Geschichte der deutschen Migration - Dirk Hoerder - E-Book

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Dirk Hoerder

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Beschreibung

Deutschland ist über Jahrhunderte hinweg eine Kulturregion mit vielfältigen Wanderungsbewegungen gewesen. Männer und Frauen deutscher Dialekte und zahlreicher regionaler Kulturen sind aus ihrer jeweiligen Heimat ausgewandert, um neue Lebensperspektiven zu finden, Menschen anderer Kulturen – Juden, Hugenotten, Türken u.v.a.m. – sind umgekehrt in Deutschland eingewandert. Dirk Hoerder bietet einen chronologischen Überblick über die Auswanderung, zeigt die unterschiedlichen Motive, die Auswahl der Ziele, die quantitativen Ausmaße und die kulturellen wie wirtschaftlichen Auswirkungen.

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Dirk Hoerder

GESCHICHTEDER DEUTSCHEN MIGRATION

Vom Mittelalter bis heute

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag C.H.Beck

 

 

Zum Buch

Deutschland ist über Jahrhunderte hinweg eine Kulturregion mit vielfältigen Wanderungsbewegungen gewesen. Männer und Frauen deutscher Dialekte und zahlreicher regionaler Kulturen sind aus ihrer jeweiligen Heimat ausgewandert, um neue Lebensperspektiven zu finden, Menschen anderer Kulturen – Juden, Hugenotten, Türken u.v.a.m. – sind umgekehrt in Deutschland eingewandert. Dirk Hoerder bietet einen chronologischen Überblick über die Auswanderung, zeigt die unterschiedlichen Motive, die Auswahl der Ziele, die quantitativen Ausmaße und die kulturellen wie wirtschaftlichen Auswirkungen.

Über den Autor

Dirk Hoerder, Prof. Dr., ist vielfach ausgezeichneter Spezialist der globalen Migrationsforschung. Er lehrt nach seiner Emeritierung in Bremen an der Arizona State University.

Inhalt

1. Begriffe, Konzepte, Historiografie, Ideologisierungen

a) Kontexte: Raum, Sprache, «Heimat», Expansionsideologien

b) Begrifflichkeiten und Konzepte

c) Historiografie, Forschungsparadigmen und systemischer Ansatz

d) Periodisierung

2. Migration in Mittelalter und Früher Neuzeit

a) Allgegenwärtige Mobilität: Eliten, Mittel- und Unterschichten

b) Interkulturelle Fernwanderungen

c) Bevölkerungskatastrophen, Religionskriege, Fluchtwanderung

3. Transkontinentale Aus- und Abwanderung nach Osten und Südosten

a) Frühe Wanderungen

b) Aus-, Ein- und zirkuläre Wanderungen seit dem 16. Jahrhundert

c) Neue Entwicklungen im 19. Jahrhundert

4. Wanderungen nach und von Süd-, West- und Nordeuropa, 17. bis 19. Jahrhundert

a) Eliten und ihr Personal

b) Staatlich induzierte Mobilität

c) Wirtschaftlich-demografische Wanderungsprozesse, -entscheidungen und -zwänge

d) Wanderung ungelernter Arbeitskräfte zu Beginn der Industrialisierung

5. Transatlantische Migration: Nordamerika, Südamerika, andere Ziele

a) Auswanderung nach Nordamerika bis 1815

b) Massenauswanderung 1815 bis 1893 und ethnokulturelle Community

c) Konsolidierung und Amerikanisierung bis 1917

d) Deutschsprachige Einwanderer in Kanada

e) Auswanderung nach Süd- und Zentralamerika, 1820er bis 1930er Jahre

f) Weitere Zielregionen: Australien, Neuseeland

6. Umbrüche und Zwischenbilanz bis 1914/18

a) Osteuropa: Eingliederung und sekundäre Wanderung

b) Rückwanderung aus Nordamerika

c) Koloniale Expansion und Auswanderungspolitik

d) Transitwanderung bis 1914

e) Vom Auswanderungsland über interne Wanderung zum «Arbeitskräfteeinfuhrland»

f) Instrumentalisierung: «Auslandsdeutsche» und «Grenzdeutsche» als Brückenköpfe

g) Rückschau und Zwischenbilanz: Deutsche Diaspora?

