Smart City - Oliver Gassmann - E-Book

Smart City E-Book

Oliver Gassmann

0,0

Beschreibung

Städte müssen enorme Herausforderungen bewältigen: z.B. Zu- oder Abwanderung, Energie- und Ressourcenknappheit, Luftverschmutzung oder Überlastung der Infrastruktur. Das Konzept „Smart City“ scheint die Lösung all dieser Probleme zu sein und verheißungsvolle Möglichkeiten zu bieten.

Doch was bedeutet „Smart City“ konkret? Was sind die zentralen Anforderungen auf dem Weg dahin? Welche Chancen bieten sich? Welche Schritte von der Analyse über Sweet Spot bis zu Handlungskonzept sind zu gehen? Wo und wie soll begonnen werden? Wie machen es sogenannte Leuchtturmstädte wie München oder Wien? Welche Methoden und Werkzeuge sind sinnvoll? Was sind die Geschäftsmodelle für die beteiligten Unternehmen? Wie lassen sich die unterschiedlichen Stakeholder einbinden? Dieses Buch liefert anschaulich und konsequent praxisorientiert Antworten auf diese und viele andere Fragen.

• Für Macher eine Fundgrube neuer Ideen
• Für Umsetzer eine konkrete Schritt-für-Schritt-Anleitung
• Für Interessierte ein Blumenstrauß der Inspiration
• Für Entscheider eine solide Grundlage

Unverzichtbar für alle, die die Möglichkeiten einer Smart City kennen und nutzen wollen!

„Smart Cities erfordern die richtigen Technologien, nachhaltige Geschäftsmodelle und die richtigen Verwaltungsprozesse. Das Buch zeigt konkrete Wege auf, wie Städte sich zur Smart City entwickeln können.“
Oliver Deuschle, Leiter SMIGHT bei EnBW

„Das Buch bringt auf den Punkt, weshalb nur noch eine smarte Stadt im Standortwettbewerb bestehen kann.“
Yvonne Beutler, Vizepräsidentin Stadtrat Winterthur

„Die Digitalisierung macht auch vor Städten nicht halt – und das zeigt dieses Buch besonders gut auf. Die Digitalisierung verändert Rollen und Geschäftsmodelle und verlangt eine ganz neue Governance-Struktur. Das vorgestellte Smart City Management Modell verbindet diese Elemente in beeindruckender Form.“
Josef Schmid, Mitglied des Bayerischen Landtags

„Alle reden von Smart City, doch meint man dasselbe? Die Universität St.Gallen leistet mit diesem Buch einen wichtigen Beitrag für ein vertieftes Verständnis der Smart City-Thematik. Es bietet Schweizer Städten, die sich für ein Smart City-Projekt interessieren, wertvolle Inputs für die Initiierung und Realisierung eigeneständiger Smart City-Prozesse.“
Benoit Revaz, Direktor des Bundesamts für Energie in der Schweiz

„Auch für Städte eröffnen sich durch die Digitalisierung neue Handlungsräume. Dieses Buch zeigt viele Best Practices und wesentliche Elemente eines systematischen und strategischen Vorgehens besonders gut auf. Die Digitalisierung verändert Rollen und Geschäftsmodelle. Das vorgestellte Smart City Management Modell verbindet diese Elemente in beeindruckender Form.“
Prof. Dr. Thomas Schildhauer, Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft

„Stadtwerke bauen und betreiben nicht nur wichtige digitale Infrastrukturen, sondern entwickeln neue Dienste für die Smart City – von Müllentsorgung on demand bis zu Elektromobilität. Dieses Werk unterstützt vor allem kleine Stadtwerke dabei, systematisch eine Strategie für ihre Smart City zu entwickeln und umzusetzen.“
Katherina Reiche, Hauptgeschäftsführerin Verband kommunaler Unternehmen e.V.

„Die Digitalisierung ist für Städte Chance und Herausforderung zugleich. Den Königsweg zur smarten Stadt gibt es nicht. Es gibt aber Strategien, die mit der richtigen Methodik funktionieren – das zeigt dieses Buch besonders gut auf. Klar ist auch: Offenheit und die interdisziplinäre Zusammenarbeit sind matchentscheidend.“
Urs Schäppi, CEO Swisscom

„Die Umsetzung von Smart City Projekten setzt bei allen Partnern ein einheitliches Verständnis der relevanten Dimensionen voraus. Dieses Buch und das Smart City Management Modell liefert genau die richtigen Grundlagen dafür.“
Orlando Gehrig, Leiter Swisspower Innovation

„Zu den drängendsten Fragen heutiger Großstädte gehören Energieverbrauch und Emissionen, die Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung und der ständig steigende Verkehr. Smart Cities und intelligente Gebäude versprechen, diese Herausforderungen zu lösen. Das vorliegende Buch zeigt konkrete Wege auf, wie sich eine Stadt zur Smart City entwickeln kann.“
Matthias Rebellius, CEO Siemens Building Technologies

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 351

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Oliver Gassmann Jonas Böhm Maximilian Palmié

Smart City

Innovationen für die vernetzte Stadt –

Die Autoren:

Oliver Gassmann, St. GallenJonas Böhm, Hanover, NH, USAMaximilian Palmié, St. Gallen

Alle in diesem Buch enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden nach bestem Wissen zusammengestellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Buch enthaltenen Informationen mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine juristische Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht.

Ebenso übernehmen Autoren und Verlag keine Gewähr dafür, dass beschriebene Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt deshalb auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen­ und Markenschutz­Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die Rechte aller Grafiken und Bilder liegen bei den Autoren.

© 2018 Carl Hanser Verlag Münchenwww.hanser-fachbuch.de

Lektorat: Lisa Hoffmann-Bäuml Herstellung und Satz: le-tex publishing services GmbH Coverrealisation: Stephan Rönigk

Print-ISBN 978-3-446-45572-6 E-Book-ISBN 978-3-446-45758-4 ePub-ISBN 978-3-446-45885-7

Verwendete Schriften: SourceSansPro und SourceCodePro (Lizenz) CSS-Version: 1.0

Inhalt

Titelei

Impressum

Vorwort

Einleitung

1 Zukunft der Städte

Städte als Megatrend

Aktuelle Herausforderungen für Städte

Unterschiedliche Trends

Hoher Zeitbedarf der Modernisierung

Entstehen unterschiedlicher Lebensmodelle

Demografische Entwicklungen

Überlastung der Infrastruktur

Smog

Lärm

Limitierte Ressourcen der Städte

Mobilität und Tourismus

Tragik der Allmende

Immigration

Flexibilität

2 Das Konzept der Smart Cities

Neue Rolle der Städte

Der digitale Schatten einer Stadt

Leistungsbereiche des digitalen Schattens

Smart Environment

Smart Living

Smart Economy

Smart Mobility

Smart Government

Smart People

Hürden für eine Smart City

Volatility

Uncertainity

Complexity

Ambiguity

Geschäftsmodelle einer Smart City

Smart-City-Management-Modell (SCMM)

Leistungsbereiche

Transformationsprozess

Basiselemente

3 Smart-City-Leuchttürme

Fallstudie Wien

Transformation initiieren

Standort bestimmen

Konzept entwickeln und Partner synchronisieren

Ressourcen mobilisieren

Projekte umsetzen

Betrieb und Verankerung

Fazit

Fallstudie München

Transformation initiieren

Standort bestimmen

Konzept entwickeln und Partner synchronisieren

Ressourcen mobilisieren

Projekte umsetzen

Betrieb und Verankerung

Fazit

Fallstudie Lyon

Transformation initiieren

Standort bestimmen

Konzept entwickeln und Partner synchronisieren

Ressourcen mobilisieren

Projekte umsetzen

Betrieb und Verankerung

Fazit

Fallstudie Songdo City

Transformation initiieren

Standort bestimmen

Konzept entwickeln und Partner synchronisieren

Ressourcen mobilisieren und Projekte umsetzen

Betrieb und Verankerung

Fazit

Was kann man von den Leuchttürmen lernen?

