ulrich Eisert, Research Manager, SAP (Schweiz)

„Working with the St. Gallen Business Model Navigator did not only help us to structure our internal approaches better, it drove us also to analyze and understand our competitors’ business models and therefore their and our position in the market space.“

Dr. Reiner Fageth, Management Board, CEWE Color

„Well researched and easy to apply in practice! That’s exactly what an excellent management book should be! It is inspiring, enthusiastic and rule breaking!“

Prof. Dr. Ellen Enkel, Editor-in-Chief, R&D Management Journal

„In our Entrepreneurial Clinic we use The Business Model Navigator to coach startups in Business Model Design. This book goes far beyond other publications regarding concrete guidelines. It is a must for every strategic entrepreneur.“

Prof. Dr. Dr. Thomas Schildhauer, Einstein Center Digital Future

„These Business Model Patterns are an important source for inspiration and best practice to create and implement radical innovations.“

Daniel Ledermann, Head of Incubation and Portfolio, Swisscom

„Applying the St. Gallen Business Model Navigator helps in challenging today’s business logic, opening up the solution space and creating a new mindset. We see this as a prerequisite for future success.“

Dr. Christoph Meister, Managing Director, BGW

„Wie würde der CEO von Amazon mein Geschäft führen? Welche neuen Kundensegmente würde Robin Hood an meiner Stelle erschließen? Der St. Galler Business Model Navigator ermöglicht, aus der eigenen Branchenlogik auszubrechen, und macht damit den Weg frei für ein Feuerwerk neuer Ideen.“

Wolfgang Rieder, Managing Partner, Head of Advisory Switzerland, PricewaterhouseCoopers

„Working with the Business Model Navigator, provides you a broad portfolio of ideas and structures for business models. It helps you to create new and individual solutions for your specific business challenge.“

Stefan Strauss, Director Business Development Service, MTU Friedrichshafen

„The St. Gallen Business Model Navigator offers a great opportunity to challenge our habitual thinking concerning business models and revenue generation. Challenging discussions with the project teams and staff are thought provoking and trigger collaborative development.“

Dr. Ian Roberts, CTO, Bühler

„An aspiring field such as New Space really benefits from the St. Gallen Business Model Navigator because the market will be defined by a variety of innovative business models – going through all the possibilities is a real competitive advantage!“

Dr. Henning Roedel, NASA Ames Research Center

„The Business Model Navigator demonstrates impressively that sustainable innovation is not created by inspiration alone, but can and should be approached systematically building on shared experience and based on data. Identifying patterns in the fast changing environment and dynamically adapting your companies’ business model to them will be crucial for success in any industry.“

Dr. Ralf Schneider, Group CIO, Allianz

„Mit dem Business Model Navigator sind wir in der Lage, das Geschäftsmodell als Ganzes zu begreifen und am kompletten System zu arbeiten. Die St. Galler Methodik bringt nicht nur Ergebnisse, sondern erweitert auch das Mindset.“

Daniel Sennheiser, President Strategy and Finance, Sennheiser

„The Business Model Navigator with its tools, strategy, and visualizations are a perfect compliment to the ‘Foresight and Innovation by Design’ philosophy at Stanford. They work in practice and in theory.“

Professor Dr. Larry Leifer, Founding Director of the Stanford Center for Design Research

Vorwort

Der große internationale Erfolg unseres Buches The Business Model Navigator, aber auch die schwere globale COVID-19-Krise haben uns ermutigt, weitere Unterstützung zu geben. Das Denken in Geschäftsmodellen hat sich inzwischen stark etabliert. Unser Buch wurde in kurzer Zeit zum internationalen Bestseller und Standardwerk für neue Geschäftsmodelle, welches in Dutzende von Sprachen übersetzt wurde. Die FAZ schrieb bereits zum Erscheinen des Buches „. . . nichts weniger als eine Sensation“. Jetzt haben wir es ein weiteres Mal grundlegend überarbeitet, erweitert und aktualisiert.

Für diese dritte Auflage haben wir fünf neue Muster identifiziert und zahlreiche neue Beispiele für erfolgreiche Geschäftsmodellinnovatoren hinzugefügt (daher 55+). Darüber hinaus haben wir das Konzept des Business Model Navigators iterativer und agiler gestaltet. Ergänzt haben wir das Buch durch ein neues Kapitel zum Testen von Geschäftsmodellen. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die größten Engpässe im Richtungswechsel und Umsetzen bestehen. Zu Testmethoden in Geschäftsmodellen gibt es auch ein eigenes Kartenset sowie zahlreiche praktische Unterstützung. Es finden sich zusätzliche Infoboxen, Checklisten und Grafiken, welche die Methodik des Business Model Navigators noch leichter anwenden lassen.

Während zu Beginn die Geschäftsmodell-Revolutionen fast ausschließlich aus den USA kamen, haben wir in Europa zunehmend aufgeholt. Inspiriert durch längere Aufenthalte im Silicon Valley hat sich vor 15 Jahren bei uns der Traum einer Konstruktionsmethodik für neue Geschäftsmodelle festgesetzt. Jeder Maschinenbauer lernt früh im Studium Konstruktionsregeln, die zwar keine Garantie für ein erfolgreiches Produkt sind, aber die Erfolgswahrscheinlichkeit drastisch erhöhen. Warum gab es eine solche ingenieurmäßige Methodik nicht für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle? Auch in der Informatik kennt man seit langem die Tradition mit Design Patterns. Wir haben mehrere Jahre in Forschung und Praxis an einer solchen Methodik gearbeitet, eng zusammen mit führenden Industrieunternehmen, die die wirtschaftliche Bedeutung einer solchen Heuristik erkannt hatten.

Hintergrund für dieses Buch sind empirische Forschungsarbeiten, die zu einer systematischen und praxisnahen Vorgehensweise zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle geführt haben. Wir haben die bedeutenden Geschäftsmodelle der letzten 50 Jahre, welche jeweils eine Revolution in der jeweiligen Branche ausgelöst haben, analysiert hinsichtlich Regelmäßigkeiten und Systematiken in ihren Mustern. Hieraus entstand die für uns überraschende Erkenntnis, dass über 90 Prozent aller Geschäftsmodellinnovationen lediglich Rekombinationen aus bekannten Ideen, Konzepten und Elementen von Geschäftsmodellen aus anderen Industrien darstellen. Als Kern unserer Methodik dienen die hier beschriebenen Muster erfolgreicher Geschäftsmodellinnovationen, welche sich als Vorlage zur Innovation des eigenen Geschäftsmodells verwenden lassen.

Das Buch wendet sich bewusst an den Praktiker, wir haben wieder sowohl auf lange Literaturauflistungen als auch Theorien weitestgehend verzichtet. Den Praktiker verweisen wir gerne für weitere Tools und Hintergrundrecherchen auf unsere begleitende Homepage www.bmilab.com, welche wir ständig aktualisieren und ergänzen.

Für die starke Unterstützung und akribische Begleitung bei der dritten Auflage bedanken wir uns insbesondere bei Hanna Bencseky und Sascha Mader. Wir danken ebenfalls unseren zahlreichen Mitstreitern für die Unterstützung in diesem Forschungsprogramm, aber auch den zahlreichen mutigen Innovatoren aus der Praxis, welche uns immer wieder große Herausforderungen anvertrauen. Malte Belau möchten wir danken für die spritzige Illustration.

Die hier vorgestellten Methoden haben sich in zahlreichen Unternehmen bewährt. Tausende Kartensets der Muster sind im täglichen Gebrauch. Das BMI Lab unterstützt professionell in mehreren Ländern mit eigener Niederlassung oder Partnerunternehmen in der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle. Firmen wie Bosch und BASF haben gemeinsam mit uns eigene Kartensets entwickelt, welche auf ihre Firma angepasst wurden. Die Praxis ist begeistert, wir auch.

Wir hoffen, dass wir einen kleinen Beitrag dazu geleistet haben, dass Geschäftsmodellinnovationen verstärkt wieder aus Europa kommen. Gerade in unsicheren Zeiten und Krisen sind stetiges Hinterfragen des Status quo und die Weiterentwicklung essenziell. Das Befolgen gibt keine Garantie, aber es erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit drastisch. Am Ende gilt wieder: Nicht alles, was gewagt wird, gelingt. Aber alles, was gelingt, wurde einmal gewagt.

Wir wünschen den Unternehmen hierzu viel Erfolg!

