Geschichten aus dem Schwemmsandland - Brigitte Schubert - E-Book

Geschichten aus dem Schwemmsandland E-Book

Brigitte Schubert

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Beschreibung

Finn, der kleine Troll aus dem Schwemmsandland, ist auf der Suche nach dem Kraut der Bescheidenheit und reist an den Kulkwitzer See. Er will unbedingt dieses mysteriöse Gewächs finden, damit er in den Kreis der erwachsenen Trolle aufgenommen werden kann. Luisa und Hannah, die Wächterin der Parthe, begleiten ihn bei seinen turbulenten Abenteuern. Er entdeckt eine Schatzkiste, versucht sein Glück zu angeln und hat eine Fragestunde mit einem Urweltmammutbäumchen.Aber vom Kraut der Bescheidenheit jedoch fehlt einfach jede Spur ...

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Geschichten aus dem Schwemmsandland

Das Kraut der Bescheidenheit

Brigitte Schubert

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet - papierfresserchen.de

© 2021 Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchausgabe erschienen 2012.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Titelbild und Illustrationen: Stefanie Meister

Lektorat: Hedda Esselborn

Herstellung: CAT creativ - cat-creativ.at

ISBN: 978-3-86196-117-8 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-393-4 - E-Book

*

Inhalt

Impressum

Vorwort

Am Anfang

An der Parthenquelle

Das Mädchen

Die kleine Omi

Der Leuchtturm

Die Welt vorm Fenster

Wasservergnügen

Armin mit den leeren Taschen

Schokoladeneis

Der Angler

Gundi klärt auf

Glückspilze

Vom großen Schiff

Schatzkiste

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel schreiben

Ein Brötchen kommt selten allein

Meta will hoch hinaus – eine Fragestunde am See

Die Wiese am See

Gänseblümchen

Rodelpicknick

Heimreise

Bleistiftgeschichten

Die Autorin

Buchtipp

*

Vorwort

Weit in den Auen der Tieflandsbucht, hinter Hecken und Büschen, in Matsch und Moder liegt ein geheimnisvolles Schwemmsandland.

Er, der kleine Finn, verabschiedete sich von dem Menschenmädchen, von dem er nicht einmal den Namen wusste, und eilte geschwind zu den anderen Trollen. „Wir können wieder unbeschwert spielen, fröhlich lachen und umhertoben! Mit den Fröschen um die Wette quaken oder Wiesenblümchen sammeln!“ Ein fröhlicher Jauchzer kam aus seiner Brust empor gekrochen und vermischte sich mit dem Murmeln des klaren Wassers vom nahen Bach.

Wie hatte es der Älteste zur Troll-Versammlung gesagt? „Wir müssen dieses Schwemmsandland mit seinen Auen und Wiesen verlassen, denn die Menschen haben uns vergessen. Sie glauben nicht mehr an uns, sondern nur noch an das, was sie mit den Augen sehen, mit den Händen fühlen und mit dem Geist erklären können. Aber uns kann man nur mit dem Herzen sehen. Das haben die Menschenkinder verlernt. Wir müssen sterben, wenn niemand mehr an uns denkt. Lasst uns hinter den Horizont reisen.“

Finn hatte noch im Ohr, wie alle Parthen-Trolle der Versammlung zugestimmt hatten. Nur der alte Brücken-Troll wollte den Menschenkindern eine Chance geben, eine allerletzte. Sie sollten wieder von den Trollen erzählen oder Geschichten vorlesen. Wenn dann weiterhin keiner ihren Namen aussprach, ja, nur dann wollen sie gehen und hinter den Horizont in ein weites, fernes, unbekanntes Land ziehen.

Finn, der kleine Parthen-Troll, wollte unbedingt bleiben und etwas tun, damit die Menschen wieder ihre Herzen öffneten und die Trolle nicht ihr Paradies verlassen mussten. Vor einiger Zeit nun kramte er hinter dem Grasbüschel an der alten Weide das große Lehrbuch mit den alten Geschichten hervor. Beim Lesen fielen ihm seine Augen zu. Später wurde er durch ein leichtes Zwicken in den Arm von einem hübschen Menschenmädchen geweckt.

Es gab sie also doch noch, die Menschenkinder, die mit dem Herzen sehen konnten. Er konnte es selbst noch nicht glauben und erzählte voller Übermut allen anderen Trollen, was er erlebt hatte.

„Wir sind gerettet, wir sind gerettet!“ Der Älteste der Trolle zweifelte an Finns Erzählung. Vielleicht war das Mädchen nur in seinen Träumen vorgekommen?

Zu überschwänglich war die Freude und Finns Mundwerk stand nicht still. Er war überglücklich, weil sie das Schwemmsandland nun nicht mehr verlassen mussten. Aber wo war das Mädchen? Kein anderer Troll hatte es je gesehen.

„Morgen treffen wir uns wieder an der alten Weide, auf dem grünen Teppich am Grasbüschel Nummer Sieben.“

Der alte Troll und auch der Weidenbaum-Troll, der wieder der lustigste von allen war, mussten lachen. „Finn ist verliebt! Er schaut sich nach jungen Mädchen um!“, riefen sie und foppten ihn damit.