4 Leitfaden für die Smart-City-Transformation

1. Transformation initiieren

Vorbereitungen und erste Überlegungen

Projektteam zusammenstellen

Vision entwickeln

Prioritäten setzen

Kick-off und Verantwortlichkeiten klären

2. Standort bestimmen

Interne Perspektive

Externe Perspektive

Strategische Optionen identifizieren

Stoßrichtungen bestimmen

3. Konzepte entwickeln und Partner synchronisieren

Partner- und Bürgerbeteiligung sicherstellen

Data Governance entwerfen und einführen

Finanzierung vorbereiten

Projektkonzepte entwickeln

Ziele und Messgrößen festlegen

Kriterien zur Projektauswahl festlegen

Projektauswahl durchführen

Roadmaps entwickeln

Lernen, zu synchronisieren

4. Ressourcen mobilisieren

Partner finden

Bürger mobilisieren

Projektkoalition aufbauen

Projektorganisation klären

Finanzierung definieren

Hemmnisse abbauen

5. Projekte umsetzen

6. Betrieb und Verankerung

Betriebsmodell mit Skalierung entwerfen

Ständigen Verbesserungsprozess initiieren

Synergien zwischen Initiativen nutzen

5 Tools für die Transformation zur Smart City

Smart-City-Reifegradmodell

Stakeholder-Map

Arbeitsblatt: Smart-City-Initiative

Risikoanalyse

Wirkungsbaum

Fragebogen zur Geschäftsmodellskalierung

Synergiemuster

Kontakte

Literatur

Autoren

Vorwort

Das Konzept der Smart City, also der intelligenten Stadt, verspricht, dringende Fragen der fortschreitenden Urbanisierung zu lösen: überlastete Verkehrs-, Energie- und Wasserversorgungssysteme, Kriminalität, Wohnungsmangel und Inklusion. Es ist hoch relevant für politische Entscheidungsträger in Gemeinden und Städten, Stadtverwaltungen, Verbänden und Bürgerorganisationen. Gleichzeitig ist das Ökosystem „Stadt“ auch ein großes Potenzial für zahlreiche Unternehmen in den Bereichen IT, Gebäudemanagement, Bau bzw. Renovierung, Telekommunikation, Energieversorgung, Sensoriksysteme, Data Analytics und Automobilindustrie. Es ist daher nicht überraschend, dass neben den Stadtwerken auch zahlreiche innovative Technologiekonzerne wie IBM, Cisco, Telekom, Siemens, Toshiba und Google in die Thematik Smart City investieren. Gleichzeitig sind auch zahlreiche Start-ups im Bereich Internet der Dinge (englisch Internet of Things, IoT) und Energieplattformen am Start, die etablierte Unternehmen unter Handlungsdruck setzen.

Der gesellschaftlich-politische Druck der Energiewende kombiniert mit den verheißungsvollen Möglichkeiten einer vernetzten, dezentralen Welt im Rahmen des Internets der Dinge beschleunigen den Wandel der Städte in Richtung Smart Cities. Nur wenige Leuchtturmstädte, unter ihnen München, Lyon und Wien, nutzen dieses Potenzial aus, die meisten haben aber immensen Aufholbedarf. Die Schere zwischen den führenden Smart Cities und den zurückgebliebenen Städten wird immer größer. Der Handlungsbedarf wird in der Regel erkannt, aber die Wege zum Ziel sind für die Entscheidungsträger oft unklar.

Offen sind noch viele Fragen: Was sind die Kernelemente von Smart City? Welche Schritte sind zu gehen? Wo ist das Potenzial am größten? Wo soll begonnen werden? Wie machen es andere Städte? Was kann man von den Vorreitern in Bezug auf Smart City lernen? Lassen sich Erfolge aus Greenfield-Ansätzen asiatischer Smart Cities übertragen? Welche Methoden und Werkzeuge haben sich bewährt? Was sind die Geschäftsmodelle für die beteiligten Unternehmen? Wie lassen sich die verschiedenen Interessengruppen einbinden? Das vorliegende Buch nimmt sich dieser Fragen an und zeigt mit konkreten Gestaltungskonzepten und Erfolgsfaktoren Wege zur Lösung auf. Es hat folgende Struktur:

Zukunft der Städte,

das Konzept der Smart Cities und das Smart-City-Management-Modell (SCMM),

Smart-City-Leuchttürme,

Leitfaden für Smart-City-Transformationen,

Tools für die Transformation zur Smart City.

Städte sehen sich mit enormen Herausforderungen in Wohnen, Mobilität, Energie und Kommunikation konfrontiert, die ihr bisheriges Selbstverständnis, ihre Funktionsweise und ihr Leistungsangebot massiv hinterfragen. Städte, die sich aktiv mit ihren Zielen und der digitalen Transformation auseinandersetzen, können jedoch ganz neue intelligente Wohn- und Lebensräume denken und damit den Schritt zu einer echten Smart City gehen. Um diesen Schritt zu gehen, kann man viel von Leuchtturmstädten lernen. Man kann sich an ihren Lösungen und Erfahrungen orientieren, um eine für die eigene Situation maßgeschneiderte Transformation zu designen und anzugehen. Das Smart-City-Management-Modell dient dabei als Bezugsrahmen, der Grundlagen bereitstellt, Handlungsempfehlungen gibt und zur Synchronisation der Transformation beiträgt. Vor allem, wenn dieses Modell als Orientierung für alle Partner in einer Stadt oder Region genutzt wird, entfaltet es seine gesamte Wirkung.

Das Buch basiert auf mehrjährigen Forschungsinitiativen des Instituts für Technologiemanagement und des Center for Energy Innovation, Governance and Investment der Universität St. Gallen. Hervorzuheben sind das EU-Projekt Smarter Together, das nationale von der Innosuisse geförderte Energieforschungsprogramm SCCER sowie die zahlreichen Praxisprojekte des Instituts mit Partnern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft.

Es richtet sich an alle Entscheidungsträger und Beteiligte, die in eine Transformation zur Smart City eingebunden sind:

Stadtpräsidenten, Bürgermeister, Gemeinderäte, Verwaltungsangehörige, Geschäftsführer, welche die Bedeutung der Smart City für ihre Organisation verstehen und Wege zu ihrer Einführung kennenlernen wollen,

Entscheidungsträger in Unternehmen, in der Unternehmensentwicklung, in Innovationsabteilungen, in Forschung und Entwicklung (F&E), Projektleiter, Produktmanager, Start-up-Unternehmer, welche die praktische Umsetzung einer Smart City leiten oder daran beteiligt sind, und

interessierte Bürger, welche die Zukunftskonzepte ihrer Lebensumwelt Stadt besser verstehen wollen.

Ein Buch ist immer ein arbeitsteiliger Lernprozess. Wir möchten unseren Partnern des EU-Projekts Smarter Together danken, die wir bei der Entwicklung der Geschäftsmodelle der Leuchtturmprojekte unterstützen durften. Das Umsetzungsbeispiel St. Gallen wurde in enger Zusammenarbeit mit den St. Galler Stadtwerken entwickelt. Hier geht ein großes Dankeschön an Marco Huwiler und Céline Hähni sowie den Stadtpräsidenten Thomas Scheitlin. Besonderer Dank geht an Karin Klöti, Adrian Joas, Laura Caviezel für die detaillierten Recherchen der Fallstudien, Simon Kuster für die Ausarbeitung zu Smart-City-Geschäftsmodellen sowie Matthias Sulzer, Andrea Perl und Kilian Schmück für ihre Beiträge zu Smart Energy, Smart Mobility und Smart Government. Und zuletzt danken wir natürlich besonders Frau Hoffmann-Bäuml und dem gesamten Hanser Verlag bei der Umsetzung dieses Projekts.