St. Gallen, Herbst 2020

Oliver Gassmann

Karolin Frankenberger

Michaela Choudury

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

TEIL IGeschäftsmodellinnovationen vorantreiben

1 Die Logik von Geschäftsmodellen

1.1 Das Zeitalter der Geschäftsmodellinnovationen

1.2 Elemente eines Geschäftsmodells

1.3 Die dominante Branchenlogik als größte Herausforderung

2 Das Prinzip des Business Model Navigators

2.1 Zentrale Erkenntnis: kreative Imitation und die Bedeutung der Rekombination

2.2 Initiierung: Analyse des Ökosystems

2.2.1 Akteure verstehen

2.2.2 Einflussfaktoren analysieren

2.3 Ideenfindung: Neue Ideen generieren

2.3.1 Muster adaptieren nach dem Ähnlichkeitsprinzip

2.3.2 Muster adaptieren nach dem Konfrontationsprinzip

2.3.3 Ideenfindung erfolgreich durchführen

2.4 Integration: Konsistenz schaffen

2.4.1 Externe Konsistenz

2.4.2 Interne Konsistenz

2.5 Implementierung: Testen und optimieren

3 Den Wandel führen

3.1 Den Wandel vorantreiben

3.1.1 Commitment zeigen

3.1.2 Mitarbeiter in den Wandelprozess involvieren

3.1.3 Aufbau von Champions und Wandelverantwortlichen

3.1.4 Entscheidungspathologien vermeiden

3.1.5 Wandel führen erfordert Geduld

3.2 Stoßrichtung definieren

3.2.1 Vision entwickeln

3.2.2 Schnelle Erfolge erzielen

3.3 Strukturen, Prozesse und Ziele definieren

3.4 Fähigkeiten aufbauen

3.5 Kultur als Treiber des Wandels

TEIL IIDie 55+ Muster zur Geschäftsmodellinnovation

1 Add-on

Separate Verrechnung von Extras

2 Affiliation

3 Aikido

Stärken des Gegners in Schwächen umwandeln

4 Auction

Drei, zwei, eins . . . meins

5 Barter

Kuppelprodukte als Zugabe

6 Cash Machine

Liquidität durch negatives Umlaufvermögen

7 Cross-Selling

Zwei Fliegen mit einer Klappe

8 Crowdfunding

Schwarmfinanzierung

9 Crowdsourcing

Schwarmauslagerung

10 Customer Loyalty

Anreize für lange Treue

11 Digitalisation

Physische Produkte Digitalisieren

12 Direct Selling

Auslassen von Zwischenhändlern

13 E-Commerce

Transparenz und Kostenreduktion durch Online-Handel

14 Experience Selling

Emotionalisierung von Produkten

15 Flatrate

Unlimitierter Konsum zum Festpreis

16 Fractionalized Ownership

Effizienter Nutzen durch Teileigentum

17 Franchising

Einer für alle, alle für einen

18 Freemium

Freie Basis- und kostenpflichtige Premiumversion

19 From Push to Pull

Kundensog als Zentrum der Wertschöpfungsgestaltung

20 Guaranteed Availability

Gewährleistete Verfügbarkeit der Produkte

21 Hidden Revenue

Trennung von Einkünften und Kunde

22 Ingredient Branding

Marke in der Marke

23 Integrator

Mehrwert durch Integration

24 Layer Player

Der Schichtenspezialist

25 Leverage Customer Data

Mehrseitige Nutzung der Kundendaten

26 License

Kommerzialisierung von geistigem Eigentum

27 Lock-in

Zwangsloyalität durch hohe Wechselkosten

28 Long Tail

Kleinvieh macht auch Mist

29 Make more of it

Multiplikation von Kompetenzen außerhalb des Kerngeschäfts

30 Mass Customization

Individualität von der Stange

31 No Frills

Alles, außer teuer

32 Open Business Model

Hebeleffekte durch kollaborative Wertschöpfung

33 Open Source

Gemeinsam eine freie Lösung

34 Orchestrator

Dirigieren der Wertschöpfungskette

35 Pay-per-Use

Nutzungsabhängige Vergütung

36 Pay What You Want

Zahle, wie viel es dir wert ist

37 Peer-to-Peer

Von Mensch zu Mensch

38 Performance-based Contracting

Ergebnisabhängige Vergütung

39 Razor and Blade

Haken und Köder

40 Rent Instead of Buy

Entgeltliches, temporäres Nutzungsrecht

41 Revenue Sharing

Symbiotische Gewinnteilung

42 Reverse Engineering

Rasches Lernen vom Wettbewerber

43 Reverse Innovation

Lernen von Einfachstlösungen

44 Robin Hood

Nehmt es den Reichen und gebt es den Armen

45 Self-Service

Der arbeitende Kunde

46 Shop-in-Shop

Symbiotisches Huckepack

47 Solution Provider

Alles-aus-einer-Hand-Anbieter

48 Subscription

Abonnieren von Leistungen

49 Supermarket

Große Auswahl, kleine Preise

50 Target the Poor

Kunde am Fuß der Welteinkommenspyramide

51 Trash-to-Cash

Monetarisierung von Abfall

52 Two-Sided Market

Anziehungskraft indirekter Netzwerkeffekte

53 Ultimate Luxury

Mehr-als-mehr-Strategie

54 User-Designed

Der Kunde als erfinderischer Unternehmer

55 White Label

Eigenmarkenstrategie

56 Sensor as a Service

Nutzung von Sensoren für neue Dienste

57 Virtualisation

Virtuelle Nachahmung physischer Prozesse

58 Object Self-Service

Automatisierung der Materialbestellung

59 Object as Point of Sale

Bestellen am Ort des Verbrauchs

60 Prosumer

Zeitgleich Produzent und Konsument

TEIL IIIAnhang: Gut zu wissen für die Umsetzung

1 Das BMI Lab: From Insight to Impact

2 Glossar

3 Alle Muster auf einen Blick

4 Literaturhinweise

7 Autoren

TEIL IGeschäftsmodellinnovationen vorantreiben

Ziel dieses Buches ist es, Sie mit der Methodik des Business Model Navigators vertraut zu machen. Diese Methodik hilft Ihnen, Ihr Geschäftsmodell auf strukturierte Weise zu erneuern. Unsere Forschung hat gezeigt, dass die Geschäftsmodellinnovation auf über 55 wiederkehrenden Mustern beruht; von einer Kunst ist die Geschäftsmodellinnovation zu einer Wissenschaft und einem Handwerk geworden.

Um gleich zum Kern der Geschäftsmodellinnovation zu kommen, hebt Teil eins die Bedeutung der Innovation des Geschäftsmodells in unserer sich ständig verändernden Welt hervor und legt eine gemeinsame Grundlage für die Definition eines Geschäftsmodells dar. Das Geschäftsmodell eines Unternehmens wird greifbar, indem es anhand der folgenden vier Dimensionen beschrieben wird: Wer ist der Kunde (Wer?), was ist das Wertversprechen (Was?), wie gestaltet sich die Wertschöpfungskette (Wie?) und der Gewinnmechanismus (Wert?)? Darüber hinaus werden Haupthindernisse dargestellt, die Unternehmen daran hindern, ihr Geschäftsmodell zu erneuern und dadurch von der Kraft der Geschäftsmodellinnovation zu profitieren.

Der zentrale Mechanismus des St. Galler Business Model Navigators liegt in der Kraft der Rekombination und der kreativen Nachahmung anhand der identifizierten Geschäftsmodellmustern. Dieser Teil gibt eine Einführung, wie die Prinzipien angewandt werden können und wie sie im Business Model Navigator funktionieren.

Im Folgenden sind die wichtigsten Thesen aus dem ersten Teil des Buches zusammengefasst:

       Ein Geschäftsmodell liefert ein ganzheitliches Bild davon, wie ein Unternehmen Werte schafft und diese erfasst, indem es das „Wer“, das „Was“, das „Wie“ und den „Wert“ eines Unternehmens definiert. Ein Geschäftsmodell zu erneuern bedeutet, mindestens zwei dieser Dimensionen zu verändern.

       Eine der wichtigsten Herausforderungen bei der Innovation von Geschäftsmodellen ist die Überwindung der vorherrschenden Firmen- sowie Branchenlogik.

       Der Business Model Navigator hilft Ihnen, den Weg zu einem innovativen Geschäftsmodell erfolgreich zu strukturieren, und führt Sie durch den Innovationsprozess.

       Im Mittelpunkt des Business Model Navigators steht die Rekombination und kreative Nachahmung von den 55+ Geschäftsmodellmustern – ein effektives Werkzeug, um aus den gängigen Strukturen auszubrechen und neue Ideen für Geschäftsmodelle zu generieren.

       Ein wichtiger Schritt in diesem Prozess ist die Testphase. Gibt es genügend Kunden für das neue Geschäftsmodell? Ist der geschaffene Wert stark genug? Sind die Kunden bereit, für das neue Geschäftsmodell zu bezahlen? Zu welchem Preis? Oder gibt es andere Parteien, die für das angebotene Produkt oder die angebotene Dienstleistung zahlen könnten?

       Changemanagement ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg eines jeden Geschäftsmodell-Innovationsprojektes – die Schaffung einer starken Innovationskultur und die Identifizierung von Barrieren und Befähigern für transformative Innovationen ist entscheidend für die Umsetzung einer Geschäftsmodellinnovation in Ihrem Unternehmen.

 

1Die Logik von Geschäftsmodellen

 

Es gibt zahlreiche Firmen mit exzellenten technologischen Produkten. Vor allem in Europa zeichnen sich viele Firmen durch ihre ausgezeichnete Produkt- und Prozessinnovationsfähigkeit aus. Warum verlieren solche Firmen, die lange Jahre für ihre innovativen Produkte und Prozesse bekannt waren, plötzlich ihren Wettbewerbsvorteil? Starke Firmen wie AEG, Grundig, Triumph, Brockhaus, Agfa, Quelle und Schlecker verschwinden auf einmal von der Bildfläche nach jahrzehntelangem Erfolg. Was haben diese Firmen falsch gemacht? Die Antwort ist einfach und schmerzhaft: Die Firmen haben es versäumt, ihr Geschäftsmodell an die sich ändernden Umweltbedingungen anzupassen.