7. Deutsche Wanderungen, 1914 bis 1955

a) Weltkrieg und Weimarer Republik

b) Die faschistische Periode bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges

c) Flucht, Displaced Persons und Auswanderung, 1945 bis 1955

8. «Faktisch ein Einwanderungsland»

a) Ausländische Arbeitnehmer in der BRD

b) Internationale Werktätige in der DDR

c) Asylsuchende und «Kontingentflüchtlinge»

d) Aussiedler «deutscher Volkszugehörigkeit»

e) Weitere Auswanderungen?

9. Vergleichende Perspektiven

 

Literatur

Ortsregister

1. Begriffe, Konzepte, Historiografie, Ideologisierungen

Im historischen Bewusstsein Deutschlands ist von allen Migrationen nur «Auswanderung» als Thema verankert, und dies wiederum beschränkt auf die Amerikawanderung und die Ostsiedlung. Die komplexen internen Migrationen und innereuropäischen Zuwanderungen fehlen. Oft geht diese «Erzählung» auch von einer Überlegenheit der materiellen und geistigen Kultur der Deutschen in der Ferne aus. Dieses nationalideologische Denken übersieht, dass Auswanderung keine zivilisatorische Mission ist, sondern Kritik an bestehenden Verhältnissen bedeutet: Das Land ernährt die Familie nicht, bietet zu wenig berufliche Chancen, verlangt hohe Steuern und verhindert politische Beteiligung. Die wissenschaftliche Bearbeitung des Themas war lange aufgespalten in Teilaspekte wie Aus- und Einwanderung, Land-Stadt-Wanderung und Zielregionen. Eine integrierte Analyse der Migrationen aus und in die deutschsprachige Großregion vom 9. Jahrhundert bis zur Gegenwart bietet ein sehr viel komplexeres Bild mit definierbaren Herkunftsregionen und nahezu weltweit gestreuten Zielorten.

a) Kontexte: Raum, Sprache, «Heimat», Expansionsideologien

Gesellschaftliche Erinnerung, akademische Diskurse und politische Proklamationen reflektieren Interessenlagen, ideologische Vorgaben und den Horizont zeitgenössischen Denkens. Auswanderung wird meist räumlich gedacht in den Grenzen des Deutschen Reiches, die jedoch erst 1871 bzw. 1918 gezogen wurden. Staatsgrenzen werden weder Makroregionen gerecht, wie hier dem zentraleuropäischen deutschsprachigen Raum, noch Kleinregionen wie Schwaben oder Mecklenburg. Grenzen zwischen dynastischen Staaten sind gemäß Familieninteressen, durch Kriege und andere machtpolitische Strategien so oft verändert worden, dass Territorien wie ein Akkordeon ausgedehnt oder komprimiert wurden. Herrscher haben Teile «ihrer» Bevölkerungen – in der Zeit der Religionskriege und des Antisemitismus – zur Auswanderung gezwungen; sie haben kulturell anders lebende Menschen – wie die französischen Hugenotten – zur Zuwanderung eingeladen. Die Ideologie von Nation und Nationalstaat, im 19. Jahrhundert entstanden, hat Unterschichten, besonders das städtische Proletariat, aus politischen Prozessen ausgeschlossen und Frauen keine eigene nationale Zugehörigkeit eingeräumt. Wirtschaftliche Entwicklungen haben Menschen überflüssig gemacht oder zusätzlichen Arbeitskräftebedarf bewirkt. Die deutschsprachige Region, im Englischen the Germanies, war differenziert durch politische Grenzen, regionale Kulturen, nach Klasse, Schicht und Geschlecht. In Zeiten unzureichender Lebensqualität sind Menschen abgewandert, im 19. und 20. Jahrhundert allein etwa 7 oder 7,5 Millionen nach Übersee – Migration über Landesgrenzen wurde nicht gezählt. In guten Zeiten sind Menschen anderer Sprachen und Kulturen zugewandert.