Die urbanen Herausforderungen der Zukunft erfordern intelligentere Konzepte auf allen Ebenen. Die in diesem Buch dargestellten Tools, Prozesse, Checklisten, Tipps und allgemeinen Erfahrungen unserer Forschungs- und Praxisarbeit können es städtischen Entscheidern und Umsetzern erleichtern, diese zu entwickeln. Sie liefern die Basis für vielfältige Smart-City-Transformationsprojekte.

Wir wünschen dem Konzept eine hohe Verbreitung und denen, die für die Umsetzung von Smart-City-Elementen verantwortlich sind, viel Erfolg bei der Entwicklung nachhaltiger ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Lösungen.

St. Gallen (CH) / Hanover (USA), Herbst 2018

Oliver GassmannJonas BöhmMaximilian Palmié

Einleitung

„The 19th century was a century of empires, the 20th century was a century of nation states and the 21th century will be a century of cities.“

Wellington Webb, ehemaliger Bürgermeister von Denver

Städte scheinen Fluch und Segen zugleich zu sein, sie eignen sich in hohem Maße als Instrument zur Zukunftsfähigkeit. Ihre Bewohner sind umweltfreundlicher, produzieren weniger CO2 pro Einwohner und haben ein deutlich höheres Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich zur Landbevölkerung. Auf der anderen Seite verbindet man aber auch Kriminalität, Luftverschmutzung und damit einhergehende Gesundheitsprobleme, eine hohe Bevölkerungsdichte und in der Folge zunehmende Bodenversiegelung, soziale Konflikte oder Verkehrsprobleme mit Städten. Mit dem Konzept der intelligenten Stadt (Smart City) wird seit geraumer Zeit versucht, den negativen Aspekten von Städten mit neuen Denkansätzen und technologischen Konzepten umfassend zu begegnen. Intelligente Städte werden international zu einem Wettbewerbsvorteil.

China hat Smart Cities als zentralen Bestandteil seines Urbanisierungsplans aufgenommen, woraufhin Indien mit einem 100-Smart-Cities-Plan reagierte. Die Liste der kleinen, großen oder riesigen Smart-City-Projekte wächst täglich. Das japanische Unternehmen Panasonic baut in Berlin-Adlershof das Wohnquartier Future Living Berlin, ein Ensemble von 69 Wohneinheiten, dessen Strom- und Wärmefluss automatisch in einem Kreislaufsystem reguliert werden soll. Der Microsoft-Gründer Bill Gates hat einen Landstrich in Arizona erworben, wo auf einer Fläche von 20 Quadratkilometern eine Hightech-City mit Hochgeschwindigkeitsnetzen, Datenzentren und autonomen Fahrzeugen entstehen soll. Und im Wüstensand von Saudi-Arabien soll in den nächsten Jahren unter der technischen Leitung des ehemaligen Siemens-Chefs Klaus Kleinfeld eine 500 Milliarden Dollar teure Mega-City (Neom) aus dem Boden gestampft werden, in der Passagierdrohnen verkehren und Häuser aus dem 3-D-Drucker konstruiert werden. Die Stadt selbst rückt somit bei Diskussionen um die Zukunftsfähigkeit von Regionen oder Ländern zunehmend in den Fokus. In den ersten drei Kapitel dieses Buches geht es um die Frage, warum dies so ist, was das Konzept Smart City abseits der Hochglanzbroschüren von Technologiekonzernen für eine Stadt selbst bedeutet und wo typische Umsetzungshürden zu erwarten sind.

Trotz der viel zitierten Megastädte und der Lösung von deren Herausforderungen über riesige Smart-City-Projekte lässt sich erkennen, dass weltweit vor allem auch kleine und mittlere Städte oder urbane Zentren zunehmend mit schnellen Veränderungen ringen müssen. Während der Anteil der Weltbevölkerung, der in Megastädten (mit mehr als zehn Millionen Einwohnern) lebt, seit den 1960er-Jahren (1,4 %) einen kontinuierlichen Zuwachs von 5,3 % (2010) und prognostizierten 7,9 % im Jahr 2025 erreicht, lässt sich bei kleinen und mittleren Städten (mit 300.000 bis 5.000.000 Einwohnern) eine ebenso rasante Entwicklung beobachten: Während 1960 noch 11,2 % der Bevölkerung in Städten dieser Größe lebten, waren es 1990 bereits 15,4 %, 2010 19 %, und für 2025 sind 22,4 % prognostiziert. In Deutschland, Österreich oder der Schweiz leben mehr Menschen in kleinen und mittleren Städten als in großen Millionenstädten. Obwohl also bisher weitgehend von der Diskussion ausgeblendet, lässt allein die Anzahl der Städte und potenziell betroffenen Einwohner davon ausgehen, dass mittlere Städte und Gemeinden eine wichtige Rolle bei Smart-City-Initiativen in Europa einnehmen werden. Diese Städte werden für die weitflächige Verbreitung von Smart-City-Ideen zuständig sein. Die spezifischen Herausforderungen dieser Städte – wie geringere Ressourcenflexibilität, die Möglichkeit, von anderen zu lernen, und die Anpassung von überdimensionierten, weil für Megastädte entwickelten Smart-City-Produkten auf den Kontext einer kleineren Stadt – werden deshalb ganz besonders in diesem Buch betrachtet.

Städte wie Wien, München oder Lyon befinden sich gerade mitten in der Transformation zur Smart City, arbeiten im EU-Projekt Smarter Together zusammen und müssen ihre Initiativen weitgehend in bestehende städtische Strukturen einbetten. Die Stadt Songdo in Südkorea hingegen wurde am Reißbrett geplant, bestehende Strukturen müssen somit nicht berücksichtigt werden. Diese Städte können als Leuchttürme gelten und die unterschiedlichen Herangehensweisen zeigen auch, wie vielfältig und verschieden Smart-City-Projekte sein können. Sie werden daher in Kapitel 3 vertieft vorgestellt.

Das Smart-City-Management-Modells (SCMM) fasst sechs zentrale Schritte einer Smart-City-Initiative zusammen, zeigt, was bei der Transformation zu beachten ist und bietet somit den Rahmen einer systematischen, nach Prozessphasen strukturierten Vorgehensweise. Dieser praktische Leitfaden wird durch ein konkretes Beispiel, die Stadt St. Gallen, veranschaulicht und mit konkreten Umsetzungstipps ergänzt. Abgerundet wird die Umsetzung durch die praktischen Tools, die Kapitel 5 bereitstellt.

1. Zukunft der Städte

Die Prognosen sprechen eine klare Sprache: Städte sind der Lebensraum der Zukunft (vgl. Bild 1.1). Das Jahrhundert der Städte ist eines der zentralen Themen, das Politiker, Unternehmensentwickler, Stadtplaner, Behörden und Bürger in den letzten Jahren gleichermaßen umtreibt.

Bild 1.1Entwicklung der urbanen und ländlichen Bevölkerung weltweit zwischen 1950 und 2050 (United Nations 2014)

Städte als Megatrend

Die Bedeutung der Städte für das Leben und die Zukunft von Zivilisationen wird schnell klar, wenn man sich ein paar kurze Fakten anschaut:

Weltweit leben bereits mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Im Jahr 2014 lebten 54 % der Bevölkerung in Städten; 1950 waren dies noch 30 %.

2040 werden bereits 65 % der Weltbevölkerung in Städten leben.

2050 werden 70 % der Weltbevölkerung in Städten leben. Sie werden 80 % der Energie in Anspruch nehmen, 75 % der CO2-Emissionen verursachen und 75 % der Rohstoffe verbrauchen (Desjardins 2017).

Urbane Zentren stellen eine enorme Anziehungskraft dar. Die drei beliebtesten Städte-Hashtags 2016 auf Instagram (#NYC, #London, #Paris) wurden in fast 190 Millionen Tweets erwähnt (Statista 2016).

