Geschichte der Frühen Neuzeit - Thomas Maissen - E-Book

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Thomas Maissen

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Beschreibung

Von der Erfindung des Buchdrucks und der Entdeckung Amerikas schlägt Thomas Maissen den Bogen bis zur Industriellen und Französischen Revolution. In jeweils wechselnden Perspektiven erläutert er die entscheidenden Entwicklungen wie Humanismus, Reformation, das spanische Weltreich KarlsV. und PhilippsII., den Dreißigjährigen Krieg und die höfische Gesellschaft LudwigsXIV., schließlich die Aufklärung und den Aufstieg Großbritanniens und Preußens im europäischen Mächtegleichgewicht. In der spannenden Überblicksdarstellung wird der politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Wandel dieser Epoche in den wechselseitigen Bedingtheiten deutlich.

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Thomas Maissen

GESCHICHTE DERFRÜHEN NEUZEIT

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag C.H.Beck

 

 

Zum Buch

Von der Erfindung des Buchdrucks und der Entdeckung Amerikas schlägt Thomas Maissen den Bogen bis zur Industriellen und Französischen Revolution. In jeweils wechselnden Perspektiven erläutert er die entscheidenden Entwicklungen wie Humanismus, Reformation, das spanische Weltreich Karls V. und Philipps II., den Dreißigjährigen Krieg und die höfische Gesellschaft Ludwigs XIV., schließlich die Aufklärung und den Aufstieg Großbritanniens und Preußens im europäischen Mächtegleichgewicht. In der spannenden Überblicksdarstellung wird der politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Wandel dieser Epoche in den wechselseitigen Bedingtheiten deutlich.

Über den Autor

Thomas Maissen ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Heidelberg, Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sowie Direktor des Exzellenzclusters «Asia and Europe in a Global Context». Seit September 2013 wirkt er als Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Paris.

Meinen Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern undStudierenden in Heidelberg

Inhalt

Einleitung

1. Europa um 1500:Renaissance, Entdeckungen, Reformation

2. Das Jahrhundert der Habsburger:Imperium und konfessionelle Einheit

3. Das französische Jahrhundert:Souveränität und Hegemonie

4. Das britische Jahrhundert:Gewaltenteilung und Mächtegleichgewicht

5. Umbruch: Industrialisierung und politische Revolutionen

Zeittafel

Bibliographische Hinweise

Personenregister

Einleitung

Frühe Neuzeit bezeichnet grob die drei Jahrhunderte, die von der Entdeckung Amerikas 1492 bis zum Sturm auf die Bastille 1789 reichen. In dieser Zeit führte eine Reihe von historischen Prozessen dazu, dass das Ideal eines einheitlichen christlichen Abendlands Platz machte für eine allmählich als legitim anerkannte Vielfalt von Staaten, religiösen Bekenntnissen, Formen des Wirtschaftens. Der moderne Staat entstand in einem doppelten Wettbewerb der Fürsten: außenpolitisch in Kriegen gegen andere Dynastien, innenpolitisch in Kämpfen gegen den hohen Adel, der es gewohnt war, aus eigener Entscheidung Herrschaft und Gewalt auszuüben. In diesen Auseinandersetzungen erzeugten die verschiedenen Konfessionen, die seit der Reformation entstanden, Zusammenhalt über Standesgrenzen hinweg. Sie erlaubten es den Obrigkeiten zudem, als Schützer des jeweils wahren Glaubens auf die Ressourcen ihrer Kirchen zurückzugreifen. Die allgemeinverbindliche Religion und eine intensivierte Gesetzgebung erleichterten die Zentralisierung der Macht innerhalb eines klar definierten Territorialstaats, der allmählich die zusammengesetzten Monarchien ablöste, in denen allein die Person des Königs verschiedene Reiche zusammengehalten hatte.