„Ich bin nicht verliebt! Ich mag nur dieses Menschenmädchen sehr. Übrigens ...“, und er kullerte mit seinen Augen, weil es jeder wusste: „Nur große Trolle können sich verlieben. Und große Trolle werden in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Ich möchte, nachdem wir nun gerettet sind und weiter im Schwemmsandland bleiben dürfen, auch in die Gemeinschaft der erwachsenen Trolle aufgenommen werden.“

Als der Brücken-Troll das hörte, legte er seine Stirn in Falten. „Nun gut mein Junge, wir können in unserem schönen Schwemmsandland bleiben, weil die Menschen wieder an uns glauben. Das ist sehr schön. Aber weißt du, jeder der erwachsen sein möchte, muss eine Prüfung ablegen. Ich glaube nicht, dass du sie schon jetzt in deinen jungen Jahren bestehen würdest. Frage mich morgen noch einmal danach, bis dahin werde ich mich mit den ältesten Trollen beraten haben.“

„Einverstanden.“ Finn strahlte vor Freude über das ganze Gesicht. Er war sich sehr sicher, eine Aufgabe zu bekommen.

Ein erwachsener Troll kann schwierige Zaubersprüche erlernen, herbstbunte Blätter in goldene Taler verwandeln oder mit den Tieren sprechen. Was für eine Prüfung würde er dafür bestehen müssen? In seinem Kopf kreiselten die Gedanken. Seine Fantasie bekam Flügel, entwischte ihm hinaus in die weite Welt und blieb irgendwann unter der alten Weide, im grünen Teppich am Grasbüschel Nummer Sieben hängen. Dort würde auch das kleine Menschenmädchen auf ihn warten.

Am nächsten Tag sprang Finn schon beim Morgenrot aus seinem Bett und eilte zum Brücken-Troll, der an seinem Lieblingsplatz unter dem Brückenbogen saß, dort, wo das Kräuterfräulein mit ihrem Korb immer die goldgelben Löwenzahnblüten sammelte.

Der Brücken-Troll hatte tatsächlich eine Aufgabe für den jungen Heißsporn.

„Ich habe eine gute Nachricht für dich. Du bekommst eine Prüfungsaufgabe. Der Weidenbaum-Troll mag dein heiteres, übermütiges Gemüt und hat eine Aufgabe ausgewählt, der alle zustimmten. Sie mag sehr einfach klingen, aber sie wird dir alles abverlangen, um würdig in den Kreis der erwachsenen Trolle aufgenommen zu werden.“

„Was muss ich tun?“, fragte Finn ganz hitzköpfig und ungeduldig.

„Willst du die Prüfungsaufgabe wissen und bist du wirklich bereit dafür?“

Der junge Troll konnte es kaum erwarten und sprach: „Ja! Ja, ich will die Aufgabe wissen und ich bin bereit, sie zu erfüllen. Ich werde es schaffen!“

„Nun, mein kleiner Finn“, sprach der Brücken-Troll, „es ist Sommer, die schönste, fröhlichste und bunteste Zeit des Jahres. Alle Pflanzen stehen in voller Blüte, die Bäume tragen reife Früchte und die Lebewesen, egal ob Tier oder Mensch, sind munter und quirlig. Schau dich um und finde das Kraut der Bescheidenheit. Bring uns eine Blüte bis zum goldenen Oktober, denn dann kannst du es nicht mehr finden, weil die stürmischen Herbstwinde seine zarten Blütenköpfe zerzausen. Überlege es dir noch einmal, denn wenn du die Aufgabe nicht erfüllst, wirst du für immer und ewig ein junger Troll bleiben. Und denke daran, nur eine Blüte! Und ich gebe dir auch noch einen gut gemeinten Tipp. Wandere die Parthe entlang.“

„Ja, ich will!“, sprach Finn und dachte, nichts leichter als das. Streifte er doch sehr gerne auf den Wiesen und in den Auen des Schwemmsandlandes umher. Eine Blüte vom Kraut der Bescheidenheit würde er mit Leichtigkeit finden, nicht ahnend, was er dabei für gefährliche Abenteuer würde bestehen müssen.

Ob ihm das Menschenmädchen, dessen Namen er immer noch nicht wusste, dabei helfen konnte?

*

Am Anfang

Finn machte sich also auf den Weg in Richtung Parthe. Aber wo die Wanderung beginnen? Am besten wäre, von der Parthenquelle bis zur Mündung in die Weiße Elster zu laufen, immer mit dem Wasserstrom, entlang der Uferböschung durch Wälder und Wiesen streifend.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Finn hatte den Weg über ein Feld mit goldgelben Getreideähren eingeschlagen, das sich weit vor ihm ausdehnte. Am anderen Rande des Ährenfeldes führte der Pfad auf eine geräumige Fläche hinaus. Und Finn stand vor den Toren eines großen Bauernhofes.