In der Berichterstattung drängen schon heute urbane Wirtschaftszentren die Bedeutung von Ländern zurück. Das Silicon Valley, Inbegriff von Innovation im digitalen Zeitalter, steht als Ökosystem eher im Wettbewerb mit Schanghai, Boston oder Bangalore als mit China oder Indien. Der Trend, dass Städte in ihrer Bedeutung eventuell sogar Nationen den Rang ablaufen, bedeutet für diese zwar rosige Aussichten, bringt aber für ihre Entwicklungen viele Herausforderungen mit sich: Umwelt- und Gesundheitsprobleme wie Lärm oder Smog, Engpässe in der Mobilität und in Wohnräumen, Überlastung der Infrastruktur für Energie und Kommunikation, Neudefinition der städtischen Rolle, Veränderungen von bestehenden Strukturen sowie sozialen Herausforderungen bei Wohnen und Arbeiten.

Die Herausforderungen, mit denen Städte konfrontiert sind, ändern sich signifikant je nachdem, in welche Regionen in der Welt man schaut oder welche Stadtgröße man betrachtet. Urbane Zentren wie Tokyo-Yokohama, Jakarta, Delhi, Manila, Schanghai oder Mexiko-Stadt sind allesamt Regionen mit über 20 Millionen Einwohnern, die in den letzten Jahrzehnten ein enormes Bevölkerungswachstum zu verzeichnen hatten. Diese Städte haben andere Herausforderungen und Möglichkeiten als Städte wie Stuttgart, Köln, Winterthur oder Linz.

Urbanisierung weltweit (United Nations 2017)

Afrika: Afrika ist die jüngste Region in Bezug auf Urbanisierung und die Erfahrung von Stadtleben und hat momentan eine Urbanisierungsrate von jährlich 4 %. Während 1995 nur 28 Städte mit mehr als einer Million Einwohnern auf dem Kontinent existierten, waren es 2005 schon 43 und 2015 bereits 59. Es wird erwartet, dass die Urbanisierung von 413 Millionen Menschen im Jahr 2010 bis 2020 auf 569 Millionen ansteigt.

Asien-Pazifik-Region: Die Hälfte der Menschen weltweit lebt in Asien, das derzeit eine rapide Verstädterung erlebt, hauptsächlich aufgrund der Industrialisierung von China und Indien. Der bevölkerungsreichste Kontinent ist ebenso kulturell wie politisch divers, mit Extremen im Hinblick auf Wohlstand und Armut. Der Einfluss von asiatischen Städten auf der Weltbühne ist zunehmend wahrnehmbar. Zwischen 2008 und 2025 wird Schanghai von Rang 25 der globalen Liste der Städte nach Bruttoinlandsprodukt auf Platz neun vorpreschen, und für Mumbai wird erwartet, dass es im selben Zeitraum von Platz 29 auf Platz elf in der Rangliste steigt. Es wird angenommen, dass in dieser Region die Bevölkerung, die in Städten lebt, von 1,675 Milliarden Menschen (40 %) im Jahr 2010 bis 2020 auf 2,086 Milliarden (47 %) ansteigt.

Lateinamerika: Das letzte Jahrhundert hat in Lateinamerika dazu geführt, dass sich eine hochgradig urbanisierte Struktur entwickelt hat. Momentan wird angenommen, dass ca. 540 Millionen Menschen in Lateinamerika (78 %) in Städten leben, während es regional nochmals Unterschiede gibt. In den südlichen Ländern liegt diese Quote bei fast 90 %, während für Zentralamerika ein Urbanisierungsgrad von 50 % geschätzt wird. Insgesamt wird angenommen, dass sich der Urbanisierungsgrad für die gesamte Region auf ungefähr 83 % bis 2020 steigert.

Nordamerika: Im Gegensatz zu Afrika, Asien und Lateinamerika findet man in Nordamerika eine gänzlich andere Situation vor. Das Bevölkerungswachstum ist relativ moderat (0,9 % jährlich zwischen 2000 und 2010) und findet mit 75 % zu einem Großteil in den Städten statt. Trotzdem ist dieses Wachstum nicht gleichmäßig verteilt. Das Wachstum der äußeren Vororte war dreimal so hoch wie der inneren Städte. Es hat sich eine Migration von den nördlichen Regionen hin zu den südlicheren gezeigt, was ein starkes Wachstum der dortigen Vororte zur Folge hat. Viele Metropolen wachsen jedoch aufgrund des hohen Anteils zuziehender Immigranten, sodass die Abwanderung von Amerikanern aus den Stadtzentren durch den Zuzug von Immigranten ausgeglichen wird. Der Anteil von Immigranten am Stadtleben spielt in den USA mit 21 % eine zentrale Rolle, wird aber noch überboten von den urbanen Zentren in Kanada: Mehr als 35 % der Population in Toronto und Vancouver sind außerhalb von Kanada geboren. Es wird angenommen, dass der Verstädterungsgrad in Nordamerika nur noch leicht zunehmen wird, von 82 % im Jahr 2010 auf 85 % 2020.

Europa: In Europa zeigt sich ein ähnliches Bild wie in den USA, und damit eines, das sich deutlich von den Entwicklungen im Rest der Welt unterscheidet (vgl. Bild 1.2). Viele unterschiedliche Trends führen zu einem sich stetig wandelnden Stadtbild – und somit zu großen Herausforderungen für Städte. Sie lassen sich jedoch nicht auf eine reine Vergrößerung der Städte durch Zuzug erklären. Im vergangenen Jahrhundert hat sich in ungefähr einem Drittel der Städte die Bevölkerungsanzahl nicht verändert, während ein weiteres Drittel der europäischen Städte gewachsen und das letzte Drittel geschrumpft ist. Im Allgemeinen sind Städte in Nord- und Südeuropa schneller gewachsen als Städte im Westen und im Osten, wo die generelle Abwanderung aus Städten relativ hoch ist. Der prognostizierte Urbanisierungsgrad wächst von 73 % 2010 auf 75 % 2020.

Bild 1.2Typische Verstädterungsentwicklung in einem westlichen und einem nicht westlichen Land

So haben besonders die westlichen Städte bereits Mitte der 1990er-Jahre mit Maßnahmen wie einer partiellen Re-Urbanisierung, Verkehrsberuhigung, der Gentrifikation, dem ökologischen Städtebau sowie Initiativen zur Ästhetisierung und Förderung ihrer Anziehungskraft durch Festivals, Entertainment oder andere Veranstaltungen begonnen, um die Innenstädte und das Leben in der Stadt wieder attraktiver und lebenswerter zu gestalten.

Aktuelle Herausforderungen für Städte

Städteplaner müssen sich mit ständig wechselnden Spannungsfeldern auseinandersetzen. Das verdeutlichen folgende Fakten:

4 % des städtischen Abfalls in San Francisco werden von Haustieren produziert, Tendenz steigend.

In Deutschland werden jede Stunde 320.000 Coffee-to-go-Pappbecher verbraucht, was zu 40.000 Tonnen Abfall pro Jahr führt.

Basel hat 31.000 öffentliche Parkplätze und 69.000 auf privatem Grund bei 57.000 angemeldeten Autos.

Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Straßenbahnen in Wien beträgt 15,4 km/h. Jene der U-Bahnen beläuft sich auf 31,3 km/h.

80 % der Gebäude, die heute in Europa stehen, werden auch noch 2050 stehen.

In Frankfurt am Main verbringen Autofahrer im Durchschnitt 65 Stunden im Jahr mit der Parkplatzsuche, was zu Kosten von 1.410 Euro führt (Statista 2016).

Stadtbewohner in Deutschland geben bis zu über 60 % ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen aus (Destatis 2017).

Auf einem innerstädtischen Parkplatz könnten 20 Fahrräder parken.