Die Fähigkeit, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, ist im heutigen Zeitalter eine Kernvoraussetzung für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Es gibt allerdings bisher in Europa nur wenige wie Nestlé oder Hilti, die ihr Geschäftsmodell erfolgreich und prominent innoviert haben. Die meisten Vorbilder kommen immer noch aus den USA. Man denke nur an Namen wie Amazon, Google, Apple, Microsoft und Salesforce, um nur ein paar zu nennen. Auch aus Asien stammen vermehrt innovative Geschäftsmodelle, wie beispielsweise Alibaba oder Tencent. Sie replizierten dabei keine westlichen Ansätze, sondern haben eigene leistungsfähige Geschäftsmodelle entwickelt. Die brennenden Fragen sind also: Wie wird Ihr Unternehmen ein “Game-Changer“? Wie kann es zu einem Vorbild für seine Branche werden? Wie kann Ihr Unternehmen zu einem „Business-Model-Innovator“ werden?

1.1Das Zeitalter der Geschäftsmodellinnovationen

Wenn man vor zehn Jahren jemanden gefragt hätte, ob Kunden bereit sein würden, über 80 Euro für ein Kilo Kaffee zu bezahlen, oder ob über zehn Prozent der Weltbevölkerung einen Großteil ihrer persönlichen Informationen freiwillig auf einer Internetplattform verfügbar machen, hätte man womöglich nur Kopfschütteln geerntet. Gleichermaßen war es nur schwer vorstellbar, dass das weltweite Telefonieren nahezu kostenlos, ein Flugticket für nur wenige Euro zu haben oder der Preis einer Taxifahrt durch die aktuelle Nachfrage bestimmt sein würde. Oder wer hätte noch vor 15 Jahren gedacht, dass ein Suchalgorithmus eines 1998 gegründeten Start-ups namens Google einmal mehr wert sein wird als ein ganzer Konzern wie ABB, Daimler oder General Electric mit all ihren Fabriken, Ingenieuren, weltweiten Niederlassungen und ihrem Markenwert? Selbst innerhalb Branchen verändern sich grundlegende Bewertungen: Trotz deutlich kleinerer Absatzmengen als Volkswagen oder Toyota wurde Tesla 2020 weltweit zum wertvollsten Automobilhersteller.

Heute werden diese Entwicklungen als das natürliche Ergebnis eines Phänomens verstanden, welches in nahezu allen Branchen und Industrien beobachtet werden kann. Die Rede ist von Geschäftsmodellinnovationen – neudeutsch auch „Business Model Innovation“ genannt (Bild 1.1). Kaum ein anderes Phänomen hat das Wirtschaftsgeschehen in der Vergangenheit so häufig aufgewirbelt wie Geschäftsmodellinnovationen und kaum ein anderer Begriff erscheint so häufig auf den Titelblättern in der Wirtschaftspresse. Doch warum sind Geschäftsmodellinnovationen so bedeutsam?

Bild 1.1Neue Geschäftsmodelle generieren neben Produkt- und Prozessinnovationen zusätzliches Innovationspotenzial

Innovation ist schon immer ein wichtiger Hebel für das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen gewesen. In der Vergangenheit jedoch war das Hervorbringen exzellenter technologischer Lösungen und Produkten ausreichend für den Erfolg. In ingenieurstarken Unternehmenskulturen hat dies oft zu „Happy Engineering“ geführt, bei dem technologisch faszinierende Produkte am Markt entsorgt werden mussten. Doch in immer mehr Branchen reicht heutzutage ein reiner Fokus auf Produkt- oder Prozessinnovationen nicht mehr aus. Steigender Wettbewerbsdruck, die anhaltende Globalisierung, aufschließende Konkurrenten aus Fernost, und Produkte, die zu Commodities werden, sind nur einige Gründe dafür. Hinzu kommen die Einführung neuer Technologien, konvergierende Industriegrenzen, veränderte Markt- und Wettbewerbsbedingungen und regulatorische Veränderungen, die viele Produkte und Prozesse – mögen sie noch so innovativ sein – obsolet machen und die Spielregeln einer Branche auf den Kopf stellen.

Empirische Ergebnisse belegen eindeutig, dass Geschäftsmodellinnovationen mit höherem Erfolgspotenzial für das innovierende Unternehmen verbunden sind als reine Produkt- und Prozessinnovationen. So zeigt eine Studie der Boston Consulting Group, dass Geschäftsmodellinnovatoren über einen Zeitraum von fünf Jahren im Durchschnitt um sechs Prozent profitabler als reine Produkt- oder Prozessinnovatoren sind. Ebenso sind 14 der 25 innovativsten Unternehmen der Welt vor allem Geschäftsmodellinnovatoren. Diese Ergebnisse decken sich mit einer weiteren Studie der IBM, wonach Outperformer einer Branche im Durchschnitt doppelt so häufig ihr Geschäftsmodell innovieren wie die unterlegenen Underperformer.

Zweifellos sind gute Produkte und Prozesse nach wie vor wichtig, werden in Zukunft aber nicht mehr über Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen entscheiden. Wir sind im Zeitalter von Geschäftsmodellinnovationen angelangt, in welchem das Schicksal von Unternehmen immer häufiger davon abhängt, ob sie es auch verstehen, sich mit einem innovativen Geschäftsmodell von dem übrigen Allerlei in ihrer Branche abzuheben.

Der Wettbewerb wird in Zukunft nicht zwischen Produkten oder Prozessen stattfinden, sondern zwischen Geschäftsmodellen.

Tatsächlich gehen die großen Erfolgsgeschichten weniger auf ein neues großartiges Produkt, sondern auf das innovative Geschäftsmodell dieser Unternehmen zurück.

       Amazon ist der größte Buchhändler der Welt geworden, ohne ein einziges Ladengeschäft.

       Airbnb ist die größte Hotelkette, ohne ein einziges Hotel zu besitzen.

       Apple ist der größte Musikeinzelhändler und hat keine einzige CD verkauft.

       Pixar hat in den letzten zehn Jahren elf Oscars gewonnen, ohne einen einzigen Schauspieler zu zeigen.

       Netflix hat das Videothekengeschäft neu erfunden, und das, ohne eine einzige Videothek zu betreiben.

       Skype ist der größte grenzüberschreitende Kommunikationsanbieter der Welt, ohne eigene Netzwerkinfrastruktur.

       Starbucks ist die weltweit größte Kaffeehauskette, die Kaffee standardisiert zu Höchstpreisen verkauft.

       Uber ist einer der am höchsten bewerteten Mobilitätsanbieter, ohne ein einziges Auto zu produzieren und zu besitzen oder auch nur einen Taxifahrer anzustellen.

Sei paranoid

Die Folgen für die Unternehmen, welche im Innovationsrennen mitspielen müssen, sind drastisch. Die alte Regel der BCG bezüglich der Pflege der Cash Cows gilt heute immer eingeschränkter. Vielmehr müssen Unternehmen immer häufiger und schneller auch ihr derzeit noch erfolgreiches Geschäftsmodell hinterfragen. Dies erfordert eine gewisse paranoide Grundeinstellung, wie sie Steve Jobs innehatte: Jederzeit die Grundsäulen des heutigen Erfolgs hinterfragen und mental jederzeit auf den Untergang vorbereitet zu sein, selbst wenn heute noch Spitzenerträge erzielt werden. Wir befinden uns im Zeitalter der temporären Wettbewerbsvorteile: Erfolg bleibt nur, wenn seine Wurzeln stetig hinterfragt werden.

1.2Elemente eines Geschäftsmodells

Das Wort Geschäftsmodell ist heute in aller Munde. Es wird verwendet, um die aktuellen Tätigkeiten einer Firma zu beschreiben oder auch um einen Aufbruch zu signalisieren wie z. B. mit der oft getätigten Aussage „Wir müssen unser Geschäftsmodell ändern, um erfolgreich zu bleiben“. Es gibt wohl kaum einen Manager, der diese Phrase noch nicht verwendet hat. Fragt man allerdings nach, was der Begriff genau bedeutet, erhält man eine Vielfalt an Antworten. Selbst in derselben Firma herrscht oft kein einheitliches Verständnis über den Begriff. Dies führt dazu, dass Leute, die im selben Raum sitzen und über ihr Geschäftsmodell diskutieren, oft ganz unterschiedliche Auffassungen haben, was das Geschäftsmodell eigentlich beinhaltet. Man muss sich dann nicht wundern, wenn anschließend wenig Produktives und Innovatives dabei herauskommt.

Auf der Basis unserer langjährigen Arbeit mit Firmen zu diesem Thema haben wir ein einfaches und trotzdem ganzheitliches Modell zur Beschreibung des Geschäftsmodells entwickelt. Ein solches vereinfachtes Modell ist gerade für die interaktive Skizzierung eines Geschäftsmodells in Workshops und Diskussionen zielführender als komplexe Canvas-Strukturen, da fokussierter diskutiert wird. Unser Modell für die Beschreibung von Geschäftsmodellen besteht aus vier Dimensionen und wird in einem „magischen Dreieck“ dargestellt (Bild 1.2):

1.      Der Kunde – wer sind unsere Zielkunden? Für jedes erfolgreiche Geschäftsmodell muss ein Unternehmen genau verstehen, welches die relevanten Kundensegmente sind, die adressiert werden sollen, und welche nicht. Der Kunde steht im Zentrum jedes Geschäftsmodells – immer und ohne Ausnahme.