Der Dauernotstand im Krieg gegen Glaubens- und Landesfeinde rechtfertigte schnell wachsende Steuerforderungen an Untertanen, denen dafür Schutz versprochen wurde. Dank den zunehmenden Erträgen und vermehrten Eingriffen in viele Lebensbereiche konnte ein Fürst auch seine Machtmittel im Inneren ausbauen und so zusehends effizienter Abgaben eintreiben. Damit finanzierte der expansive Steuerstaat vor allem die steigenden Kosten für stehende Heere und Flotten. Diese wurden immer wichtiger, um Handelswege auf den Weltmeeren und in den Kolonien gegen vielfältige Konkurrenten zu sichern. Fernhandel und Marktorientierung veränderten eine Gesellschaft, in der zuvor Bauern meist nur sich selbst und eine kleine Gruppe adliger Landbesitzer leidlich ernähren konnten. Landwirtschaftliche Reformen, die Ausbreitung der Heimarbeit und die einsetzende Industrialisierung banden die einzelnen Haushaltungen zunehmend in eine Volkswirtschaft ein, die nationale Märkte hervorbrachte und Gegenstand politischer Planung wurde. Die Vorstellung individueller Marktteilnehmer, die das eigene ökonomische Interesse verfolgten, untergrub allmählich ein Denken, das den Einzelnen als Teil eines ständischen Kollektivs betrachtet hatte: Adel, Zunft, Gilde oder Dorfgemeinde.

Die Aufklärung berief sich auf die Gesetze der Vernunft und der Natur, um solche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen in Frage zu stellen, die bis dahin durch ihre lange Tradition und den Willen Gottes legitimiert schienen. Die aufklärerische Überzeugung, dass menschliche, säkulare Wissenschaft eine zunehmend dynamische Welt nicht nur besser erklären, sondern auch zum Guten hin verändern könne, machte vor der Politik nicht halt. Seit 1776 in Nordamerika, dann in Frankreich stellten Revolutionäre einem jeden wirtschaftlich selbständigen Bürger das Recht in Aussicht, in naturgegebener Gleichheit bei politischen Entscheidungen mitwirken zu können. Der Staat forderte immer mehr finanzielle und militärische Opferbereitschaft seiner Bürger; dafür musste er ihnen Mitsprache bei den Grundsatzbeschlüssen über die Verwendung dieser Ressourcen gewähren.

Die Dynamik bei diesen Prozessen ging anfangs von Italien und dann vor allem von den Nationalmonarchien am Atlantik aus. Nach langen spätmittelalterlichen Krisen innerlich gefestigt, traten sie in einen stetigen, oft kriegerischen Wettbewerb miteinander. Nach einem Blick auf die Ausgangslage um 1500 greifen die folgenden Kapitel deshalb nacheinander die Perspektive dieser Akteure auf: Spanien, Frankreich, Großbritannien. Dazu kommen die Regionen, mit denen sie kulturell, wirtschaftlich und politisch schon seit dem Mittelalter eng vernetzt waren: außer Italien vor allem Portugal und später die Niederlande, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sowie Polen und Skandinavien. Zunehmend band die Dynamik von wirtschaftlicher Vernetzung, Staatsbildung und Krieg weitere Gebiete im entstehenden «Europa» ein, namentlich Russland, das Osmanische Reich und über die Meere hinweg neben Siedlungen im eroberten Amerika und Stützpunkten an den Küsten Afrikas immer bedeutendere Kontore in Asien, wo europäische Handelsgesellschaften zu politischen Schiedsrichtern und um 1800 auch zu Herrschern aufstiegen.

Die Frühe Neuzeit brachte erstmals überhaupt alle Erdteile in direkte Austauschbeziehungen miteinander. Dennoch ergibt «Frühe Neuzeit» bei aller Problematik, die Epochenbezeichnungen ohnehin eigen ist, allein für das Abendland Sinn. Nur hier entstanden in den Jahrhunderten zwischen Kolumbus und Napoleon die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein unwahrscheinliches und weltgeschichtlich einmaliges Phänomen: Von der Peripherie Eurasiens her entwickelten äußerst gewaltbereite Seefahrernationen Wissensbestände, Technologien, Regeln und Institutionen, die es ihnen nicht nur in der Heimat, sondern auch in Übersee ermöglichten, langfristig stabile Herrschaftsstrukturen zu errichten; selbst dort, wo um 1500 noch überlegene Hochkulturen das Sagen hatten. Gerade das, was diese Reiche als zersetzende Schwäche politisch bewältigen wollten, war Voraussetzung für die europäische Eroberung der Welt: Uneinheitlichkeit, Konkurrenz, Zwietracht und Gewalt. Ein Schiedsrichter fehlte in Europa, die Meinungsdifferenzen kosteten unzählige Menschenleben, doch die vielfältigen territorialen und politischen Strukturen gewährten genügend Refugien, damit ein Wettbewerb entstand, in dem von seinen Gegenspielern Neues lernen musste, wer bestehen wollte.