Leihfahrräder, wie von Obike, haben die deutschen Innenstädte überschwemmt. Wohin das führen kann, zeigte die chinesische Boomtown Shenzhen. Dort gab es 2017 Hunderttausende Leihräder, welche für umgerechnet zwei Euro pro Stunde per App ausgeliehen werden konnten. Da sie alle Straßen versperrten, wurden die Räder zu meterhohen Schrotttürmen aufgebaut (Mania-Schlegel 2017).

26 % der 16- bis 34-Jährigen in den USA haben keinen Führerschein mehr.

2013 wurden in Washington D.C. am kältesten Tag eines Eissturms 2.338 Fahrrad-Trips mit dem dortigen Fahrrad-Sharing-System getätigt.

Die weltweit bis 2030 erwartete Investitionslücke für Infrastruktur beträgt 4,7 Billionen Euro (McKinsey Global Institute 2016).

In einer Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu 2016) gaben deutsche Oberbürgermeister an, welche Bedeutung sie aktuellen Herausforderungen zuschreiben. Bild 1.3 zeigt die Ergebnisse:

Bild 1.3Die dringendsten Herausforderungen für Städte mit Bezug zu Smart-City-Themen

Diese bereits in der Studie von Oberbürgermeistern erkannten und priorisierten Aufgaben decken sich zu einem großen Teil mit den speziellen Herausforderungen, die eine Smart-City-Transformation dringend machen. Für Letztere sprechen aber auch noch eine Reihe weiterer Aspekte (vgl. Swisscom, IMD 2017). Folgende Auflistung zeigt die Notwendigkeit einer Smart-City-Transformation:

Unterschiedliche Trends

Der globale Trend der Urbanisierung spielt zwar auch eine wichtige Rolle in Europa (vgl. Bild 1.4), hat aber im Detail andere Ausprägungen. Hier kommt es gleichzeitig zu teilweise gegenläufigen Prozessen:

Suburbanisierungsprozessen, bei denen immer mehr Menschen in das Umland von Städten ziehen,

Neo-Reurbanisierungsprozessen, bei denen eine ambitionierte Geschäfts- und Wohnbebauung in den Zentren von Städten inklusive des Ausbaus der Infrastruktur vorangetrieben wird, und

Post-Suburbanisierungsprozessen, bei denen zentrale Dienstleistungen aus der Kernstadt ins Umland ziehen und somit dem Suburbanisierungsprozess nachgelagert sind.

Bild 1.4Zunehmende Urbanisierung in Deutschland bis 2050 (Statista 2017a)

Während der ehemalige Stadtplaner von New York City Vishaan Chakrabati dazu feststellt: „Seit Jahrzehnten hören wir, dass Menschen in Massen in die Städte ziehen. Was wir aber tatsächlich sehen, ist, dass Menschen in die Umgebung von Städten ziehen. Der Traum der Mittelklasse, der uns durch das Fernsehen vermittelt wird, setzt sich aus einem Einfamilienhaus, zwei Autos und einer Garagenzufahrt zusammen. Man fährt überall hin, der Arbeitsplatz ist weit entfernt.“ In Europa ergibt sich ein gespaltenes Bild. Zwar ist auch hier zu beobachten, dass der von Chakrabati für Nordamerika beschriebene Idealzustand für viele eine Rolle spielt, jedoch bleiben europäische Städte im Vergleich deutlich kompakter. Restriktive Flächennutzungspläne versuchen, die Zersiedelung der Landschaft in der Schweiz, Deutschland und Österreich ein wenig einzudämmen. Nichtsdestotrotz ist es nicht immer pauschal und einfach zu erklären, welche Formen der Urbanisierungsprozesse nun in einer bestimmten Stadt überwiegen.

Hoher Zeitbedarf der Modernisierung

Der Anteil an bestehender öffentlicher Infrastruktur und Wohn- und Geschäftsgebäuden übersteigt bei Weitem den der Neubauten. Dies führt dazu, dass Veränderungen vor allem im Bestand durchgeführt werden müssen, meistens bei gleichzeitigem Betrieb der Infrastruktur oder des Gebäudes. Diese Modernisierung dauert meist sehr lange, und schnelle Veränderungen und Erfolge sind daher schwer zu erreichen. Eine Studie des Bremer Energie Instituts (Diefenbach et al. 2010) bestimmte beispielsweise für die energetische Sanierung von Altbauten (älter als 30 Jahre) eine jährliche Sanierungsquote von ca. 1 %. Dies würde im Durchschnitt bedeuten, dass es bis zum Jahr 2075 dauert (fast 100 Jahre!), bis der Gesamtbestand einmal rundum erneuert wird.

Entstehen unterschiedlicher Lebensmodelle

Dies erfordert die Optimierung von zunehmend vielfältigen Anforderungen: Singles, Professional-WGs, Tages- und Wochenpendler, Digital Nomads oder Expats haben unterschiedliche Bedürfnisse. Es gibt nicht mehr das eine Lebensmodell, das für alle passt.

Demografische Entwicklungen

Ein Großteil der städtischen Infrastruktur wurde in den Jahren der Babyboomer für eine vorwiegend junge Bevölkerung konzipiert. In Zukunft müssen Mobilität, Pflege und medizinische Versorgung durch städtische Strukturen berücksichtigt werden.

Überlastung der Infrastruktur

Zu den typischen städtischen Infrastruktursystemen gehören Verkehrsnetze, die Energieversorgung, die Wasser- und Abwasserentsorgung sowie die Abfallentsorgung. Von den Veränderungen sind zudem Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kindergärten und Behörden betroffen. Die Lebensqualität der Bürger wird durch die Überlastung dieser Einrichtungen teilweise extrem eingeschränkt:

Extremes Verkehrsaufkommen führt zu langen Stauzeiten, wie der TomTom Congestion Index (vgl. Bild 1.5) eindrücklich zeigt.

Bild 1.5TomTom Congestion Index

Wasserversorgung: In London z. B. fließen in regenreichen Wochen Millionen Liter Abwasser ungeklärt in die Themse, da die Kapazitäten der Kläranlagen überfordert sind (BASF 2014). Nach der Trockenperiode 2008 in Spanien musste Barcelona Trinkwasser sogar via Tanker importieren, um den Bedarf zu decken, da die bestehende Infrastruktur an Brunnen und Reservoirs nicht ausreichte. Wir leben zwar auf dem Blauen Planeten, von diesem Wasser sind aber nur 2 % Frischwasser, und die gesamte Weltbevölkerung lebt von ca. 0,5 % des verfügbaren Wassers. Da die prognostizierte Erderwärmung auch in zentraleuropäischen Breitengraden zu vermehrter Wasserknappheit führen kann, denken Wissenschaftler und Visionäre – wie bei Energiesystemen auch – über eine dezentrale Wasserversorgung nach (ein Beispiel dazu finden Sie in Kapitel 2).

Die Wartezeiten in Behörden oder bei Ärzten konnten in den letzten zehn Jahren nicht reduziert werden. Wartezeiten bis zu 30 Minuten und darüber sind die Regel.

Energiesysteme: Städte sind Superzentren des Energieverbrauchs. So werden weltweit ca. 70 % des Energiebedarfs in Städten konsumiert. Dies erfordert eine sehr hohe Energiedichte und steht somit teilweise im Widerspruch zur angestrebten Dezentralisierung und Förderung lokal produzierter Energie in europäischen Energiesystemen. Die Prosumertendenz, also die Tendenz, dass immer mehr Konsumenten gleichzeitig auch Produzenten sind, und eine prognostizierte Zunahme der Elektromobilität werden die Energiesysteme in Städten zunehmend belasten. Die bisherigen Bezugsgrößen von drei oder fünf Kilowatt für normale Haushalte werden schon vom Bedarf der bisherigen Elektrofahrzeuge für ihre Aufladung deutlich übertroffen. Dies erfordert vor allem den Ausbau der Niederspannungsnetze – was selbst bei „netzfreundlicher“, also intelligenter Ladesteuerung eine Verdopplung der bisherigen Investitionen notwendig macht. Ohne intelligente Ladesteuerung sprechen Experten sogar von bis zu sechsmal höheren Investitionen. Und dies nur aufgrund der zunehmenden Elektromobilität! Dabei sind Engpässe schon jetzt keine Seltenheit: In Barcelona brach beispielsweise 2007 die Stromversorgung für zwei Tage zusammen. Der Fokus vieler Smart-City-Initiativen auf das Thema Energie und Mobilität kommt daher nicht von ungefähr.