2.      Das Nutzenversprechen – was bieten wir den Kunden an? Die zweite Dimension beschreibt, was den Zielkunden angeboten wird, um deren Bedürfnisse zu befriedigen. Das Nutzenversprechen beschreibt alle Leistungen eines Unternehmens (Produkte und Dienstleistungen), die dem Kunden von Nutzen sind.

3.      Die Wertschöpfungskette – wie stellen wir die Leistung her? Um das Nutzenversprechen zu erzielen, muss ein Unternehmen verschiedene Prozesse und Aktivitäten durchführen. Diese Prozesse und Aktivitäten zusammen mit den involvierten Ressourcen und Fähigkeiten und ihrer Koordination entlang der Wertschöpfungskette eines Unternehmens bilden die dritte Dimension im Design eines Geschäftsmodells.

4.      Die Ertragsmechanik – wie wird Wert erzielt? Die vierte Dimension erklärt, warum ein Geschäftsmodell finanziell überlebensfähig ist. Es beinhaltet Aspekte wie die Kostenstruktur und die Umsatzmechanismen. Diese Dimension beantwortet die zentrale Frage jeder Firma: Wie erzielt man mit dem Geschäft Wert?

Bild 1.2Das magische Dreieck mit den vier Dimensionen eines Geschäftsmodells

Durch die Beantwortung dieser vier Fragen und die Konkretisierung der Kundensegmente, des Nutzenversprechens, der Wertschöpfungskette und der Ertragsmechanik wird das Geschäftsmodell konkret und fassbar und ermöglicht eine Basis für seine Innovation. Wir sprechen von einem „magischen Dreieck“, da die Optimierung an einem der Eckpunkte (beispielsweise Ertragsoptimierung) automatisch Antworten der beiden anderen Seiten (Nutzenversprechen oder Wertschöpfungskette) erfordert.

Wer-Was-Wie-Wert?

Zusammenfassend ist ein Geschäftsmodell darüber definiert, wer die Kunden sind, was verkauft wird, wie man es herstellt und wie man einen Ertrag realisiert. Kurz gesagt, das Wer-Was-Wie-Wert? definiert ein Geschäftsmodell, wobei die ersten beiden „W“ die externe Dimension eines Geschäftsmodells adressieren und die letzten beiden „W“ die interne Dimension.

Um eine Geschäftsmodellinnovation handelt es sich dann, wenn mindestens zwei dieser vier Elemente geändert werden. Eine Bestrebung, lediglich das Wertversprechen zu erneuern, würde nur zu einer Produktinnovation führen. Die folgenden Beispiele zeigen, wie Unternehmen zwei oder mehrere der genannten Elemente ihres Geschäftsmodells entweder im Hinblick auf die dominante Branchenlogik oder auf ihr früheres Geschäftsmodell erneuert haben:

       Dell: Das Computertechnologieunternehmen konzentriert sich seit 1984 auf den Direktvertrieb. Im Gegensatz zu anderen Wettbewerbern wie Hewlett-Packard oder Acer sind keine Zwischenhändler involviert. Dell ist daher in der Lage, kundenspezifische Produkte zu geringeren Kosten in einem Build-to-Order-Prozess anzubieten (Wie?). Da Dell die Bestellungen direkt von den Kunden erhält, sammelt das Unternehmen wertvolle Informationen über die tatsächliche Nachfrage. Diese ermöglichen Dell, seinen Bestand sowie das Partnernetzwerk effizienter zu verwalten (Wie?). Weitere Umsätze erzielt das Unternehmen auch mit dem Add-on-Konzept, bei dem Kunden zusätzliche Komponenten zum Basisprodukt auswählen können, um so ihren eigenen personalisierten Computer konfigurieren zu können (Wert?). In Bezug auf das in der Branche vorherrschende Geschäftsmodell hat Dell alle Ecken des Dreiecks modifiziert und so eine neue Logik der Wertschöpfung geschaffen.

       Rolls-Royce: Der britische Flugzeugturbinenhersteller Rolls-Royce hat mit dem „Power-by-the-Hour“-Angebot ein innovatives Geschäftsmodell eingeführt. Die Airlines bezahlen nur noch die Betriebsstunden der Turbinen und sind nicht mehr dazu verpflichtet, die Turbinen zu kaufen (Was?). Die Turbine als solche verbleibt dabei im Besitz von Rolls-Royce, das für die Wartung und Instandhaltung der Turbine zuständig ist (Wie?). Rolls-Royce kann durch die Abrechnung der geflogenen Flugstunden konstante Umsatzströme generieren und durch ein effizientes Servicekonzept die Kosten senken (Wert?). Als Nebeneffekt ändert sich auch das Mindset der Mitarbeiter: Während früher mit Wartung direkter Umsatz generiert wurde und daher die Entwicklung ambivalente Ziele hatte, werden mit dem neuen Geschäftsmodell die wartungsarmen Turbinen zum Hauptziel.

       Alibaba: Als weltweit größte Business-to-Business-E-Commerce-Plattform agiert das chinesische Unternehmen als Two-Sided Marketplace. Alibaba verbindet Käufer und Verkäufer (Wer?), um den Verkauf von Waren zwischen diesen beiden Akteuren zu erleichtern (Was?). Hierbei agiert Alibaba als Mittelsmann über seine umfangreichen Online-Netzwerke (Wie?). Auf dem Marktplatz fällt weder bei Verkäufer noch Käufer für den Abschluss von Transaktionen eine Gebühr an. Dafür bezahlen die Verkäufer, um in der Suchmaschine der Website einen höheren Rang einzunehmen, wodurch zusätzliche Werbeeinnahmen für Alibaba generiert werden (Wert?). Das Geschäftsmodell von Alibaba gleicht der Fassade eines Online-Marktplatzes (z. B. eBay) sowie der Einnahmelogik von Online-Suchmaschinen (z. B. Google); die Daten der Käufer und Verkäufer werden sowohl für die Zwecke des Wertversprechens als auch zur Werterfassung verwertet.

       Zopa: Ein Beispiel für einen Geschäftsmodellinnovator in der Finanzbranche ist das im Jahr 2005 gegründete Unternehmen Zopa. Es handelt sich hierbei um die weltweit erste sogenannte Social-Lending-Plattform, auf der Privatpersonen sich gegenseitig untereinander Kredite verleihen können (Was?). Zopa vermittelt die Kreditsuchenden, die den benötigten Kreditbetrag sowie eine Spanne für die gewünschten Kreditkonditionen im Voraus interessierten Kreditgebern angeben (Wie?). Durch dieses Konzept findet die Kreditvergabe unter Ausschaltung jeglicher Form von Banken statt, wodurch sowohl Kreditgeber als auch Kreditnehmer von verbesserten Zinskonditionen profitieren. Zopa verdient sein Geld durch eine Gebühr von jedem Kreditnehmer, wobei für Kreditgeber keine Gebühren anfallen (Wert?).

       BackWerk: Bei der Selbstbedienungsbäckerei BackWerk sammeln die Kunden die gewünschten Brote und Gebäcke selber ein und verpacken ihren Einkauf dann auch gleich selbst (Was? Wie?). Durch die Einbindung des Kunden in die Wertschöpfung des Unternehmens gelingt es BackWerk, die Personalkosten zu minimieren und die Backwaren im Vergleich zu herkömmlichen Bäckereien 30 bis 45 Prozent günstiger anzubieten (Wert?). Durch ein Franchising-Konzept hat BackWerk bisher über 300 Filialen aufgebaut und befindet sich seit Eröffnung der ersten Selbstbedienungsbäckerei auf Erfolgskurs.

       Flyeralarm: Das im Jahr 2002 gegründete Unternehmen ist durch ein innovatives Geschäftsmodell zu einer der größten Online-Druckereien in Europa geworden und generiert mittlerweile einen Umsatz in Höhe von 330 Millionen Euro. Flyeralarm bietet dem Kunden durch ein Online-Konzept eine schnelle und kostengünstige Abwicklung von Plakat- und Flyer-Druckaufträgen an, die innerhalb von 24 Stunden versandt werden (Was?). Bei Flyeralarm bestellt der Kunde über eine Online-Plattform und wählt dabei bereits präzise aus, was er in welcher Größe und auf welchem Papier gedruckt haben möchte. Die Ausführung des Druckauftrags ist von Flyeralarm zu 99 Prozent automatisiert worden, wodurch das Unternehmen schnelle und kostengünstige Lieferungen garantieren kann (Wie? Wert?).

       Google: Der Internetgigant Google bietet den Kunden diverse Leistungen an, unter anderem die Suchmaschine, persönliche Kalender- und E-Mail-Dienste, Kartenapplikationen und Bewertungssysteme, und generiert dadurch wertvolle Kundeninformationen (Was?). Dem Unternehmen gelang es, eine breite Kundenbasis aufzubauen, aufseiten der Nutzer wie auch aufseiten der Werbenden (Wer?). Die Kundendaten kann Google für die effektive personalisierte Werbung nutzen (Wie?). Durch das Anbieten personalisierter Pay-per-Click-Werbung durch AdSense gelang Google eine äußerst erfolgreiche Ertragsmodellinnovation (Wert?). Die Werbenden zahlen nur dann, wenn die Nutzer auch wirklich auf ihr Inserat klicken, wodurch Streuverluste minimiert werden können. Google generiert durch Werbeeinnahmen über 90 Prozent seines jährlichen Milliardenumsatzes.