Es war Mittag und die Sonne brannte gnadenlos vom wenig bewölkten Himmel herab. Er hatte vergessen, seine Trinkflasche in den Rucksack zu packen und nun blieb ihm nichts weiter übrig, als den Hof zu betreten und um ein Glas Limonade zu bitten.

Sperlinge meldeten ihn fröhlich an. Die Schwalben unterm Dachfirst hatten keinen Blick für ihn, sie fütterten ihre nimmersatten Jungschnäbel. Auch Finns Magen begann zu knurren. Irgendjemand schien Kuchen und Brot zu backen. Ein lieblicher Duft stieg in den Himmel hinauf.

Der junge Troll trat in das Haus und gelangte über einen breiten, weiß getünchten Flur in eine geräumige Küche. Die Bauersfrau stand am Herd und schälte Äpfel.

„Guten Tag. Mein Weg ist noch weit und in der Sonnenglut versagen meine Beine ihren Dienst. Darf ich eine kleine Rast machen und ein großes Glas Limonade bekommen?“

„Hier ist keine Gaststätte“, antwortete die Frau barsch und schälte ihre Äpfel weiter. „Der Kuchen muss auch noch fertig werden.“

Finn drehte sich augenblicklich auf seinem Schuhabsatz herum und wollte wieder von dannen ziehen, da sprach die Frau: „Nun gut, es war nicht so gemeint. Setz dich.“

Erleichtert ließ er sich auf den hölzernen Stuhl am großen Tisch fallen. „Kann ich beim Äpfelschälen helfen?“

„Lass nur gut sein. Stärke dich erst einmal mit frischem Brot und Wasser. Und dann erzähl mir, was dich in unsere Gegend verschlagen hat.“ Nebenbei stellte sie noch ein Näpfchen mit Salz, einen Schmalztopf und frische Brühgurken vor seine Nase.

Finn ließ es sich munden und erzählte von seinem Vorhaben.

„Du suchst das Kraut der Bescheidenheit? Davon habe ich auch schon gehört. Damals war ich in deinem Alter, gefunden habe ich es nie. Früher, übrigens, bekam ich von meinem Vater eine Backpfeife, wenn ich mehr wollte, als ich gebrauchen konnte.“

Ihm blieb der Bissen im Halse stecken und seine Ohren begannen hitzig und rot zu werden. Hatte er doch recht ordentlich bei der Mahlzeit zugelangt, als ob er wochenlang nichts zu essen bekommen hätte. Mit der Hälfte der Ration wäre er auch satt geworden. Oh, kleiner Finn, du musst noch viel lernen ...

„Der Weg, den du eingeschlagen hast, ist richtig, gehe ihn nur guten Mutes. Am Ende wird es sich gelohnt haben. Gleich hinterm Haus führt er weiter und bis zum Nachmittag hast du die Parthenquelle erreicht.“

Sogleich sprang er auf, bedankte sich brav für die gute Bewirtung und eilte zur Tür hinaus. Was mag das nur für ein Kraut sein, das er finden soll?

*

An der Parthenquelle

Am Ziel angekommen, dem Beginn der Wanderung, ließ sich Finn erschöpft in das weiche Moos fallen. Erst einige Zeit später entdeckte er neben sich ein freundlich dreinblickendes Mütterlein, das in fließendes Gewässer gehüllt war und Augen wie dunkle Seen hatte. Als sie zu sprechen begann, war es, als hörte Finn einen sachten Sommerregen auf das Blätterdach des Waldes niedergehen.

„Ich bin Hannah, die Wächterin der Parthe und deren Wiesen und Auen im Schwemmsandland. Du hast mich gefunden und ganz bestimmt einen Wunsch, den ich dir erfüllen kann.“

Ihm fielen zwischen ihren Haarsträhnen kleine grüne Wasserlinsen auf und am Rocksaum waren bläulich schimmernde Fische aufgestickt. „Kannst du mir helfen? Ich suche das Kraut der Bescheidenheit.“ Schnell schickte er noch ein „Bitte“ hinterher.

„Suchen musst du es selber, aber ich werde dich auf deinem Weg begleiten, mal sichtbar, mal unsichtbar“, versicherte Hannah. „Damit sich dein Blick weitet für die Schönheiten der Natur, nimm einen Schluck von meinem Himbeersirup und vermische ihn mit Sprudelwasser aus der Quelle. Es wird dir frische Kraft geben.“

Finn tat, wie ihm geheißen, musste sich allerdings für seine Tat sehr überwinden. Als er seinen Becher mit dem kostbaren Nass füllen wollte, stieg ihm ein fauliger, unangenehmer Duft in seine Nase und er rümpfte diese sogleich. „Nur zu, tu dein Werk. Das Wasser ist sauber, schmeckt köstlich und wird dich erfrischen. Lass dich nicht vom Namen des kleinen Baches abschrecken. Er kommt aus der uralten slawischen Sprache und bedeutet nichts anderes als: die Stinkende.“

„Die Stinkende – das trifft es wirklich!“, meinte Finn.

„Kannst du dir erklären, warum das so ist? Nein? Ich erzähle dir eine überlieferte Geschichte ...“