Umwelt- und Gesundheitsprobleme: 2017 ging in einer Umfrage die Mehrheit der angesprochenen Bürger davon aus, dass das Leben in der Stadt ihrer Gesundheit schadet. Wie Bild 1.6 zeigt, antworteten 68 % auf die Frage „Sind Sie der Meinung, dass das Leben in der Stadt verglichen mit dem Leben auf dem Land nachteilig für Ihre Gesundheit ist?“ mit „Ja“ oder „Eher ja“.

Bild 1.6Bürger meinen, sie haben gesundheitliche Nachteile durch ein Leben in der Stadt (Statista 2017b)

Smog

Smog ist nicht nur ein Problem in China – obwohl die eindrücklichsten Bilder wahrscheinlich von dort kommen –, sondern auch in Städten in Europa, in denen man das nicht vermuten würde (McKenna 2017). So wurden, wie Bild 1.7 zeigt, schon 2013 in jedem Distrikt der Londoner City die Grenzwerte für die meisten Luftschadstoffe kontinuierlich überschritten. Rund um das Stuttgarter Neckartor werden regelmäßig extreme Luftschadstoffwerte gemessen, sodass zeitweise Fahrverbote ausgesprochen werden.

Auch in Graz werden die Grenzwerte für die Feinstaubbelastung regelmäßig überschritten. 2017 wurde dort bereits im Februar der Jahreswert mit maximal 25 erlaubten Überschreitungen pro Jahr übertroffen. Die Feinstaubbelastung der Luft war in der steirischen Stadt an 30 von 47 Tagen zu hoch.

Bild 1.7Smogwerte in London (European Environment Agency 2016)

Lärm

Schätzungen der European Environment Agency zufolge sind mindestens 100 Millionen Europäer täglichem Straßenlärm über dem Grenzwert von 55 dB(A) der Umgebungslärmrichtlinie ausgesetzt (European Environment Agency 2016). Bild 1.8 zeigt, dass auch Lärm die Lebensqualität vieler Stadtbewohner beeinträchtigt (European Environment Agency 2016) und zu erhöhtem Stress und Krankheiten führt.

Bild 1.8Prozentsatz der Menschen, die Nachtlärm ausgesetzt sind, der die Grenzwerte der WHO überschreitet

Limitierte Ressourcen der Städte

Die öffentlichen Kassen sind seit Jahren (nicht zuletzt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008) einem enormen Druck ausgesetzt. Vielen Städten fehlt selbst für die dringendsten Investitionen der finanzielle und personelle Spielraum. Die Situation ist kaum zu vergleichen mit Öl-Dollar-Städten im Mittleren Osten oder einem stark gelenkten System wie beispielsweise in China.

Mobilität und Tourismus

In den letzten Jahren stiegen durch diese beiden Faktoren die Anforderungen an die Städte zusehends. Menschen in Europa werden grundsätzlich immer mobiler, was Städte und deren Infrastruktur vor enorme Herausforderungen in den Leistungsspitzen führt.

Bild 1.9Übernachtungszahlen in den deutschen Bundesländern 2006 und 2016 (Statista 2017c)

Pendler, Städtereisende und Touristen sind zwar keine Bewohner der Stadt, belasten aber durch ihr konzentriertes Aufkommen (vgl. Bild 1.9 und Bild 1.10) die Städte in hohem Maße. Man denke nur an den morgendlichen und abendlichen Pendlerverkehr, den Wochenendtourismus in Berlin oder die Millionen Besucher des Oktoberfests in München. Die Anforderungen an die Lösungsfähigkeit und Performance der Städte steigen umso mehr, je attraktiver sie sind (d. h., je höher die Anzahl ihrer Events ist) und je effizienter sie dies managen.

Bild 1.10Airbnb-Unterkünfte in Deutschland 2017 (Statista 2017d)

Tragik der Allmende

Zu guter Letzt steht in der Reihe der vielen Probleme in den Städten die sogenannte Tragik der Allmende, also des Allgemeinguts. Das mit diesem Begriff beschriebene Phänomen ist lange bekannt und schon oft erörtert worden. Im Kern beschreibt die Tragik der Allmende, dass bei gemeinschaftlich genutzten Gütern das menschliche Verhalten zu der Übernutzung der öffentlichen Güter führt. Grund dafür ist ein Teufelskreis: Je mehr Menschen die öffentlichen Güter für ihren eigenen Vorteil nutzen, desto knapper werden sie. Und mit dieser Verknappung steigt wiederum die Konkurrenz der Menschen um diese Güter. Am Ende steht dann deren totale Übernutzung oder vollständiger Verbrauch. In vielen Städten kann man feststellen, dass das Verhalten der Bürger in zahlreichen Bereichen genau diesem Muster folgt. So hat beispielsweise die sehr hohe Quote von motorisiertem Individualverkehr negative Auswirkungen auf die gesamte Stadtbevölkerung durch Staus und Umweltbelastung. Der Einzelne gewinnt dadurch jedoch enormen Nutzen. Beim Autofahren besteht dieser beispielsweise aus Zeitersparnis oder mehr Freiheit, Flexibilität und Selbstbestimmung. Im Zusammenhang mit Smart Cities steht im Zentrum der Initiativen die Frage, ob man dieser Tragik durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien besser begegnen oder sogar komplett ausweichen kann.

Immigration

Weltweit ist etwa ein Zehntel der Bevölkerung unterwegs, und Zentraleuropa steht (nicht erst seit der Flüchtlingskrise ab 2015) im Zentrum dieser Bewegungen. Migration ist für Städte eine Herausforderung: Nur wenige Städte planen einen Zuzug ein, bevor Migranten da sind, und können dann nur noch reagieren. Ankommende werden so häufig sich selbst überlassen.

Flexibilität

Die Städte müssen sich jedoch nicht nur starken Veränderungsprozessen unterziehen, sondern auch flexibel werden, flexibel, um sich ständig und schnell zu verändern und an neue Anforderungen anzupassen. Gleichzeitig müssen sie Resilienzen entwickeln, um Störungen besser ausgleichen oder verkraften zu können. Das Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Resilienz muss dabei immer am Wohlbefinden der Bewohner ausgerichtet sein. Die technologischen Fortschritte unserer Zeit sowie eine intelligente Planung machen es möglich, dieses Gleichgewicht neu zu bestimmen und zu erreichen.

So verschieden die Ursachen des Veränderungsdrucks auch sind, so sicher sind sich alle Beteiligten und Entscheider, dass unsere Städte lebenswert bleiben müssen. Denn ihre Entwicklung bestimmt die wirtschaftliche und soziale Zukunft Zentraleuropas. Nachhaltige Lösungen sind gefragt, wie Urbanität zukunftsweisend gestaltet werden kann. Stadtbewohner weltweit benötigen gute Luft zum Atmen, sauberes Trinkwasser, medizinische Versorgung, sanitäre Anlagen und eine verlässliche Energieversorgung, um menschenwürdig leben zu können.

2. Das Konzept der Smart Cities

Städte versuchen, mit kreativen Konzepten diesen Herausforderungen zu begegnen, es hat sich ein breites Spektrum spannender Initiativen in unterschiedlichen Kontexten und Ländern ergeben. In ihnen finden sich Ansätze für neue Energie- und Verkehrskonzepte, Wohnungsbau, breit gestreute Sharing-Services, Digitalisierung der Verwaltung und vieles mehr. Städte, Unternehmen, Start-ups, Bürger und Vereine treiben gemeinsam oder parallel neue Entwicklungen voran. Viele der Initiativen, die über die Nutzung neuester Informations- und Kommunikationstechnologien kreative Lösungen anstreben, wurden in den letzten Jahren unter „Smart City“ zusammengefasst.