Wie die Beispiele zeigen, beziehen sich Geschäftsmodellinnovationen immer auf mindestens zwei der vier grundlegenden Dimensionen.

Als Faustregel zur Abgrenzung von Produkt- und Prozessinnovation gilt, dass sich eine Geschäftsmodellinnovation auf mindestens zwei der vier Geschäftsmodellkomponenten (Wer-Was-Wie-Wert? ) signifikant auswirkt.

Ziel einer jeden Geschäftsmodellinnovation sind das Schaffen und das Abschöpfen von Wert oder in den Worten eines uns bekannten CEOs: „Create value, capture value.“ Während fast alle Geschäftsmodellinnovatoren gut darin sind, Wert zu schaffen, versagen viele darin, den geschaffenen Wert für sich nutzbar zu machen. Nehmen wir als Beispiel ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell: Facebook. Obwohl das Wachstum stabil blieb, brach der Aktienkurs des Unternehmens während seines Börsengangs 2012 drastisch ein. Ein Grund dafür war, dass Facebook nicht mehr so viel Wert wie früher verbuchen konnte. Die zunehmende Mobilität der Kunden sowie die Nutzung der Smartphones machte das Anzeigengeschäft weniger attraktiv, da Anzeigen auf Mobiltelefonen weniger effektiv sind als auf den größeren Desktop-Bildschirmen. Im Jahr 2014 ermöglichte die Übernahme von WhatsApp für 19 Milliarden US-Dollar – was zu diesem Zeitpunkt etwa 40 US-Dollar pro WhatsApp-Benutzer entsprach und zudem von Analysten oft kritisiert wurde, da sie das gesamte Geschäftsmodell nicht verstanden – Facebook, die Wertschöpfung aus laufenden Transaktionen weiter zu steigern. So konnte Facebook sicherstellen, dass sich das Unternehmen einen ausreichend großen Anteil an dem Wert sichert, welches WhatsApp für seine Kunden schafft.

Eine erfolgreiche Geschäftsmodellinnovation schafft Wert und schützt einen Teil des geschaffenen Wertes für das eigene Unternehmen. „Create value, capture value.“ Oft wird der zweite Teil vernachlässigt.

1.3Die dominante Branchenlogik als größte Herausforderung

Generationen von Führungskräften wurden auf die Branchenanalyse von Michael Porter mit den „Five Forces“ getrimmt. Darin ist zunächst nichts Schlechtes zu sehen. Kernidee dieses Ansatzes ist, die Industrie im Detail zu analysieren und damit zu versuchen, durch eine bessere Positionierung gegenüber den Wettbewerbern einen Vorteil zu erzielen. Dies ist heute nicht mehr ausreichend, vielmehr gilt es neue Märkte und Branchen zu schaffen, in denen noch wenig Wettbewerb herrscht und die Margen hoch sind.

Neue Geschäftsmodelle werden nur geschaffen, wenn die Unternehmen sich nicht an den traditionellen Wettbewerbern orientieren: IKEA hat mit seinem preiswerten und trotzdem modischen Design und neuartigen Verkauf von Möbeln die Möbelindustrie revolutioniert. Die britische Rockband Radiohead versetzte bei der Vermarktung ihres Albums In Rainbows die Musikindustrie mit einem Konzept in Aufruhr, wonach der Kunde den Preis für das Album selbst bestimmen kann, was zu Bekanntheitssteigerungen, erhöhten Konzertbesucherzahlen und vermehrten Verkäufen älterer Alben geführt hat. Fressnapf hat den Tierbedarfshandel mit einem Franchising-Konzept revolutioniert und ist heute in Europa zum größten Unternehmen in seiner Branche aufgestiegen. Und Car2Go innovierte die Mietwagenindustrie mit seinem innovativen Car-Sharing-Konzept, welches Nutzern erlaubt, Autos im Minutentakt zu mieten.

Warum innoviert nicht jede Firma ihr Geschäftsmodell? In internationalen Großkonzernen entfallen auf die tatsächliche Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle beispielsweise gerade mal knapp zehn Prozent des Innovationsbudgets (Bild 1.3). In klein- und mittelständischen Unternehmen liegt die Zahl noch deutlich tiefer. Die Antwort findet sich nicht im fehlenden Willen. Vielmehr ist das Denken außerhalb der eigenen Branchenlogik schwierig, mentale Barrieren blockieren die Entwicklung gänzlich neuer Ideen. Es mangelt Unternehmen häufig am richtigen Umgang mit der Thematik. In diesem Zusammenhang haben wir in unserer Forschung drei Kernherausforderungen identifiziert, die den Umgang von Unternehmen mit Geschäftsmodellinnovationen deutlich erschweren:

1.      Das Denken außerhalb der eigenen Branchenlogik ist sehr schwierig; mentale Barrieren blockieren die Entwicklung gänzlich neuer Ideen.

2.      Schwierigkeiten, in Geschäftsmodellen zu denken und nicht nur in Technologien und Produkten: Das klassische Denken in Produkten und Prozessen zu verlassen und mehr in Geschäftsmodellen zu denken, die per se abstrakter sind, fällt Mitarbeitern schwer.

3.      Fehlende systematische Werkzeuge: Einer der größten Innovationsmythen ist, dass Innovation und vor allem Geschäftsmodellinnovation ein chaotischer Prozess sein muss, und dass nur die kreativen Genies revolutionäre Innovationen auf den Markt bringen können. Fakt ist, dass Innovation eine Disziplin ist, die gemanagt werden muss. Allerdings braucht es Methoden und Prozesse. Wie jeder Friseur eine gute Schere und jeder Schreiner funktionierende Werkzeuge hat, so benötigen auch Manager funktionierende Werkzeuge für Geschäftsmodellinnovation.

Bild 1.3Geschäftsmodellinnovationen machen lediglich zehn Prozent der Gesamtinnovationsinvestitionen multinationaler Konzerne aus

Herausforderung 1: Das Denken außerhalb der eigenen Branchenlogik

Selbst grundsätzlich offen denkende Führungskräfte schaffen es kaum, die dominante Logik ihrer Firma und ihrer Branche nach einigen Jahren Erfahrung zu durchbrechen. Jedes Unternehmen arbeitet in einer Branche, die aufgrund des Zusammenspiels der Wettbewerber sowie der existierenden Wertschöpfungskette nach einer herrschenden Struktur funktioniert. Und auch wenn in vielen Firmen diese gar nicht explizit besprochen wird, so hat sie sich etabliert und das eigene Unternehmen hat sich danach in seinem heutigen Geschäftsmodell ausgerichtet. Jahrzehntelang haben Managementbücher dieses uniforme, eindimensionale Denken als starke „Corporate Identity“ und damit als Wettbewerbsvorteil gelobt.

Die dominante Branchenlogik wird immer dann sichtbar, wenn ein Neueinsteiger im Unternehmen Fragen stellt, die nur ein Newcomer stellen kann. Nachsichtig und geduldig erklären dann die eingefleischten Branchenexperten dem Neuling die dominante Branchenlogik: „Unsere Branche ist anders als andere. Das Geschäft läuft hier nun einmal nur so. Anders akzeptiert es der Kunde nicht.“ Diese, von den Soziologen als „Orthodoxie“ bezeichneten, Grundsäulen eines Unternehmens lassen sich kaum ändern. Nur sehr wenige Unternehmen, wie beispielsweise Nestlé, analysieren die Fragen der Newcomer und sehen diese als Quelle neuer Ideen. Das Einbringen von Ideen außerhalb des Unternehmens ist ein vielversprechender Weg für die Mitarbeiter, ihre gängigen Denkmuster zu durchbrechen. Leider werden solche Ideen jedoch regelmäßig durch das „Not-Invented-Here-Syndrom“ – ein psychologisches Phänomen, welches dazu führt, dass innerhalb einer etablierten Gruppe oder Organisation jegliche von außen kommende Idee abgelehnt wird – infrage gestellt und erstickt, bevor sie einen wirklichen Einfluss auf das Unternehmen haben können. Jede Methode zur Innovation von Geschäftsmodellen muss daher ein Gleichgewicht finden zwischen der Notwendigkeit, Ideen von außen zu integrieren und dem Management die Möglichkeit zu geben, eigene Ideen zu entwickeln.