Da Sprache – Muttersprache in einem Vaterland – oft nationalideologische Denkformen tradiert, müssen neutrale Begriffe gesucht werden. Deutsche Auswanderer ebenso wie einwandernde Männer und Frauen kamen aus und in vielfältig differenzierte kulturelle Regionen mit eigenen Dialekten. Menschen aus Oberbayern hätten sich weder mit Mecklenburger Platt sprechenden Reisenden noch mit Elsässern unterhalten können. Dieser dialektdifferenzierte Raum war von benachbarten Sprachräumen nicht abgegrenzt, sondern verbunden durch zwei- oder mehrsprachige Gebiete mit Dänen, Niederländern, Franzosen, Elsässern, Italienern, Slowenen und Kroaten, aschkenasischen Juden, Polen. Wanderungsvorgänge müssen im Rahmen dieser Differenzierung untersucht werden.

Die politischen Einheiten, die Auswandernde verließen oder Einwandernde erreichten, schließen das Reich Karls des Großen ein, das zeitweise bis nach Sizilien ausgedehnte Alte Reich, später zersplittert in rund 300 Klein- und Mittelstaaten, und, ab 1871, das Deutsche Reich mit seinen 1918 und 1945 schrumpfenden Grenzen. Andere lebten in den deutschsprachigen Kantonen der Schweiz und im österreichischen Teil des Habsburgerreiches. Dies zeigt, dass Begriffe wie «Heimat» oder «nationale Identität» in der traditionell üblichen Bedeutung nicht verwendbar sind. «Heimat» ist nicht eine Nation oder ein Staat, sondern die Mikroregion, in der Kindheit und Jugend verbracht und Sozialisation erfahren wurde. Erst mit dem Entstehen des nationalen Schulsystems wurde die Gesamtheit von Gesellschaft und Staat für kulturelle Zugehörigkeit (belonging, embeddedness) bedeutsam. Nationales Bewusstsein begann sich schichtenspezifisch als prozesshafte «Identifikation» im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts zu entwickeln; im letzten Drittel entstanden die rassistischen Tropen von Blutzugehörigkeit und nationalem Erbgut und die essenzialistische «nationale Identität».

Diese Diskursformen haben die Einstellungen zu Migranten tief beeinflusst: Abwandernde wurden zu Deutschen (statt Deutschsprachigen) und Zuwandernde wurden zu Fremden. Dynastische Staaten boten zuwandernden «Anderen» durch Sonderstellung Eingliederungsmöglichkeiten, Nationalstaaten grenzten sie als «Fremde» aus oder zwangen sie zur Assimilation. Die Anderen innerhalb des nationalen Territoriums – Sorben, Polen oder Friesen – wurden zu «Minderheiten» mit beschränktem Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und politischen Institutionen. Unter diesen sowie wirtschaftlichen Veränderungen haben von 1815 bis 1950 etwa 55 Millionen Europäer ihr Geburtsland – ein Begriff, der neutraler ist als der der Nation – verlassen, «Heimaten», in denen sie sich nicht ernähren konnten. Aus den nationalen Meistererzählungen wurden sie ebenso wie Einwanderer ausgeschlossen. Kulturelle Eigenheiten und selbstbestimmtes Handeln passten nicht in das Konstrukt nationaler Einheit.