Was ist eine Smart City?

Die Smart City nutzt systematisch die Potenziale digitaler Technologien, um den Ressourceneinsatz zu verringern, die Lebensqualität ihrer Bewohner nachhaltig zu erhöhen sowie die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft nachhaltig zu stärken. Kern hierfür sind intelligente Lösungen für Infrastruktur, Energie, Gebäude, Mobilität, Dienstleistungen oder Sicherheit, welche auf integrierter Sensorik, Konnektivität, Datenanalytik sowie selbststeuernden Wertschöpfungsprozessen basieren. Diese werden mit den Anspruchsgruppen entwickelt und orientieren sich an deren Bedürfnissen.

Während einige große Städte wie London, Amsterdam, Barcelona, München, Wien oder Lyon schon beachtliche Erfolge in ihrer Transformation zu Smart Cities aufweisen, drohen andere, vor allem kleinere und mittlere Städte, den Anschluss zu verlieren. Dies wird zementiert durch ökonomische Clusterbildung. London beispielsweise trug 1997 noch 19 % zum Bruttoinlandsprodukt von Großbritannien bei, weniger als 20 Jahre später (2015) waren es schon 23 % (Economist 2017a). Um nicht den Anschluss zu verlieren, müssen sich alle Städte im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Transformationsreise begeben.

Es ist nicht verwunderlich, dass es bislang so wenige erfolgreiche Transformationen zu Smart Cities gibt. Smart-City-Projekte sind oftmals komplex, unübersichtlich, teuer, chaotisch, überwältigend, langwierig und anstrengend. Und sie verlangen zwei neue Kompetenzen gleichzeitig: das Verständnis der Auswirkungen und der Implementierung von digitalen Technologien im städtischen und Stadtentwicklungskontext sowie das Erfordernis, über Departements- und Abteilungsgrenzen hinweg integrative Lösungen zu entwickeln. Erschlagen von dieser Aussicht wissen viele Entscheider und Umsetzer in Städten und stadtnahen Organisationen nicht, wo sie anfangen sollen – und fangen nicht an. Es bleiben ungenutzte Potenziale.

Neue Rolle der Städte

Die Frage, welche Aufgaben die öffentliche Hand übernehmen soll, gehört seit Jahrhunderten zum öffentlichen Diskurs. Während man im antiken Griechenland die Stadt vor allem als Ort des athletischen, artistischen, spirituellen und politischen Lebens ansah, war die Stadt im Mittelalter eine politische Entität, die vom Leibeigentum befreite („Stadtluft macht frei“). Sie entwickelte sich weiter zu einer Stätte wirtschaftlicher Prosperität. Beispiele hierfür sind Hamburg, Genua oder Venedig. Die industrielle Revolution führte dann zu großen Industriezentren, welche ganz neue Problemfelder mit sich brachten. Städte wurden zu gefährlichen Lebensorten mit Überbevölkerung, Berufsrisiken der Industrie, verschmutztem Wasser, schlechter Luft, ungenügenden Abwassersystemen und Krankheiten wie Typhus und Cholera. Diese völlig neuen Herausforderungen an die Städte brachten gänzlich neue städtische Aufgaben wie ein öffentliches Gesundheits- oder Versicherungswesen mit sich.

Im Zusammenhang mit dem technologischen Fortschritt und den über die Smart Cities geführten Debatten ergibt sich für Städte erneut die Frage, was ihre Rolle und ihr Leistungsauftrag ist. Ist es Auftrag der Stadt, nicht nur die physische Infrastruktur wie das Verkehrsnetz zu bewirtschaften, sondern auch eine digitale Infrastruktur zu schaffen? Ist die digitale Welt Teil der Stadt als solches und müssen sich daher Städte um die Infrastruktur und Sicherheit in dieser neuen Dimension kümmern? Was gehört zu einer digitalen Infrastruktur? Muss die Stadt nicht nur für die Sicherheit auf der Straße, sondern auch für die digitale Sicherheit sorgen?

Ganz konkret: In Deutschland ist beispielsweise in Landesstraßenreinigungsgesetzen oder Streupflichtsatzungen penibel geregelt, wer wann welche Pflicht hat und für die einwandfreie Benutzung der Straßen und Gehwege im Winter Sorge trägt. Wer übernimmt dies zukünftig in der städtischen digitalen Infrastruktur? Städte und Gemeinden kümmern sich um öffentliche Plätze und Parks als Orte der Erholung, des Spielens und der Treffpunkte. Sollen Städte und Gemeinden auch diese Aufgabe für Äquivalente in der digitalen Welt übernehmen? Muss eine Stadt ein eigenes Rechenzentrum betreiben, um den Bürgerinnen und Bürgern ein Mindestmaß an digitaler Infrastruktur zu garantieren? Diese Fragestellungen sind kompliziert, aber unweigerlich zu stellen, wenn sich Städte mit dem Thema Smart City in der Tiefe auseinandersetzen wollen.

Die neue Rolle der Städte und deren Verwaltung

Neuere Stadtkonzeptionen fordern, neue Wege zu gehen. Typische Thesen ihrer Vordenker sind:

Moderne Städte sind dazu da, Menschen zu Bürgern zu machen, also zu Menschen, die Verantwortung für ihre Gemeinschaft übernehmen. Ökonomische Werte, Kunst, Unterhaltung und Lernen sind nur Nebenprodukte dieses Strebens.

Eine Stadt, die nicht nur einen ökonomischen Zweck erfüllt („Ich bin hier, weil die Jobs hier sind“), sondern ein Ort der Selbsterfüllung und der Partizipation ist, legt deutlich weniger Wert auf physische Infrastruktur, sondern konzentriert sich auf Netzwerke aus Beziehungen.

Nach dem Architekten Sir Terry Farrell sind Städte Orte, wo neue Ideen entstehen und Fremde sich begegnen. Sie sind deshalb enge, chaotische und unkontrollierte Orte und brauchen Treffpunkte, an denen ihre Bewohner ihre eigene Zukunft diskutieren können. Dies könnte man auch mit einem Zitat aus Max Frischs Vorwort zu Gody Suters Die großen Städte zusammenfassen: „Die Stadt nämlich (…) ist nicht die Angelegenheit der Städtebauer, sondern der Städtebewohner“ (zitiert nach Christian 2012, S. 91).

Im Zentrum der städtischen Rolle sollte die Schaffung von öffentlichem Mehrwert (Public Value) stehen, und dies sollte das ultimative Ziel von Smart Cities sein. Öffentlicher Mehrwert beinhaltet ökonomischen und sozialen Wert. Dies erfordert, dass Wert für extrem viele Stakeholder geschaffen wird, deren Ziele meist nicht kompatibel sind, und es erfordert schlussendlich, dass alle Initiativen die Bürger und Stadtbewohner mit einbeziehen.

Der digitale Schatten einer Stadt

Gezwungen durch die immer komplexer werdende Problemstellung der Städte bemühen sich Stadtplaner, Visionäre und Wissenschaftler um intelligente Lösungen in den Städten. Der wirtschaftliche Markt von Smart City liegt je nach Schätzungen in der Größenordnung von 300 bis 700 Milliarden US-Dollar weltweit (IAEE 2017). Eine Smart City zeichnet sich durch die systematische Nutzung der Potenziale digitaler Technologien und die gleichzeitige umfassende Einbeziehung der Nutzer, Bewohner und aller anderen Anspruchsgruppen aus. Um die Ziele einer Smart City zu erreichen, wie geringer Ressourceneinsatz, hohe Lebensqualität ihrer Bewohner und nachhaltige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, braucht es intelligente und meist digitale Lösungen für Infrastruktur, Energie, Gebäude, Mobilität, Dienstleistungen oder Sicherheit. Die Basis hierfür nennen wir den „digitalen Schatten einer Stadt“.