Die Führungskräfte verstehen meist nicht, warum sie ihre Komfortzone verlassen sollen, solange sie mit dem bisherigen Geschäftsmodell immer noch Gewinne erzielen. Sie halten an ihrer dominanten Logik fest und unterschätzen die Notwendigkeit der Veränderung. Sollten die Gewinne jedoch einmal einbrechen, ist es oft zu spät für neue Geschäftsmodelle. Dann hilft meist nur noch die Telefonnummer des Sanierungsexperten, der die Kosten reduziert. Michael Dell sagte es einmal treffend anlässlich einer Großveranstaltung: „Um Innovation muss man sich kümmern, wenn es einem gut geht.“

Die Insolvenz von Kodak ist beispielsweise darauf zurückzuführen, dass die dominante Branchenlogik nicht rechtzeitig durchbrochen wurde. Obwohl Kodak 1975 sogar die erste Digitalkamera entwickelt hatte, verzichtete das Management auf die Markteinführung – aus Angst, das dominante Geschäftsmodell, nämlich die analoge Fotografie, zu unterwandern. In der Welt der analogen Fotografie wurde viel Geld mit Verbrauchsmaterialien – Filmen und deren Entwicklung – verdient. Die Herstellung von Kameras spielte im Geschäftsmodell von Kodak nur eine kleine Rolle. Kodak glaubte fest daran, dass die analoge Fotografie erhalten bleibt, und prognostizierte 1999, als eine große Welle neu entwickelter Digitalkameras auf den Markt kamen, dass zehn Jahre später die digitale Fotografie einen Marktanteil von nur fünf Prozent haben werde. Eine existenzielle Fehleinschätzung: In 2009 entfielen nur noch fünf Prozent des Markts auf die analoge Fotografie und der Rest auf die digitale Fotografie. 2012 wurde Insolvenz angemeldet. Wenn wir heute die Automobilindustrie anschauen, so gibt es wenige Unternehmen wie MobileEye, die konsequent auf neue Konzepte wie beispielsweise Mobility as a Service setzen. Wie schnell werden es die etablierten Unternehmen schaffen, vom bewährten Verbrennungsmotor wegzukommen? In den nächsten zehn Jahren werden wir einige Unternehmen sehen, die „gekodakt“ werden.

Eine ähnliche Geschichte schrieben auch die früheren „Big Five“ der Musikindustrie (Universal, Warner, BMG, Sony, EMI). Auch sie haben es nicht geschafft, die dominante Branchenlogik rechtzeitig zu durchbrechen, sondern hielten krampfhaft an ihr fest. Die 1982 vom Fraunhofer-Institut entwickelte MP3-Technologie ermöglichte den raschen Austausch von Musikdateien in den 1990er-Jahren. Ein reger Tauschhandel ohne Beachtung der Urheberrechte ist daraufhin im Internet entstanden. Anstatt anzuerkennen, dass die MP3-Technologie die Musikindustrie revolutionieren wird, setzten die Firmen auf Rechtsstreitigkeiten mit den aufkommenden Playern wie Napster. Erst als dann der Branchenneuling Apple eine legale Alternative zum Download von Musik aus dem Internet auf den Markt brachte, erkannten die „Big Five“, dass die dominante Branchenlogik nun endgültig obsolet geworden und kein Weg zurück mehr möglich war.

Für erfolgreiche Geschäftsmodellinnovationen ist es unabdingbar, die dominante Branchenlogik zu durchbrechen und Ideen außerhalb der existierenden Denkschemata zu entwickeln. Nur dann kann wirklich Neues entstehen.

Ein erfolgreiches Beispiel ist hingegen das Unternehmen Streetline – hinter welchem IBM steht –, das mit seinem Geschäftsmodell die dominante Logik in der Parkplatzindustrie durchbrochen hat. Parken ist eine 25-Milliarden-Dollar-Industrie, die wenig Innovation in den letzten Jahren gesehen hat. Streetline hat in den USA Tausende Parkplätze – und einige auch bereits in Deutschland – mit kostengünstigen Sensoren ausgestattet, die über eine Metallspule mitteilen, ob ein Auto auf dem Parkplatz steht oder nicht und ob es sich bewegt oder nicht. Der Sensor sendet per Mesh Network ein Signal an einen Transmitter, der an einer Straßenlaterne befestigt ist. Von dort geht das Signal ins Internet und in Echtzeit an die entsprechende Applikation.

Anstatt allerdings die Autofahrer als die ersten Konsumenten zu sehen, wie das andere Anbieter machen, fokussiert sich Streetline auf die Städte und Kommunen. Die Stadt kann mit einem solchen System massiv Geld verdienen und ist damit hoch interessiert an dem Geschäftsmodell. Aktuell zahlen 50 bis 80 Prozent der Fahrer ihre Parkgebühren nicht. Mit dem System können die Städte Parkplatzsünder direkt identifizieren und gezielt angehen. Autos, die ihre Parkzeit überziehen, werden auf dem Endgerät rot markiert. Das System verschafft den Städten mehr Einnahmen und zugleich geringere Kosten, da weniger Personal benötigt wird, um die Schwarzparker zu identifizieren, folglich wird die Marge pro Parkplatz deutlich erhöht.

In einem zweiten Schritt kann das Geschäftsmodell auch noch ausgebaut und dem Kunden, also dem Autofahrer, zur Verfügung gestellt werden. 30 Prozent des Verkehrsaufkommens in Städten kommt von Parkplatzsuchenden. Durch die Lösung können unnötige Staus in Städten vermieden, weniger Sprit verbraucht und auch Nerven geschont werden.

Das Geschäftsmodell von Streetline basiert auf zwei Mustern, die für die Parkplatzindustrie neu sind: Erstens bieten sie als Integrator (ähnlich wie Zara in der Bekleidungsindustrie) alles aus einer Hand – von Sensoren für die Straßen hin zu mobilen Apps, Analyse- und Auswertungssystemen und einer Software für Realtime-Parkplatzmanagement. Zudem bieten sie ein Abo-Modell das für die Kommunen die hohen Investitionskosten up-front reduziert.

Herausforderung 2: Schwierigkeiten, in Geschäftsmodellen zu denken und nicht nur in Technologien und Produkten

Eine zweite Herausforderung ist das Denken in Geschäftsmodellen und eben nicht in Produkten und Technologien – wir nennen dies auch die Business Model Thinking Attitude, die oft fehlt. Diese Herausforderung gepaart mit dem Mythos, dass Geschäftsmodellinnovationen immer auf einer faszinierenden neuen Technologie beruhen, macht Geschäftsmodellinnovation schwierig. Neue Technologien sind zwar häufig Treiber für neue Geschäftsmodelle, aber diese sind meist generisch. Solche Technologien, wie das Internet, die Auto-ID-Technologien (z. B. RFID) oder das Cloud Computing, sind breit bekannt und allen zugänglich. Der kreative Sprung liegt in der Anwendung und Nutzbarmachung für das eigene Unternehmen, um das Geschäft zu revolutionieren. Die Entdeckung des betriebswirtschaftlichen Potenzials einer neuen Technologie – also des richtigen Geschäftsmodells – ist die wahre Revolution.

Ein Beispiel hierfür ist das Thema Pay as you drive – kurz PAYD – in der Versicherungsindustrie. Seit einigen Jahren bieten verschiedene Versicherer Fahrzeugpolicen an, die sich die Vorzüge ubiquitärer Technologien gezielt zunutze machen. Die grundlegende Idee der Telematik-Autoversicherung ist, dass das Verhalten des Fahrers direkt überwacht und diese Information an die Versicherung weitergespielt wird. Dazu wird meist eine Box im Auto verbaut, die verschiedene Daten misst, wie Bremsstärke, Uhrzeit der Fahrt, Länge der Fahrt etc. Die Versicherung kann dann das Risiko eines Unfalls für jeden Versicherten ausrechnen und die Prämien entsprechend anpassen. Zudem sind mit zusätzlichen GPS-Funktionalitäten das rasche Auffinden des Unfallorts und weitere attraktive Services möglich.

Trotz dieser bahnbrechenden Technologie sind die PAYD-Produkte keine Selbstläufer, sondern benötigen das richtige Geschäftsmodell, um erfolgreich zu sein. Im Jahr 2004 stellte Norwich Union, wie noch einige andere Versicherungen, ihr PAYD-Programm wegen zu geringer Kundenzahl ein. Das PAYD-Angebot von Norwich Union war viel zu komplex, die Versicherung überwachte alles, d. h., sie wusste, wann, wie und wo der Versicherte fuhr, was nicht viele Kunden wollten, und zudem war die Ertragsmechanik auf Bestrafung aus – risikofreudigere Kunden mussten eine Zusatzprämie zahlen, was die Neukundengewinnung erschwerte. Kurz gesagt, das Geschäftsmodell war nicht durchdacht und somit war der Case tot.

Die nächsten Anbieter im intelligenten Autoversicherungsmarkt lernten aus den Fehlschlägen der Pioniere und reduzierten die Komplexität der Angebote drastisch. So kam als Erstes die Helpline Box von verschiedenen Anbietern, wie z. B. der österreichischen Versicherung UNIQA oder der Allianz in der Schweiz, mit drei einfachen Funktionalitäten auf den Markt: Notfallknopf, Crash Sensor und Car Finder. Die Technologie beruhte auf einer einfachen E-Call-, Sensor- und GPS-Funktionalität und erlaubte im Falle eines Notfalls, eines Unfalls oder eines Diebstahls, schnellstmöglich und ohne Verzögerung adäquate Hilfe an den richtigen Ort zu bringen. Das Geschäftsmodell war bereits um einiges intelligenter als bei den Vorgängern: Das Angebot war einfach zu verstehen, Versicherte bekamen zudem deutliche Nachlässe bei Versicherungsprämien. Die Prozesse waren transparent und die Versicherungen garantierten, dass das Fahrzeug im Normalbetrieb, also ohne Notfallruf, nicht verfolgt werden konnte. Das Umsatzmodell war so aufgebaut, dass die Box gratis eingebaut und eine monatliche Abo-Gebühr für die Nutzung des Service bezahlt wurde.