Auch die jeweilige «neue Heimat» war nicht ein Gesamtstaat, sondern die jeweils gewählte Region: Ländereien an der Donau, Nachbarschaften in Toronto, Dörfer in Wisconsin. Erst nach Schaffung einer familienökonomischen Basis erweiterte sich der Blick der Neuankömmlinge auf die größere Gesellschaft oder den Gesamtstaat. In den Zuwanderungsgebieten – ob Zarenreich, USA oder Australien – konnten weder Einwanderungs- und Zensusbehörden noch die neuen Nachbarn die Vielfalt deutschsprachiger Kulturen erkennen. Dass sich die rheinländische Kultur von der der Hansestädte unterschied, dass es in Wien oder Sachsen unterschiedliche Ess- und Trinkgewohnheiten gab, blieb den von außen auf die «Neuen» Schauenden verborgen. Statistiken differenzierten nach Herkunftsstaat, Nachbarn verwendeten den generischen Begriff «Deutsche», im Amerikanischen oft zum klangähnlichen Dutch verballhornt. Analog wurden alle seit den 1890er Jahren aus dem neuen italienischen Staat ins Deutsche Reich Zuwandernden trotz unterschiedlicher Dialekte und Kulturen zu «Italienern».

Politisiert wurden die Benennungen, als die nationaldynastischen Staaten Europas, aber auch diejenigen Nordamerikas und das Zarenreich seit den 1870er Jahren einen expansiven Chauvinismus entwickelten: Zuwanderer sahen sich Germanisierungs-, Amerikanisierungs-, Russifizierungsprogrammen gegenüber. Unter diesem Denken begann sowohl die Migrationsforschung wie die Konstruktion nationaler Meistererzählungen: Begrifflichkeiten und Namenszuschreibungen sind nicht integraler, natürlicher Teil einer Sprache, sondern Ausdruck politischer Strategien und machtpolitischer Interessen. Sie alle müssen auf empirische Genauigkeit und wissenschaftliche Verwendbarkeit überprüft werden.

Die Geschichte der Auswanderung ist, wie alle Geschichte, multiperspektivisch: die Perspektive der nicht Gewanderten, die der Auswanderer, die der Einwanderer. Migranten, die sich auf ihre neue Gesellschaft einlassen, bewahren in der Erinnerung eine Ausgangsgesellschaft, wie sie sich zum Zeitpunkt ihrer Abreise in geschlechts-, klassen- und regionsspezifischen Variationen dargestellt hat. Die Erinnerung bleibt stationär, frozen in time, die Ausgangskultur entwickelt sich weiter. Andere, die nicht bereit sind, sich auf ihre neue Umgebung einzulassen, fügen der stationären Erinnerung meist eine Idealisierung hinzu und manövrieren sich so in die Isolierung. Auch Gettoisierung durch die Empfängerkultur ist möglich. Sie hindert Zuwanderer, ihr volles Potenzial zu realisieren, und sie hindert die ausgrenzende Kultur, das volle Potenzial von Neuankömmlingen zu nutzen.

Der Entstehungskontext von Forschung und Erinnerung an Aus- und Einwanderung, zeitgebundene sprachliche Konnotationen und nationalideologische Vorgaben haben das wissenschaftliche und allgemeine Verständnis von Migration behindert und verformt. Neue, neutrale Termini und Konzepte sind notwendig.

b) Begrifflichkeiten und Konzepte

Der übliche Begriff «deutsche Auswanderung», genau wie der in den Ankunftsgesellschaften übliche Begriff Einwanderung, impliziert einen einmaligen Wanderungsvorgang von permanenter Dauer. Im Gegensatz zu dieser Annahme haben sich viele Männer und Frauen einzeln oder als Familien (mit Kindern) prozesshaft bewegt: Sie sind für eine Reihe von Jahren ins Ausland gegangen und dann zurückgekehrt; sie sind vielfach hin und her (zirkulär) gewandert; sie sind in Etappen gewandert, aus ländlichen Regionen in eine nahe Stadt, von mittleren Städten in eine Großstadt oder Industrieregion, von dort über Hafenstädte (heute: Städte mit Flughäfen) ins benachbarte transkontinentale oder transozeanische Ausland. Neutral ist dies «Wanderung» oder «Migration». Ihre Verläufe müssen in Bezug auf Richtung, Etappen und Dauer für jeden Einzelfall bestimmt werden. Die Begriffe Ab- und Zuwanderung ermöglichen dies. Die Prozesse können dann zu umfangreichen Wanderungen und Migrationssystemen zusammengefasst werden.