Die vielfältigen Verbindungen von politischer Organisation, wirtschaftlicher Produktion und kulturellen Lernprozessen können auf den folgenden Seiten nicht umfassend dargelegt werden. Im Vordergrund stehen daher die exemplarischen Perspektiven von Spanien, Frankreich und Großbritannien auf den Wandel der jeweils nationalen und europäischen Strukturen und Ereignisse. Eine solche Erzählung nimmt Lücken in Kauf, so räumlich Nord- und Osteuropa, für die spätere Zeit auch den Mittelmeerraum. Wer Veränderungsprozesse hin zur Moderne hervorhebt, riskiert zudem, historischen Phänomenen in ihrer eigenen Zeit nicht gerecht zu werden. Der Blick von oben vernachlässigt bei knapper Seitenzahl viele Themen – so den Lebensalltag der Menschen, die Geschichte von Minderheiten oder die Geschlechtergeschichte. Die getroffene Auswahl vermeidet dafür die additive und repetitive Parallelbeschreibung verschiedener Länder ebenso wie einen einseitigen, nationalgeschichtlichen Blick auf eine Epoche, die mit den universalen Postulaten der Revolutionszeit und dem globalen Veränderungsdruck der Industrialisierung endete. Wie bei jedem historischen Narrativ mag und soll über die hier dargelegten Entwicklungslinien und Deutungsmuster diskutiert werden. Sie haben aber den Vorteil, dass sie eine strukturierte Einführung in eine unüberschaubar reiche Überlieferung geben, zu der die weiterführende Detailforschung dank den bibliographischen Hinweisen leicht zugänglich ist.

1. Europa um 1500:Renaissance, Entdeckungen, Reformation

Um 1500 erreichte die Bevölkerung Europas mit gut 80 Millionen Menschen ungefähr wieder den Stand, den sie bei Ausbruch der ersten Pestwelle von 1348/49 gehabt hatte. Rund ein Drittel der Menschen war damals gestorben, in den beengten Verhältnissen der Städte oft deutlich mehr. Im 16. Jahrhundert wuchs die Zahl auf etwa 110 Millionen Einwohner, um dann lange zu stagnieren, weil von 1560 bis 1715 die «Kleine Eiszeit» mit kalten Wintern und feuchten Sommern die Ernteerträge bedrohte und regelmäßig Seuchen die Bevölkerung reduzierten. Statisch war auch die Selbstdeutung der abendländischen Christenheit als Ständegesellschaft. Den ersten Stand bildete der Klerus, den zweiten der Adel, den dritten die Arbeitenden, also Bürger und Bauern. Obwohl die starre Dreiständelehre der gesellschaftlichen Vielfalt immer weniger entsprach, unterschied sich das vormoderne Selbstverständnis grundlegend von dem liberal-individualistischen des 19. und 20. Jahrhunderts. Standeszugehörigkeit war im Prinzip von Geburt gegeben und machte den Einzelnen sein Leben lang zum Mitglied eines Kollektivs. Der Sohn eines Bauern wurde Bauer, und dessen Sohn blieb dies. Daran änderte wenig, dass ein Mann durch ein geistliches Amt oder ein Gelübde in den ersten Stand gelangen konnte oder dass Nobilitierungen einzelne Bürgerliche zu Adligen machten. Rechtliche Ungleichheit von hierarchisch geordneten Gruppen und der ihnen angehörigen Personen war eine Selbstverständlichkeit in vormodernen Gesellschaften. Dies zeigte sich auf engem Raum in der Stadt: Patriziat und gewöhnliche Bürger, Niedergelassene ohne Bürgerrecht, Kaufmannsgilden und Zünfte, unehrliche Berufe wie Henker und Totengräber, Weltgeistliche und Angehörige von Orden oder Universitäten, Christen und Juden bildeten unterschiedliche (Rechts-)Gemeinschaften mit je eigenen Regeln, Loyalitätspflichten und Aufgaben. Die Zünfte etwa hatten einerseits die Versorgung der Stadt mit den notwendigen Waren zu gewährleisten, andererseits für ein standesgemäßes Auskommen ihrer Mitglieder zu sorgen, weshalb sie die Märkte zu deren Schutz stark regulierten.