Darauf aufbauend kam der Crash Recorder, der auch von verschiedenen Anbietern auf den Markt gebracht wurde, mit noch geringerer Komplexität. Falls der Versicherte in einen Unfall verwickelt wird, hält der Crash Recorder während 30 Sekunden Quer- und Längsbeschleunigungen, Datum und Uhrzeit fest. Diese Aufzeichnungen lassen nachträglich den Unfallhergang schnell rekonstruieren und helfen, die Schuldfrage objektiv zu klären. Das Geschäftsmodell ist ähnlich zu dem der Helpline Boxes: Es sorgt für mehr Rechtssicherheit beim Unfall, es ermöglicht Prämienreduktion auf andere Versicherungen, es speichert nicht permanent Daten und es wird gratis übergeben und eingebaut im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Versicherung.

Kurze Zeit später kam Progressive, einer der größten US-amerikanischen Autoversicherer, mit dem Snapshot Device – dieser wird so ähnlich auch von Delphi mit dem Produkt Delphi Connected Cars angeboten – auf den Markt, eingebettet in ein durchdachtes Geschäftsmodell. Der Kunde hat die Möglichkeit, das Gerät mit Plug & Play zu installieren und damit sein Fahrverhalten zu überwachen, allerdings ohne Ortsbestimmung, ohne Geschwindigkeitsüberwachung und ohne GPS-Technologie. Das Gerät überwacht nur, wann der Versicherte fährt, wie viel er fährt und wie oft abrupt gebremst wird. Diese Faktoren fließen direkt in die Höhe der Versichertenprämie ein und führen zu entsprechenden Ersparnissen. Mittlerweile haben in den USA bereits eine Million Kunden Snapshot gewählt.

Der Versicherer Insure The Box in UK hat im Moment das innovativste und vielversprechendste Geschäftsmodell im PAYD-Markt. Das Unternehmen hat die PAYD-Technologie mit bestehenden Mustern wie Customer Loyality, Add-on, Affiliation und Experience Selling kombiniert und verzeichnet damit die größten Wachstumsraten in der PAYD-Geschichte. Wie sieht das im Detail aus?

1.      Die Fahrdaten werden über eine fest verbaute Einheit aufgezeichnet und dann auf eine Online-Plattform gespielt. Der Einbau der Box ist kostenlos. Dies ist Standard.

2.      Das Interessante bei Insure The Box beginnt hier: Das Unternehmen vergibt fixe Meilenpakete pro Jahr, die vorab bezahlt werden und für die man dann versichert ist (Flatrate). Ungenutzte Kilometer können nicht eingetauscht werden, sondern verfallen.

3.      Die Meilen sind an ein Incentive-Prämienmodell gekoppelt, bei gutem Fahren erhält man zusätzliche Bonusmeilen, die man nutzen kann, um weitere Strecken zu fahren und im Folgejahr eine günstigere Versicherungsprämie zu erhalten. Der Kunde erhält also keinen direkten Geldvorteil (wie bei Snapshot z. B.) sondern nur einen gefühlten Vorteil, ähnlich wie beim Prämienprogramm Miles & More von Lufthansa.

4.      Zusätzliche Meilen müssen teuer gekauft werden – das Add-on-Prinzip, das man von den Billigfluglinien kennt.

5.      Im Weiteren hat Insure The Box ein Partnerprogramm aufgebaut. Die Versicherten können beim Einkauf von unterschiedlichen Artikeln über die Insure The Box-Plattform zusätzliche Meilen sammeln – ein Affiliation-Muster, der Partner zahlt wiederum für die Integration auf die Plattform.

6.      Zuletzt ist das Produkt sehr stark emotionalisiert – Verbindungen mit Facebook etc. führen dazu, dass Prämienmeilen sammeln für die Autoversicherung in UK mittlerweile richtig begehrt ist.

Der Erfolg spricht für sich: 6000 Neukunden pro Monat, 100 000 Versicherte binnen drei Jahren, Reduktion der Unfallwahrscheinlichkeit um 40 Prozent, UKs größter Autoversicherer. Die Branche ist sehr vielversprechend: Telematikbasierte Versicherungslösungen werden 2020 in Europa ca. 50 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften und bis 2017 ca. 44 Millionen Versicherte in Europa haben.

Die PAYD-Story zeigt, dass es oft nicht die Technologie ist, die zum großen Erfolg führt, sondern deren innovative Anwendung in Form eines innovativen Geschäftsmodells – und dabei können, wie die Beispiele zeigen, die 55+ Muster helfen.

Herausforderung 3: Fehlende systematische Werkzeuge

Bei der dritten großen von uns identifizierten Herausforderung handelt es sich um das Fehlen von systematischen Tools, die die Kreativität und das divergente Denken fördern. George Land, ein amerikanischer Wissenschaftler, erforschte den Zusammenhang zwischen Alter und der Fähigkeit zu divergentem Denken. Dazu untersuchte er über 1600 Kinder verschiedener Altersstufen auf Basis eines Kreativitätstests, der von der NASA verwendet wird, um innovative Ingenieure und Wissenschaftler zu finden. Die Fragen wurden altersentsprechend angepasst. Jedes Kind, das zehn von zehn Punkten hatte, wurde als kreatives Genie eingestuft. Das Ergebnis war überraschend:

       Kreative Genies bei Drei- bis Fünfjährigen: 98 Prozent.

       Kreative Genies bei Acht- bis Zehnjährigen: 32 Prozent.

       Kreative Genies bei 13- bis 15-Jährigen: zehn Prozent.

       Erwachsene kreative Genies: zwei Prozent.

George Land folgerte im Jahr 1993: „Nicht-kreatives Verhalten wird erlernt.“ In anderen Worten: Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Erwachsene weniger kreativ denken und daher Unterstützung benötigen. Eine Methode zur Innovation von Geschäftsmodellen muss demnach einen Weg finden, systematisch die Kreativität von Mitarbeitern in Gang zu setzen. Es gibt einige solcher Methoden, nicht jedoch im Bereich der Geschäftsmodellinnovation. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Geschäftsmodellinnovation bislang noch etwas Mythisches anhaftet, das viele Unternehmer davon abhält, diese wichtige Aufgabe systematisch und gleichzeitig kreativ anzugehen.

In diesem Zuge hört man immer wieder folgende Mythen (Bild 1.4), wenn man mit Managern über Geschäftsmodellinnovation spricht:

Bild 1.4Die Geschäftsmodellinnovationsmythen

       Der Erstbesteigermythos:

„Kommerzielle Durchbrüche kommen von Ideen, die noch niemand zuvor hatte.“

Fakt ist, dass neue Geschäftsmodelle oft auch Elemente von anderen Geschäftsmodellen in anderen Branchen enthalten. So hat beispielsweise Charles Merrill bei der Gründung der Bank Merrill Lynch bewusst Elemente aus dem Geschäftsmodell von Supermärkten auf die Bankindustrie übertragen. Dadurch konnte er einen Supermarkt für Finanzdienstleistungen schaffen.

       Der Think-Big-Mythos:

„Geschäftsmodellinnovationen sind immer radikal und Weltneuheiten.“ Die meisten Menschen denken bei neuen Geschäftsmodellen an die großen Sprünge von internetbasierten Unternehmen.

Fakt ist, dass ein neues Geschäftsmodell, ähnlich wie bei der Produktinnovation, auch inkrementeller Natur sein kann. So ist die ursprüngliche Geschäftsmodellinnovation von Netflix, Videos und DVDs per Post zu versenden, inkrementeller Natur und war dennoch sehr erfolgreich und wertvoll für das Unternehmen. Mit den gesteigerten Möglichkeiten des Internets hat Netflix später sein Geschäftsmodell sukzessive in Richtung Online-Streaming-Service ausgebaut.

       Der Technologiemythos:

„Jede Geschäftsmodellinnovation beruht auf einer faszinierenden neuen Technologie, die zu neuen Produkten führt.“

Fakt ist, dass neue Technologien häufig Treiber für neue Geschäftsmodelle sind, diese sind aber meist generischer Natur. Solche Technologien, wie das Internet, die AutoID-Technologien (z. B. RFID) oder das Cloud Computing, sind breit bekannt und allen zugänglich. Der kreative Sprung liegt in der Anwendung und Nutzbarmachung für das eigene Unternehmen, um das Geschäft zu revolutionieren. Die Entdeckung des betriebswirtschaftlichen Potenzials einer neuen Technologie ist die wahre Revolution.

       Der Zufallsmythos:

„Geschäftsmodellinnovationen sind ein Zufallsprodukt und können nicht systematisch angegangen werden.“

Fakt ist, dass neue Geschäftsmodelle genauso hart erarbeitet werden müssen, wie neue Produkte, neue Technologien, neue After-Sales-Prozesse oder neue Logistikkonzepte. Es benötigt eine hartnäckige Suche mit großer Energie, die ähnlich einer Expedition in neue Gefilde gut geplant und vorbereitet werden muss.