Die alte Begrifflichkeit «Auswanderung» stammt aus einer historischen Zeit, in der bäuerliche Familien kein Auskommen fanden («Heimat» ohne Überlebenschancen), ihre wenigen Habseligkeiten verkauften und so eine Rückkehrmöglichkeit ausschlossen. Migration kann unbeabsichtigt dauerhaft werden – die Migranten planen ihre Rückkehr, verschieben sie aber immer wieder, bis sie schließlich in der neuen Gesellschaft sterben. Sie kann unfreiwillig dauerhaft sein, wenn die Bedingungen in der Herkunftsgesellschaft politisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlich so wenig zufriedenstellend bleiben, dass eine Rückkehr unmöglich ist.

Menschen werden nicht mechanisch abgestoßen oder angezogen (push and pull), sondern entscheiden im Rahmen ökonomischer Zwänge (also nicht völlig frei), ob sie abwandern oder sesshaft bleiben, ob sie sich mit einer reduzierten Lebensweise abfinden oder die Lebensbedingungen und -perspektiven in ihrem Geburtsland aktiv im Rahmen von bäuerlichen Verbänden, Gewerkschaften oder Parteien verbessern wollen. Sie migrieren im Kontext von Netzwerken und Informationsflüssen in Zielregionen, über die sie Kenntnisse durch früher Abgewanderte erhalten haben. Sie kalkulieren ihre Chancen so genau wie möglich, da Rückwanderung erneut Kosten verursachen würde. Im Rahmen von Familienökonomien entwickeln sie Strategien: Entsendung eines oder mehrerer Familienmitglieder, um zusätzliches Einkommen zu erzielen und dies «nach Hause» schicken zu lassen (Erhalt einer durch national- oder makroökonomische Faktoren marginal gewordenen Lebensweise); Abwanderung der gesamten Familie, was entsprechende Mittel erfordert; oder Vorauswanderung eines Familienmitglieds, das Teile seines neuen Einkommens (in Form von prepaid tickets) zurückschickt, damit andere folgen können. Naturmetaphern wie «Wanderungswellen» oder «Menschenströme» verhindern die Wahrnehmung solch komplexer Entscheidungen.

Migranten geben am Ziel ihre alltägliche Lebensweise, ihre materielle Kultur nicht auf. Sie assimilieren sich nicht bedingungslos, sondern beginnen einen schrittweisen Prozess der Akkulturation, einer Annäherung an die neue Gesellschaft. Sie ändern Gewohnheiten und Praktiken, erlernen die neue Sprache oder zumindest die für sie relevanten Sprachregister in einem Prozess des Aushandelns von notwendigen oder geforderten Veränderungen. Sie sind bereit zu einer (teilweisen) Eingliederung (accommodation, adjustment), wobei die Empfängergesellschaft die Möglichkeiten zu Integration oder Inkorporation bieten muss. Ohne diese beidseitige Bereitschaft erfolgt eine Selbstsegregation oder Ausgrenzung. Die volle Teilhabe an der neuen Gesellschaft wird prozesshaft über – meist – drei Generationen erreicht. Die Rhetorik des «Kulturverlustes» belastet den Prozess, das Einbringen von Eigenheiten und Arbeitskraft, die die neue Gesellschaft ihrerseits verändern, erleichtert ihn. Je nach staatlich gesetztem Rahmen können Neuankömmlinge und Alteingesessene eine Gemeinschaft bilden oder in Nation und ethnische Enklaven zerfallen.