Geschichten aus Saramee 8: Opfergaben - Chris Schlicht - E-Book

Geschichten aus Saramee 8: Opfergaben E-Book

Chris Schlicht

0,0
0,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Elendsviertel von Saramee drohen im Dreck zu versinken, doch Platz für einen Abwasserkanal ist nicht vorhanden. Aber Unmögliches existiert für Baumeister Gerakas nicht … Inhalt Opfergaben von Chris Schlicht Neue Wege von Chris Schlicht

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Chris Schlicht

Geschichten aus Saramee 8: Opfergaben

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Geschichten aus Saramee Band 8

 

Saramee – Stadt der Vertriebenen

 

Opfergaben

Autorin: Chris Schlicht

 

Geschichten aus Saramee Band 8

Opfergaben

Opfergaben

Aki beobachtete aufmerksam, wie Gerakas das Dreibein und die Metallschiene sorgfältig mit dem Senkblei und der kleinen Wasserlinse ausrichtete. Eigentlich war es ein sinnloses Unterfangen, doch Gerakas wollte – musste es genau wissen.

Der junge Baumeister bückte sich, peilte über die Metallschiene hinweg und wies einen der Arbeiter an, mit der großen Schlauchwasserwaage zur anderen Seite der Ansiedlung zu gehen, während Aki das Ende des Schlauches festhielt. Als der Arbeiter an seinem Ziel angekommen war, spritzte das Wasser aus dem Schlauch in Akis Hand und er hielt ihn erschrocken hoch. Immer noch lief das Wasser heraus. Erst als der fast einen Kopf größere Gerakas zupackte und das Ende hoch hielt, hörte es auf.

»Verdammt, das wird nie was!« fluchte der Baumeister und winkte den Arbeiter zurück. »Wir können den Abflusskanal nicht um die Stadt herum legen. Außer es gelingt uns, dem Wasser zu befehlen, bergauf zu fließen.«

Aki nickte und sah betreten auf seine schlammverkrusteten Schuhe hinunter. Gerakas Blick hingegen blieb auf einer Gruppe Kinder hängen, die schon lange in ihrer Nähe standen und gebannt zusahen. Diese Kinder hatten keine Schuhe, nicht einmal richtige Kleidung. Sie starrten vor Schmutz und sahen allesamt krank und unterernährt aus. Ein kleines Mädchen stand ein bisschen abseits der anderen. Aus gutem Grund. Die Arme, Beine und das kleine Gesicht des Mädchens mit den in den tiefen Höhlen unnatürlich groß wirkenden Augen waren übersät mit einem schmerzhaften Ausschlag. An manchen Stellen war die Haut aufgebrochen und entzündet. Die Krankheit würde sie bald das Leben kosten und war hoch ansteckend, deshalb mieden die anderen Kinder das Mädchen. Gerakas konnte nur mit knapper Not verhindern, dass ihm die Tränen in die Augen schossen.

»Deswegen sind wir hier …«, murmelte er.

Aki sah ihn fragend an und folgte dann Gerakas Blick. Ja, deshalb hatte man sie hierher geschickt. Weil der Stadtrat von Saramee Angst hatte, dass diese armen Menschen, die vor der Stadtmauer im Dreck siedelten, ihre Krankheiten in die Stadt hinein brachten. Das zu verhindern, indem man die Leute gar nicht erst herein ließ, war so gut wie unmöglich. Daher hatte der Rat etwas halbherzig beschlossen, die Elendsviertel wenigstens mit einer guten Wasserversorgung und Abwasserabflüsse auszustatten. Der Auftrag war Gerakas erteilt worden, der sich in den drei Jahren, die er nun schon in Saramee weilte, einen guten Namen als Baumeister gemacht und mit seinem Können schon so manche unüberwindlich scheinenden Probleme gelöst hatte. Aber hier stieß auch er an eine Grenze.

»Ich muss da noch mal drüber schlafen!« Resigniert sanken Gerakas Schultern nach unten und er begann, seine Messinstrumente abzubauen.

»Sieh es ein Gers, es geht nicht, wir können das Abwasser nicht um die Stadt herum ins Meer leiten. Bestenfalls unter der Stadt hindurch, aber das wird man dir, selbst wenn es machbar wäre, nicht genehmigen.« Aki rollte den Wasserschlauch zusammen und sah den Baumeister an. Dessen verbissener Gesichtsausdruck sagte ihm, dass seine Worte nicht angekommen waren. Gerakas würde noch nicht aufgeben.

»Es gibt immer einen Weg!« Gerakas sah noch einmal die Gruppe schmutziger Kinder an. »Und ich werde ihn finden!«

* * *

Aki fand Gerakas im ‚Fetten Agrial’, wie fast jeden Abend nach der Arbeit. Der Wirt zahlte den Baumeister mit Naturalien aus, weil Gerakas ihm einst aus der Patsche geholfen hatte.

Ein Anbau war mangels Platz unmöglich erschienen, jetzt krönte ein filigraner Überbau das Gasthaus, der wegen seiner abenteuerlichen Konstruktion in aller Munde war. Verwegen überspannte er eine Straße, ähnlich einer Brücke, war aber nur auf einer Seite mit festem Grund verbunden. Mit dieser ersten Arbeit hatte sich Gerakas seinen guten Ruf geschaffen, auch Unmögliches möglich zu machen. Dafür hatte er jetzt Wetah und Abendessen auf Lebzeiten frei. Das war ein guter Handel, denn die Frau des Wirtes war eine ausgezeichnete Köchin und das Selbstgebraute einfach einmalig.

Auf einem kleinen Tisch mit Eckbank waren die Stadtpläne und die vielen Zettel mit Berechnungen ausgebreitet, dazwischen thronte Gerakas mit einem Krug Wetah, tief in Gedanken versunken.

»Na, Gers, der Lösung näher gekommen?«

Gerakas blickte auf, seine himmelblauen Augen sahen den Vorarbeiter unverwandt an, als würde er ihn gerade nicht erkennen. »Ah, Aki … vielleicht, ja!«

Aki runzelte die Stirn und zog sich einen Stuhl heran. »Wie jetzt? Einen Weg, das Wasser erst rund hundert Fuß bergauf fließen zu lassen?«

»Nein. Aber die Leute, die in der Nähe des Sumpfes im Norden am Meer siedeln, behaupten, dass dort aus einer Höhle Wasser ins Meer fließt, das nicht aus dem Sumpf kommt, sondern von den Feldern im Dschungel weiter östlich. Wenn das stimmt, wenn es tatsächlich einen unterirdischen Kanal oder einen natürlichen Tunnel gibt, dann bräuchten wir uns da nur dran zu hängen. Vielleicht ist es ja ein System des Alten Volkes. Wir müssen es nur finden!«

Gerakas Hände spielten unruhig mit den Plänen auf dem Tisch. Es musste diesen Kanal einfach geben, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Er hatte es schon mehrmals durchgerechnet, alle Varianten. Wenn man ihm nicht gestattete, einen Kanal durch die Stadt selbst zu bauen, war es einfach unmöglich.