       Der Einstein-Mythos:

„Die wirklich innovativen Ideen sind den kreativen Genies vorbehalten.“

Fakt ist, dass Erfolge heute immer weniger das Resultat von genialen Einzelpersonen sind. An die Stelle von Edison und Wright treten heute interdisziplinäre, bereichs- und oft auch unternehmensübergreifende Teams. Innovation hat sich von der Einzeldisziplin aus der Pionierzeit zur Mannschaftssportart gewandelt. Gerade bei Geschäftsmodellinnovationen ist dies am dringlichsten. Ansonsten bleibt es eine gute Idee eines Einzelnen. So wurde z. B. eine der größten Innovationen in den letzten Jahren, die iPod/iTunes-Kombination, nicht von Steve Jobs bei Apple im Alleingang entwickelt, wie viele meinen. Tony Fadell, ein damals externer Freelancer im IT-Bereich hatte innerhalb weniger Wochen die Idee geboren. Das erste Funktionsmuster wurde dann von einem 35-köpfigen Team unter der Leitung von Apple zum Prototypen entwickelt. Im Team waren neben Apple auch die Designfirma IDEO, Connectix, General Magic, WebTV und Philips vertreten. Portal Player, bestehend aus Wolfson, Toshiba und Texas Instruments, führte das technische Design und erhielt dafür 15 US-Dollar für jeden verkauften iPod. Die Erfolgsgeschichte iPod war ein hoch arbeitsteiliges Projekt, das ohne die verschiedenen Kompetenzen nicht erfolgreich gewesen wäre. Oft stellen wir fest, dass Heldentum gefragt ist und ex-post Mythen um einzelne Genies und Heureka-Momente entwickelt werden.

       Der Größenmythos:

„Ein großer Durchbruch benötigt immer viele Ressourcen.“

Fakt ist, dass die größten Revolutionen in Geschäftsmodellinnovationen von Außenseitern vorgenommen wurden. Deutlich wird dies im Internetgeschäft, wie die Unternehmen hinter den meistbesuchten Websites zeigen. Alle Top-drei-Unternehmen waren völlige Außenseiter: Google wurde von Larry Page und Sergey Brin in 1998 gegründet. Facebook wurde 2004 von Mark Zuckerberg gegründet und YouTube von Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim 2005. Als erster etablierter Konzern der „Old Economy“ kommt BBC Online erst auf Platz 40 (!), alle anderen Unternehmen waren einmal Start-ups. Die Durchsetzung und Verbreitung der Geschäftsmodelle bedurfte großer Investitionen, aber der Start war bei den meisten erfolgreichen Internetfirmen klein und smart. Der erfolgreiche Serienunternehmer und AutoScout24-Gründer Joachim Schoss sagte uns einmal in St. Gallen: „Corporates können das nicht, gerade wegen der vielen Ressourcen.“ Wichtiger als reine Ressourcenstärke sind vielmehr die richtigen Ideen und der Mut, den ersten Schritt zu gehen.

       Der F&E-Mythos:

„Große Innovationen kommen aus der F&E-Abteilung.“

Fakt ist, dass das Thema Geschäftsmodellinnovation von bereichsübergreifender Natur ist und – je nach konkretem Fall – seinen Ursprung in verschiedenen Organisationseinheiten haben kann, wie die vier Elemente eines Geschäftsmodells – das Wer-Was-Wie-Wert? – unmittelbar verdeutlichen. Es ist also nicht mehr nur die F&E, die traditionell für neue Produkte zuständig ist, sondern auch Abteilungen wie die Bereiche Strategie, Marketing, After-Sales, Service, Logistik, Einkauf und viele andere. „Geschäftsmodellinnovation ist die Grundaufgabe eines jeden Mitarbeiters – vom Shareholder bis zum Hausmeister“, wie uns Dr. Theodor Niehaus, der Geschäftsführer von Festo Didactic, versicherte. Jack Ma startete 1999 Alibaba in China mit nur einer einfachen Website, erst später kam ein ausgefeilter Suchalgorithmus hinzu, bei dem die Verkäufer für einen besseren Platz im internen Ranking bezahlen müssen.

Mit diesen Mythen möchten wir gründlich aufräumen. Innovation ist die Grundaufgabe einer jeden Führungskraft, für das Verwalten der Routine ist der Lohn nicht gerechtfertigt. Das Inspirieren und Vorantreiben von Innovation auf Unternehmensebene trennen dabei gewöhnliche Verwalter von inspirierenden Führungskräften. Diese Führungskräfte benötigen eine unternehmerische Denkweise und die Fähigkeit, Innovationen voranzutreiben. Der Business Model Navigator zielt darauf ab, ein systematisches Instrumentarium für unternehmerische Innovatoren bereitzustellen, die beabsichtigen, die vorherrschende Branchenlogik zu durchbrechen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

2Das Prinzip des Business Model Navigators

Das Prinzip des Business Model Navigators ist ähnlich den seit Jahrzehnten bewährten Konstruktionsregeln im Maschinenbau. Eine solche ist beispielsweise die „TRIZ-Methodik“ zur Produktentwicklung. TRIZ ist die russische Abkürzung für die „Theorie zur Lösung von Erfindungsaufgaben“ (russisch: Teorija Rešenija Isobretatelskih Zada). Sie wurde in den 1960er- bis 1980er-Jahren vom russischen Wissenschaftler Genrich Altschuller und seinen Mitarbeitern entwickelt. Eine Auswertung von ca. 40 000 Patenten ergab, dass sich die Erfindungsaufgaben bzw. technischen Widersprüche aus verschiedenen Branchen durch eine begrenzte Anzahl von elementaren Prinzipien (Verfahren) lösen lassen. Daraus entstand eines der bekanntesten und für jedermann einfach anzuwendenden Werkzeuge von TRIZ zur technischen Lösungsfindung: die 40 Innovationsprinzipien. Beispiele hierfür sind zerlege oder segmentiere, trenne Schädliches ab, nutze Asymmetrie, vereine Gleichartiges (Koppeln), verwende Gegenmasse oder Auftrieb. Die TRIZ-Methodik wird heute auch softwareunterstützt angeboten und zählt zum festen Bestandteil moderner Konstruktionsmethodik.

Das Ziel unseres Forschungsprogramms war nichts weniger, als eine solche Konstruktionsmethodik für Geschäftsmodellinnovation zu entwickeln. Während die Altschullerschen 40 000 Patente nur einen Bruchteil des gesamten Patentuniversums darstellen, repräsentieren unsere analysierten Geschäftsmodelle den weitaus größten Teil aller in den letzten 50 Jahren erfolgreich entstandenen Geschäftsmodellen und zahlreichen Geschäftsmodellpionieren der letzten 150 Jahre. Die erfolglosen Geschäftsmodelle haben wir zwar nicht explizit analysiert, jedoch auch hiervon Erkenntnisse gewonnen, die wir in dieses Buch einfließen ließen.

Wir haben unseren Ansatz knapp 15 Jahre im Rahmen von Aktionsforschung und Beratungsprojekten mit zahlreichen, international führenden Unternehmen in Chemie, Pharma, Maschinenbau, Automobilzulieferer, Elektronik/Elektrik, Energie, Service, Software, Telekom, Automobil, Finanzdienstleistung und Bauindustrie erarbeitet und anschließend angewendet. Die enge Zusammenarbeit sowohl mit dem Forschungskonsortium aus Industrie und Akademia als auch in zahlreichen bilateralen Projekten mit Wirtschaftsunternehmen rund um den Globus hat die Methodik insbesondere hinsichtlich Umsetzbarkeit stark befruchtet. Inspiriert wurde unser Ansatz auch durch unsere enge Zusammenarbeit mit dem Center for Design Research an der Stanford University. Unsere Kooperation mit den Gründern des Design-Thinking-Ansatzes hat uns das iterative, user-zentrierte und haptische Vorgehen in unserem Ansatz gelehrt. Das Arbeiten mit ‚Design Patterns‘ ist auch in der Informatik hinreichend bekannt. Aus dem mehrjährigen Einsatz unserer Methode in den St. Galler Executive-MBA-Programmen und in praktischen Geschäftsmodell-Projekten mit zahlreichen Unternehmen haben wir stark von den Feedbacks der Manager profitiert.

Der Business Model Navigator ist eine aktionsorientierte Methodik, die es jedem Unternehmen ermöglicht, die dominante Branchenlogik zu durchbrechen und das eigene Geschäftsmodell zu innovieren. Es war uns von Anfang an wichtig, über die publikationsfähige Analyse hinaus die Ergebnisse umzusetzen und die Anwender in der Handlungskompetenz zu befähigen. Die gute Nachricht dabei: Die Methodik funktioniert und hat sich in der Praxis in recht unterschiedlichen Organisationen, Branchen und Unternehmen bewährt.

Der St. Galler Business Model Navigator basiert auf der zentralen Erkenntnis, dass sich neue Geschäftsmodelle über kreative Imitation und Rekombination erfolgreich entwickeln lassen.

2.1Zentrale Erkenntnis: kreative Imitation und die Bedeutung der Rekombination

Die Aussage „Man muss das Rad nicht neu erfinden“ beschreibt die Tatsache, dass nicht immer alles neu erfunden werden muss, sondern man sich auch von bereits Bestehendem inspirieren lassen kann. Innovationen sind oft Variationen von etwas, das bereits zuvor existiert hat, in anderen Industrien, in anderen Märkten oder in anderen Kontexten. In unserer Arbeit fanden wir heraus, dass rund 90 Prozent der Geschäftsmodellinnovationen Rekombinationen von Elementen von über 55 bereits bestehenden Geschäftsmodellen sind.

90 Prozent aller neuen Geschäftsmodelle sind nicht wirklich neu, sondern basieren auf über 55 bestehenden Mustern. Kreatives Imitieren von Geschäftsmodellen aus anderen Branchen befähigt Unternehmen, in der eigenen Branche Innovationsführer zu werden. Wichtig ist hierbei das Prinzip „Kapieren geht vor Kopieren“.

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