Geschichten aus Saramee 4: Der Bratengott - Christian Endres - E-Book

Geschichten aus Saramee 4: Der Bratengott E-Book

Christian Endres

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Beschreibung

Jemand stiehlt dem alten Bolter gegrillte Echsenschwänze – und schwingt sich dort nicht ein maskierter Schatten durch die Nacht? Erleben Sie Saramee von seiner anspielungsreichsten Seite … Inhalt Der Bratengott Helden der Nacht

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Christian Endres

Geschichten aus Saramee 4: Der Bratengott

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Geschichten aus Saramee Band 4

 

Saramee - Stadt der Vertriebenen

 

Der Bratengott

Autor: Christian Endres

Geschichten aus Saramee  Band 4

Der Bratengott

Der Bratengott

So weit Argus wusste, gab es in diesem wie im nächsten Leben keine Orden für Barmherzigkeit und ritterliches Verhalten – erst recht nicht in einer Stadt wie Saramee. Dabei war es dem hageren Ermittler völlig egal, was die unzähligen Priester, Prediger und Propheten, die man tagsüber an jeder halbwegs belebten Straßenecke antraf, ohne Unterlass und aus dem Brustton der Überzeugung heraus über ein Leben voll guter Taten und eine spätere Belohnung in ganz und gar himmlischen Sphären verkündeten.

Argus war ungeachtet der feurigen Reden und flammenden Manifeste dieser selbsternannten Frömmler fest davon überzeugt, dass ein Mann niemals umsonst arbeiten sollte. Wenn man vorübergehend schon keinen Auftrag ergattern konnte, dann war es seiner Einschätzung nach das Sinnvollste, sich einfach in eine stille Ecke zu setzen, die Füße hochzulegen und einen Krug Wetah zu genießen, bis die Lage durch die Launen des Schicksals von sich aus eine Besserung erfuhr und man wieder im Geschäft war, um nach dieser kurzen Pause dann eben wieder das zu tun, was man am besten konnte – gegen eine angemessene Entlohnung, versteht sich.

Zu seinem Bedauern brachte Argus’ Profession es immer wieder mit sich, dass er hie und da ein leichtfertiges Versprechen geben und sich auf manch einen krummen Handel einlassen musste, auf Grundlage dessen sich einzelne Personen immer wieder erdreisten konnten, später an ihn heranzutreten und eine Gegenleistung für frühere Gefälligkeiten oder Informationen zu fordern – ohne dass eine angemessene Entlohnung in Aussicht stand.

Oh, wie Argus diese Parasiten hasste! Erst recht natürlich, wenn er sich so wie im Fall des alten Bolter nun, der ihn in einer knappen Nachricht darum gebeten hatte, ihn an seinem Stand in der Stadtmitte zu besuchen, nicht einmal mehr genau daran erinnern konnte, was für ein Gefallen das überhaupt gewesen war, für den da nun plötzlich ein Ausgleich gefordert wurde.

Unglücklicherweise trieb irgendein nebulöser Gesprächsfetzen gerade noch nahe genug an Argus’ Erinnerungsvermögen vorbei, um die Bitte des alten Mannes nicht einfach mit einem Schulterzucken abzutun. Außerdem hatte Bolter einen nicht zu unterschätzenden Vorteil auf seiner Seite, der es Argus ohnehin schwierig gemacht hätte, dem alten Mistkerl einen Wunsch abzuschlagen und nicht wenigstens einmal kurz bei ihm vorbeizuschauen:

Gebratene, heiße, fettige, knusprige Köstlichkeiten.

Schon seit ewigen Zeiten betrieb der alte Bolter am Rand eines der vielen öffentlichen Brunnenplätze im Zentrum der Stadt einen kleinen Stand, wo er gegrillte Leckereien aller Art verkaufte. Vom Parcelaflügelchen bis zur Mantuarippe fand man alles auf Bolters Grill – einem ofenartigen Konstrukt aus drei großen Steinblöcken, dreizehn dünnen Eisenstangen und einigen braun gestrichenen Holzlatten – solange es sich nur braten oder garen ließ.

Die Gasse, deren engen Zugang Bolter mit seinem Stand und den dort feilgebotenen Mahlzeiten für Zwischendurch einnahm, war nicht einmal zwei Meter breit und im Grunde nicht mehr als der naturgegebene Abstand zwischen den beiden zweistöckigen Häusern links und rechts daneben. Da es sich obendrein um eine Sackgasse handelte und Bolter mit seinem Gewerbe seit mehr als zwanzig Jahren Anspruch auf den Platz erhob, kannte man das Gässlein schon seit Jahren nur noch als Bratengasse.

Bereits von Weitem erspähte Argus den kleinen Stand mit seinem weißhaarigen Besitzer. Als er schließlich auf knapp zehn Meter herangekommen war, stieg ihm auch schon das unverkennbar-köstliche Aroma von heißem Fett und gebratenem Fleisch in die Nase, das wie eine Wolke über dem Platz hing. Der alte Bolter erkannte Argus nur wenige Augenblicke später und winkte dem Ermittler mit einer langen Metallzange zu, die gleichermaßen dem Umdrehen seiner fettigen Spezialitäten wie dem Vertreiben von Fliegen und Käfern diente und die, vorausgesetzt, dass er sie kurz zuvor in heißes Fett getaucht hatte, auch als Waffe nicht gänzlich ungeeignet war.

Die Morgensonne stand zu dieser frühen Stunde noch recht tief und lugte wie das monströse Auge eines Gottes in den schmalen Spalt zwischen den Häusern, sodass Argus, als er die Hälfte der Distanz zwischen sich und Bolters Stand überwunden hatte, den Kopf ein wenig zur Seite drehen musste, um dem starrenden Blick der Sonne zu entgehen.

Genau in dem Moment aber, da er den Kopf abwandte, glaubte er aus den Augenwinkeln heraus ein Blitzen über der Bratengasse wahrzunehmen – als er allerdings noch einmal neugierig in die Sonne blinzelte, sah er nichts weiter als das blutige Rot des monströsen Götterauges.

Und spätestens als er im nächsten Augenblick auch noch gegen ein keuchendes Hindernis prallte, war das Aufblitzen vergessen.

Erschrocken wich Argus vor der schlanken Gestalt zurück, mit der er zusammengestoßen war – einem dürren, glatzköpfigen Mann mittleren Alters, der eine grüne Tunika trug und dessen kahlgeschorener Kopf von einem wirren Muster schuppenartiger Tätowierungen geziert wurde, während in jedem seiner Ohren mindestens fünf kleine Silberringe baumelten.