Frauen konnten, etwa als Nonnen, ebenfalls Kollektive bilden, gehörten aber in der Regel dem Familienverband des Vaters oder Gatten an. Die ihm unterstellte Haushaltung aus Kernfamilie, eventuell mit Verwandten und Gesinde, bildete die Grundeinheit des sozialen, wirtschaftlichen und auch politischen Zusammenlebens: adliger Gutshof, Handwerksbetrieb, Bauernhof, Kloster, aber auch Haus oder Hütte von Tagelöhnern und anderen Angehörigen der Unterschichten. Ohne Land und zünftischen Beruf fielen Letztere aus der ständischen Ordnung heraus. Ihre Armut machte sie oft zu Bettlern und Vagabunden. Besonders gefährdet waren Witwen und Waisen, Alte und Behinderte. Das verdeutlicht, dass bestenfalls die erwähnten Personenverbände, auch (Dorf-)Gemeinden oder städtische Nachbarschaften, das erbrachten, was heute als soziale Fürsorge oft Aufgabe des Staates ist. Dies rechtfertigte für die Betroffenen die vielfältigen Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnisse, denn sie bedeuteten auch Fürsorgepflichten der Bessergestellten.

In Form von «Schutz und Schirm» bestand diese Verpflichtung auch über Standesgrenzen hinweg, namentlich in der Beziehung zwischen adligem Grundherrn und bäuerlichem Grundholden oder Hörigem. Der Bauer schuldete Ernteerträge oder Geld, Frondienste und generell Gehorsam, denn sein Herr übte viele Aufgaben aus, die heute staatlich sind. Er wahrte als Gerichtsherr die öffentliche Ordnung und regelte über das Kirchenpatronat die Seelsorge und, soweit vorhanden, das Schulwesen. Der Adlige sollte dank der Arbeit seiner Bauern autark sein und damit abkömmlich für seine politischen Aufgaben als Krieger, Standesvertreter oder Berater von Fürsten. Analog hing die Mitwirkung in einem städtischen Rat von der Selbständigkeit des Handwerksmeisters oder Kaufmanns ab. Bürgerliche Erwerbstätigkeit, die auf städtische Märkte ausgerichtet war, konnte somit Quelle von Freiheiten und politischen Rechten werden. Arbeitsteilung und Einbindung in immer weiter reichende Handels- und Marktbeziehungen nahmen in der Frühen Neuzeit allmählich, aber stetig zu, in urbanisierten Regionen schneller als auf dem Land. Kaufleute mussten den Zahlungsverkehr in unterschiedlichen Währungen für Waren vornehmen, deren Kauf oder Verkauf manchmal wochenlange Transporte durch vieler Herren Länder erforderten. Neue Techniken, insbesondere der Wechsel als Vorform des Papiergelds, reduzierten die riskanten Transporte von Edelmetallen stark. Gleichwohl blieben Handelsgesellschaften als Familienunternehmen aufgebaut, von denen die Medici in Florenz, die Welser und Fugger in Augsburg die berühmtesten Beispiele sind. Brüder, Cousins und Schwager verteilten sich auf wichtige Handelsplätze und blieben vertrauenswürdige Geschäftspartner, selbst wenn die Kommunikation schwierig war. Um 1500 dauerte eine normale Reise von Augsburg nach Hamburg 30 Tage. Die erste obrigkeitliche Post entstand 1490: Die Familie Taxis verband habsburgische Gebiete mit festen Stationen (Posten), die in regelmäßigen Abständen Pferdewechsel ermöglichten.