Digitaler Schatten als notwendige Voraussetzung einer Smart City

Intelligente Lösungen basieren auf integrierter Sensorik, Konnektivität, Datenanalytik sowie selbststeuernden Wertschöpfungsprozessen. Ähnlich industriellen Fertigungsprozessen ist auch in Städten der erste Schritt zu Intelligenz die Abbildung der realen Welt in der Welt der Bits und Bytes. Mit anderen Worten: Produkte, Prozesse und Leistungen einer Stadt erhalten einen digitalen Schatten, werden intelligent, selbststeuernd, vernetzt und integriert, um ökologische und soziale Verbesserungen anzustoßen. Dabei wirkt das IoT (Internet of Things) an der Schnittstelle zu der realen Welt, neue Distributed-Ledger-Technologien (wie Blockchain) werden sichere Identitäten und Transaktionen in der Stadt ermöglichen. Moderne Datenanalytik über Algorithmen, heute wieder populär unter AI (Artificial Intelligence), identifizieren Muster und verbessern Systeme selbstlernend, ohne dass menschliches Eingreifen noch notwendig wird (Machine Learning). So lernt das Straßensystem in Los Angeles bereits seit Jahren selbständig, die Verkehrsflüsse zu optimieren und die Ampeln zu steuern.

Der digitale Schatten ist zunächst neutral und ohne Zweck; daher ist es umso wichtiger, dass die selbstlernenden und sich selbst entwickelnden Systeme stets den Bürger und seine Umwelt im Fokus haben. Der digitale Schatten einer Stadt und ihrer Systeme ist somit eine notwendige Voraussetzung von Smart Cities, aber keine hinreichende. Erst der Fokus auf den Menschen und seine Umwelt ist sinnstiftend für den digitalen Schatten.

Der digitale Schatten klingt wie etwas aus einem Science Fiction Film: Man nehme alle Daten, die in einer lebenden, atmenden und blühenden Metropole zur Verfügung stehen, und kreiere daraus ein digitales Abbild als Schatten der Stadt. Das Ergebnis ist, was sich viele Entscheider bereits konkret vorstellen können: eine wahrhaft digitalisierte Stadt. Basierend auf dem digitalen Schatten der Stadt können alle Anspruchsgruppen die digitale Welt der Stadt über die erzeugten Daten erfahren, analysieren, visualisieren und Wenn-dann-Szenarien simulieren. Dieser digitale Schatten gibt die Datenhoheit zurück in die Hand der Städte und Bewohner und kann den Wert von Daten und Geschäftsmodellen neu analysieren. Wichtig ist es, den Daten einen Kontext zu geben. Städte gehören zu den komplexesten „Erzeugnissen“ der Menschheit, und daher bietet sich genau hier eine digitale Unterstützung besonders an. Alle Komponenten, die Teil dieses cyberphysikalischen Systems werden, erweitern die Dichte des digitalen Schattens.

Was bedeutet Internet of Things?

Der Begriff „Internet of Things“ (übersetzt: „Internet der Dinge“) bezeichnet die zunehmende Vernetzung zwischen „intelligenten“ Gegenständen sowohl untereinander als auch nach außen mithilfe des Internets.

Der digitale Schatten wird in Zukunft Teil des Leistungsangebots städtischen Erlebens werden. Je mehr digitale und reale Welt über Virtual Reality und Augmented Reality zusammenwachsen, desto mehr verschwimmen die klassischen Grenzen dieser beiden Welten. Soll beispielsweise eine smarte Brille einen Touristen zum Bahnhof führen, so bildet der digitale Schatten der Stadt die Grundlage dafür. Eine Stadt, die ihren digitalen Schatten schon vor der Transformation der Stadt zur Smart City begonnen hat aufzubauen und zu nutzen, hat besondere Vorteile. Der digitale Schatten hilft städtischen Entscheidern bereits immens bei der Planung, Analyse und Simulation von heutigen Smart-City-Transformationen. Er wird zur Ausgangslage, um eine Smart City zu designen, zu bauen, zu beobachten, zu kontrollieren, zu steuern, zu führen und zu betreiben, und bestimmt damit die Smart City (vgl. Bild 2.1).

Bild 2.1Digitaler Schatten einer Stadt (in Anlehnung an Sidewalk Labs)

Um diese hohen Erwartungen zu erfüllen, muss ein digitaler Schatten einigen Anforderungen genügen:

Zugänglichkeit: Die Zugänglichkeit des digitalen Schattens beinhaltet rein technische Aspekte wie Datenmodelle und Standards, aber auch die Frage, wer welche Daten unter welchen Bedingungen bekommt (Data Governance).

Strukturiertheit: Die Komplexität von Smart Cities muss strukturiert im digitalen Schatten reflektiert werden: von der physischen Planung über Bau, Betrieb und Infrastruktur bis hin zu seiner Nutzung durch die Bewohner.

Erweiterbarkeit: Der digitale Schatten muss auch zukünftigen Infrastrukturen, die heute nur schwer vorherzusagen sind, einen Schatten geben können.

Zuvorkommenheit: Der digitale Schatten muss unparteiisch und vertrauenswürdig sein und die richtige Balance zwischen Zugänglichkeit und Sicherheit für alle bieten. Er ist zuvorkommend, weil er dem Bürger dient (nicht umgekehrt) und diesem gegenüber immer in der Bringschuld ist.

Mit dieser Sichtweise sind wir nicht alleine. Bereits andere Forscher beschreiben die Anforderung an den digitalen Schatten einer Stadt sehr ähnlich. So beispielsweise bereits Jeremy Morley, Professor an der University of Nottingham und Chief Geospatial Scientist bei Ordnance Survey, der die Anforderungen als structured, extensibel und deferntial definiert.

Beispiel: Virtual Singapore

Mit einem initialen Budget von 73 Millionen Dollar arbeitet Singapur seit 2014 daran, der Stadt einen umfassenden digitalen Schatten zu verschaffen. In einem Forschungsprojekt mit der National Research Foundation und dem Industriepartner Dassault Systèmes wird an einer umfassenden 3-D-Visualisierung (Ausbau auf 4-D, 5-D geplant) gearbeitet. Virtual Singapore soll eine kollaborative Plattform bilden, um mit den digitalen Daten langfristige Entscheidungen zu treffen. Die Einsatzmöglichkeiten von Virtual Singapore umfassen virtuelles Experimentieren, virtuelles Testbedding, virtuelle Planung sowie Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. So könnte ein Start-up, dessen Produkt auf hohe mobile Datenübertragungsraten angewiesen ist, virtuell testen, wie viele Nutzer das Produkt erreichen kann, inwieweit die technische Performance zufriedenstellt und wie sich der Markt entwickeln kann. Der digitale Schatten ist schon in seinem Design darauf angelegt, möglichst vielen Anspruchsgruppen wie der Regierung, den Bewohnern, der Wirtschaft und der Wirtschaftsgemeinschaft einen möglichen Mehrwert zu bieten. Erste Ergebnisse werden 2018 erwartet (National Research Foundation Singapore 2015).

Konkrete Technologien, die heute und morgen die Grundlage für den digitalen Schatten einer Stadt bilden, werden in Kapitel 4 beschrieben.

Leistungsbereiche des digitalen Schattens

Eine Smart City entwickelt ihren digitalen Schatten in sechs Leistungsbereichen mithilfe digitaler Technologien, die oftmals in neue Geschäftsmodelle eingebettet sind:

Smart Environment,

Smart Living,

Smart Economy,

Smart Mobility,

Smart Government und

Smart People.

Tipp: Nutzen Sie die Leistungsbereiche für die erste Bestandsaufnahme.